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Melodic-Techno

Agents of Time laden zum DJ-Set in die Villa Nova. Andrea Di Ceglie, Fedele Ladisa und Luigi Tutolo heißen die drei Herren, die grundsätzlich in schwarzen Kutten auftreten und in diesem Jahr mit ihren Veröffentlichungen und Live-Sets einiges an Staub aufgewirbelt haben. Ihr innovativer Sound ist eine Verschmelzung aus Ambient, Electronica und Techno passt perfekt in eine Zeit melancholischer, elektronischer Musik, durch Verwendung von Geräuschaufnahmen schaffen sie eine ganz eigene Atmosphäre. An diesem Abend kommen neben viel Elektronik auch analoge Instrumente live zum Einsatz im Villa Nova, dem Club, der das Erbe des Elektro-Kultladens EGO angetreten hat, mit neuer Sound- und Klimaanlage.

Text: Gaby Olufson

 

 

Seu Jorge

Seu Jorge ist ein Kind der Favelas. Er brachte sich selbst das Gitarre spielen und das vieler weiterer Instrumente bei. Seine sonore Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert und fügt sich flexibel in Samba, Reggae, Pop oder elektronische Musik ein. In Wes Andersons Die Tiefseetaucher spielte er einen Seemann, der Akustik-Versionen von David-Bowie-Klassikern sang. „Wenn Seu Jorge meine Lieder nicht akustisch auf Portugiesisch aufgenommen hätte, wäre mir die Schönheit, die er den Stücken verliehen hat, verborgen geblieben“, soll sich David Bowie über das brasilianische Ausnahmetalent geäußert haben. Neben weiteren Coverversionen, unter anderem von Michael Jackson und Serge Gainsbourg, kooperierte er mit aufregenden Musikern wie Talib Kweli, Jack Johnson, Damien Rice und Thievery Corporation sowie mit nationalen Größen wie Sergio Mendes, Bebel Gilberto, Marisa Monte, Badi Assad und Ana Carolina. Am Montag spielt er in der Großen Freiheit 36.

Text: Jakob Luy

 

P/ART

Das junge Kollektiv der Producers Art Fair P/ART stellt sich der Macht der großen Galerien entgegen und agiert nach gewohnt frischem Konzept: Mindestens zwei der Arbeiten jedes Künstlers sollten weniger als 1.000 Euro kosten und statt der üblichen 50 gehen nur 25 Prozent Verkaufsprovision an die Veranstalter. Dazu sind die Künstler vor Ort, es gibt Gesprächsrunden, man nimmt einen Drink zusammen – und abseits des aufgeblähten Kunstmarkts entsteht so ein unprätentiöses Come Together, das die Arbeiten und Ideen in den Mittelpunkt stellt.

Nach dem Start im Kolbenhof und der furiosen P/ART in den Phoenix Hallen im letzten Jahr zieht die Produzenten-Kunstmesse jetzt erneut an einen spannenden Ort: in das ehemalige Kraftwerk Bille in Hammerbrook. Zu sehen sind dort Skulpturen von Nils Kasiske, Zeichnungen von Paul-Kai Schröder oder Malerei von Simon Hehemann.

Abb.: Verena Schottmer, Trust the Dich, 2015
Text: Sabine Danek

 

„The Forecaster“

Das Folgende ist keine Fiktion sondern so passiert, zumindest wenn es nach der Recherche von Regisseur Marcus Vetter geht. In seinem Dokumentarfilm The Forecaster prangert er den Skandal um Martin Armstrong an. Dieser war einer der profiliertesten Investitionsberater der USA und es scheint, er kann in die Zukunft sehen. Er entwickelte in den 1980er-Jahren ein Computerprogramm, das die Russlandkrise 1998/99, die Dotcom-Blase 2000, die Finanzkrise 2007 und die Eurokrise 2009 vorhersagte. Ist dieser Mann ein Genie oder ein Scharlatan? Ist sein Code so brisant, dass alle hinter im her sind? Sollte hier jemand zum Schweigen gebracht werden? Im September 1999 stürmte das FBI sein Büro und verhaftete Armstrong wegen Betrugsvorwurf. Zwölf Jahre lang verbrachte er daraufhin ohne Urteil im Gefängnis, bevor er wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.

 

Visualleader 2015

Von der Fußball WM bis zum Flüchtlingsdrama, es ist wieder alles dabei, was die Welt 2014 bewegt hat und „selten war so viel Emotion in den Bildwelten wie diesmal“, sagt Jury-Vorsitzender Markus Peichl. Nie war die Flut von Fotos größer, nie wurden mehr Megapixel gebannt, umso wichtiger wird der inhaltliche und künstlerische Anspruch. So finden sich mehr zeitgenössische Künstler in der Ausstellung. Einige von ihnen sind Roger Ballen, Thomas Demand, Roni Horn, Richard Prince, Cindy Sherman, Collier Schorr und Thomas Struth. Das Bild dieses Beitrages stammt vom Fotografen und Programmierer Andrew Lubimow, 1985 geboren auf der Krim, der ein Jahr lang ukrainische Hooligans mit der Kamera und wahrscheinlich dem Verbandskasten begleitet hat. Ob diese oder eine der rund 200 anderen Arbeiten ausgezeichnet wird, wissen wir erst nach der Preisverleihung, bis dahin kann man sich die Bilder noch ganz unhierarchisch anschauen.

Text: Georg Kühn

 

Viva con Agua

Die in Hamburg ansässige Trinkwasserinitiative Viva Con Agua lädt zur bewusstseinserweiternden Feierei: Los geht es mit einer Diskussion zum Thema „Do They Know It’s Charity?“. Hier spricht unter anderem Kenias berühmtester Rapper Octopizzo über die Aspekte des sogenannten „Geldofismus“, einer Methode der Wohltätigkeit von Musikern und Co., die den Beteiligten ein gutes Gefühl geben und letzten Endes dem Künstler positive Publicity bescheren soll. Danach tritt Octopizzo live auf. Um 21 Uhr findet schließlich die Filmpremiere der Dokumentation Waterwater statt, einer RAPortage mit Marteria, Maeckes, Paul Ripke, Onejiru, Octopizzo, Marcus Staiger und Doreen Omondi. Zugänglich sind alle Programmteile umsonst und draußen, auch ohne Festivalticket. Mit am Start sind: Bobbie Serrano (Der 6te Lach), das Künstlerkollektiv Non Stopschwitzen, das Paul Ripke-Team und viele mehr.

 

Macbeth – Third World Bunfight

Mit seinen Inszenierungen, die das postkoloniale Afrika erforschen, sorgt der Südafrikaner Brett Bailey häufig für Gesprächsstoff, so etwa jüngst mit seinem Menschenzoo. Für seine neue Arbeit hat der Regisseur und Installationskünstler Giuseppe Verdis Oper Macbeth nach Zentralafrika transportiert und vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs im Kongo neu gedeutet. Bailey verbindet Shakespeares Stoff um Mord und Machthunger mit der erschütternden Realität in Afrika: kongolesischen Warlords, multinationalen Konzernen und korrupten Politikern. Mit seinen expressiven Bildern, starken Choreografien und lauter Kritik liefert das Stück eine auf neunzig Minuten und die Hauptfiguren verdichtete Version des zeitlosen Dramas, die aktueller und erschreckender nicht sein könnte.

Text: Natalia Sadovnik

 

Heartbeat

Das Lampenfieber hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht: Weil Justine (Stephanie Clattenberg) ihre eigenen Songs auf der Bühne vor Aufregung nicht performen konnte, musste sie den Traum vom Singen aufgeben. Mittlerweile sind ihre großen Pläne in einer festgefahrenen Welt zusammengeschrumpft: ein 9-to-5-Bürojob, ein Haus voller Altbackenem und hin und wieder mäßiger Sex mit dem Ex. Mit ihrem Traum hat sie leider auch ihre Leidenschaft und ihr Herz zu Grabe getragen. Doch zum Glück verlässt ihr Ex bald die Stadt – und anstelle von Schäferstündchen greift Justine wieder zur Gitarre. Die Kanadierin Andrea Dorfman erzählt die Geschichte einer Außenseiterin und der großen Bühne des Lebens im Film Heartbeat. Der Film wird u.a. am Mittwoch im Metropolis Kino im Rahmen der Biennale des kanadischen Kinos Maple Movies – Canadian Cinema gezeigt. „Empowerment, Diversity and Female Voices“ ist das Motto. Heartbeat fügt sich bestens rein.

Text: Andra Wöllert

 

Klubhaus St. Pauli

Leuchten wird es, hell und bunt. Pünktlich zum Reeperbahn Festival wird das Klubhaus St. Pauli, am Spielbudenplatz zwischen Schmidt Theater und Docks gelegen, eröffnet. Eine imposante Medienfassade erlaubt, auf den überlappenden LED-Flächen quasi ganze Filme (und hoffentlich weniger Werbung) ablaufen zu lassen. Aber was drinnen ist, ist noch viel interessanter: Drei neue Clubs gibt es in dem sechsstöckigen Neubau. Hier läuft auch die Ausstellung zur Geschichte des Reeperbahn Festivals mit dem kurzen Titel Zehn. Mit dabei sind die Kukuun-Betreiber Julia und Olaf Staron, die bis zum Abriss des Vorgängergebäudes über Jahre für gute Kulturarbeit gesorgt haben. Für sie war klar, dass sie nur am gleichen Standort noch einmal einen Laden eröffnen würden. Live-Musik ist ihr Schwerpunkt. Elektronischer geht’s im Häkken zu, das am Wochenende Eröffnung gefeiert hat und beim Festival gut kuratierte Konzerte des Spotify Trendsetter Clubs beherbergt. Man merkt, das Ding heißt nicht umsonst Klubhaus und wird auch nach dem Reeperbahn Festival zum neuen Anlaufpunkt der Partyhochburg im Kiez.

Text: Andra Wöllert

Klubhaus St Pauli from Media Architecture Biennale on Vimeo.

 

Rolande Garros & Salsa

Noctuidae heißt auf deutsch Eulenfalter und die wiederum gehören zur Art der Schmetterlinge. Eulenfalter sind aber nicht die schönen bunten. Eulenfalter bewegen sich eher im Bereich 50 shades of brown und sind dämmerungs- und nachtaktiv. Das gleichnamige Event im Pudel widmet sich ebenso den Figuren der Nacht. Bands und DJs in diesem Fall. Die Eventreihe holt sich für diese Ausgabe unter anderem Künstler des Kassettenlabels MmodemM aus Frankfurt ins pudelige Heim – namentlich Rolande Garros, dessen Sound irgendwo zwischen Dancemusik und French Open liegt, und Salsa, „der magischen Allianz zwischen Sauce und Dance“. Und wo Frankreich schon so präsent ist, auch Plein Soileil aus Lyon spielt live. Die DJs des Abends sind Alex Solman und Nikae. Auch ihre Musik liegt in einem ähnlich experimentierfreudigen Spektrum. Schwer verdaulich manchmal, aber schwer zu empfehlen immer.

Text: Andra Wöllert