Ok, die Kommentare zu diesem Beitrag werden nicht nett sein: Die Nichtregierungsorganisation Foodwatch und die Deutsche Bank streiten sich über die Frage, ob der Handel mit Agrarrohstoffen die Lebensmittelpreise treibt und damit mitverantwortlich ist für den Hunger in der Welt. Thilo Bode, der Chef von Foodwatch, fordert Josef Ackermann auf, sich aus solchen Geschäften zurückzuziehen. Als Grund verweist er auf eine Studie des Kollegen Harald Schumann, der Belege zusammengetragen habe, wonach Finanzgeschäfte tatsächlich die Preise beeinflussen. Die Deutsche Bank will sich die Sache aber erst ausführlich anschauen und dann entscheiden.
Foodwatch hat natürlich die Sympathien der Öffentlichkeit: Zockerbanker an die Leine nehmen, wer will dagegen etwas sagen. Ich habe die Studie von Harald Schumann gelesen und er hat solide Arbeit geleistet, aber eine stichhaltige Beweisführung ist auch ihm nicht gelungen. Wer sich die Literatur anschaut, der wird schnell feststellen, dass es die unterschiedlichsten Meinungen zu dem Thema gibt – mit überraschenden Positionierungen: Linke Ökonomen wie Paul Krugman, die die Rohstoffpreise fundamental determiniert sehen (speziell zu Indexfonds hier), rechte Institutionen wie die Bank von Japan, die der Spekulation einen großen Anteil zuweisen. Mir selbst leuchtet die Argumentation von Krugman ein (wenn ich auf den Sieg des FC Bayern wette, heißt das schließlich noch lange nicht, dass der FC Bayern auch gewinnt), intensiv habe ich mich mit dem Thema aber nicht beschäftigt.
Nun kann man von mir aus argumentieren, das Geschäft mit Rohstofffonds braucht niemand und es wird einfach verboten. Das schadet bestimmt nichts, solange man Absicherungsgeschäfte weiter zulässt. Es gibt vieles in der Finanzwelt, was man ohne realwirtschaftliche Konsequenzen verbieten könnte. Damit habe ich kein Problem.
Die Frage aber ist: Kann man von einem privatwirtschaftlichen und gewinnorientiertem Unternehmen verlangen, ohne gesetzgeberischen Zwang, auf Basis einer zwar gut gemachten, aber dennoch nur begrenzt wissenschaftlichen Kriterien genügenden Studie eines Journalisten, einen Geschäftszweig einzustellen?
Ich jedenfalls würde mir die Sache wohl auch erst einmal ausführlich anschauen, wenn ich der Chef des Ladens wäre. Damit will ich der Deutschen Bank keinen Freibrief erteilen. Vielleicht spielen sie nur auf Zeit, vielleicht haben sie ganz andere Motive, das kann ich nicht beurteilen, weil ich den Fall nicht recherchiert habe. Aber trotzdem habe ich ein gewisses Verständnis für die Haltung der Bank und empfinde die Selbstgerechtigkeit der Kampagne von Foodwatch (deren Arbeit ich ansonsten für sehr wichtig halte) überzogen.
Der tiefere Punkt hier ist, dass es mich als alten Habermasianer immer stört, wenn Macht einen rationalen Diskurs verhindert – sei es die Macht des Finanzkapitals oder die Macht organisierter Interessen, mögen sie noch so gut gemeint sein.