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Waxahatchee

Wer sich nach einem Bach in Alabama benennt, der kann doch nur schönen Folk und Indie spielen. Waxahatchee beweisen’s live im Molotow.

Waxahatchee, wie sich die US-Amerikanerin Katie Crutchfield nach einem Bach im heimatlichen Alabama benannt hat, tourt zurzeit mit ihrem dritten Album durch Europa. Ivy Tripp heißt es und wurde nicht etwa in einem großen Studio, sondern bei Katie zu Hause aufgenommen. Die trotzige Göre mit dem schwarzen kurzen Block-Pony hat ihre Coming of Age-Phase hinter sich gelassen. Die 26-Jährige, die bisher eher als Punk-Mädchen daherkam, zeigt eine erwachsenere und nachdenklichere Seite von sich – mit weniger Grunge, dafür mehr Indie, Folk und Riot Grrrl. Erlebt diesen Dienstag live, ob Crutchfield auf der Bühne nicht doch noch mal den Punk in ihr rausholt – beim Konzert von Waxahatchee im Molotow.

 

„Die gleißende Welt“

Ein riskantes Rollenspiel hinter männlichen Masken. Die Autorin des Romans, Siri Hustvedts, liest im Schauspielhaus daraus vor.

Wäre Siri Hustvedt nicht so bekannt, hätte sie sich mit dem langen, in der nüchternen Sprache eines wissenschaftlichen Essays geschriebenen Prolog ihres neuen Romans keinen Gefallen getan. Doch einige Seiten später gewinnt die Erzählung an Dringlichkeit. Harriet Burden, Künstlerin und Witwe eines prominenten New Yorker Galeristen, ist hochtalentiert, aber unpopulär. Wäre sie ein Mann, würde der Kunstmarkt ihre Werke anders wahrnehmen, davon ist sie überzeugt. Auf der Jagd nach Anerkennung engagiert sie drei verschiedene Künstler, ihre Werke als die eigenen auszustellen. Metamorphosen nennt sie ihr Projekt. Der Erfolg ist groß. Der dritte Künstler überlistet sie jedoch und erklärt sich zum Urheber des Werks.

Die gleißende Welt kommt in Gestalt einer Anthologie daher. Hustvedt zeichnet ein aufwühlendes Erzähllabyrinth, ein polyphones Sammelsurium, das sich um die Frage dreht, ob wir Kunst unterschiedlich wahrnehmen, je nachdem, ob eine Künstlerin oder ein Künstler am Werk war. Hustvedts neuestes Werk über Macht, Begierde, Psychoanalyse und Vorurteile präsentiert sie zusammen mit der Schauspielerin Bettina Stucky im Schauspielhaus.

Text: Natalia Sadovnik

 

PAL in der Hasenschaukel

Melancholische Musik aus Malmö hält Einzug in der Silbersackstraße. Die Schweden geben ein Konzert, danach spielt eine „ganze Platte“.

Verträumt und verschlafen, schwermütig und federleicht – irgendwie ist die Musik von PAL alles gleichzeitig. Gitarren, aber auch Electro-Klänge bestimmen den Sound. Die Band aus Malmö selbst beschreibt ihre Musik auf Facebook als Pop/Electro/Lounge/Indie und das trifft es ganz genau. Viele Köche oder hier Genres verderben eben nicht immer den Brei. PAL sind der beste Beweis. In der Hasenschaukel könnt ihr Albin Johansson, Cristoffer Csanady und Adam Hjertström, die im März ihr neues Album Since rausgebracht haben, live erleben. Dann zeigen die Schweden, was ein entspanntes Konzert ist. Danach wird’s in derselben Location vielleicht tanzbarer: Unter dem Motto Die ganze Platte schallt eine ausgewählte Lieblingsscheibe durch die Boxen – und das in voller Länge!

Text: Andra Wöllert

 

Pedal Power Fahrraddisko

Wer nicht tritt, der nicht tanzt: Die mit Muskelkraft betriebene Disko auf dem Lattenplatz benötigt eure Power nicht nur zum Tanzbeinschwingen.

Der Eintritt ist frei, aber wer bei dieser Party tanzen möchte, muss sich ordentlich ins Zeug legen. Hier sorgt nämlich nicht nur der DJ für tanzbare Musik, sondern in allererster Linie das Publikum selbst. Was braucht es, damit Plattenspieler, Laptop und Boxen funktionieren? Richtig, Strom. Und der muss erst noch produziert werden, auf Fahrrädern, vom Partyvolk. Pedal Power heißt das weltweite Event, das seit Mitte Mai jeden Dienstagabend auch auf dem Knust Lattenplatz die Beinmuskulatur zum Arbeiten bringt – und das den ganzen Sommer über. Neben dem DJ-Pult stehen zwei Fahrräder, die ständig in Betrieb gehalten werden müssen. Die DJs danken es dem Publikum mit ihrer Performance. Ein Kreislauf, bei dem der Künstler auch auf den Goodwill des Publikums angewiesen ist. Wird die Musik lauter, nimmt übrigens der Trittwiderstand zu. Wenn jetzt nicht genügend gestrampelt wird, geht der Strom aus und das Musik-Set ist unterbrochen. „Basisdemokratie in der Kreativszene“ nennen das die Veranstalter. Wir nennen das eine großartige Alternative zu schnöseligen After-Work-Lounges.

Text: Andra Wöllert

 

„Das Cabinet des Doktor Caligari“

Mord am Holstenwall: Der unheimliche Hypnotiseur schlägt wieder zu und wird dabei im Savoy musikalisch live begleitet.

Caligari comes home! Schließlich gab die Anregung zu den Untaten des sinistren Hypnotiseurs im kleinen Städtchen „Holstenwall“ ein tatsächlicher Mordfall in der Nähe des Hamburger Hafens. Vom Drehbuchautor Hans Janowitz kräftig ausgeschmückt und von Regisseur Robert Wiene meisterhaft in Szene gesetzt, hat sich Das Cabinet des Dr. Caligari (1920) als Blaupause für so manchen Psycho-Thriller erwiesen. Bei dieser Festaufführung im Rahmen des ELBJAZZ Festivals wird der Stummfilmklassiker im Savoy Filmtheater live begleitet und vertont von Andreas Fritzsche, Christoph Lohse und Alex Blancke, die gemeinsam die Bandformation on:stop:off (Gitarre, Schlagzeug, Electronics) bilden. Wer ein Festivalbändchen besitzt, hat freien Eintritt.

 

„Kaltstart“

Von Autobomben, flüchtigem Sex und Zwang zur Transparenz: Wer leichte Kost sucht, sollte einen großen Bogen um die 73 machen.

Tag vier des Kaltstart Theaterfestivals in der 73 macht ein großes Fass auf: Thematisch geht es von Big Data bis Identitätskrise, von Autobomben in Stockholm und bis zu gestohlenen Kampffischen in Dublin. Den Anfang macht eine Untersuchung über die Freiheit, über Datensammler und Analysesysteme, die Menschen dazu bringen, widerstandslos und willig persönlichste Daten von sich preiszugeben. Im Anschluss veranstaltet das Zürcher Kollektiv Neue Dringlichkeit unter dem Titel i like / i don’t like eine Podiumsdiskussion, eine Art Mock Talk, in dem sechs Gesprächspartner sich über den Zwang zur Transparenz austauschen. Um 20.30 Uhr präsentiert die 22-jährige Johanna Landt ihr Theaterprojekt Mensch, Lüge, Utopie, und danach wird in Ich rufe meine Brüder ein junger Mann psychologisch seziert, der vordergründig durch ein Attentat aus dem Gleichgewicht gerät, bis sich herausstellt, dass seine Lebenswirklichkeit in der Fremde ihn längst aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Den theatralischen Abschluss des Tages bildet Marc O’Rowes Howie The Rookie, eine Tour-de-force, die tief in die Unterwelt von Dublin führt, in maßlosen Alkoholkonsum, flüchtigen Sex und spontane Gewaltausbrüche. Ein großes Fass, also Wohl bekomm’s!

Text: Nik Antoniadis

 

2 x Flohmarkt

Wer den Sonntag nicht auf der Couch verbringen will, findet ausreichend Abwechslung zwischen Flohmarkttischen und Crêpesständen.

Dinge finden, die man nicht gesucht hat. Dinge suchen und finden und dann so tun, als würden sie einen kaum interessieren. „10 Euro? Für diesen Haufen Blech?“ Oder einfach nur früh aufstehen und sich ins Gedränge aus Schnäppchenjägern, Wühlmäusen und Trödelflaneuren begeben. Mit den Nachbarn feilschen, die ihren Keller entrümpelt haben; mit abgezockten Antikhändlern diskutieren, die so tun, als hätten sie keinen Laden am Rothenbaum; oder mit professionellen Haushaltsauflösern sprechen, die leidenschaftslos alles gleichermaßen verticken, dänische Designermöbel aus einer insolventen Reederei, Federboas und braune geschliffene Aschenbecher, die – obwohl sie aus armdickem Glas sind – trotzdem nach Kettenrauchen im Vereinsheim riechen. Wer dafür sonntags Zeit hat, sollte sich zum Flohmarkt Eimsbüttel auf der Hoheluftchaussee begeben, zwischen Lehmweg und Eppendorfer Weg (ab 8 Uhr), oder zu etwas zivilerer Uhrzeit zum Kulturflohmarkt im Museum der Arbeit (ab 9 Uhr).

Text: Nik Antoniadis

 

Literaturquickie

Fünf mal fünfzehn: Im Tafelspitz präsentieren eine Handvoll Hamburger Schriftsteller in einer Viertelstunde Auszüge aus ihren Werken.

Was hier serviert wird, sind exquisite Prosapralinen, keine üppigen Kulturkuchen. Als Literaturkonditorei betätigt sich dabei der Förderverein Kulturelle Initiativen, der jeden letzten Sonntag im Monat die besten Autorinnen und Autoren des Nordens vorstellt, nicht immer Hamburger Eigengewächse, aber mindestens mit Meldeadresse Hamburg. Sie kommen zu fünft und haben nicht viel Zeit: Jeder bekommt lediglich 15 Minuten, um seine Texte zu präsentieren. In der Mai-Ausgabe des Schriftstellerquickies ist unter anderem zugegen Frank Schulz, der uns nicht nur das Ouzo Orakel bescherte, sondern mit Onno Viets auch die Hartz-IV-Variante von Philipp Marlowe geschaffen hat. Weitere Gäste sind Michael Weins (Foto) (sein neuestes Oeuvre Sie träumt von Pferden ist praktischerweise eine Sammlung von Kurzgeschichten), Kristine Bilkau (ihr gepriesenes Debüt Die Glücklichen ist noch feucht von Druckerschwärze), Lars Henken (Mitglied im Writers Room und Autor des untergründigen bis abgründigen Romans Reinders’ Tod) sowie Gunter Gerlach, der gerne auch als Moderator des Literaturquickies auftritt, sich dieses Mal aber selbst von seinem Kollegen Lou A. Probsthayn im Tafelspitz anmoderieren lässt.

Text: Nik Antoniadis

 

Live Art Festival #7

Das Festival auf Kampnagel bietet Performance-Kunst eine Bühne – in diesem Jahr mit dem Schwerpunkt Choreografie und Protest.

Eine Choreografie des Protests – im Grunde lässt sich diese in jeder gewöhnlichen Demo beobachten: Körper formieren sich zu einer Einheit, setzen sich in Bewegung, stoßen auf Gegenwehr. Es wird Musik eingesetzt, manchmal getanzt. Immer häufiger nutzen Aktivisten auch künstlerische Strategien. Das Live Art Festival, das mittlerweile im siebten Jahr auf Kampnagel die Performance-Kunst feiert, gibt Einblick in dieses Feld. So hat Omer Krieger aus Tel Aviv gemeinsam mit Hamburger Künstlern das Tanzstück NOW (The Clash) entwickelt, das die Dynamik erforscht, wenn Staatsmacht und Bürgerbewegung aufeinanderprallen. Eingebunden werden Spuren ziviler Proteste wie auf dem Tahrir-Platz oder im Gezi-Park. Für Performances im öffentlichen Raum ist auch die Hamburger Künstleraktivistengruppe Schwabinggrad Ballett bekannt. Mit Mitgliedern der Gruppe Lampedusa performen sie vor Flüchtlingsunterkünften in der Schnackenburgallee und den Sophienterrassen gegen die Flüchtlingspolitik Europas. Darüber hinaus gibt es viele weitere Projekte bis zum 13. Juni, bei denen man sich in Sachen kreativem Widerstand weiterbilden und fit machen kann. Grund zur Beschwerde gibt es schließlich genug!

Text: Katharina Manzke

 

„Gans der Bär“

Bärenstark und Gans anders: Kampnagel zeigt zum letzten Mal die Bühnenfassung des preisgekrönten Kinderbuchs von Katja Gehrmann.

Ausgrenzung aufgrund von Andersartigkeit – ein zeitloses Thema. Um es bühnen- und kindgerecht aufzubereiten, braucht es Experten. Zu ihnen gehören Meine Damen und Herren,– ein Theater-Ensemble mit geistig behinderten Schauspielern, und Hajusom, eine Performance-Gruppe aus jugendlichen Flüchtlingen. Dafür haben sich die beiden eines der besten Kinderbücher vorgenommen: Gans der Bär. Wen auch immer kleine Gänse nach dem Schlüpfen als Erstes erblicken, den adoptieren sie als Muttertier. Dass es im preisgekrönten Bilderbuch zufällig einen ausgewachsenen Bären trifft, der die Wahl auf keinen Fall annehmen will, sorgt im Laufe der Geschichte für allerlei Unverträglichkeiten. Doch am Ende siegt der Wunsch des winzigen Vogels nach Zugehörigkeit zum wilden Raubtierriesen. Beim Erarbeiten des Theaterstücks mit Puppen und Livemusik brachten Grundschüler zweier Hamburger Schulen ihre Vorstellungen von Andersartig- und Gemeinsamkeiten ein. Eine sehr persönliche Bühnenfassung ist für Zuschauer ab 8 Jahren herausgekommen – Gans anders eben. Zum letzten Mal zu sehen am 31. Mai auf Kampnagel.

Text: Dagmar Ellen Fischer