Wie mir immer wieder unter die Nase gerieben wird, habe ich keine Ahnung vom Ölgeschäft. Ständig sage ich voraus, dass der Ölpreis sinken wird, aber wo ist er? Immer noch über 100 Dollar, und das schon seit Anfang 2011 (Brent). Langsam könnte es mir peinlich sein – wenn ich nicht wüsste, dass ich am Ende Recht behalten werde.
Warum halte ich Erdöl für überteuert? Am wichtigsten ist vermutlich, dass die Preise für Strom aus Photovoltaik ständig fallen. In Teilen Asiens sind sie bereits so niedrig, dass diese Art der Stromproduktion nicht mehr weiter staatlich gefördert werden muss. Technischer Fortschritt und rückläufige Kosten durch Massenproduktion sind dafür verantwortlich. Es fehlt zudem nicht an Flächen, wo die Paneele installiert werden können, auf Dächern, über der Autobahn oder in der Wüste Gobi. Hinzu kommt, dass demnächst mit bahnbrechenden Fortschritten oder Kostendegressionen in der Batterietechnik zu rechnen ist, wodurch es nicht mehr so wichtig für die Akzeptanz des Sonnenstroms ist, dass die Sonne nur tagsüber scheint.
Bei der Windkraft fallen die Preise auch, aber nicht so rasch. Hier geht es darum, die Anzahl der Volllaststunden zu maximieren und den Wind auf einer großen Fläche da einzufangen, wo er vergleichsweise immer kräftig weht, also in großer Höhe und nicht nur an den Küsten und offshore. Matthias Willenbacher schreibt in seinem Buch Mein unmoralisches Angebot an die Kanzlerin, dass man die Menge an Windstrom allein durch höhere Türme und größere Rotorblätter erheblich steigern kann, ohne das Landschaftsbild groß zu verändern (S. 72). Die alten Anlagen werden an derselben Stelle durch effizientere ersetzt. Vor allem in China und den USA ist die Erzeugung von Windstrom sehr billig – offenbar vor allem deswegen, weil die Windparks dort sehr groß sind; die Produktionskosten sinken mit deren Größe.
Die hohen Ölpreise waren in den vergangenen Jahren ein Anreiz, in unzugänglichen Gefilden nach Öl zu bohren und dafür Hunderte von Milliarden Dollar auszugeben. Die Durchschnittskosten dieser Ölproduktion sind vielfach nicht viel niedriger als der jetzige Marktpreis, was zeigt, dass es sich dabei um Wetten auf weiter steigende Preise handelt. Große neue Felder wurden bisher allerdings nicht erschlossen, was vermutlich einer der Gründe dafür ist, warum ein Einbruch der Ölpreise bisher ausgeblieben ist. Das Angebot nimmt nur langsam zu. Wenn die Preise eines Tages unter die Marke von etwa 100 Dollar pro Fass sinken sollten, aus politischen oder konjunkturellen Gründen, oder weil die chinesische Immobilienblase schließlich doch platzt, werden die neuen Anlagen in die Verlustzone rutschen. Da die Grenzkosten einer einmal installierten Anlage in der Nähe von Null liegen, wird es nach den Regeln der Marktwirtschaft zu einem Preiskampf kommen. Unter Wettbewerbsbedingungen bewegt sich der Marktpreis dann auf die Grenzkosten zu, es kommt also zu einem Preiseinbruch.
Insgesamt dürfte es hier zu massiven Fehlinvestitionen (stranded assets) gekommen sein, einer Bubble, ähnlich der, die es vor 2007 auf den Immobilienmärkten einiger OECD-Länder gegeben hatte, auch von der Größenordnung her (siehe Ambrose Evans-Pritchard: Fossil industry is the subprime danger of this cycle, The Telegraph, 9. Juli 2014). Seit 2008 wird jährlich zwischen 800 Milliarden und einer Billion Dollar in die Entwicklung und Gewinnung fossiler Brennstoffe investiert. Die Ölmultis könnten sich überhoben haben und im schlimmsten, aber nicht unwahrscheinlichen Fall Konkurs gehen.
Bis zuletzt hat sich der Ausstoß von Kohlendioxid weltweit ständig erhöht. Die Qualität der Umwelt verschlechtert sich global also immer noch. In China ist es stellenweise so schlimm, dass es in den Küstenstädten zu Massenprotesten gegen den Smog gekommen ist. Die chinesische Führung hat inzwischen das Verbrennen von Kohle gedeckelt. Ähnlich ist es in anderen Schwellenländern. Um die Umwelt nicht gänzlich zu zerstören, wird überall per Regierungsbeschluss die Menge der Schadstoffe begrenzt. Auch das macht den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien attraktiver und senkt ceteris paribus den Ölpreis.
Ich bin mir außerdem nach wie vor sicher, dass die hohen Ölpreise die Verbrauchsgewohnheiten nachhaltig verändern. Sie zwingen die Haushalte und Unternehmen, sparsamer mit Energie umzugehen. Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass sich Blasen an den Märkten fast immer länger halten, als nüchterne Analysten das erwarten. Mit einem solchen Fall haben wir es hier zu tun. Wetten wir?