Nach den Zahlen, die das Statistische Bundesamt veröffentlicht hat, ist die Produktion in Industrie und Bauwirtschaft im Februar erneut kräftig gestiegen. Die Wirtschaft nimmt zusehends Fahrt auf.
Wenn ich Januar und Februar zusammenfasse, um die Daten etwas zu glätten, komme ich gegenüber dem Durchschnitt des vierten Quartals in der Industrie – hochgerechnet auf’s Jahr – zu einer Zuwachsrate von 6,2 Prozent; der Abstand zum Vorjahr betrug 4,7 Prozent. Im Bau belief sich der Vorjahresabstand in den beiden Monaten sogar auf 9,5 Prozent; der Frühindikator „reale Auftragseingänge“ bewegt sich in dieser Branche in einer ähnlichen Größenordnung; das gute Wetter, die niedrigen Zinsen und der große Nachholbedarf haben inzwischen geradezu einen Bauboom ausgelöst.
Einige andere Zahlen der vergangenen Wochen bestätigen den Eindruck, dass die Konjunktur wieder gut läuft: (1) In der Industrie übertrafen die realen Auftragseingänge im Januar und Februar ihre Vorjahreswerte um 6,6 Prozent. (2) Die Erwartungskomponente des Ifo-Indikators ist zwar zweimal in Folge gesunken, vermutlich wegen der Krise in der Ukraine, befindet sich aber nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau – die Unternehmer sind sehr optimistisch. (3) Vom Arbeitsmarkt gibt es ebenfalls nur Erfreuliches zu berichten: In den sechs Monaten bis Februar hatte die Beschäftigung mit einer Jahresrate von 1,0 Prozent zugenommen und übertraf ihren Vorjahreswert um 0,7 Prozent; im März war die Arbeitslosenquote auf 6,7 Prozent gefallen, den tiefsten Wert seit der großen Rezession; nach der Definition der ILO (der Internationalen Arbeitsorganisation) entspricht das einer Quote von nur 5,1 Prozent. (4) Überschlägig gerechnet lagen die realen Wareneinfuhren in den vier Monaten bis Januar um nicht weniger als 8,5 Prozent über ihren Vorjahreswerten, die Ausfuhren „nur“ um 3,4 Prozent; beides zusammen zeigt, dass der Aufschwung nicht so sehr wie früher von der Auslandsnachfrage abhängt.
Inzwischen haben wir es mit einem Aufschwung zu tun, der es mit dem von 2010 und 2011 aufnehmen kann. Damals, direkt nach der tiefen Rezession, war das reale BIP mit Raten zwischen dreieinhalb und vier Prozent gestiegen. Nach wie vor ist die deutsche Wirtschaft aber noch weit von einer normalen, geschweige denn hohen Auslastung ihrer Kapazitäten entfernt. Weil das so ist, gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich die Inflation beschleunigen könnte, zumal aus dem Ausland Deflation importiert wird, vor allem aus den Ländern in der Peripherie des Euro-Raums. Auch an den Rohstoffmärkten sinkt das Preisniveau. Die Einfuhrpreise waren zuletzt um 2,7 Prozent niedriger als vor Jahresfrist. Bei den industriellen Erzeugerpreisen und Ausfuhrpreisen liegen die Inflationsraten jeweils bei minus ein Prozent.
Endlich ist Deutschland für die europäischen Nachbarn so etwas wie eine Konjunkturlokomotive geworden. Die Länder in der Peripherie müssen die Nachfrage zugunsten der Exporte und zulasten der Inlandsnachfrage umschichten, damit sie mit weniger Kapitalimporten auskommen und ihre Auslandsschulden abbauen können. Wenn es hierzulande konjunkturell brummt, vereinfacht sich für sie der Prozess. Eine robuste deutsche Konjunktur ist ein wichtiger Beitrag für die Stabilisierung des Euro.
Es würde mich nicht überraschen, wenn das reale BIP im gerade abgelaufenen Quartal gegenüber dem vierten Quartal um 1,0 Prozent gestiegen wäre und damit um 2,4 Prozent über dem Wert vom ersten Quartal 2013 gelegen hätte. Wir wären damit auf dem Weg zu meiner kürzlich für nicht unwahrscheinlich beschriebenen Zuwachsrate für das Gesamtjahr 2014 von drei Prozent plus. Es ist aber noch ein langer Weg.
Im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) werden zurzeit gerade einmal die Höchststände von Ende 2007/Anfang 2008 erreicht. Wie sich dem folgenden Schaubild entnehmen lässt, liegt der Trendwert zurzeit bei etwa 125, der aktuelle Output aber nur bei 109, also um rund 13 Prozent darunter. Ob die Lücke jemals gefüllt werden kann, steht in den Sternen, aber klar ist, dass es auf Jahre hinaus keine Engpässe in der Produktion geben wird, vor allem, wenn demnächst auch die Ausgaben für Ausrüstungen und Anlagen anspringen und damit das Produktionspotenzial wieder stärker zunimmt.
Im Bau allerdings nähert sich die Produktion rasch ihrem Normalzustand. Die Jahre nach der Wiedervereinigung können nicht der Vergleichsmaßstab sein. Stärker anziehende Immobilienpreise sind ein Zeichen dafür, dass die Branche auf dem Weg vom Käufermarkt zum Verkäufermarkt ist.
Es fragt sich, wie lange der Aufschwung anhalten wird. Ich sehe nur wenig, was ihn bremsen könnte.
Wenn man Mario Draghi glauben darf, wird die Politik der EZB auf Jahre hinaus sehr expansiv bleiben. Bei der EZB wird intensiv darüber diskutiert, wie sich noch eine Schippe drauflegen und das Gespenst der Deflation vertreiben lässt. Die Kosten für Fremdkapital sind daher sehr niedrig. Das hohe Niveau der Aktienkurse bedeutet gleichzeitig, dass auch die Eigenmittel der Unternehmen nicht viel kosten.
In der Finanzpolitik ist das Defizitziel längst erreicht, sodass von dieser Seite keine weiteren restriktiven Effekte ausgehen dürften.
Zu einem Problem könnte der feste Euro werden. Ich denke aber, dass die Politik der EZB der Tendenz nach lockerer sein wird als die der Fed, weil Europa konjunkturell hinterherhinkt. Das wird den Anstieg des Euro gegenüber dem Dollar bremsen. Der Welthandel wird 2014 laut Sachverständigenrat im Vorjahresvergleich um etwa 5,5 Prozent zulegen, sodass es vom Außenbeitrag her insgesamt keine bösen Überraschungen geben dürfte.
Getrübt werden könnte dieses sonnige Bild durch ein Platzen der chinesischen Schuldenblase, eine neue Eskalation der ukrainischen Krise oder durch Rückschläge am Aktienmarkt. Das sind ernstzunehmende Risiken, aber aus heutiger Sicht ist per Saldo kaum mit katastrophalen Entwicklungen zu rechnen. Der deutsche Aufschwung ist inzwischen so breit abgesichert, dass er die eine oder andere Krise wegstecken kann.