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Johanna Borchert & Band

Mit kindischem Klimpern begann, was heute eine famose Karriere ist: Johanna Borchert, unter anderem Jazz-Echopreisträgerin als Sängerin des Jahres 2015, ist spätestens mit ihrem Album FM Biography der Schritt in die breitere Öffentlichkeit gelungen. Darin hat sie erstmals ihre Vocals in den Vordergrund gestellt, eine vielseitige, dunkle und klare Stimme, die in karger Besetzung mit Koryphäen wie Fred Frith lakonisch schöne Lieder singt, frei von Klischee und Attitüde. Aus mysteriösen Klängen, experimenteller Lust und großer Virtuosität entwickeln sich kleine Klangkosmen, die tiefe Ruhe und Detail ausstrahlen, fast wie Landschaftsmalerei. Auch solo ist die gelernte Pianistin immer einen Besuch wert, zu Women in Jazz im Nochtspeicher kommt Sie in Bandbesetzung mit Moritz Baumgärtner, Jonas Westergaard und Peter Meyer.

Text: Georg Kühn

 

Art Godot

Was aussieht wie Öl auf LSD oder eine trickreiche Rakel- oder Ziehtechnik, ist einst am Computer entstanden und nun, nach längerer Suche, von einer Druckerei aus Westfalen in die physische Welt geholt worden. Die vom Namen des Künstlers inspirierte Art Godot lässt an Samuel Beckett denken, aber spröde und lakonisch geht es hier nicht zu. Ihre Verbindung ist der Wahnsinn, der beide Künstler zu befeuern scheint. Allerdings in ganz unterschiedlichen Formen: Ist es bei Beckett eher Autismus, so sprüht bei Gode Wilke die wilde Manie. Farbschleier in verkrümmten Figuren von vermeintlich unterschiedlichster Materialität überfordern den Betrachter auf berauschende Weise. Dichte und Farbintensität verursachen nach Kurzem ein Flimmern auf der Retina und Alkohol zu trinken erübrigt sich an diesem Abend. Wie weit man sich nach Sichtung noch an „Klimawandel, Energiewende, Urbanisierung etc …“ gemahnt sieht, liegt dann im flackernden Auge des Betrachters. Art Godot vom 25.10. – 20. 11.2015.

Text: Georg Kühn

 

While You Weren’t Looking

In ruhigen, großen Bildern erzählt While You Weren’t Looking von den Schwierigkeiten einer Jugendlichen im heutigen Kapstadt, ihre sexuelle Identität zu erforschen. Sie begegnet Diskriminierung und Ausgrenzung, vor allem auf sozialer Ebene, in einem Land, in dem die Ressourcen immer noch sehr ungleich verteilt sind. Das Misstrauen der Kasten gegeneinander, der Sexismus und die Naivität der jungen Upper-class-Frau bilden ein komplexes Geflecht, das die südafrikanische Gesellschaft von heute auf deskriptive und wenig wertende Weise darstellt. Allein die Zahl der verwendeten Sprachen zeigt die Vielfalt, aber auch das Dilemma dieses pulsierenden Landes: in Englisch, Xhosa und Afrikaans. Der Film von Catherine Stewart wird am Sonntag im Rahmen der Lesbisch-Schwulen Filmtage im Metropolis Kino gezeigt.  Gleich darauf folgt die Abschlussgala des Festivals mit Vergabe der sieben Auszeichnungen.

Text: Georg Kühn

 

‚an, komen

Etwa 1.300 minderjährige Flüchtlinge leben ohne Familie in Hamburg. Sie sind aus ihrer Heimat vor Krieg, Zerstörung und Ausbeutung geflohen und haben meist einen langen, einsamen Weg hinter sich, geprägt durch Leid und Elend. Der Regisseur Gernot Grünewald, 2011 mit dem Hauptpreis des Körber Studios Junge Regie ausgezeichnet, setzt sich in ’an, komen mit den Problemen auseinander, die entstehen, wenn Kinder und Jugendliche traumatisiert und ohne Eltern in einem für sie fremden Land ankommen. Wie finden sie hier ihren Platz? Wie reagiert die Gesellschaft? Grünewald war im Rahmen der diesjährigen Lessingtage mit der Produktion Kinder | Soldaten im Thalia in der Gaußstraße zu Gast. Dafür hat er mehrere Monate lang nach Deutschland geflüchtete Kindersoldaten interviewt. Das Stück ’an, komen ist die thematische Fortsetzung. Am Samstag feiert das Stück im Thalia Premiere. Weitere Aufführungen folgen.
Text: hb

 

KEØMA & Le Very

Hymnischer Gesang á la Chris Martin vor einem detailreich geknüpften Teppich aus Keyboards und Gitarreneffekten, der Beat setzt erst bei 2:15 ein, da ist das tolle Stück auch bald vorbei. So kommt Pines daher, der erste Titel in KEØMAs Soundcloud. Sehnsucht und sanfter Sound in berührender Mischung. Kat Frankie aus Sydney und der Kölner Chris Klopfer haben eine Weile gebraucht sich zu finden und gehen hoffentlich noch einen weiten Weg gemeinsam, gerne immer im Herbstlaub („I’m a dead man walking…„). Tighter geht es bei Le Very zu, auch klamottentechnisch, tanzbare Popperlen irgendwo zwischen Underworld und Crowded House, versammelt auf ihrem brandneuen Debut V. Vorsicht aber in der Dosierung, hier herrscht höchste Ohrwurmgefahr.

Text: Georg Kühn

 

Homeparkpress: Chapter One

Dank der internationalen Garde sind sämtliche der spärlichen Informationen des Homeparkpress-Verlags in Englisch geschrieben. Der Autor übersetzt die wesentlichen Auszüge: ein Abend mit Freunden, Fotografie, Büchern und DJ. Aller Hipness zum Trotz werden hier tatsächlich sehenswerte Arbeiten gezeigt, so wie das Beitragsmotiv von Christopher Anhalt aus Hamburg, das unter den Palmen von Florida entstanden ist. Noch nicht so definiert in ihrer Formsprache, aber nicht minder interessant, die New Yorkerin Oreo JM Cho, die letztes Jahr an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam graduiert hat. Verfremdung als Raum der Sehnsucht, so könnte man die Arbeiten der Berlinerin Birgit Krause beschreiben, während der Porteño Henrik Malmström sich der krassen Ästhetik maroder Urbanität widmet. Fotografie im digitalen Zeitalter ist ein eklektisches Meer mit steigendem Spiegel, stets gespeist von einer Flut meist technisch korrekter Bilder und man kann dankbar sein, dass ein Verlag die Trüffel findet und uns so freundschaftlich kredenzt – nicht ganz unabsichtlich ganz in der Nähe der Deichtorhallen.

Text: Georg Kühn

 

Akaak & Semi Silent

Wenn Akaak auflegt, wabern sehr gechillte Beats durch den Raum und schaffen umgehend einen lässigen Ort, an dem die Uhrzeit Makulatur wird. Kein Wunder, ist er doch Teil des DJ-Projekts Sutsche. Ebenso laid back auch sein Kollege Semi Silent, Claps auf die zwei, Discogirls in den Background und wer jetzt nicht tanzt, der war nicht da oder holt gerade sein Bier an der Bar. Tiefenentspannt ist auch die Tür: Eintritt frei heißt es da einfach mal. Häkken, der blutjunge Club auf dem Spielbudenplatz hat ein Herz für den Housejünger mit Dürre in der Börse und bietet regelmäßig ein feines Programm, oft für lau und nie umsonst. Mittwochs bis samstags kann man hier ab 18 Uhr vorglühen oder nachbrennen. We love Sankt Pauli, we do!

https://soundcloud.com/semisilent

 

Gerd Janson & Smallpeople

PAL, das kennt die Jugend bald nicht mehr, bezeichnet neben dem Hundefutter aus den sechziger Jahren ein Verfahren zur Farbübertragung im analogen Fernsehen. Live und in Farbe legt im gleichnamigen Club im Karoviertel Gerd Janson auf, bekannt für seine souligen House-Sets, die ausgewogen und harmonisch aus einem Guss sind. Smallville Records holt den Panorama-Bar-Resident nach Hamburg. Das Label ist selbst gar nicht mehr so klein und feiert bereits elf Jahre lang Plattenreleases und neun Jahre Recordstore sind auch schon auf der Uhr. Die Macher, Julius Steinhoff und Just von Ahlefeld, legen unter dem Decknamen Smallpeople selbst saubere Sets auf. Heißer Termin also und vielleicht nicht ganz so spät kommen, diese Nacht wird dank Zeitumstellung eine Stunde kürzer ausfallen. Aber die Kurzen an den Tellern werden schon passend an der Uhr drehen.

 

Uniform meets Shadowhouse

Ihr wollt euch zu Beginn des Wochenendes direkt musikalisch in Stücke reißen lassen? Dann sei euch das Hafenklang ans Herz gelegt. Gleich mehrere Bands stellen hier euer Trommelfell live auf die Probe. Die Nihilistic-Noise-Rock-Band Uniform aus Brooklyn spielt einen Soundtrack passend zum Nervenzusammenbruch unserer Gesellschaft. Die Live-Shows der Band gehen durch und durch. Sie seien brutal, auf Konfrontation aus und hätten dennoch viel Rhythmus im Blut, steht auf der Seite des Hafenklangs. Band Nummer zwei macht Musik unter dem Motto „Play loud, Dance slow„. Shadowhouse aus Portland mischen die Genres Postpunk und Goth und sind damit nicht weniger laut als ihre Mitstreiter des Abends.

 

26 Jahre Rote Flora

„Kommen die Leute hier eigentlich hauptsächlich für Zugezogen Maskulin oder eher wegen der Veranstaltung an sich?“, fragt Facebook-Nutzer eins. Ein weiterer hofft, dass „nicht zuu viele Yuppies un Hipster“ (sic!) aufschlagen. Was ist da wohl los? Ganz einfach: Die Rote Flora wird ein Jahr älter und feiert u.a. mit einem Konzert der Rap-Kombo Zugezogen Maskulin und Missy Mies die 26-jährige Instanz im Schanzenviertel. Was auch immer einen bewegt vorbeizuschauen, es lohnt sich – musikalisch oder weil man die Rote Flora feiern möchte, beim Konzert oder bei der Party danach. Mit dem neuen roten Anstrich hat sich sicher einiges verändert, aber „solange die Rosen im Florapark mit Wasserwerfern gegossen werden, muss irgendetwas richtig gelaufen sein.“ Einen Vorverkauf gibt es nicht. Wer zuerst kommt, malt zuerst – vielleicht auch die Flora an. Das sollte in alter Tradition aber okay gehen.

Text: Andra Wöllert