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Schäubles Schuldenfalle

 

Schäubles Schulden-Falle
Wolfgang Schäuble kurz vor der heutigen Kabinettssitzung in Berlin

Der Internationale Währungsfonds hat sich noch einmal mit den griechischen Schulden befasst, inzwischen ist seine Analyse auch öffentlich zugänglich. Sie zeichnet ein desaströses Bild der Schuldentragfähigkeit des Landes. Wenn ein echter Schuldenschnitt oder direkte Geldtransfers an Griechenland vermieden werden sollen, müssen die an das Land vergebenen Kredite um 30 Jahre gestreckt werden.

The dramatic deterioration in debt sustainability points to the need for debt relief on a scale that would need to go well beyond what has been under consideration to date—and what has been proposed by the ESM. There are several options. If Europe prefers to again provide debt relief through maturity extension, there would have to be a very dramatic extension with grace periods of, say, 30 years on the entire stock of European debt, including new assistance. (…) Other options include explicit annual transfers to the Greek budget or deep upfront haircuts. The choice between the various options is for Greece and its European partners to decide.

Das sind keine guten Nachrichten – und ihre politische Sprengkraft ist enorm. Denn Wolfgang Schäuble will keinen Schuldenschnitt. Er hat zwar vergangene Woche seine prinzipielle Bereitschaft zu einer Verlängerung der Laufzeiten erklärt, doch nur – so sind die Erläuterungen des BMF zu verstehen –, wenn es dadurch zu keiner signifikanten Verringerung des sogenannten Barwerts der Schulden kommt, wenn sich also durch die spätere Rückzahlung der Wert der Forderung der Gläubiger nicht signifikant verringert. Schäuble selbst hat das so formuliert, dass der Spielraum für eine Reduzierung der Schulden auf diesem Weg „sehr klein“ sei.

Im Gespräch ist nun aber eine Verlängerung der gesamten (!) europäischen Forderungen inklusive der jetzt zu bewilligenden Kredite um 30 Jahre. Das bedeutet, dass Griechenland erstmals im Jahr 2050 seine Schulden tilgt, denn die schon ausbezahlten Kredite wurden ja bereits bis 2020 gestreckt. Wenn das nicht signifikant ist, was dann? Man könnte sogar infrage stellen, ob es sich bei einem Kredit, dessen Rückzahlung erst in einem halben Jahrhundert beginnt, überhaupt noch um einen Kredit handelt. Und nicht vielmehr um einen Transfer (der allerdings verzinst werden muss).

Wenn die Bundesregierung also gegenüber dem Bundestag an ihrer bisherigen Linie festhält und erklärt, die Griechen erhielten keinen Schuldenschnitt, dann würde sie – wenn die Berechnungen des IWF glaubhaft sind –, zumindest sehr kreativ mit der Wahrheit umgehen. Mehr noch: Wenn sie wie bisher argumentiert, dass ein Schuldenschnitt mit den europäischen Verträgen nicht vereinbar ist (weil ein Schuldenerlass gegen das Nichtbeistandsgebot verstoße), dann wirft das die Frage auf, ob das neue Rettungspaket überhaupt einer rechtlichen Prüfung standhält. Denn die nominelle Schuldenlast würde zwar nicht angetastet, doch angesichts des Ausmaßes der geforderten Schuldenerleichterung könnte man den Verdacht der Gesetzesumgehung nicht ganz von der Hand weisen.

Was die Frage aufwirft, ob die Berechnungen des IWF glaubhaft sind. Der IWF rechnet mit einem Primärüberschuss von 3,5 Prozent und merkt selbst an, dass nur wenige Länder dauerhaft dazu in der Lage waren. Von dieser Seite ist also keine Besserung zu erwarten. Bleiben mögliche Privatisierungserlöse. Die Erfahrung mit den bisherigen Programmen stimmt nicht sehr optimistisch, das Geld müsste also aus dem Bankensektor kommen. Die Banken sollten mit bis zu 25 Milliarden Euro aus dem Rettungspaket rekapitalisiert werden. Sie würden damit weitgehend in Staatshand übergehen und private Eigentümer würden Geld verlieren. Wenn sich die Lage stabilisiert, und wenn die Privatisierung erfolgreich umgesetzt wird, lassen sich durch einen Verkauf – im Rahmen des Privatisierungsfonds – wohl zumindest die Aufwendungen abdecken.

Ob das tatsächlich funktioniert, ist aber unklar – der IWF jedenfalls scheint nicht sehr viel Vertrauen in eine solche Lösung zu haben. Gut möglich also, dass Schäuble vor der Entscheidung steht, entweder seine eigene Worte zurückzunehmen – oder sich gegen das Rettungspaket stellen zu müssen.