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Die Goldblase ist geplatzt – wieder einmal

 

Ja, ich weiß, das Thema hatten wir schon im vergangenen Februar. Seitdem ist der Goldpreis um fast 30 Prozent gestiegen; in der Spitze waren es sogar 46 Prozent. Gold ist eines der wenigen Anlageobjekte, dessen Marktpreis immer noch deutlich über dem Wert zu Jahresbeginn liegt – auf Dollarbasis um 17 Prozent.

Grafik: Goldpreis und Welt-BIP seit 2001

Ich fand den Goldpreis schon damals völlig überhöht. Er hatte, wie die Graphik zeigt, jeden Kontakt mit dem Wachstum des nominalen Sozialprodukts der Welt verloren. Das nominale BIP ist so etwas wie eine Näherungsvariable für die Ertragskraft des globalen Kapitalstocks. Letztlich bestimmen die Erträge immer den Preis eines Wertgegenstands, aber auch der menschlichen Arbeitskraft – es sei denn, es gibt andere Motive für den Kauf. Bei Gold ist das sicher so. Gold wird ja de facto nicht als Produktionsmittel eingesetzt. Es dient als Schutz in wirtschaftlichen und politischen Extremlagen, ist wichtig für das Schmuckgeschäft, ist eine Alternative zum Papiergeld und ein Wertaufbewahrungsmittel, weil sein Angebot anders als der Notenumlauf insgesamt nur sehr langsam erhöht werden kann. In der griechischen Antike konnte man für eine Unze Gold eine vornehme Toga kaufen, heute bekommt man dafür einen Anzug von Brioni. Das nenne ich stabile Kaufkraft!

Und jetzt? Eigentlich müsste der Goldpreis doch steigen, aus mindestens drei Gründen: 1. ES sieht  danach aus, als ob das allgemeine Zinsniveau angesichts der miesen Wirtschaftsaussichten nicht steigen, sondern sinken wird – das heißt, es wird relativ attraktiver, Gold zu halten; der Zinsvorteil von Geldmarktanlagen gegenüber dem unverzinslichen Gold schwindet; 2. Die Staatsschuldenkrise wird im Euroland immer kritischer, und niemand weiß, wie das alles enden soll – die Pleite von Lehman Brothers könnte sich schon bald als idyllisches Vorspiel erweisen; 3. Der Schweizer Franken ist seit neuestem eine Art Ersatzeuro, verzinst sich aber viel schlechter und taugt daher noch weniger als safe haven als der Euro selbst – da bleibt doch nur noch Gold, oder?

Warum also ist der Goldpreis seit dem 5. September um knapp 13 Prozent eingebrochen? Ich glaube, meine Stunde ist jetzt gekommen. Es wird weiter in Richtung Süden gehen, vermutlich bis hinunter auf ein Niveau von 500 Dollar. Jetzt geht es darum, wer der letzte Dumme sein wird, der auf seinem Gold sitzen bleibt. Was ist diesmal anders als im Januar? Hier die Gründe:

  1. Die Blase war schon im Januar sehr dick, Anfang dieses Monats dann noch mal viel dicker – ihr Platzen war immer wahrscheinlicher geworden.
  2. Die Prognosen für das Wachstum der Weltwirtschaft sind in den vergangenen Wochen auf geradezu dramatische Weise nach unten revidiert worden. Der Internationale Währungsfonds erwartet für die Jahre 2011 und 2012 nunmehr Zuwachsraten von 4,0 Prozent; damit wird die Outputlücke wieder größer und die Arbeitslosigkeit steigt. In den reichen Ländern wird die Inflationsrate im nächsten Jahr auf 1,4 Prozent zurückgehen (WEO September 2011, S. 2) – niemand braucht Gold mehr als Inflationsschutz.
  3. Gewinnmitnahmen! Da die Aktienkurse angesichts der zunehmend mauen Wirtschaftslage purzeln und Anleger daher zunehmend gezwungen sind, ihre Kredite zurückzuzahlen und margin calls zu bedienen, werden solche Aktiva verkauft, bei denen man noch Gewinne realisieren kann. Gold gehört dazu.
  4. Die Preise fast aller anderen Rohstoffe sind seit Monaten rückläufig: Die Assetklasse „Rohstoffe“ hat, jedenfalls vorläufig, ihre Attraktivität verloren, da die Anleger zunehmend auf einen stetigen und sicheren Cash Flow achten; der Goldpreis lebt von seinem Anstieg, und der ist höchst unsicher in einer Welt, die auf japanische Verhältnisse zutreibt. Wenn die laufenden Zinsen immer weiter sinken, müssen die Sparer noch mehr sparen, wenn sie im Alter ein bestimmtes Einkommen aus ihren Kapitalanlagen haben möchten. Das ergibt einen sich selbst verstärkenden Prozess, der eine neue Rezession wahrscheinlicher macht. Jedenfalls ist den Sparern – und den Versicherungen – mit Rohstoffen nicht geholfen.
  5. Gold ist zudem ein sogenanntes high beta asset, will heißen, sein Preis übertreibt gewaltig auf dem Weg nach oben, und verliert umso mehr, wenn es in die andere Richtung geht.
  6. Ich wage außerdem die Behauptung, dass die Eurokrise nicht in die Katastrophe führt und der Euro nicht untergehen wird. Wie immer, wird es nach einigen Brüsseler Nachtsitzungen und unerfreulichen Kompromissen zu einer Lösung kommen – vermutlich in Gestalt gemeinsamer Anleiheemissionen und verstärkter gegenseitiger Haftung; damit rückt die politische Union wieder einen Schritt näher. Der Euro bekommt Schützenhilfe von einem europäischen Finanzministerium, auch wenn das bis auf Weiteres unter dem unschönen Namen European Financial Stability Facility (EFSF) firmiert. Das hatte ihm bisher gefehlt und ihn gegenüber Dollar, Yen und Pfund in der Wahrnehmung der Anleger benachteiligt.

Damit soll es genug sein: Modelle, die überspezifiziert sind, taugen bekanntlich nichts. Eigentlich müsste ein überzeugendes Argument für die These in der Überschrift reichen – der Kandidat dafür ist die Nummer eins in obiger Liste: Wenn Blasen zu dick geworden sind, müssen sie platzen. Und wenn zu viele bei dem Spiel mitgemacht haben, dann ist was los!