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Spain

Runtergewirtschafteter Leiserock für Liebhaber: Die Band um den Sohn der Jazz-Legende Charlie Haden, kommt ins Nachtasyl.

Spain sind vielleicht eine der unaufdringlichsten Bands der Welt. Zwischen 1995 und 2001 veröffentlichte die Gruppe um Josh Haden drei sagenhaft langsame, wunderschöne Platten mit runtergewirtschaftetem Leiserock für Liebhaber. 2012 tauchten Spain in Neubesetzung mit dem Album The Soul Of Spain überraschend wieder auf, letztes Jahr folgte mit Sargent Place ein erneuter Arbeitsnachweis. Das Schicksal, in Europa beliebter zu sein als in ihrem Heimatland USA, teilt die Band mit Kollegen wie Lambchop: Die introvertierte, hinreißend schwache Nachtmusik verträgt sich vielleicht besser mit hiesigen Sensibilitäten. Kunstvoll webt Josh Haden (Foto), übrigens der Spross von Jazz-Legende Charlie Haden, Gospel und Americana zu Songs, die eben nicht mit der Tür ins Haus fallen. Wer sie trotzdem reinlässt, empfängt denkbar charmante, umsichtige Gäste.

Text: Michael Weiland

 

Element Of Crime

Nie klang schlechte Laune schöner: Lieder aus 30 Jahren Bandgeschichte erklingen in der Sporthalle Hamburg – und Töne des neuen Albums.

Sven Regener ist nicht seine Romanfigur Herr Lehmann, und ob der Ich-Erzähler in den gerne im Beschwerdeton vorgetragenen Texten von Element Of Crime immer derselbe Typ ist, sei mal dahingestellt. Vorstellen könnte man es sich aber. Regeners ehemals knefiges Raunen gerät mittlerweile oftmals zum rotzigen „Runter von meinem Rasen“-Gemaule, mit dem dann wunderbare Verweigerungslieder wie der Titelsong zum aktuellen Album Lieblingsfarben und Tiere gesungen werden: Türklingel kaputt, mir doch egal, wer soll mich schon besuchen? Dabei stehen die Gäste doch Schlange. Zum Beispiel vor der Sporthalle anlässlich des Hamburg-Konzerts. Dort gibt es nicht nur Stücke der aktuellen Platte, sondern Lieder aus 30 Jahren Bandgeschichte zu hören. Schöner hat im deutschsprachigen Raum niemand Chanson, Indierock und schlechte Laune zusammengedacht.

Text: Michael Weiland

 

„Willkommen auf Deutsch“

Die Hamburger Regisseure Carsten Rau und Hauke Wendler haben im Landkreis Harburg einen Dokumentarfilm zum Thema Flucht und Migration gedreht.

Im Mittelpunkt von Willkommen auf Deutsch stehen dieses Mal die Sorgen und Ängste, aber auch die Vorurteile von Menschen, die sich einer wachsenden Flüchtlingszahl gegenübersehen. Gedreht wurde im Landkreis Harburg. Fast ein Jahr lang begleite das Filmemacherduo hier Flüchtlinge, Anwohner sowie den Bereichsleiter der überlasteten Landkreisverwaltung – stellvertretend für die 295 Landkreise bundesweit. Zur Premiere am 8. März kommen Carsten Rau und Hauke Wendler sowie weitere Gäste ins Abaton Kino.

Die Filmemacher über ihre Arbeit:

Carsten Rau: „Wir machen seit Jahren Filme, die davon leben, dass wir einen sehr engen Kontakt zu unseren Protagonisten aufbauen. Flüchtlinge sind oft traumatisiert und extrem angespannt, weil sie nicht wissen, was kommt, ob sie bleiben dürfen oder nicht. Deshalb ist es so schwer, Vertrauen aufzubauen. Das geht nur über lange Vorgespräche. Wir müssen viel nachhaken: Wo gibt es Brüche in den Lebensläufen, was stimmt, was stimmt nicht. Nach Jahren auf der Flucht haben sich manche auch Geschichten zurechtgelegt, von denen sie meinen, dass die hier besser ankommen und ihnen zu einem Bleiberecht verhelfen.“

Hauke Wendler: „Dieses Thema wird uns alle noch lange beschäftigen. Es ist einfach fahrlässig und kurzsichtig, dass die Politik seit 20 Jahren sämtliche Warnungen von Experten in den Wind geschlagen hat: Dieses Land ist ein Einwanderungsland und daran ändern auch immer höhere Zäune nichts. Wir brauchen endlich gesetzliche Regelungen, die besser sind, und zwar auf nationaler und auf europäischer Ebene. Sonst werden sich die Menschen weiter in diese Nussschalen quetschen und aufs Mittelmeer hinausfahren. Darum geht’s am Ende ja auch.“

Weitere Vorstellungen: Film im Gespräch am 17.3. um 20 Uhr, Licht + Dunkel am 30.3. um 20 Uhr

Interviews: Lisa Scheide

„Willkommen auf Deutsch“ – Kinotrailer von Joachim Bornemann auf Vimeo.

 

Mehr! Theater

Eine neue Spielstätte wird am Großneumarkt eröffnet. Das gibt Anlass zur Frage: Was soll ein weiteres Musicaltheater in Hamburg?

Bald gibt es zum ersten Mal Theater in den Hallen des Hamburger Großmarktes, die mit ihren markant geschwungenen Silhouetten samt eckigem Dachzipfel unter Denkmalschutz stehen. Wo morgens Obst und Gemüse verkauft wird, spielt dann abends die Musik. Vermutlich werden die letzten nächtlichen Theaterbesucher über die ersten Frühaufsteher-Händler stolpern. Auf der Suche nach bespielbarem Raum im Osten Hamburgs wurde Mehr! Entertainment dort fündig, wo riesige Flächen nach Marktschluss leerstehen: Eine Bühne, die von 320 auf 1.440 Quadratmeter erweiterbar sein wird, und ein Zuschauerraum, der zwischen 400 bis 3.500 Menschen Sitz- und Stehplätze bietet. Braucht Hamburg ein neues Musicaltheater? Erst im November 2014 eröffnete das Stage Theater an der Elbe. Für den Unterhaltungskonzern arbeitete Maik Klokow einige Jahre als Deutschland-Chef, bevor er sich mit dem eigenen Unternehmen Mehr! Entertainment selbstständig machte. Der Großmarkt ist seine erste Spielstätte in Hamburg, seine siebte in Deutschland. Und der neben Musicals auch Konzerte, Ausstellungen, „eine TV-Show-Aufzeichnung oder einen Boxkampf“ beherbergt, wie Geschäftsführer Günter Irmler ankündigt. Das London Symphony Orchestra spielt zur Eröffnung am 7. März auf. Sechs Tage später gastiert hier das Queen-Musical We Will Rock You, gefolgt von Dirty Dancing – jeweils mit ungewöhnlich kurzen Laufzeiten.

Text: Dagmar Ellen Fischer

 

Kultur & Gespenster

Das Kulturmagazin feiert seine 15. Ausgabe, in der es um gruselige Fragen geht. Beispielsweise: Warum gibt die ländliche Provinz den idealen Schauplatz für Horrorfilme ab?

Die 15. Ausgabe des Magazins Kultur & Gespenster widmet sich diesmal den Geistern, die uns aus der jüngeren Vergangenheit anfallen. Inklusive Abwehrzauber-Vorschlägen. Wieso kann der Kunstbetrieb nicht mehr ohne Theorie und wird die Theorie der Kunst wirklich immer ähnlicher? Was macht deutsche Malerei zum Exportschlager? Und warum gibt die ländliche Provinz den idealen Schauplatz für Horrorfilme ab? Solchen und ähnlich gruseligen Fragen wird nachgegangen. Besonders schön, vor allem vom Titel her, sind Nora Sduns Aufzeichnungen aus dem laufenden Betrieb einer Hamburger Galerie: „Weiterwursteln“ nennt sie das – vielen eine wohlvertraute Lebensphilosophie. Ihr einleitendes Zitat: „Da es aber weder Schein noch Sicherheit gibt, bleibt das einzig probate Mittel, nicht unsicher zu werden: gar nicht erst sicher sein zu wollen.“ (Walter Serner). Und auch toll: Streifenpullis vor Landschaften in Und im Sommer tu ich malen von Hank Schmidt in der Beek, fotografiert von Fabian Schubert. Die Releaseparty wird wild, sagt das Redakionsteam. Das hoffen wir!

Text: Almuth Strote

 

Die urbane Kunstkammer

Für dieses Gruppenevent pilgern 30 Kunstschaffende in das Schanzenviertel, um am Schulterblatt ihre bunten Arbeiten zu zeigen. 

Das Haus 73 wird zur Plattform für eine bunte Gruppenausstellung mit über 30 Künstlern aus Hamburg, Bremen, Berlin und Freiburg. Das klingt nach Reizüberflutung – aber einer, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Bis auf einige beteiligte Akteure erfährt man im Vorfeld nicht sonderlich viel über das Konzept des Events. Mit dabei sind:

Zipper die Rakete – Anna T-Iron – Glaze
Jonathan Wright – Daniel Frank – David Weber
Eileen InBetween InBetween Art – Grauzone – PiffPaff
T.P.T. Nguyen – RKP – Raw Koon – Bettina Eichner – Detailverliebt – Levi – Tatjana Lorenz – Tim Taylor Rap
Janne Röoe – Dana RJ – Marla
Smaadin Kitzinsky
Jasmin Böschen – Lea Lune Odlozinsky – Bambi Blue
Infrafred – hateyourheimat
Rowan Smith – Jana Fux
Marco Rodriguez
Martina Zaninelli

Ab 21 Uhr startet die Gruppenausstellung. Auch musikalisch wird etwas geboten. Es legen auf: Roodini, SampleMind sowie Franka Fiel & Schlendrijan.

 

Die Pâtisserie

Que magnifique! Beim Bummeln durch Ottensen empfiehlt sich in dieser französischen Bäckerei ein Stopp, um handgemachtes Gebäck zu verköstigen.

Am Valentinstag haben Pierre und Nissa Ouvrard ihre feine französische Konditorei und Bäckerei Die Pâtisserie in Ottensen eröffnet. Nur wenige Tage später sind um 12 Uhr die Pains au chocolat bereits ausverkauft. Zum Glück gibt es aber noch die feinsten Tartes und Tartelettes, Macarons und Religieuses. Hergestellt werden diese Köstlichkeiten nach original französischen Rezepten, vor allem aber direkt in der Backstube hinter dem Verkaufsladen. Pierre, der Pâtissier, hat die Kunst des Backens in seinem Heimatland gelernt, Spitzenqualität bedeutet für ihn, keine Backtriebmittel und keine Konservierungsstoffe zu benutzen. Unterstützt wird er von seiner Frau Nissa, die wie ihr Mann an das gute Handwerk glaubt und sich freut, endlich einen Traum verwirklicht zu haben: eine original französische Pâtisserie-Boulangerie mitten in Hamburg. Wenn sich der Betrieb normalisiert, die erste Aufregung sich gelegt hat, soll es auch kleine Lunchpakete geben. Französisches Landbrot, Baguette und Quiche stehen aber auch heute schon bereit. Die französische communauté ist hoch erfreut.

Text: Lisa Scheide

 

Heute im Oberhafen

In der Alten Bahnmeisterei stellen Künstler des Gängeviertels ihre Arbeiten vor. Im Island feiert „Das Magazin für Rothaarige“ eine Releaseparty.

Während zentrale Gebäude des Gängeviertels saniert werden, arbeiten einige Künstler im Exil. „Die ehemalige Alte Bahnmeisterei im Oberhafen wird ein neuer Raum für künstlerische und kulturelle Produktion und dient damit als Ausweichfläche für das Herz des Gängeviertels, die sogenannte Fabrique“, kündigte der Verein im Sommer 2014 an. Drum ist auch die ehemalige Industriefläche nun die Plattform für eine Werkschau der Gängeviertel-Künstler, die am 7. März ihre Arbeiten präsentieren möchten.

Ein paar Meter davon entfernt wird im Island (Banksstraße 2 a) der Release einer tollen Printpublikation gefeiert: MC1R – Das Magazin für Rothaarige erscheint zum zweiten Mal. Das Team lädt ab 18 Uhr zum Austausch über ihr Projekt ein. Außerdem werden Fotografien von beteiligten Künstlern ausgestellt. Ab 20 Uhr gibt es Musik von Tilman Tausendfreund, Eurokai und Felix Lindt.

 

„Adana Night“

Die Produzenten-Zwillinge lassen es in der Villa Nova auf St. Pauli krachen und werden unterstützt durch Deephouse DJ Marcus Worgull.

Luftballons, krachende Beats, tanzendes Housevolk – die übermütigen Adana-Twins ließen es bereits bei ihrer Geburtstagsfeier in der Villa Nova richtig knallen. Seit Jahren sorgen die beiden Hamburger Produzenten mit ihrer Adana Night für exzessive Feiernächte. Neben weltweiten Gigs kehren sie nun im regelmäßigen Abstand in die Talstraße 9 auf St. Pauli ein. Und auch wenn ihre Sets allein schon nachtfüllend wären, legt das Villa-Nova-Team noch eine Schippe drauf und begrüßt Deephouse-DJ Marcus Worgull vom Innervisions-Label. Their house is your house!

 

Neonschwarz

Abseits von Rap über Koksgeticke auf der Straße: Dieses Quartett steht für eine neue Hip-Hop-Generation mit Rückgrat aus Hamburg-City.

Manche Dinge kann man ja nicht oft genug betonen. Dazu gehört unter anderem auch die Tatsache, dass Neonschwarz mit ihrem Hip-Hop eine erfrischende Alternative zum aktuellen „Bosstransformations“-Unsinn, plumpen Beleidigungen und Raps über Koksgeticke auf der Straße bieten. Gut zehn Jahre nach dem letzten Eimsbush-Release – das immer noch großartige The Diggest von Digger Dance – stehen die Schwizzys mit Songs wie On A Journey, In deiner Stadt und ihrem aktuellen Album Fliegende Fische für eine neue Hip-Hop-Generation aus Hamburg-City, die wieder mit Spaß den Norden repräsentiert. Dass die vier, bestehend aus Captain Gips, Johnny Mauser, Marie Curry und Spion Y, in ihrem linken Rap zudem auch noch Rückgrat beweisen und die richtigen Botschaften parat haben, gibt einem nur noch mehr Anlass, die Schwizzys zu feiern.

Text: Jan Kahl