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Warum tut sich Draghi das bloß an?

 

Bild hat heute ein großes Interview mit Mario Draghi. Es ist illustriert mit einem Foto, das zwei lachende Springer-Redakteure zeigt, die dem ebenfalls lachenden Draghi eine „originalpreußische Pickelhaube aus dem Jahr 1871“ überreichen. Draghi sagt dazu, „das Preußische“ sei ein gutes Symbol für den wichtigsten Auftrag der EZB, nämlich die Preise stabil zu halten.

Einmal abgesehen davon, dass „das Preußische“ in Europa auch noch als Symbol für ganz andere Dinge gelten dürfte: Warum macht er das? Könnte man sich vorstellen, dass sich Jürgen Stark mit einem Teller Spaghetti in der Hand auf einer Gondel ablichten lassen würde, eine italienische Oper schmetternd? Es hätte etwas Erniedrigendes – und genau so wirkt das Foto in der Bild.

Vielleicht ist Draghi nur besonders schlau. Er bedient den deutschen Stammtisch, weil er weiß, dass er so in Ruhe gelassen wird und die Politik machen kann, die gesamteuropäisch angemessen ist, wie es ja auch sein Auftrag ist. Es schmerzt trotzdem, den Präsidenten einer unabhängigen Notenbank in einer solchen Pose zu sehen. Man würde sich wünschen, er hätte den Deutschen einmal gerade heraus gesagt, dass ihre Inflationsangst obsessive Züge hat und dass ihre Kritik an der EZB zu 95 Prozent von bemerkenswerter Ahnungslosigkeit hinsichtlich der grundlegenden geldtheoretischen Zusammenhänge geprägt ist.

Es ist eines der Merkmale dieser Krise, dass zwar auf der faktischen Ebene wirtschaftspolitische Maßnahmen ergriffen werden, die dem Vorkrisenideal perfekt funktionierender Märkte widersprechen – auf der Diskursebene aber die alten Prinzipien hochgehalten werden. Das mag einige Zeit gut gehen, irgendwann aber werden die Menschen wissen wollen, was eigentlich nun ist.