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Gold – eine Blase platzt

 

Eigentlich müsste der Goldpreis in diesen Wochen kräftig steigen, schließlich werden die Inflationsprognosen weltweit gerade nach oben angepasst. Im Januar lagen die Verbraucherpreise im Euroland mit 2,4 Prozent im Vorjahresvergleich deutlich über dem Zielwert der EZB (von knapp unter 2 Prozent). Derweil destabilisiert sich die Lage im Nahen Osten zusehends. Angeblich ist der tunesische Staatschef gerade mit einer Tonne Gold an Bord nach Saudi-Arabien geflohen. Gold ist die Währung, auf die in der Krise Verlass ist. Es gibt außerdem nach wie vor eine Menge Liquidität, weil die Fed, die Bank von Japan, die EZB und die Bank of England weiterhin Vollgas geben: Die Banken kommen noch nicht ohne die Hilfe der Notenbanken aus, die Arbeitslosigkeit ist gefährlich hoch und es ist noch nicht sicher, dass der Aufschwung bereits Eigendynamik entwickelt hat. Der Goldpreis profitiert bekanntlich, wenn die Leute den Eindruck haben, dass die Notenbanken Geld „drucken“. Fast alles spricht daher, jedenfalls auf den ersten Blick, für einen höheren Goldpreis.

Was aber geschieht? Seit der Goldpreis am 6. Dezember bei 1423,75 Dollar pro Feinunze einen Rekord erreicht hat, ist er um 6,7 Prozent auf 1328,73 Dollar gefallen. Vielleicht ist das nur eine der vielen relativ kleinen Korrekturen, die immer mal wieder vorkommen, ich bin mir aber ziemlich sicher, dass der Goldpreis entweder sein Hoch überschritten hat oder kurz davor ist. Ich werde mit meiner Skepsis, dass es sich schon lange um eine Blase handelt, recht behalten, muss aber zugeben, dass ich das auch schon vor einem Jahr behauptet hatte.

Grafik: Tägl. Goldpreis in USD seit 2001

Blasen werden stets mit neuen Argumenten am Leben gehalten und weiter aufgeblasen – diesmal sei alles anders als sonst, heißt es dann immer! Wer mit traditionellen ökonomischen Argumenten kommt, die darauf hinauslaufen, dass es so nicht weitergehen kann, dass auch der Preis von Gold irgendwie an Erträge gekoppelt sein muss, die sich in der realen Wirtschaft erzielen lassen, gilt als Störenfried. Die Amerikaner haben dafür den schönen Ausdruck „party pooper“. Am Ende setzen sich die Gesetze der Physik und der Marktwirtschaft aber immer durch, so wie es auch jetzt wieder sein wird.

Beim Goldpreis ist es wie bei Immobilien. Bei denen hatte sich beispielsweise in Spanien, Irland oder auch in den USA lange die Ansicht festgesetzt, dass sie immer nur teurer werden konnten. Das war umso erstaunlicher, als die Verbraucherpreise in den letzten Jahren eher stagnierten oder sogar fielen, dass es also keinen Grund gab, sich einen Inflationsschutz zuzulegen. Immerhin konnte man mit dem Vermieten von Immobilien anders als mit Gold laufende Einnahmen erzielen, so dass die Bodenhaftung nicht ganz verloren ging. Das Ende ist bekannt – die Immobilienpreise sind in diesen Ländern um mehr als 30 Prozent eingebrochen und haben bei den privaten Haushalten eine Schuldenkrise ausgelöst.

Der Goldpreis kann nach Ansicht der gold bugs auch immer nur steigen. Wenn man sich die beiden folgenden Graphiken ansieht, ging es seit Anfang 2001 tatsächlich im großen Ganzen immer nur aufwärts, und zwar mit einer durchschnittlichen jährlichen Zuwachsrate von 17,5 Prozent auf Dollarbasis. Im vergangenen Jahr wurde mit Gold mehr Geld verdient als mit jeder anderen wichtigen Assetklasse (+ 29,5 Prozent von Ende 2009 bis Ende 2010, in Dollar).

Grafik: Tägl. Goldpreis in USD seit 1968
Grafik: Realer Goldpreis seit 1968

Im Allgemeinen wird von Brokern und Banken empfohlen, jede Marktschwäche für Zukäufe zu nutzen, weil es, wie sie meinen, im Trend eben immer nur aufwärts gehen kann. Sehen wir uns ihre wichtigsten Argumente der Reihe nach an.

1. Weil die bevölkerungsreichen Schwellenländer China, Indien, Indonesien, Brasilien und so weiter auf absehbare Zeit stark wachsen werden – weil nämlich viel gespart und entsprechend viel investiert wird -, nimmt der Wohlstand dort rapide zu. Zusammen mit den Entwicklungsländern stellen diese Länder bereits heute 85 Prozent der Weltbevölkerung. Immer breitere Schichten können es sich leisten, Gold zu kaufen, und sie werden es kaufen, weil die sozialen Sicherungssysteme unterentwickelt sind. Nach vielen bitteren Erfahrungen mit Abwertungen und galoppierender Inflation glauben die Menschen nicht an die dauerhafte Stabilität ihrer nationalen Währung. Gold ist für sie besser als Geld in der Bank. Jedenfalls nimmt die Nachfrage tendenziell rascher zu als das Angebot, was den Goldpreis gewissermaßen aus strukturellen Gründen immer weiter in die Höhe treiben würde.

Was ist dagegen zu sagen? Das Argument ist nicht unplausibel, geht aber am Kern der Sache vorbei. Ich denke, dass die neuen Mittelschichten ihr Geld erst einmal für Wohnungseinrichtung, Kleidung, Autos und Reisen ausgeben wollen. Gold dürfte auf der Prioritätenliste ziemlich weit unten rangieren. Soweit sie sparen, ist es sinnvoller, Wertpapiere zu erwerben, weil die nämlich meist eine kalkulierbare Rendite abwerfen. Dadurch lassen sich Sparziele rascher erreichen – vor allem wenn es um Anzahlungen für Immobilien geht. Das mag allerdings nicht für Indien gelten, wo Gold eine Art Kultstatus hat.

Wichtiger ist aber aus meiner Sicht, dass die Einkommen in den immer noch armen Ländern, die sich auf viele Jahre hinaus im Aufholprozess befinden, real sehr rasch steigen, und zwar aus zwei Gründen: wegen der großen Produktivitätsfortschritte, die durch die Übernehme moderner Technologie und Verfahren erzielt werden, sowie wegen der zunehmenden Beschäftigung und relativ geringen Arbeitsplatzrisiken. In jungen Gesellschaften mit hohen Wachstumsraten geht es darum, den Lebensstandard zu steigern, nicht so sehr darum, wie sich das Erreichte vor dem Zugriff des Staates und dem Verlust an Kaufkraft schützen lässt. Die Ansammlung von Gold ist ein Luxusproblem alternder Gesellschaften.

Im Übrigen: Warum soll die Nachfrage nach Gold stärker steigen als das Angebot? So etwas gibt es in einer Marktwirtschaft nicht. Sind die Preise nur hoch genug, wird auch das Angebot ausgeweitet, und das wirkt wie eine natürliche Bremse, selbst wenn das zugegebenermaßen nicht über Nacht geschehen wird.

2. Das zweite Argument der Goldpromoter geht so: Die Inflation hat weltweit ihren Tiefpunkt hinter sich gelassen und steigt von nun an nicht nur temporär, sondern im Trend. In den Industrieländern ist seit Jahren aggressiv Geld gedruckt worden, um zu verhindern, dass aus der tiefen Rezession eine Depression wurde. Die globale Liquidität ist rascher ausgeweitet worden als das nominale Sozialprodukt, was nicht nur die Wirtschaft stimulierte, sondern auch einen gewaltigen Überhang an anlagesuchenden Mitteln geschaffen hat. Aus beiden Gründen ist es zu einem neuen Rohstoffboom gekommen, dessen Effekte inzwischen die Inflation auf der Verbraucherebene in die Höhe treibt, ebenso wie demnächst auch die Inflationserwartungen, die Renditen der festverzinslichen Wertpapiere und eben den Goldpreis. Noch sieht es nicht danach aus, als ob die Notenbanken der großen Industrieländer in absehbarer Zeit auf eine restriktive Politik umschalten könnten. Langsam nistet sich daher wieder eine Inflationsmentalität ein. Die Anleger seien zunehmend bereit, für den Inflationsschutz, den das Gold bietet, eine Prämie, also einen stolzen Preis zu zahlen.

Für mich gibt es allerdings kaum Anhaltspunkte dafür, dass wir es bei der Inflation mit einer Trendwende zu tun haben, die die Inflation des Goldpreises rechtfertigen würde. Vor allem in den Industrieländern sind die sogenannten Output gaps immer noch gewaltig und es wird Jahre dauern, bis sie wieder geschlossen sind. Der Abstand zwischen dem, was zuletzt im Euroland und in den USA gemessen am realen BIP produziert wurde, und dem, was bei normaler Kapazitätsauslastung produziert werden könnte, liegt bei etwa sechs oder sieben Prozent. Das lässt sich an den folgenden Schaubildern gut ablesen. Auch wenn man das BIP der Weltwirtschaft insgesamt nimmt, kommt man zu dem Schluss, dass die Outputlücke seit Menschengedenken nicht mehr so groß war wie heute.

Grafik: Outputlücke - USA u. Euroland
Grafik: Wachstum der Weltwirtschaft

Das bedeutet, dass die Löhne wegen der schwachen Verhandlungsposition der Gewerkschaften, die eine Folge der Outputlücken ist, nur langsam steigen dürften, vor allem in den OECD-Ländern. In den USA wurden gerade die Zahlen für die Arbeitskosten im vierten Quartal veröffentlicht: Saisonbereinigt hatten sie sich gerade einmal um 0,4 Prozent gegenüber dem dritten Quartal erhöht und damit etwa so stark wie das Preisniveau. In Japan, im Euroland und in Großbritannien sieht es ähnlich aus – nur in Deutschland nehmen die Löhne von nun an relativ rasch zu, was aber angesichts der Produktivitätsreserven nicht bedeutet, dass sie inflationär wirken. Eine Inflationsmentalität und eine entsprechende Nachfrage nach Gold können sich nur entwickeln, wenn die Löhne über mehrere Jahre hinweg deutlich schneller zunehmen als die Produktivität. Schon die immer intensivere internationale Arbeitsteilung wird das verhindern. Im Übrigen liegen die Kerninflationsraten, bei denen die Preise für Energie und Nahrungsmittel ausgeklammert werden, nahe ein Prozent oder darunter. Bei den steigenden Inflationsraten der vergangenen Monate haben wir es im Grunde lediglich mit einer Verschiebung der relativen Preise zugunsten von Energie und Rohstoffen zu tun: Die Struktur des globalen Wachstums hat sich zulasten der Dienstleistungen und zugunsten der Güterproduktion verschoben. Wenn der Prozess beendet ist, wird auch die „Headline“-Inflation wieder zurückgehen. Das dürfte sich bereits im Sommer zeigen. An den sogenannten Inflationserwartungen hat sich in den OECD-Ländern jedenfalls bislang kaum etwas geändert. Warum sollte man da Gold kaufen?

In den Schwellenländern ist die Inflation, wie ich zugebe, eine größere, vielleicht sogar eine echte Gefahr, vor allem deswegen, weil diese Länder von der Rezession in den reichen Ländern verschont geblieben sind (Russland ist die wesentliche Ausnahme). Es gibt praktisch keine Output gaps, das reale Sozialprodukt expandiert mit Raten von etwa sechs Prozent, und die Arbeitslosigkeit sinkt. Daher fällt es einigermaßen leicht, Lohnforderungen durchzusetzen und die hohen Preise für Rohstoffe und Energie an die Verbraucher weiterzugeben. Aus mehreren Gründen wird die Inflation trotzdem auch dort nicht aus dem Ruder laufen: Da die Investitionsquoten sehr hoch sind, nimmt das Angebot ebenfalls kräftig zu, was wiederum die Inflation in Schach hält. Die Löhne steigen zwar rasch, halten aber Kontakt zu den Zuwachsraten der Produktivität. So war es übrigens in den fünfziger und sechziger Jahren in der Bundesrepublik – investitionsgetriebenes hohes Wachstum bei niedriger Inflation. Mit anderen Worten: Auch in den Schwellenländern wird sich auf absehbare Zeit trotz des Rohstoffbooms keine Inflationsmentalität breit machen. Damit gibt es auch keinen Grund, in Goldanlagen zu fliehen.

Dass weltweit aggressiv Geld gedruckt wird, könnte allerdings ein Inflationsrisiko sein. Bislang mache ich mir aber auch in dieser Hinsicht keine Sorgen – die Notenbanken in den großen Industrieländern tun das ja, um ein Abrutschen des Preisniveaus in die Deflation zu verhindern. Sollte die Inflation eines Tages tatsächlich kräftiger ausfallen als erwünscht, gibt es genügend wohlerprobte Instrumente, mit denen sie bekämpft werden kann. Gold zu kaufen, wenn Deflation droht, ist jedenfalls keine rationale Strategie.

3. Für Gold spricht nach Ansicht der Goldlobby zusätzlich, dass der Euro auf der Kippe steht und eine veritable globale Währungskrise ins Haus steht. Griechenland, Irland, Portugal und Spanien würden sich wegen ihres untragbaren Schuldendienstes irgendwann in diesem oder im nächsten Jahr für zahlungsunfähig erklären müssen. Die Beträge, um die es dabei geht, machen ein Vielfaches dessen aus, was nach der Lehman Brothers-Insolvenz vom Herbst 2008 an Forderungen abgeschrieben werden musste: Banken und Versicherungen würden reihenweise Konkurs anmelden, eine Rettung durch die solventen Staaten wäre praktisch nicht mehr möglich, der Euro flöge auseinander und es käme zu einem Abwertungslauf. Das Papiergeld würde als das entlarvt, was es ist: Papier. Nur wer über Gold verfüge, käme mit heiler Haut davon.

Glücklich ist, wer so argumentieren kann und das für logisch hält. Es ist aber aus zwei Gründen ein ziemlicher Quatsch.

Zum Einen werden die nächsten zwei Jahre bis zum Auslaufen der jetzigen Rettungspakete dafür genutzt werden, eine dauerhafte Lösung für die Problemländer in der Peripherie Eurolands zu finden. Der Wille, den Euro zu erhalten, ist viel stärker, als sich das Außenstehende vorstellen. Für Europäer sind Nationalstaaten, die in jeder Hinsicht souverän sind, nicht das Ende der Geschichte. Eine engere wirtschaftliche und politische Union ist für die meisten ein erstrebenswertes Ziel, schon weil sie stabilere demokratische Strukturen und ein höheres Maß an außenpolitischer Unabhängigkeit verspricht. Es ist zwar nicht möglich, mit Bestimmtheit zu sagen, wie die Lösung aussehen wird, sie dürfte aber die folgenden Elemente enthalten: a. Verlängerung der Laufzeit der Staatsschulden, b. Subventionierung der langfristigen Zinsen, c. Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in den Schuldnerländern, d. strenge und durchsetzungsfähige Auflagen für Schuldnerländer und Gläubigerländer gleichermaßen, de facto eine enge Koordinierung der Finanzpolitik wenn nicht sogar ein großer Schritt in Richtung gemeinsame Finanzpolitik – die Gläubigerländer wollen nämlich eine Gegenleistung für die Garantien und Subventionen, die von ihnen erwartet werden. Aber selbst wenn es zu einer Restrukturierung der Schulden kommen sollte („haircut“), wird das den Euro nicht aus der Bahn werfen. Eine Menge kluge Leute werden die erforderlichen Sicherungsmechanismen vorbereiten (hoffe ich jedenfalls).

Das andere Gegenargument betrifft die Markteffekte einer Insolvenz großer europäischer Schuldner, seien es Banken, Versicherungen oder Regierungen. Da die Gläubiger hohe Abschreibungen auf ihre Aktiva vornehmen müssten, würde das deflationär wirken. Sie machen dann entweder Verluste oder geringere Gewinne, sie müssten ihr Kapital wieder aufstocken oder ihre Bilanz verkürzen, der Cash Flow stünde nicht mehr im selben Maße für Investitionen und Dividenden zur Verfügung wie vorher, ihre Risikoaversion nimmt zu, die Kreditvergabe schrumpft – all das verbunden mit einer Konkurswelle würde geradewegs in eine neue Rezession führen. Nicht nur das: Wenn der Abbau von Schulden, also die Sanierung der Bilanzen, für weite Teile der Volkswirtschaft auf einmal höchste Priorität hat, wird die Geldpolitik wirkungslos. Es würde wie nach Lehman sein, oder wie nach dem Platzen der japanischen Aktien- und Immobilienblasen. Was soll man mit Gold, also einem Inflations-Hedge, wenn das Preisniveau sinkt?

Ich finde, das Argument, dass Gold einen Nutzen hat, wenn der Euro scheitert, ist das am wenigsten schlüssige von den Dreien. Ich würde, wenn ich wirklich Angst davor hätte, langlaufende schwedische Anleihen kaufen, oder Aktien von europäischen Versorgern – die haben eine hohe und bislang stabile Dividendenrendite -, außerdem mein Haus verkaufen, und meinen Zweitwagen ebenfalls. Die Goldkette von der Oma müsste auch dran glauben – trägt ja sowieso kein Mensch mehr.

Ich bin gespannt, ob ich diesmal Recht behalte mit meiner Bärenstory und der Goldblase jetzt die Luft ausgeht.