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Erstes Quartal – endlich mal Wachstum!

 

Die detaillierten Zahlen zum deutschen Sozialprodukt im ersten Quartal, die gerade veröffentlicht wurden, sind besser, als ich erwartet hatte. Dabei bin ich schon ziemlich optimistisch. Kürzlich hatte ich ausgerechnet, dass unter einigen nicht unrealistischen Annahmen 2014 beim realen BIP durchaus eine Drei vor dem Komma stehen könnte. Die Konsensusprognose liegt bei knapp unter zwei Prozent. Viel ist dem außergewöhnlich warmen Winter geschuldet, sodass es nicht unbedingt so weitergehen muss, aber die Frühindikatoren sind robust, vor allem die Stimmung der Verbraucher und Unternehmer. Die Bauwirtschaft hebt gerade ab.

Die Ifo-Indikatoren für Mai, die ebenfalls heute Morgen über die Ticker kamen, waren gegenüber April leicht zurückgegangen, befinden sich aber immer noch nahe den Rekordständen von Ende 2006 und Anfang 2011 und liegen damit weit über den Durchschnittswerten seit der Wiedervereinigung. Für eine Fortsetzung des Aufschwungs fehlt es weder an guter Stimmung noch an Geld.

Grafik: Ifo Geschäftsklima Mai 2014

Gegenüber dem vierten Quartal hat das reale BIP saisonbereinigt um 0,8 Prozent zugelegt. Nach der vor allem in den USA populären Methode, das auf’s Jahr hochzurechnen, bedeutet das eine „Verlaufsrate“ oder „annualisierte Rate“ von 3,3 Prozent – die amerikanische Vergleichszahl liegt übrigens im ersten Quartal bei lediglich 0,1 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr betrug die deutsche Zuwachsrate 2,5 Prozent. Wir nähern uns der Drei, und die Outputlücke ist etwas kleiner geworden, wenn leider auch nur die deutsche, nicht die von Euro-Land insgesamt: Die hat sich erneut ausgeweitet.

Grafik: Deutsches Bruttoinlandsprodukt ggVq und ggVj 1999 - 2014Q1

Woher der neue konjunkturelle Schwung? Er kam allein aus dem Inland. Die inländische Nachfrage war inflationsbereinigt gegenüber dem Vorquartal um nicht weniger als 1,9 Prozent gestiegen, mit einer Verlaufsrate von 7,6 Prozent.

Endlich haben die privaten Haushalte wieder deutlich mehr Geld ausgegeben. Worauf hätten sie noch warten können? Die Beschäftigung steigt und steigt, die Zinsen sind so niedrig wie noch nie, die Arbeitnehmereinkommen übertrafen ihren Vorjahresstand um 3,5 Prozent, so viel wie seit dem Ende der großen Rezession nicht mehr, und die angesammelten Ersparnisse haben astronomische Größenordnungen erreicht – jährlich wurden in letzter Zeit netto rund 175 Mrd. Euro auf die hohe Kante gelegt. Da die Konsumausgaben der Verbraucher 60,5 Prozent der inländischen Verwendung ausmachen, sind sie konjunkturell immer der entscheidende Faktor. Diesmal waren sie gegenüber dem vierten Quartal mit einer Verlaufsrate von ungewöhnlichen 2,8 Prozent gestiegen, waren allerdings nur 1,4 Prozent höher als vor einem Jahr. Die Verbraucher haben also vermutlich noch beträchtlichen Nachholbedarf. Das lässt hoffen.

Grafik: Privaer Konsum und verfügbares Einkommen der priv. HH, ggVj., 1992-2014Q1

Und dann der Bau! Das gute Wetter hat die Zahlen sicher geschönt, aber wenn ich mir die Baugenehmigungen ansehe und die realen Auftragseingänge im Baugewerbe, bin ich mir sicher, dass es sich nicht nur um ein Strohfeuer handelt, auch wenn es im jetzigen und den folgenden Quartalen bei der Produktion sicher gedämpfter zugehen wird. Für Bauten wurden im ersten Quartal real 7,8 Prozent mehr ausgegeben als vor einem Jahr; gegenüber dem vierten Quartal entspricht dies einer Verlaufsrate von 15,4 Prozent. Obwohl der Anteil des privaten und öffentlichen Baus an der inländischen Verwendung gerade einmal bei 11 Prozent liegt (nominale Werte), trug der Bau nicht weniger als 0,4 Prozentpunkte zur gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate von 0,8 Prozent bei, genauso viel wie der private Verbrauch.

Grafik: Ausrüstungsinvestitionen und Bauinvestitionen seit 1991

Ökonomen wie ich fühlen sich, vielleicht irrationalerweise, meist nicht wohl, wenn das Wachstum vor allem durch Konsumausgaben und Investitionen in Beton generiert wird. Damit das Produktionspotenzial rascher zunimmt und sich die Herausforderungen der Zukunft leichter meistern lassen, müssen vor allem die Ausgaben für Ausrüstungen und Software steigen. Da sieht es jetzt auch ein bisschen besser aus. Die Ausrüstungen übertrafen ihren Vorjahresstand real um 5,3 Prozent. Leider liegen sie aber immer noch weit unter dem Niveau, das vor dem Ausbruch der Finanzkrise erreicht worden war (um rund 12 Prozent). Wenn der Staat mit seinen vollen Kassen etwas Gutes tun will, sollte er hier nach Ansatzpunkten suchen – die Produktivität, definiert als reales Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde, ist im ersten Quartal leider erneut zurückgegangen (um 0,6 Prozent gegenüber dem vierten Quartal) und ist damit in den sechs Jahren seit der Jahreswende 2007/2008 gerade einmal um 0,6 Prozent gestiegen. Es ist schön und gut, wenn es so viele neue Jobs gibt wie in den letzten Jahren, aber für ein fortschrittliches Land kommt es genauso darauf an, dass der Output pro Stunde kräftig steigt. Hier haben wir ein Problem.

Und sonst? Die staatlichen Konsumausgaben haben unterdurchschnittlich zugenommen, nämlich nur um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Staat hält seine Taschen zu und möchte offenbar in diesem Jahr einen richtig großen Überschuss erwirtschaften. Warum eigentlich? Das Problem ist ja wohl nicht, dass sonst die Inflation außer Rand und Band geraten könnte.

Grafik: Wachstumsbeiträge zur Änderung des BIP

Etwas verblüffend ist, dass die Lagerbestände außerordentlich stark aufgestockt wurden. Wenn die Zahlen stimmen, hat die Produktion viel kräftiger zugenommen als der Absatz. Normalerweise bedeutet das nichts Gutes für die kommenden Quartale – sodass wir 2014 vielleicht doch nicht auf meine Wachstumsrate von 3 Prozent plus kommen werden (ich brauchte jetzt dreimal in Folge eine Quartalszuwachsrate von gut 0,9 Prozent!).

Fast sensationell mutet an, dass Deutschland sich weiter vom kranken Mann Europas zu seiner Konjunkturlokomotive mausert (ich gebe zu, ein ziemlich schiefes Bild). Die vergleichsweise gute Konjunktur und die anhaltende, wenn auch nur leichte Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den europäischen Partnern haben dazu geführt, dass die Einfuhren im ersten Quartal deutlich kräftiger zugenommen haben als die Ausfuhren. Das, was von internationalen Organisationen wie der EU-Kommission und den Regierungen im Süden der Währungsunion immer wieder angemahnt wurde, ist nun eingetreten. Auch wenn der deutsche Exportüberschuss nach wie vor gewaltig ist, fällt es den anderen jetzt tendenziell leichter, ihre Schulden abzutragen. Im ersten Quartal 2007 hatte Deutschland im Warenhandel gegenüber dem Euro-Raum einen Überschuss von 29,6 Mrd. Euro – er ist bis zum ersten Quartal 2014 stetig auf 13,4 Mrd. Euro geschrumpft. Dieser von der Öffentlichkeit und den Euro-Gegnern weitgehend unbemerkte Trend dürfte den Euro weiter stabilisieren. Das Zinsniveau, das seit der Londoner Rede von Mario Draghi vom 26. Juli 2012 auch für die Krisenländer stark rückläufig ist, ist der andere, schon länger wirkende Faktor, der den Schuldendienst erleichtert und ein Scheitern des Euro unwahrscheinlicher macht.

Insgesamt: ein sehr erfreulicher Vormittag.