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Der politische Islam im Niedergang?

Mit Prognosen über den Niedergang politischer (oder ökonomischer) Formationen soll man vorsichtig sein: Wie lange ist nicht schon angeblich der Kapitalismus moribund? Und hinkt und humpelt doch von einem Sieg zum nächsten.
Auch der politische Islam ist schon gelegentlich für sterbenskrank erklärt worden, wie etwa von Gilles Kepel, dem französischen Extremismusexperten. Das war im Jahr 2000, und was dann kam, ist bekannt.
Doch nun sieht der Meinungsredakteur Mshari Al-Zaydi von der saudischen Zeitung Asharq Alawsat einige Indizien für eine Krise des politischen Islamismus in den arabischen Ländern: Die Wahlen im Libanon (mit der Schlappe für Hisbollah), die Wahlen in Kuwait (wo Muslimbrüder und Salafis Rückschläge erlitten und erstmals 4 Frauen ins Parlament gewählt wurden), die Wahlen im Irak (wo die Fundamentalisten bei den Provinzwahlen ebenfalls Verluste erlitten) – und schließlich die Ereignisse im Iran. Zwar seien alle Kandidaten, die gegen Ahmadinedschad antraten seien, „legitime Kinder des Ajatollah Chomeini“. Doch die Menschen, die sich mit Mussawi identifizierten, hätten offenbar weiter gehende Ziele:
Let us go back to what’s happening in Iran; we all know that Hossein Mousavi, Mehdi Karroubi and Mohsen Rezaee are legitimate products of the Khomeini womb. They have never spoken out against the constitution of the Islamic Republic, which was blessed by the author of the ‘Islamic Government: Governance of the Jurist,’ Ayatollah Ali Khomeini.

Mshari Al-Zaydi Foto: Asharq Alawsat

So how can anyone say that Mousavi represents a revolution against the Islamic Revolution? What are the features of this counter-revolution on the conceptual level? Does Mousavi use a language that is based on an ideology that differs to Ahmadinejad and Khamenei, not to mention of course Mehdi Karroubi or former AGIR Chief Commander Mohsen Rezaee? In fact, Mousavi repeatedly states that he is a staunch supporter of Khomeini legitimacy. Perhaps this is the way to understand the latest developments in Iran through the characters of the protest leaders, most prominently Mousavi, or perhaps not. The Iranian masses, the men, the women and the youth, are driven by much stronger motives than those of Mousavi and his associates. Mousavi is merely a symbol around which the masses can unite.
Am Ende will sich Al-Zaydi nicht zu einer klaren Prognose durchringen – aber man spürt die Hoffnung, dass der Aufschwung der Radikalen gebremst sein könnte.

 

Muslime und Sexualkunde

Aus der neuen Studie über muslimisches Leben in Deutschland, die heute vom Innenministerium veröffentlich wird:

Diese Grafik macht deutlich, dass wir jahrelang über ein absolutes Scheinproblem geredet haben: Es gibt keine nennenswerte Nichtteilnahme von muslimischen Schülern am Sexualkunde-, Schwimm- und Sportunterricht.

Nichtteilnahme an Klassenfahrten – mit 8,7 Prozent auch nicht sehr bedeutend, wird mit „sonstigen Gründen“ (nicht mit der Religion) begründet. Es dürften also traditionelle Sittlichkeitsvorstellungen eine Rolle spielen.

In anderen Worten: Diese Thema können wir getrost vergessen.

 

Drei Muftis in zwei Tagen: Wolfgang Schäuble internationalisiert den Dialog mit den Muslimen

(Aus der ZEIT Nr. 27 vom Donnerstag, 25. Juni 2009)

Kairo, im Juni
Das Smartphone des Großmuftis vibriert, er nimmt den Anruf an und beginnt hinter vorgehaltener Hand vernehmbar zu plaudern. Der deutsche Innenminister – Ehrengast bei diesem Dinner mit islamischen Würdenträgern – schaut kurz irritiert auf den Nil und fährt dann fort, andere Teilnehmer mit Fragen zu löchern: Wie stark sind die Muslimbrüder wirklich? Schützt der Staat die christliche Minderheit? Wie kooperiert die Regierung mit den theologischen Fakultäten?

Der Nil in Kairo, südwärts      Foto: Jörg Lau
Ägyptens Mufti Ali Gomaa hat unterdessen sein Gespräch beendet und tippt nun eine SMS. Neben ihm sitzt Großscheich Tantawi von der Al-Azhar-Universität, höchste Autorität des sunnitischen Islams. Doch auch er spricht ins Handy, und so verbringt der deutsche Innenminister den Rest des Dinners neben zwei plaudernden Turbanträgern, die offenbar durchaus Interesse am Dialog haben – nur nicht mit ihm.
Wolfgang Schäuble ist 3000 Kilometer weit geflogen, um das Gespräch mit den Muslimen zu internationalisieren. Er sucht in den Herkunftsländern dieser für Deutschland noch immer neuen Religion nach Partnern für das Projekt, das ihm zur politischen Lebensaufgabe geworden ist: die Einbürgerung des Islams in Deutschland. Schäuble wirbt in Alexandria, Kairo und Damaskus auch für seine Islamkonferenz.
Vor allem aber will er verstehen: Der Aufruhr in Iran treibt ihn um, bei dem Hardliner wie Reformer die Sprache des politischen Islams benutzen. Werden diejenigen sich durchsetzen, die Islam und Demokratie für kompatibel halten? Oder wird der militärisch-theologische Komplex der Islamischen Republik Iran die Reformer niederwalzen? Und wie geht es mit dem moderaten Islamismus der türkischen AKP weiter? Wird sich daraus ein glaubensbasierter, aber pragmatischer Konservatismus entwickeln wie in der euro­päischen Christdemokratie?

Landschaft mit Ministerkolonne Foto: Jörg Lau
Dass Entwicklungen in weit entfernten Ländern Rückwirkungen auf die deutsche Dis­kus­sion um den Islam haben werden, ist Wolfgang Schäuble nur allzu bewusst. In Kairo und Damaskus fragt er: Was tut ihr gegen die Radikalisierung der Jugend? Wie entwickelt ihr die Theologie weiter? Wie stellt ihr euch die Rolle des Islams in einer globalisierten Welt vor?
Es kommt an diesem Wochenende ernüchternd wenig zurück. Drei Muftis in zwei Tagen, neben den beiden Ägyptern noch ein Syrer, hinterlassen beim deutschen Innenminister das Gefühl: Bei diesem Kampf sind wir allein. Auf die arabischen Gelehrten kann er nicht bauen. Verkehrte Welt: Wer dem deutschen Innenminister zuhört, wie er die Würdenträger mit seinen besorgten Nachfragen wachzurütteln versucht, erwischt sich bei der Frage: Wer ist hier eigentlich der Obermufti? Wer macht sich mehr Gedanken um die Zukunft des Islams?
Gleich nach dem Dinner mit Nil-Blick rast Schäubles Kolonne zur Universität Kairo, wo der Minister eine Rede über das »Miteinander der Religionen« hält – unmittelbar gegenüber dem Saal, in dem 18 Tage zuvor der amerikanische Präsident eine Rede an die »muslimische Welt« gerichtet hat. Schäuble bemüht sich zwar, schon aus Gründen der Fallhöhe, nicht im gleichen Genre anzutreten. Er spricht über seine Erfahrungen mit der Islamkonferenz und über seine Vision für ein gleichberechtigtes und friedliches Zusammenleben der Religionen in Deutschland. Doch für viele unter den etwa 300 Zuhörern ist er in diesem Moment auch ein weiterer Repräsentant des Westens, der sich um Entspannung und Abrüstung im Krieg der Kulturen bemüht. Dass so eine »bedeutende Persönlichkeit«, wie die Moderatorin mehrmals betont, hierher gekommen ist, um sich der Debatte zu stellen, wird mit Genugtuung aufgenommen. Wie die Welt sich doch verändert hat: Ein Innenminister macht Außenpolitik. Die lange geforderte »Weltinnenpolitik« beginnt mit kleinen Schritten.
Und plötzlich, in dem stuckge­schmückten Foyer der Kairoer Universität, bekommt Schäuble doch noch die Debatte, die ihm die telefonierenden Muftis schuldig blieben: Ein ägyptischer Säkularer hält es für einen Fehler, dass der Staat überhaupt mit der Religion kooperiere. Eine Feministin sorgt sich um die Rechte der Frauen, wenn die konservativen Gläubigen mitbestimmen dürfen. Und eine Teilnehmerin mit Kopftuch fragt misstrauisch: Wollen Sie einen deutschen Islam schaffen, Herr Minister?

Der Innenminister trifft den Stellvertreter seines syrischen Kollegen   Foto: Jörg Lau

Nein, repliziert Schäuble. Er wolle überhaupt keinen »Islam schaffen«. Er sei bloß für die Rahmenbedingungen zuständig, unter denen die Muslime sich dann selbst entfalten müssten.
Das ist die politisch und juristisch korrekte Antwort. Aber sie ist nicht ganz aufrichtig. Denn natürlich geht es dem Minister um ebendies: die Förderung eines deutschen, eines europäischen, eines moderneverträglichen, westlichen Islams. Das ist eine Lehre der Nahostreise des Innenministers, die er so natürlich niemals aussprechen wird: In der islamischen Welt gibt es herzlich wenige brauchbare Partner für diese Entwicklung. Wenn man von zwei modernen theologischen Fakultäten der Türkei in Ankara und Istanbul absieht, muss man der Tatsache ins Auge sehen, dass die Reform des Islams ein langwieriger europäischer Kraftakt sein wird. Diese Reise macht das schmerzlich klar. In der Kairoer Uni sagt Schäuble, es sei jetzt »Zeit zu handeln«, sonst würden »die anderen« weiter die Religion missbrauchen, »um die Welt zu zerstören«. Großer Beifall.
Schäubles doppelte Mission, wie er sie in Kairo entfaltet, ist folgende: Wir Europäer, sagt er, müssen uns daran gewöhnen, dass die Religion, die wir als politischen Faktor schon abgehakt hatten, wieder sichtbarer geworden ist – und dies vor allem durch die muslimische Präsenz auf unserem Kontinent. Und die Muslime müssen, wenn sie die Gleichstellung mit anderen Religionsgemeinschaften erreichen wollen, ohne Vorbehalt ihren Frieden mit Rechtsstaat, Demokratie und Menschenrechten machen.

Omajadenmoschee in Damaskus     Foto: Jörg Lau
Schäuble sagt den Satz immer wieder, mit dem er seinerzeit die Islamkonferenz eröffnet hatte: »Der Islam ist ein Teil Deutschlands.« Wenn man sich in einigen Jahren zu vergegenwärtigen versucht, was die Große Koalition eigentlich zustande gebracht hat, werden diese sechs schlichten Worte dazugehören: Sie haben eine Zeitenwende im deutschen Selbstverständnis eingeläutet. Der Minister weiß das, und er ist unverholen stolz darauf. Er genießt die Verwirrung seiner Beobachter, dass der Autor dieser Worte derselbe Schäuble sein soll, der einst gegen die doppelte Staatsangehörigkeit polemisiert und die populistische Kampagne Roland Kochs gegen den »Doppelpass« unterstützt hatte.
Aber ist es wirklich derselbe? Ist das einfach nur konsequent, wie er selbst zu glauben scheint: Wer die Integration will – so die innere Logik, die den Schäuble des Jahres 2000 mit dem von heute verbindet –, darf sich eben nicht scheuen, Einwanderern die Loyalitätsfrage vorzulegen und eine Entscheidung für dieses Land abzuverlangen. Und darum sei er eben auch heute noch gegen die doppelte Staatsangehörigkeit.
Mag sein. Aber als Unterstützer einer hässlichen Kampagne wie seinerzeit kann man sich ihn eben einfach nicht mehr vorstellen. Und das spricht dafür, dass irgendetwas Grundlegendes passiert sein muss, ein auch für ihn selbst überraschender, unabgeschlossener Lernprozess.
Als er 2005 zum zweiten Mal Innenminister wurde, waren gerade die Bomben in Londoner U-Bahnen explodiert. Die Pariser Banlieue brannte, und kurz darauf starben Menschen wegen der dänischen Mohammed-Karikaturen. Während die Rechte vielerorts in Europa mit antiislamischer Rhetorik reüssierte, startete Schäuble mit der Islamkonferenz ein gesellschaftliches Experiment: Entspannungspolitik im Inneren, gegen den populistischen Strom der Zeit.

Freundlich grüßen Vater und Sohn Assad. Flughafen Damaskus    Foto: Jörg Lau

Wolfgang Schäuble ist stolz darauf, dass Rechtspopulisten in Deutschland kaum Chancen haben, mit Hetze gegen Moscheebauten und Kopftücher Stimmen zu gewinnen. Dass »Pro Köln« es nicht vermochte, die Domstädter gegen die geplante Großmoschee zu agitieren, schreibt er nicht zu Unrecht auch seiner Politik gut. In seiner eigenen Partei seien die Abwehrreflexe rückläufig: Klar könne man auch dort Menschen finden, erklärt er, die erst mal eine Abwehrhaltung einnehmen – »Muslime, uuh!« –, aber in Wahrheit seien die Leute in seinen Parteiversammlungen stolz, dass die Union bei dem Thema heute führe. Luftherrschaft über den Stammtischen bedeute, für klare Luft zu sorgen, »nicht sich dem Mief anzupassen«. Die Leute wollen vielleicht ja gar nicht, sinniert der Minister, »dass wir ihnen nach dem Mund reden«. Sie wollen Führung, sagt er verschmitzt. Wer mag, darf diesen Satz wohl auch auf andere Politik­bereiche beziehen.
Auf dem Rückflug von Damaskus, nach einem weiteren enttäuschenden Gespräch mit dem dortigen Großmufti, macht Wolfgang Schäuble schon Pläne für die nächsten vier Jahre. Weil wir auf die Scheichs und Muftis nicht zählen können, brauchen wir schnell eine richtige islamische theologische Fakultät in Deutschland. Er werde Druck machen, dass sich ein Bundesland der Sache annehme, sagt er. Der Innenaußenminister nun auch noch als Bildungsminister?
Deutschland hat noch kein Inte­grationsministerium, aber einen Integrationsminister in einem ganz wörtlichen Sinn: Er hält die widerstreitenden Pole in der Konferenz zusammen, die islamkritischen Feministinnen und die konservativen Herren von den Verbänden, die ihn gleichermaßen respektieren. Und er kann auch die skeptischen Teile der deutschen Mehrheit integrieren, vielleicht gerade weil er selber früher harte Töne angeschlagen hat. Und weil er auch das Inbild des harten Sicherheitsministers abgibt. In der Islamkonferenz, so hat es Navid Kermani als Teilnehmer formuliert, müssten »die Beteiligten gewissermaßen stellvertretend für ihre Gesellschaft lernen, wie kompliziert es sich mit den Identitäten verhält«. Das gilt ganz offensichtlich auch für ihren Erfinder.

 

Wie Obama säkularistischen Muslimen in den Rücken fällt

Hier meine Übersetzung des sehr bedenkenswerten Einwurfs von Marieme Hélie-Lucas:

„Zunächst einmal wendet sich Obama an den Islam, als ob eine Idee, ein Begriff, ein Glaube ihn erhören könne. Als ob dies nicht vermittelt werden müßte durch Menschen, die Ideen, Begriffen, einem Glauben anhängen. Wie Soheib Bencheikh, der frühere Mufti von Marseille einmal gesagt hat: ‚Ich habe noch nie einen Koran auf der Straße marschieren sehen.‘

Kann man sich für eine Minute vorstellen, dass Obama sich ans Christentum wenden würde ? An den Buddhismus? Unmöglich, er würde zu den Christen, zu den Buddhisten sprechen, … kurz zu Menschen, zu Individuen, die sich voneinander unterscheiden.

Obama essentialisiert den Islam, er ignoriert die enormen Differenzen zwischen den muslimischen Gläubigen bestehen, – Unterschiede in der religiösen Interpretation und ziwschen Denkschulen, aber auch kulturelle Unterschiede und politische Divergenzen. Es ist unmöglich, angesichts einer solchen Vielheit vom Islam in einer totalisierenden Weise zu sprechen, wie er es tut. Er würde nie wagen, das Gleiche beim Christentum zu tun – und etwa das Opus Dei und die Befreiungstheologie zusammenzuwerfen…

Unglücklicherweise bedeutet die Essentialisierung des Islam, dass man das Spiel der Fundamentalisten spielt, die dauernd bemüht sind die Idee zu verbreiten, es gebe nur einen einzigen Islam – den wahren, in anderen Worten: ihren -, eine homogene islamische Welt, und als Folge daraus ein einziges islamisches Recht, das von allen respektiert werden müsse im Namen des religiösen Gesetzes. Das geringste Studium der Gesetze in den islamischen Ländern zeigt aber schon, dass diese variieren, manchmal sogar dramatisch von einem Land zum nächsten – inspiriert nicht nur von unterschiedlichen religiösen Auslegungen, sondern auch von verschiedenen kulturellen Parktiken auf jenen Kontinenten, auf denen der Islam sich ausgebreitet hat, und auch von historischen und politischen Besonderheiten, darunter koloniale. Alles Quellen, die ausdrücklich nicht göttlicher Art sind.

Dies ist die verhängnisvolle Konsequenz der Manier, in der Obama den Islam vergegenständlicht und die Muslime homogenisiert: Wie auch immer seine Kritik der Fundamentalisten ausfällt – er nennt sie eine „Minderheit von Extremisten“ -, er benutzt ihre Sprache und ihre Konzepte. Das kann nur schwerlich den Kampf der Antifundamentalsiten in den islamischen Ländern unterstützen.

Schießßlich spricht Obama zu den Religionen statt zu Bürgern, Nationen oder Ländern. Für ihn muß jeder eine Religion haben. Die Tatsache stört ihn wenig, dass Menschen oft eine religiöse  Identität erdulden, die ihnen gewaltsam aufgezwängt wird. Es passiert immer öfter, dass in den islamischen Ländern die Bürger gezwungen werden, eine religiöse Praxis zu befolgen, und dass sie jeden Widerstand dagegen mit ihrer Freiheit und manchmal mit ihrem Leben bezahlen. Darum versetzt der amerikanische Präsident ihren Menschenrechten, ihrer Gedankenfreiheit, ihrer Meinungsfreiheit einen Stich, wenn er öffentlich die Idee unterstützt, dass jeder Bürger eines Landes, in dem der Islam die Mehrheitsreligion ist, automatisch ein gläubiger Muslim sei (ausser wenn er einer anderen Minderheitsreligion angehört).

Ob sie nun gläubig sind oder nicht, praktizierend oder nicht, Menschen entscheiden manchmal, dass die Religion nicht ihr bestimmendes Identitätsmerkmal sein soll. Zum Beispiel können sie ihrer Identität als Bürger die Priorität einräumen. Eine gute Zahl von Bürgern in den ‚islamischen‘ Ländern möchte die Religion auf ihren Platz verweisen und von der Politik trennen. Sie unterstützen den Laizismus und wollen weltliche Gesetze, das heißt demokratisch legitimierte Gesetze, veränderbar gemäß der Wahl und der Stimmabgabe der Menschen; sie stellen sich im Namen der demokratischen Regeln gegen die Einführung unveränderlicher Gesetze, die übergeschichtlich und angeblich göttlichen Ursprungs sind. Sie kämpfen gegen die Macht der Religiösen.“

 

Warum Obama nicht zum „Islam“ hätte sprechen sollen

Sehr bedenkenswerte Einwände fand ich auf einer französischen Website von Marieme Hélie-Lucas (vom feministischen Netzwerk „Femmes sous lois musulmanes„).

(Sollte es gewünscht werden, übersetze ich das folgende auch gerne.)

Tout d’abord, Obama s’adresse à ’l’islam’, comme si une idée, un concept, une croyance pouvait l’entendre. Comme si ceux-ci ne devaient pas nécessairement être médiatisés par des gens – ceux qui adhèrent à ces idées, ces concepts, ces croyances. Comme le disait Soheib Bencheikh, autrefois Grand Mufti de Marseille, actuellement directeur de l’Institut des Hautes Etudes Islamiques à Marseille : „Je n’ai jamais vu un Coran marcher dans la rue“…

Peut-on imaginer une seule minute qu’Obama parle au christianisme ? ou au bouddhisme ? Impossible, il parlerait aux chrétiens, aux bouddhistes, … bref, à des gens, des individus différents les uns des autres.

Obama essentialise l’islam, il ignore les vastes différences qui existent entre les croyants musulmans, – différences d’interprétations religieuses et d’écoles de pensée certes, mais aussi différences culturelles et divergences politiques. Il est impossible, devant une telle diversité, de parler d’’Islam’ de façon aussi totalisante qu’il le fait. Il n’oserait pas faire de même s’il s’agissait du christianisme, en amalgamant, par exemple, l’Opus Dei et la théologie de la libération…

Malheureusement, essentialiser l’Islam fait le jeu des intégristes musulmans dont l’effort permanent est de promouvoir l’idée qu’il existe un seul islam – le vrai, c’est-à-dire le leur – , un monde musulman homogène, et par voie de conséquence, une loi islamique unique qui devrait être respectée par tous, au nom des droits religieux. La moindre étude des lois dans les pays ’musulmans’ montre que celles-ci varient, et parfois dramatiquement, d’un pays à l’autre, s’inspirant non seulement de différentes interprétations religieuses, mais aussi de pratiques culturelles diverses selon les continents où l’islam s’est répandu, et de circonstances historiques et politiques spécifiques, y compris coloniales (1), toutes sources qui ne sont manifestement pas divines.

C’est là la première conséquence néfaste de la façon qu’a Obama d’essentialiser l’islam et d’homogénéiser les ’musulmans’ : quelle que soit sa critique des intégristes – qu’il appelle une ’minorité d’extrémistes’ – , il utilise leur langage et leurs concepts. Voilà qui peut difficilement soutenir la cause des anti-intégristes dans les pays musulmans.

Ensuite, Obama parle aux religions, pas aux citoyens, pas aux nations ni aux pays. Pour lui, il va de soi que chacun doit avoir une religion ; le fait le trouble peu que, bien souvent, les gens subissent une identité religieuse qui leur est imposée par la force. Il est de plus en plus fréquent que, dans les pays ’musulmans’, les citoyens soient forcés à observer une pratique religieuse (2), et qu’ils payent toute dissidence de leur liberté et parfois de leur vie. C’est donc un grand coup que leur porte le président des États-Unis, à eux, à leurs droits humains, à leur liberté de pensée, à leur liberté d’expression, quand il soutient publiquement l’idée que tout citoyen d’un pays où l’islam est la religion majoritaire est automatiquement un croyant musulman (sauf à être d’une religion autre minoritaire).

Qu’ils soient croyants ou pas, pratiquants ou pas, les citoyens et citoyennes décident parfois que la religion ne sera pas leur marqueur identitaire. Par exemple, ils peuvent donner priorité à leur identité en tant que citoyen-nes. Bien des citoyen-nes de pays ’musulmans’ entendent cantonner la religion à sa place et l’écarter de la politique. Ils soutiennent la laïcité et veulent des lois laïques, c’est-à-dire des lois démocratiquement votées par le peuple, modifiables selon le choix et le vote du peuple ; ils s’opposent, au nom de la règle démocratique, à l’introduction de lois immuables, a-historiques et supposées divines. Ils combattent le pouvoir des religieux.

 

Deutschland behandelt türkische Kinder „wie Königskinder“

Aus gegebenem Anlass veweise ich auf ein Interview des Ditib-Dialogbeauftragten Bekir Alboga mit Hürriyet vom 11. 8. 2007. (Quelle)

Es widerlegt die gerne aufgestellte Behauptung, der Mann betreibe Doppelzüngigkeit, Taqiya etc. Ich halte diese Äusserungen zur Deutschland für einen Segen. So etwas brauchen wir noch viel öfter.

H.: Wie alt sind die Kinder?

B.A.: Unser ältester Sohn ist 19 Jahre alt. Er wird nächstes Jahr, so Gott will, das Gymnasium abschließen. Hatice ist 16 Jahre alt. Auch sie ist auf dem Gymnasium. Ibrahim ist zurzeit 14 Jahre alt und in der Realschule. So Gott will wird er auch auf das Gymnasium wechseln. Unsere drei Kinder werden, so Gott will, alle die Universität besuchen.

H.: Die Zukunft ihrer Kinder sieht vielversprechend aus.

B.A.: Wir haben von der ersten Generation eine geistige Aufgabe übernommen. Nach einer gewissen Zeit werden wir den Stab unseren Kindern übergeben. Damit sie diesen Stab tragen können, müssen wir dafür sorgen, dass sie geistig und materiell gut ausgestattet sind. Mit ihren Deutsch- und Türkischkenntnissen, mit dem Wissen über die türkisch-islamische Kultur und der Kultur der Gesellschaft, in der sie leben, damit, dass sie ihre Zunge beherrschen lernen, diese Gesellschaft nicht als Unwesen betrachten, nicht als Feind sehen, aber auch damit, dass sie ihre eigene Gruppe noch ein Schritt Vorwärts bringen, versuchen wir ihnen ein Fundament zu schaffen.

H.: Die in Deutschland Geborenen und Aufgewachsenen haben bessere Chancen als wir.

B.A.: Wenn ich die Chancen gehabt hätte, die sie haben, wäre ich jetzt ordentlicher Professor. Unsere jüngeren Geschwister, die diese Zeilen lesen, mögen wissen, dass die Möglichkeiten, die sie haben, früher Königskindern oder Kindern aus sehr reichen Familien vorbehalten waren. Sie mögen wissen, dass die Möglichkeiten, die sie haben, Möglichkeiten sind, die in der Welt eine Bedeutung haben. Sie leben in einem Land erster Klasse und haben die Möglichkeiten von den Vorteilen dieses erstklassigen Landes zu profitieren. Sie mögen dies als einen großen Segen Gottes verstehen, sollen dankbar sein und davon profitieren. Außer türkisch und deutsch sollten unsere Kinder noch andere Sprachen lernen, denn es gibt vieles, was wir dieser Gesellschaft geben können. Auch kulturell können wir viel beitragen, aber um dieses zu leisten, ist es notwendig, diese Gesellschaft und ihre Kultur gut zu kennen und zu respektieren.

 

Warum sich Islam und Grundgesetz vertragen

Bekir Alboga, Dialogbeauftragter der DITIB, äussert sich im „Islamischen Wort“ des SWR über das Verhältnis von Scharia und Grundgesetz:

Das deutsche Grundgesetz garantiert in Artikel 4 Religionsfreiheit – auch uns Muslimen. Religionsfreiheit schließt die Möglichkeit ein, seine Religion mehr oder weniger ernst zu nehmen. Artikel 4 des Grundgesetzes korrespondiert auf wunderbare Weise mit einem zentralen Prinzip Islam, dem zufolge es in der Religion keinen Zwang geben darf (Sure 2,256).

Wenn Muslime straffällig werden, dann geschieht das nur äußerst selten, weil sie aus religiösen Gründen mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Die von Muslimen begangenen Gesetzesbrüche unterscheiden sich in der Regel nicht von Straftaten, die Nichtmuslime begehen. Vor dem Gesetz sind im Prinzip alle Menschen gleich. Das trifft natürlich auch auf Muslime zu. Für alle Bürger – gleich welcher Religion – gibt es in Deutschland nur eine verbindliche Gerichtsbarkeit: Die deutsche Justiz. Der Islam akzeptiert keine Selbstjustiz. Der Islam schließt sich der Tradition der vorangegangenen Gesetzesreligionen Judentum und Christentum an. Das heißt, Muslime haben den geltenden Gesetzen zu folgen. Um es unmissverständlich zu sagen: Wir Muslime sind durch unsre Religion zu Gesetzestreue in dem Land verpflichtet, in dem wir leben!

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Das islamische Recht

Einladung zur Debatte:

Am 10. Juni 2009, 19:00 Uhr stellen wir vor: „Das Islamische Recht“

von Prof. Mathias Rohe
im Auditorium Friedrichstraße, Quartier 110
Begrüßung: Ulrich Nolte und Michael Hanssler
Es wird ein Gespräch zwischen Seyran Ates und Mathias Rohe geben, die Moderation habe ich übernommen.
U.A.w.g. bis zum 8 . Juni tel. unter (089) 3 81 89 – 316, per FAX – 587 oder E-Mail: presse@beck.de

 

Liberalism and a „new“ religion in Europe

Ein Vortrag in Budapest an der Central European University (Workshop „Liberalism after Neoliberalism), 6. Juni 2008

“We cannot excuse hostility against any religion under the pretense of liberalism“.
These words of President Obama – spoken in Cairo two days ago lead right to the center of my daily struggle. As a journalist and a blogger, I cover issues like immigration, integration, Islam in Europe, terrorism, xenophobia, islamophobia and occidentalism – the hatred of the West.

My daily bread is hostility towards religion – mostly Islam – under the pretense of liberalism. And at the same time: hostility towards the western liberal order under the pretense of religion.
We have to face both sides of the equation.

This is one of the most threatening tensions in our societies in Europe these days: the need to reconcile the secularist liberal order of postwar european countries with the advent of a new religion on the continent.

A  mutual stress is felt all over Europe: accommodating Islam as a part of our social fabric and our legal framework  brings out fears about the sustainability of our (widely varying) models of secularism on the part of the majorities.
And on the part of the newcomers who have decided to stay for good, it stirs fears about loss of identity and “assimilation”.

Many are trying to capitalize on this situation, and politically, it seems to be quite promising business in some european countries – among them the small ones that pride themselves to be especially liberal like Denmark and the Netherlands (an interesting fact that might deserve some discussion).
The dutch populist Geert Wilders – famous for denouncing the Quran as “Mein Kampf” for our days, just finished first in the European elections if we can believe the exit polls. He claims to be a liberal, in fact the last liberal left standing on the Continent.
His main point is the danger the immigrants of muslim origin pose for the liberal order of postwar Europe. He is very vocal in denouncing the “appeasement” of the well-established political forces in the Netherlands and beyond towards the Muslim’s illiberal lifestyle. Headscarves, forced marriages, genital mutilation against girls are the well known symbols for the perceived threat of islamization. Take the demographic changes within our societies into account, and “Eurabia” is dawning.

Of course there is reason to worry: Many immigrants are lagging behind in schools, they are isolating themselves in their communities instead of intermarrying and mingling, they are failing in the labour market and so on. And there are disturbing pockets of islamist radicalism in all European countries. The attacks of 9/11 were prepared in Hamburg. In Germany, would be-terrorists gathered in a place called “Multikulturhaus” – as if to mock the German approach to multiculturalism.

But this is actually not what drives people to support someone like Wilders. The emotional core of the anti-muslim-immigrant populist surge in Europe is the perceived threat of a liberal lifestyle by a wave of immigration and demographic change. This is why mosque-bulding projects in European cities are sure to draw such controversy.
And this is not a completely irrational fear. The question boils down to the subtitle of a very lucid book on the issue (Caldwells “Reflections on the Revolution in Europe”): Can Europe be the same with different people in it?

It is no longer just a debate between minority and majority, insiders and outsiders, migrants and natural born Europeans. Many of the most vocal critics of the consequences of muslim migration to Europe are themselves immigrants: Turkish, Iranian, Somali or Arab feminists for example, who have fled their home countries to Europe because of the lack of basic freedoms and who now face the undermining of those very freedoms by their own compatriots and coreligionists.

In Germany we have not just imported guest workers and their offspring – we have also imported the Turkish debates about secularism, religion  and the nature of the modern state. Kemalists and Islamists slug the old battle for Atatürk’s heritage out in Berlin, Bonn, Cologne and Munich.
It is sometimes very hard to tell who are the true liberals in this fight: Those who say they want to preserve the liberal achievements of modernity often resort to authoritarian means. (Take for example the well known Dutch critic of Islam Ayaan Hirsi Ali. She wrote a comment about Turkey’s AKP government last year in which she sided with the Generals against the elected turkish government.)

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