Eines Tages steht er vor der Tür, der neue Wagen: mehr PS, top Spritverbrauch, aller Schnickschnack. Aber wie man ihn vermisst, den alten klapprigen Ford. Ein Abgesang
Längst steht ein Funkelnagelneuer, Schickerer, Größerer vor der Tür. Ein sogenannter Kombi. Mit mehr Pferdestärken, aber weniger Spritverbrauch (uns können sie ja viel erzählen) und allem möglichen Schnickschnack (begeistern kann mich allerdings allenfalls die Lordosenstütze). Aus verschiedenen mal mehr, mal weniger guten Gründen bin ich auf einen angewiesen. Weiter„Man wird ja wohl noch mal tuten dürfen“
Die Kölner Fans taumeln glückselig durch die Saison. Bis jetzt. Die ersten Niederlagen bringen den Schmerz zurück. Was hilft: Das Leid teilen. Wie im echten Leben.
Übrigens, das ist keine Einbildung, das ist wirklich wahr: Das Stadion ist der Ort der Poesie und zwar der Poesie der Katharsis. Man braucht nur ein bisschen Geduld, bevor die innere Reinigung abgeschossen ist. Zum Beispiel neulich im Berliner Olympiastadion. Das Spiel ist eigentlich schon vorbei und, obwohl die Niederlage schon feststeht, ereignet sich trotzdem noch ein kleiner Glücksmoment. Wir sind im Block F3 und warten noch ein paar Minuten bis die meisten draußen sind, nur die blauweiße, düstere Wand der Berliner Fans, die den ganzen Nachmittag über in Wellen ihren dumpfen, tierhaften Siegesgesang herüberschwappen ließen, ist auch noch da. Weiter„Die Halbangst im Nacken“
Du singst für eine Angebetete, die aber mit Musik leider gar nichts am Hut hat? Das zeugt schon von Humor. Der verstorbene Liedermacher hatte eine Menge davon.
Natürlich habe ich geweint, morgens um sechs in der Küche, die Fenster der Nachbarn gegenüber schwarz, der Himmel darüber noch dunkler. „Weißt Du, wer gestorben ist?“ fragte mich meine Frau, und ich wusste es, obwohl ich es nicht wissen konnte, und hielt das Lied, das gerade im Radio kam, fälschlicherweise für einen Cohen-Song, obwohl doch eindeutig eine Frauenstimme sang, alle Lieder waren in diesem Moment von ihm.
Und natürlich habe ich nicht um Leonard Cohen geweint, sondern um mich selbst. Um die erste große Liebe, mit der ich immer Songs From a Room hörte in ihrem großen weißen Zimmer. Um den Freund, den ich in seinem Blut und Erbrochenen fand, die Pulsadern aufgeschnitten, das leere Chorbleichegebinde daneben, aber er lebte und fragte mich: „Kannst Du Songs of Love and Hate auflegen?“ und ich konnte, und während wir auf den Notarzt warteten, hörten wir Avalanche. Und natürlich weinte ich um die bittere Erkenntnis, dass wir, wenn es selbst jemanden wie Cohen erwischt, alle irgendwann sterben müssen, there ain’t no cure, weder für die Liebe noch das Leben, diese verdammte Krankheit zum Tode. Weiter„Über Leonard Cohens unfassbare Komik“
Krieg zerstört Körper. Und er erzeugt sie. Als Speicher für Erinnerung und Sprache. Selten zeigt sich das so eindrücklich wie in den Gedichten von Ocean Vuong.
Glas, später (Warten / Vergessen)
Das Glas erscheint später, und es wird nur eine Erzählung gewesen sein: Seit Monaten sind sie auf diesem Schiff; Wasser, so weit das Auge reicht; keine Richtung. Von Küsten spricht er ohne Artikel. Salt in our sentences. Die Stadt, die sie verlassen hatten, ist namenlos geworden. Auf den Straßen lag das, was übriggeblieben war, zerbrochene Baguettes, zerdrückte Croissants vor der Bäckerei nach ihrer Bombardierung; Tauben auf diesem Asphalt. Das Karussellpferd war schwarz von Ruß, weiße Hyazinthen, September. Das sind die letzten Bilder, die sie mitgenommen haben werden. Die Frau ist schwanger. Everyone can forget us – as long as you remember.Weiter„Eine Poetik des Knochenbrechens“
Es gibt keine Fakten mehr und Lesen sollte verboten werden. Unser Autor hat ausprobiert, was passiert, wenn sich ein Schriftsteller auf den Trampelpfad gefühlter Wahrheiten begibt.
Wie lang es manchmal dauert, bis man sieht, was längst vor Augen steht. Ne lisez jamais, zum Beispiel. Lesen Sie niemals! Wann dieser seltsame Satz an die Außenmauer eines Charité-Gebäudes in Berlin gesprüht worden ist, kann ich gar nicht sagen, obwohl ich jeden Morgen daran vorbeifahre.
Eine gute Frage wäre jetzt, was die bisherige Wahrnehmungsschwelle an diesem einen Morgen so herabgesetzt hat, dass mir der Satz plötzlich ins Auge sprang. War etwa, nachdem ich gerade gestern auf mubi.com den Godard-Film Masculin –Feminin entdeckt hatte, die Leiche meiner Französischkenntnisse wiederbelebt worden? Und mit ihr die Erinnerung an den Französischunterricht? Und gleichfalls an den Französischlehrer, der immer einen vom Pferd erzählt hat, von seinem Pferd? Gut möglich. Weiter„Von zu viel Denken schrumpft das Hirn“
Der Elektronikmarkt ist ein Ort der kindischen Sehnsüchte. Aber Erwachsene brauchen doch eigentlich nichts. Außer dem neuen Smartphone mit 100 Zoll Bildschirmdiagonale natürlich!
Einen der wesentlichen Vorteile am Erwachsensein vergesse ich regelmäßig, nämlich dass ich mir meine Wünsche jetzt selbst erfüllen kann. Ich gehe nur leider so ungern in Geschäfte. Meistens komme ich gar nicht auf die Idee, mein Leben spielt sich zwischen Postfiliale, Sparkassenfiliale, Netto, Mülltonne und Mister Minit ab, wo ich mir in der Euphorie über eine gelungene Schuhreparatur manchmal bunte Plastikringe leiste, die man auf seine Schlüssel steckt, um sie am Schlüsselbund besser unterscheiden zu können.
Nur wenn ich auf Reisen bin, bekomme ich manchmal Lust, ein anderes Geschäft zu betreten, vor allem, wenn es ein Fachgeschäft ist, das speziellere Wünsche befriedigt, für die im Alltag keine Zeit bleibt. In Bonn stieß ich neulich beim Spazieren an einer stark befahrenen Ausfallstraße, wie ich sie gern als Spazierweg wähle, weil mich das Rauschen der Autos beruhigt, und weil ich dort sicher sein kann, nicht von allzu hübschen Stadtdetails abgelenkt zu werden, auf einen Konsumbunker, der Heim für ganz unterschiedliche Fachgeschäfte war, im zweiten Stock lockte Conrad Electronic. Weiter„Und es hat Zoom gemacht“
Shakespeare sagt Signierstunde ab, Goethe hat keinen Knabberkram zu Hause, Kafka steht traurig zwischen Fans: In Frankfurt eröffnet die Buchmesse. Auch nicht immer schön.
698 v. Chr.:
Die erste Frankfurter Buchmesse wird mit einer Festrede von Homer feierlich eröffnet. Schon von Beginn an gilt sie als großer Erfolg, mit insgesamt einem Aussteller (Homer), rund einer Veranstaltung (Lesung der Ilias) und zwei zahlenden Gästen (Homers Frau und ein Oberstudienrat aus dem Frankfurter Raum, der sich vor allem für zeitgenössische griechische Epik interessiert). Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels ist in diesem Jahr Homer. Bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises setzt sich Homer durch. Weiter„Die Höhepunkte aus 2.714 Jahren“
Wir kommunizieren nicht mehr, wir überschreien uns nur noch. Schuld daran ist nicht die Politik, sondern das Internet. Wir brauchen einen digitalen Verhaltenskodex.
Gegenwärtig ertönt ein Gebrüll, das von Wut, vor allem jedoch von einer herrischen Unduldsamkeit zeugt, die Dialog und Diskussion, mithin die Meinungsvielfalt, durch das gute, alte Basta ersetzt sehen will, das uns die spanische Soldateska des Dreißigjährigen Krieges hinterlassen hat: Als einzig wahre Wahrheit, die jeden, der sie nicht teilt, zum Ungläubigen macht. Weiter„Gebrüll ist keine Sprache“
Die Rapperin Kate Tempest ist eine grandiose Bußpredigerin, die uns erhellt, ratlos macht und berauscht. „Let Them Eat Chaos“ ist das Album des Herbstes. Mindestens.
Eine Stimme aus dem Nichts: „Picture a vacuum“. Leichter gesagt als getan, stell dir einen luftleeren Raum vor, wie soll das gehen? Genauso gut könnte die Stimme sagen: Denk an nichts. Entleere deinen Geist. Vergiss alles, was du zu wissen glaubst, kratz die Erinnerungen von der Wachstafel deines Gedächtnisses, schalte dein Smartphone in den Flugmodus und hör mir gut zu. Eine Aufforderung zur Meditation, ein koan, über das ich erst mal ein paar Jahre gründlich nachdenken müsste. Einerseits. Weiter„Tanz den Vorhöllenlimbo“
Mit der Show Curvy Supermodel verspricht RTL 2 all jenen Erlösung, die nicht in Heidi Klums Schlankheitsideal passen. Sieht so die Emanzipation vom Magerwahn aus?
Ich habe die überaus erfreuliche und beruhigende Nachricht bekommen, dass sich RTL 2 in Zukunft um die Dicken kümmern wird. Wahrscheinlich nicht um alle, aber immerhin um die dicken weiblichen Mitglieder unserer Gesellschaft.
Die Ankündigung des Events ist vollmundig: „Neue Kurven braucht das Land!“ Das neue Showformat bei RTL 2 für Models mit gesunden Rundungen erweitert das gängige Schönheitsideal und zeigt, wie der Pressetext verrät, „dass sich Schönheit nicht mit dem Maßband messen lässt“.