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Leute, macht Schulden!

 

Im Augenblick kann sich der Bund für zehn Jahre Geld zu einem Festzins von 0,35 Prozent leihen; auch für 30 Jahre sind es nicht mehr als 1,07 Prozent. Gemessen an den Inflationserwartungen sind das negative Realzinsen. Die Marktteilnehmer schenken dem Staat gewissermaßen Geld, Mario Draghis quantitative easing sei Dank.

Auf der Basis inflationsgeschützter Bundesanleihen lässt sich berechnen, dass am Markt für die kommenden zehn Jahre eine durchschnittliche Inflationsrate von 0.94 Prozent erwartet wird, ähnlich wie übrigens in Frankreich (1,11 Prozent) und Italien (0,98 Prozent). Die EZB publiziert außerdem regelmäßig die Inflationserwartungen „professioneller Prognostiker„. Der folgenden Grafik ist zu entnehmen, dass sie in fünf Jahren eine Rate in der Größenordnung 1,7 bis 1,8 Prozent vorhersagen. Zwar beziehen sich die Zahlen auf den gesamten Euroraum, dürften für Deutschland aber nicht viel anders sein. So oder so, nach beiden Ansätzen übertreffen die Inflationserwartungen die nominalen Bondrenditen beträchtlich. Ob sie sich am Ende auch als zutreffend erweisen, ist allerdings nicht ausgemacht.

Grafik: SPF - Inflationserwartungen Euroraum

Selten war es so günstig, für lange Perioden Geld aufzunehmen. Die Chance sollte genutzt werden, da es nach menschlichem Ermessen möglich sein sollte, es so für Investitionen in Sachkapital und Humankapital zu nutzen, dass ein positiver realer Ertrag herauskommt. Der Staat hat bekanntlich einen gewaltigen Nachholbedarf und kann angesichts der Überschüsse im Haushalt beträchtliche Schulden machen, ohne damit auch nur im Entferntesten seine Bonität zu gefährden. Deutschland ist zusammen mit Luxemburg das einzige Land der Währungsunion, dessen Schulden von den Ratingagenturen mit der Note AAA bewertet werden.

Auch der private Sektor kann sich ungewöhnlich günstig verschulden. Ich sehe auf Bloomberg, dass sich Banken durch die Emission von Pfandbriefen für fünf Jahre Geld zu 0,20 Prozent leihen können, für zehn Jahre zu 0,70 Prozent. Für Haushalte bedeutet das, dass es möglich sein sollte, Hypotheken zu Sätzen aufzunehmen, die 0,3 bis höchstens 1,0 Prozentpunkte darüber liegen, je nach Bank und Eigenmittelanteil. Da sich Wohnimmobilien, gemessen an den Mieten, immer noch mit Raten zwischen zwei und fünf Prozent verzinsen, haben wir es hier mit echten Schnäppchen zu tun. Ich bin mir im Übrigen sicher, dass sich die Immobilienpreise durch den absehbaren Anstieg der Nachfrage von nun an stärker erhöhen werden als bisher.

Für Unternehmen wiederum ist durch den dramatischen Rückgang der langfristigen Zinsen sowohl das Fremdkapital als auch das Eigenkapital (wegen des neuen Booms am Aktienmarkt) sehr viel billiger geworden, so dass Investitionen in Sachanlagen lohnender sind als bisher. Insgesamt haben sich die Rahmenbedingungen für einen Aufschwung, getragen von steigenden staatlichen und privaten Investitionen, durch die neuen Maßnahmen der EZB stark verbessert.

Wie wird es mit der Inflation weitergehen? Schulden aufzunehmen lohnt sich ja vor allem dann, wenn diese durch Inflation real vermindert werden. Im Dezember lagen die Verbraucherpreise in Deutschland um 0,2 Prozent über ihrem Vorjahreswert, im Januar dürften sie um 0,1 Prozent niedriger gewesen sein. Es scheint, dass sich die Deflation erst einmal fortsetzt und es mit dem Schuldenmachen daher keine Eile hat. Mario Draghi jedenfalls will dafür sorgen, dass sich die Deflation nicht einnistet.

Anleger können auf seine gestrige Aussage setzen, dass die Anleihekäufe von monatlich 60 Mrd. Euro notfalls auch über den September 2016 hinaus fortgesetzt werden, nämlich so lange, bis sich die Inflationsraten auf nachhaltige Weise dem Zielwert von knapp unter zwei Prozent genähert haben. Wann das sein wird, ist schwer zu sagen, zumal die Outputlücken gewaltig sind und damit rasche Preissteigerungen erst einmal verhindern. Irgendwann aber wird sich die Geldschwemme in Kombination mit den niedrigen Zinsen, steigenden Investitionsausgaben und Assetpreisen, einer weniger restriktiven Finanzpolitik und dem sehr schwachen Euro (aktuell 1,12 Dollar/Euro) in anziehenden Inflationsraten niederschlagen, vorausgesetzt, die EZB kann ihre Linie durchhalten.