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Warum die EZB immer noch kein Bilanzziel hat

 

In der formalen Logik unterscheidet man zwischen einer positiven und einer normativen Aussage. Eine positive Aussage beschreibt einen Vorgang, eine normative bewertet ihn. Aus meiner Sicht berührt diese Unterscheidung den Kern der heutigen Sitzung der EZB.

Im zweiten Absatz des Einführungsstatements steht der folgende Satz:

Together with the series of targeted longer-term refinancing operations to be conducted until June 2016, these asset purchases will have a sizeable impact on our balance sheet, which is expected to move towards the dimensions it had at the beginning of 2012.

Draghi hat betont, dass der gesamte Governing Council hinter dieser Aussage steht. Die meisten Marktteilnehmer haben daraus abgeleitet, dass der GC ein Bilanzziel für die EZB abgesegnet hat. Das wäre ein großer Erfolg für Draghi und es würde bedeuteten, dass es mit einem gewissen Automatismus zu Quantitative Easing kommt, wenn das Ziel – wie wiederum der Markt erwartet – nicht erreicht wird mit den bisherigen Maßnahmen.

Ich halte diese Interpretation für nicht korrekt. Der Satz gibt lediglich wieder, die allgemeine Erwartung sei, dass sich die Bilanz der EZB in der entsprechenden Weise entwickle. Er sagt nicht, was passieren wird, wenn diese Erwartung sich nicht erfüllt. Konkret: Wenn die Bilanz die Zielgröße nicht erreicht.

Zwar heißt es an anderer Stelle:

Should it become necessary to further address risks of too prolonged a period of low inflation, the Governing Council is unanimous in its commitment to using additional unconventional instruments within its mandate.

Aber zwischen dieser Aussage und dem Bilanzziel gibt es keine klare Verbindung: Es ist keineswegs klar, dass eine Verfehlung des Bilanzziels schon eine hinreichende Voraussetzung für neue Maßnahmen ist.

Mit anderen Worten: Die Aussage, Draghi habe den GC auf ein Bilanzziel eingeschworen, erscheint mit falsch. Ich denke, die Formulierung versucht zu kaschieren, dass es eben keine Einigkeit gibt, wie man mit der Bilanz umgeht. Das ist unter Kommunikationsgesichtspunkten nicht unklug, aber ich denke wenn sich die ersten nationalen Gouverneure äußern, wird die Fassade zerbröseln.