Ganz schön happig, was sich zur Zeit an den Anleihemärkten rund um den Globus abspielt. Die Kurse stürzen ab, die Renditen schnellen nach oben und durchbrechen selbst Widerstandslinien als seien sie aus Butter. Widerstandslinien, die 20 Jahre gehalten haben. Das Inflationsmonster ante portas? Oder was ist los? Plötzlich bekommt man für zehnjährige Bundesanleihen wieder 4,70 Prozent Rendite – soviel wie seit fünf Jahren nicht mehr. In Japan gibt’s zwei Prozent – soviel wie seit sieben Jahren nicht mehr. Und auch in Amerika erhält man mit 5,30 Prozent mehr als in den vergangenen fünf Jahren. Ich habe das Gefühl, so langsam sind Staatsanleihen wieder interessant, zumindest deutlich interessanter als Aktien.
Albert Edwards von Dresdner Kleinwort, der größte Bondbulle Europas und seit mehr als einem Jahrzehnt mit seiner „Ice Age Story“ unterwegs, fragt in seinem jüngsten Global Strategy Weekly: Is the Ice Age over? Ist die 25jährige Phase der Disinflation, die nach dem Volckerschem Bremsmanöver Anfang der 80er Jahre begann, und in den Jahren 2002/2003 in Deflationsgefahr umschlug, nun Geschichte? Müssen wir uns auf ein Vierteljahrhundert steigende Renditen/fallende Kurse gefasst machen? Hat der große Bill Gross von Pimco Recht, der die zehnjährigen Treasuries auf 6,5 Prozent schießen sieht?
Albert ist zwar sichtlich geschockt ob des Crashs, bleibt sich aber noch treu. Und ich finde, es sind gute Gründe, mit denen er Bill widerspricht. Ich glaube zwar nicht an seine Ice Age Story, sondern halte es mit Rebalancing und Mean Reversion wie in unserer Wette für 2007 ausführlich beschrieben. Doch die große Trendwende in Richtung Inflation verfängt bei mir nicht.
Hier kurz die wichtigsten Punkte von Albert:
- Trotz des Crashs haben die Inflationserwartungen kaum zugenommen. Die jüngsten Kerninflationsdaten aus Amerika waren unverdächtig. Aus seiner Sicht haben die realen Renditen die nominalen getrieben, weil die Wachstumserwartungen zugenommen haben.
- Die jüngsten Wirtschaftsdaten aus Amerika waren zwar gut, aber die US-Wirtschaft wächst unter Trend und das sollte kaum inflationär wirken.
- Er wendet sich gegen die weitverbreitete Masche, das Weltwachstum nach PPP zu ermitteln, also anhand der Kaufkraftparitäten anstelle der realen Wechselkurse. Das hat gewaltige Auswirkungen auf den Einfluss der Schwellenländer auf die Weltwirtschaft: Gemessen nach PPP ist China heute schon 3 ½ mal so groß wie die deutsche Volkswirtschaft. In echten Dollar gemessen liegt die deutsche Volkswirtschaft gleichauf mit China! Gemessen nach PPP kann die Weltwirtschaft ein schwächelndes Amerika locker wegstecken, in echten Dollar keineswegs (siehe eine Erklärung des IWF zu den Unterschieden).
Ich glaube, Amerika wird noch einige Quartale schwach abschneiden. Rebalancing eben. Das bringt zwar den Rest der Welt nicht an den Rand einer Rezession, wird aber das echte, in Dollar gemessene Weltwirtschaftswachstum bremsen. Für Deutschland bin ich optimistisch, da hier endlich die Binnenkonjunktur Fahrt aufnehmen kann. Aber Deutschland ist nicht Euroland. Euroland insgesamt sollte langsamer wachsen als Deutschland. Japan ist nach wie vor schwer zu greifen. Mein Tipp: Im laufenden Jahr wird es in Amerika eher eine Zinssenkung denn eine Zinserhöhung geben. Die Europäische Zentralbank erhöht maximal noch einmal auf 4,25. Und in Japan steht mindestens noch eine Zinserhöhung an.
Aus meiner Sicht ist das, was sich gerade am Bondmarkt abspielt, eine Normalisierung. Die extrem niedrigen Renditen, die nicht zum starken Wachstum gepasst haben, gehören der Vergangenheit an. Das „Conundrum“ von Alan Greenspan dürfte sich in Wohlgefallen aufgelöst haben (siehe auch meinen Beitrag für die ZEIT).
Anleihen sind wieder fair bewertet, mit einem Kauf kann man nicht allzu viel falsch machen. Klar, momentan ist der Markt sehr nervös und ein weiterer Zinsanstieg ist nicht ausgeschlossen (wie auch?). Aber alles in der Nähe von fünf Prozent sollten klare Kaufkurse sein.
Für alle anderen Assets sind die gestiegenen Renditen Gift. Es wundert mich, dass es da noch nicht gescheppert hat. Warum Junkbonds zu 100 Stellen über Bunds kaufen, wenn Bunds 4,70 Prozent abwerfen? Ich denke, gerade bei den überteuerten Credits, aber auch bei den Aktien werden wir noch einen kräftige Korrektur erleben. Aber auch das gehört zur Normalisierung dazu!
Noch kurz zu meinen Wetten: Im November 2005 hatte ich hier im Blog die Zinswende ausgerufen, nachdem Bundesanleihen kurz vorher nur noch drei Prozent Rendite abgeworfen hatten. Das war perfektes Timing! Als die Zinsen dann im April vergangenen Jahres vier Prozent erreicht hatten, war ich zu vorsichtig und riet, abzuwarten. Im November allerdings lag ich wieder gut, setzte auf einen Zinsanstieg und prognostizierte in den Wetten für 2007 einen Anstieg auf 4,50 Prozent. Das wäre geschafft.
Ich habe meine Puts mit Stopp loss versehen und schaue mir Calls auf den Bund-Future an.