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Euroland als Safe Haven

 

Ifo Index - Jaunar 2008

Die Ifo-Zahlen vom Donnerstag sind Wasser auf meine Mühlen. Ich hatte ja kürzlich argumentiert, dass die Wirtschaft von Euroland doch eigentlich noch für eine Weile einigermaßen kräftig wachsen könnte, war dann aber durch die erstaunlich schwache deutsche Industrieproduktion im November ebenso irritiert worden wie auch durch die Vorabmeldung, dass sich unser Sozialprodukt im vierten Quartal nur um 0,25 Prozent gegenüber dem dritten erhöht haben dürfte. Zudem waren die Einzelhandelsumsätze trotz der schönen Zahlen vom Arbeitsmarkt im November (saisonbereinigt) noch einmal kräftig eingebrochen, so dass der Durchschnitt von Oktober und November real gerechnet um 2,6 Prozent unter dem Durchschnitt des dritten Quartals lag! Die Zuwachsraten der sogenannten Masseneinkommen liegen nach Abzug der Inflationsrate nach wie vor deutlich im negativen Bereich. Das wiegt schwerer als die anhaltende Aufhellung am Arbeitsmarkt.

Insgesamt: Wie sollte da etwas richtig Gutes für das vierte Quartal herauskommen? Ich hatte ja vermutet, dass wir beim realen BIP etwas in der Nähe von 1 Prozent sehen würden.

Der Grund für meinen Optimismus, um das noch mal zu präzisieren, waren die unglaublich guten Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe sowie die Arbeitslosenzahlen, die Monat für Monat, einschließlich Dezember, um etwa 50.000 zurückgehen, so dass wir uns mit Riesenschritten der Vollbeschäftigung nähern – wenn man mal extrapolieren würde, was man als ernstzunehmender Analyst natürlich nicht darf. Zur Erinnerung: Die realen Auftragseingänge lagen im November saisonbereinigt um nicht weniger als 3,4 Prozent über dem Wert von Oktober, und um 13,6 Prozent über dem von November 2006, während die Industrieproduktion gegenüber Oktober 1,0 Prozent verlor und daher nur um 4,2 Prozent über ihrem Vorjahreswert landete. Sehr ungewöhnlich! Passt ja auch nicht zu den Beschäftigungszahlen. Ich kann nicht sehen, wieso der Output pro Beschäftigtem in der Industrie sinken sollte, was ja das Ergebnis zunehmender Beschäftigung und rückläufiger Produktion wäre. In der Industrie ist die Produktivität zuletzt vielmehr mit einer Rate von 4 bis 5 Prozent gestiegen.

Nun würde ich sagen, die aktuellen Zahlen legen immer noch ein kräftiges Wachstum der Produktion nahe. Den Unternehmen, die vom Ifo Institut befragt wurden, ging es auch in diesem Monat immer noch gut. Das Geschäftsklima hat sich zwar seit Mitte letzten Jahres verschlechtert, es ist aber immer noch so positiv wie zuletzt im Boomjahr 1991.

Ifo Geschäftsklima und Wachstum bis 07Q4

Trotz des festen Euro behaupten sich die deutschen Unternehmen im internationalen Wettbewerb viel besser als erwartet. Das wird im Übrigen auch von den Außenhandelszahlen bestätigt. Diese sind natürlich, ebenso wie die Unternehmensgewinne, nachlaufende Indikatoren. Aber besser, sie sind freundlich als schwach.

Eigentlich bestätigt das, dass deutsche Aktien ziemlich preiswert sind. Ich schaue mir ja gern die sogenannte Risikoprämie an. Das geht so: man nimmt den Kehrwert des Kurs-Gewinnverhältnisses (von 11,53) und erhält auf diese Weise die Aktienrendite (von 8,7 Prozent); die wird verglichen mit der realen risikolosen Langfristrendite, in unserem Fall der Differenz zwischen der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen und der aktuellen oder, besser, der erwarteten Inflation (2,8 Prozent und 2,0 Prozent). Das ergibt Risikoprämien von 5,9 Prozent (8,7 – 2,8) und 6,7 Prozent (8,7 – 2,0). Beide Werte liegen weit über den historischen Durchschnitten. Panik hat die Aktienkurse auf attraktive Niveaus gedrückt.

Auch die Bondrenditen sind noch nicht übertrieben niedrig. Die Inflation ist natürlich ziemlich hoch, sie wird aber sinken: die Rohstoffpreise sind auf dem Weg nach unten. durch den starken Euro wird Stabilität importiert, die Löhne sind nach wie vor kein Inflationstreiber, auch wenn sie diesmal etwas stärker steigen dürften als in den Vorjahren. Last but not least, die Konjunktur – also die Zuwachsrate der Nachfrage – dürfte sich in den kommenden Monaten etwas abschwächen, so dass die Kapazitätsauslastung vermutlich leicht sinken wird, was auch preisdämpfende Effekte haben dürfte.

Hinzu kommt, dass eine Zinserhöhung durch die EZB ganz sicher vom Tisch ist. Eine Zinssenkung wird immer wahrscheinlicher, je mehr sich die Lage in den USA eintrübt. Die Futures-Märkte erwarten, dass der amerikanische Notenbankzins bis Mai weiter zurückgenommen wird, bis auf 2,5 Prozent. Da die amerikanische Inflation zur Zeit bei 4,1 Prozent liegt, bedeutet das stark negative Realzinsen und fast zwangsläufig einen schwachen Dollar. Die USA geben richtig Gas. Ein Dollarcrash und damit ein Schock für die deutsche und europäische Wirtschaft können nur verhindert werden, indem die Zinsen hier zu Lande ebenfalls gesenkt werden – zumal sich ja die Inflationsaussichten durch den Wechselkurseffekt verbessern werden.

Ich habe, wie ich zugeben muss, die Augen geschlossen und die Risiken einer systemischen Krise der Weltwirtschaft ignoriert. Die deutschen Aktien und Renten haben zwar Safe Haven-Qualitäten, es könnte aber sein, dass das nur in relativem Sinne gilt. Die Fundamentaldaten sind besser als die in den meisten anderen Industrieländern, und die Kurse sind niedrig. Wenn die amerikanische Krise demnächst doch auf Kontinentaleuropa übergreift, könnte die Baisse am Aktienmarkt weitergehen. Nur die Bonds blieben dann übrig.

Wir bleiben am Ball.