Zwischen den Jahren gilt es Resumee zu ziehen. Was ist aus meinen Wetten geworden? Ich lag gar nicht so schlecht: Wachstum, Anleihen und den Euro hatte ich ganz gut im Griff, die Aktien weniger. Bis zum Ende des ersten Halbjahres war ich der King, danach fällt die – selbstgerechte Bilanz – durchwachsen aus.
Klar, Prognosen sind ein gutes Stück Scharlatanerie. Dennoch sind sie das einzige Instrument, mit dem sich das Geplauder aller Chefökonomen und Marktstrategen halbwegs bewerten lässt. Wem soll ich zuhören, wer versteht das System halbwegs, hat das richtige Bauchgefühl und die passende Story dazu? Deshalb wird HERDENTRIEB in Kürze neue Wetten für 2007 vorstellen, deshalb gehe ich jetzt mal mit mir selber ins Gericht. Fühlen Sie sich frei zu widersprechen.
Meine große Story lautete: Das Wachstum kehrt nach Deutschland zurück, und damit auch nach Euroland. Die Weltwirtschaft ist auf gutem Weg das Rebalancing hinzubekommen, die Abhängigkeit von Amerika schrittweise zu verringern. Deshalb rief ich das Ende fallender Zinsen aus, deshalb wettete ich auf einen steigenden Euro. Mit beiden Wetten lag ich goldrichtig:
Am 7. November titelte ich: Die Zinswende ist da. Ich hatte kurz zuvor meinen Konjunkturpessimismus abgestreift, meine 30jährigen Bundesanleihen verkauft. Ich hatte mich über all die Herdentiere lustig gemacht, die im Herbst 2005 noch tieferer Zehnjahresrenditen als drei Prozent vorhergesagt hatten. Mein Bauchgefühl riet damals: „Unter drei Prozent fallen die Zehnjahreszinsen nimmer. Alles über 4 Prozent sollten Kaufkurse sein.“ Wer sich dran gehalten hat, hat dieses Jahr gutes Geld am Rentenmarkt verdient. Denn tatsächlich schoss die Zehnjahresrendite über vier Prozent. Doch dann traute ich meiner alten Wette nicht mehr und sagte weitere Verluste bei den Anleihen voraus. Das war ein Irrtum und ich habe die Rally, die bis Mitte November trug, verpasst. Seither steigen die Renditen wieder (fallen die Kurse) und ich bin wieder recht happy (habe seit Mitte November einen Put auf den Bund-Future).
Am 8. November titelte ich: Der Euro steigt, was sonst. Ich orakelte, dass die 1,17 Dollar je Euro der Tiefpunkt der Erholungsbewegung des Doller gewesen seien und dass es nun wieder in die andere Richtung laufen werde. Volltreffer. Heute notiert der Euro bei rund 1,32 Dollar.
Bei den Aktien lag ich nicht so gut. Die Tendenz stimmte, aber sowohl das Timing war mies, als auch die moderaten Kursgewinne, die ich dem Dax zugetraut habe. Das Börsennotizbuch hat es schon geschrieben: Ich habe wieder eine Flasche Champagner gegen meinen Kollegen Marcus Rohwetter verloren. Ich sah den Dax auf knapp 5.800 Punkte steigen, Marcus auf 6.100. Tatsächlich landen wir bei 6.500 und ebbes.
Beim Timing sagte ich Anfang Januar ein kleines Beben voraus. Ich mutmaßte, dass der neue Fed-Chef Ben Bernanke in den ersten Monaten die Märkte verwirren würde, beziehungsweise die Anleger nervös würden, weil sie nach 18 Jahren Alan Greenspan einfach Schwierigkeiten haben würden, den Neuen richtig einzuschätzen. Das war ein Volltreffer. Im Mai und Juni ging es rund, die Risikoprämien schossen nach oben und Bernanke tat das Seinige. Eine Zeitlang wusste niemand so recht, was der Neue treiben würde.
Doch danach irrte ich zweimal gewaltig. Im Juni erwartete ich eine dritte Verkaufswelle „zum einsteigen zu früh, zum aussteigen zu spät“. Doch die Kurse stiegen. Im Oktober setzte ich auf die Rückkehr der Schwankungen – ohne Erfolg. Die Kurse stiegen unaufhaltsam. Nicht, dass ich Aktien schon für überbewertet gehalten hatte, aber der Anstieg ging mir zu schnell und zu glatt.
Die Europäische Zentralbank hatte ich ganz gut im Griff: Im November wette ich auf die erste Zinserhöhung im Dezember 2005. Im März sagte ich 3,25, oder soagr 3,50 Prozent Leitzins für Ende 2006 vorraus. Und Anfang September warnte ich schon vor weiteren Zinserhöhungen im Jahr 2007. Vergleicht man das mit den Prognosen der guten ECB-Watcher, dann war ich „ahead the curve“.
Meine Wachstumswette ist legendär und muss nicht weiter gewürdigt werden. Ich war der erste, der in der veröffentlichten Meinung Deutschland „zwei Prozent plus“ für 2006 zugetraut hat.
Wenn unsere neuen Wetten nur halb so gut werden, lohnt es sich, auch 2007 HERDENTRIEB zu lesen. Nicht wahr?
Allen Leserinnen, Lesern und natürlich den Kommentatoren von HERDENTRIEB ein glückliches 2007!