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Für eine islamische Linke

Ali Eteraz, ein junger pakistanisch-amerikanischer Intellektueller, hat eine interessante Serie über „islamische Reform“ im Guardian. Sein fünfter Beitrag in der Serie ruft zur Gründung einer „islamischen Linken“ auf. Ausschnitt:


Ali Eteraz

I recommend creating a viable and well organised Muslim left. It would be an intra-religious movement as opposed to a universalist one (though obviously it doesn’t shun allies). It would be a cousin of the international left, but in a Muslim garb. Just as the Muslim right found Islamic means to justify the destructive ideas from the enlightenment (Fascism, Marxism, totalitarianism, evangelical religion), the Muslim left should find Islamic means to justify the positive ones (anti-foundationalism, pragmatism, autonomy, tolerance).

This Muslim left should also espouse the following basic ideas, without being limited to them:

• separation of mosque and state;
• opposition to tyranny (even if the tyrant has liberal values);
• affirmance of republicanism or democracy;
• an ability to coherently demonstrate that the Muslim right represents merely one interpretation of Islam;
• a commitment to free speech and eagerness to defeat the Muslim right in the marketplace of ideas;
• commitment to religious individualism and opposition to left-collectivism, specifically Marxism;
• opposition to economic protectionism;
• opposing any and all calls for a „council of religious experts“ that can oversee legislation (even if those experts are liberals); and
• affirming international law.

Muslim leftists will – it is a must – have to be able to articulate all of these in Islamic terms, in order to persuade the people who need to be convinced, ie Muslims. This means that a Muslim leftist will, naturally, also have facility in the Muslim traditions. The real-world paucity of individuals with such dual facility is indicative of how far behind Muslim leftism is currently.

 

Eine katholische Antwort auf den Brief der islamischen Gelehrten

Die morgige ZEIT enthält eine Analyse des hier vorgestellten Offenen Briefes der 138 islamischen Gelehrten durch Professor Christian W. Troll. Der Ratzingerschüler und Jesuit Troll ist seit Jahrzehnten im christlich-islamischen Dialog engagiert. Er hat die Deutsche Bischofskonferenz und den Vatikan immer wieder in Fragen des Islams beraten.


Christian W. Troll SJ

Troll hat in den sechziger Jahren Arabisch gelernt, Islamwissenschaften studiert und dann selbst auch (u.a.) in New Delhi und Ankara unterrichtet. Ich empfehle nachdrücklich Trolls Buch „Muslime fragen, Christen antworten“ und das kurze und konzise „Als Christ dem Islam begegnen“. Das erstere ist auch komplett online lesbar, unter anderem auch auf Türkisch.

Hier ein Ausschnitt aus Prof. Trolls Reaktion (mehr an einem Kiosk Ihres Vertrauens):

„In der 1400-jährigen Geschichte der muslimisch-christlichen Beziehungen hat es eine solche Initiative noch nicht gegeben: 138 muslimische Führungspersönlichkeiten und Gelehrte haben zum diesjährigen Fest des Fastenbrechens einen Offenen Brief und Aufruf veröffentlicht. Die Regensburger Vorlesung des Papstes erweist sich offenbar trotz oder gerade wegen ihres provokativen Gehaltes als fruchtbar. Vor einem Jahr bereits hatten 38 muslimische Gelehrte an Papst Benedikt geschrieben. Nun scheint sich ein dauerhafter Dialog auf breiter Grundlage zu entwickeln…

Die Gelehrten stellen die »allumfassende, konstante und aktive Liebe Gottes« als das zentrale Gebot aller drei monotheistischen Re­li­gio­nen heraus. Das ist bemerkenswert, zumal das Schreiben dazu nicht nur Texte des Korans, sondern auch der jüdischen und christlichen Bibel heranzieht. Seltsam berührt dann allerdings, wenn die Gemeinschaft der jüdischen Gläubigen in diesem Aufruf einfach übergangen wird, obwohl das Schreiben deren kurze Bekenntnisformel in Deuteronomium 6, 4–6 als den »Zentraltext des Alten Testaments und der jüdischen Liturgie« bezeichnet. Diesem Text aber verdanken sich – richtig verstanden – sowohl das Neue Testament wie auch der Koran. Kann es eine tragfähige muslimisch-christliche »Übereinkunft« und fruchtbare Zusammenarbeit der Monotheisten auf der Basis des Doppelgebotes der Liebe geben – ohne Einbeziehung der jüdischen Gläubigen?
Allein die Tatsache, dass dieses Schreiben auf biblische Texte eingeht, die wortwörtlich autorisierten jüdischen und christlichen Bibelübersetzungen entnommen sind, ist aufsehenerregend. Deutet sich hier etwa ein Bruch mit der klassischen muslimischen Lehre an? Nach dem Koran gelten die Heiligen Schriften der Juden und Christen ja eigentlich als Dokumente der »Korruption« (tahrīf) der Überlieferung – mit der Folge, dass Muslime diesen Texten die Zuverlässigkeit absprechen und sie deshalb auch nicht als gemeinsame Grundlage für den Dialog anerkennen. Das Buch der Psalmen wird zum Beispiel von Muslimen weder liturgisch noch privat rezitiert, obwohl der Koran wiederholt von den Psalmen spricht, die David gegeben wurden. So darf gefragt werden: Suchen die Autoren des Schreibens die aus der Bibel zitierten Texte wirklich aus ihrem eigenen, biblischen Kontext zu verstehen und zu interpretieren? Oder könnte es sein, dass diese im Schreiben zitierten biblischen Texte von den muslimischen Autoren nur insofern als autoritativ akzeptiert und zitiert werden, weil sie vermeintlich mit dem Koran ganz und gar identische Aussagen machen? Die zitierten biblischen Texte wären dann für Muslime und alle übrigen Menschen deshalb als offenbart und damit normativ zu akzeptieren, weil und wenn sie genau dasselbe sagen wie die entsprechenden Texte des Korans. Wie dem auch sei, die äußerst wichtige islamische Lehre von der willentlichen Veränderung der biblischen Texte durch Juden und Christen wird in diesem Schreiben weder erwähnt noch explizit modifiziert.
Vor allem aber: Auch für dieses Schreiben und seine Autoren bleiben Mohammed, sein Leben und seine Auslegung der koranischen Weisungen Gottes der absolute Maßstab für die korrekte Auslegung des Kerngebots von Gottes- und Nächstenliebe. Mit anderen Worten, Mohammeds Wirken, zunächst aus der Min­der­hei­ten­posi­tion in Mekka und dann als Machthaber in Medina, bleibt maßgebend für die Muslime heute. Die islamischen Gelehrten entnehmen das Motto ihres Briefes einer relativ frühen medinensischen Sure (meist auf die Jahre 624/625 datiert). Sie stellen sich aber nicht dem Problem, dass an die Stelle der einladenden Haltung dieses Verses in späteren Suren eine unduldsame Haltung tritt – wie etwa in Sure 9 mit ihren Kampfaufrufen gegen Juden und Christen.

 

Bischof Huber: Moscheebauten als Machtansprüche?

Unter den Kirchen in Deutschland scheint sich beim Dialog mit den Muslimen eine Art Arbeitsteilung herauszuschälen. Die katholische Kirche setzt eher auf eine Strategie der Umarmung  – unterbrochen von gelegentlichen Ausbrüchen wie der Regensburger Rede des Papstes, Kardinal Lehmanns Zweifeln an der Anerkennungsreife der Islamischen Verbände und Kardinal Meisners Absage an  interreligiöse Feiern.

Die evangelische Kirche hingegen hat den Part der konsistenten inhaltlichen Auseinandersetzung gewählt, auch um den Preis des lieben Dialogfriedens. Das ist in ihrem Papier „Klarheit und gute Nachbarschaft“ deutlich geworden. Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, meldet sich nun mit einem Zwischenruf zum Moscheebaustreit zu Wort:

Huber sieht in den zunehmenden Neubauten von Moscheen in Deutschland «offenbar eine groß angelegte Moscheebau-Initiative in den muslimischen Gemeinden» im Land. «Die Frage muss erlaubt sein, inwieweit es sich dabei um die legitime Befriedigung religiöser Bedürfnisse handelt oder ob weitergehende Machtansprüche damit verbunden sind», sagte Huber am Montag in Berlin.


Bischof Wolfgang Huber
Fest stehe, dass gegenwärtig mehr Moscheen neu gebaut würden als bisher existierten. Nach Angaben des Islamarchivs in Soest sind in Deutschland zurzeit 184 Moscheen im Bau oder in Planung. Bereits genutzt würden 159 Moscheen. Dabei handelt es sich um «Klassische Moscheen», die durch Kuppeln oder Minarette auch von außen erkennbar seien. Dazu kommen etwa 2600 Gebets- und Versammlungshäuser und außerdem Schulmoscheen und islamische Gebetsstätten.

Huber betonte trotz dieser Kritik, Religionsfreiheit sei immer auch die Freiheit des Andersgläubigen. «Wir selbst können unser Verständnis von Freiheit nicht davon abhängig machen, ob sie in anderen Ländern gewährt wird oder nicht.» Das schließe natürlich auch den Bau von Moscheen hierzulande ein. «Es ist doch besser, Muslime bewegen sich in ihren Moscheen als in irgendwelchen Hinterhöfen», so Huber.

Allerdings trügen auch die Angehörigen anderer Religionen eine Mitverantwortung für die Wahrung von Religionsfreiheit und Toleranz. «Wer sich auf die Religionsfreiheit beruft, muss auch die anderen Aussagen unserer Verfassung akzeptieren. Die Gleichbehandlung von Mann und Frau gehört ebenso dazu wie die Freiheit, die Religion zu wechseln. Keine Religion kann Gewalt rechtfertigen», betont Huber.

So stelle ich mir eine standhafte und prinzipienfeste Islamkritik vor: Die andere Seite nicht von vornherein aus unserer Werte- und Verfassungswelt herausdefinieren, sondern sie in die Mitverantwortung für Religionsfreiheit und Toleranz hineinziehen. Machtansprüche in Frage stellen, ohne unsere freiheitlichen Prinzipien aufzugeben.

 

Kardinal Lehmann: Moscheebau gehört zur Religionsfreiheit

Kardinal Lehmann in seiner Botschaft zum Ende des Ramadan an die Muslime:

Wir alle waren in den vergangenen Wochen und Monaten Zeugen einer lebhaften Diskussion über den Bau von Moscheen in mehreren deutschen Großstädten. Leider wurden diese Debatten nicht immer im Geiste eines gedeihlichen Zusammenlebens geführt. Es ist mir deshalb wichtig, Ihnen einmal mehr zu sagen, dass sich die Katholische Kirche nachdrücklich zum Recht auf Religionsfreiheit bekennt. Sie gilt für Christen wie für Muslime, für Andersgläubige und auch für Nichtgläubige. Die Religionsfreiheit ist ein zentrales Menschenrecht mit universalem Geltungsanspruch. Überall in der Welt muss sie deshalb eingefordert werden. In Deutschland garantiert unsere Verfassung die Religionsfreiheit. Sie schützt auch das Recht der Muslime, würdige Moscheen in jenen Gegenden zu bauen, in denen sie leben.

(Komisch, mich erinnert das irgendwie an einen Leitartikel meiner kleinen Wochenzeitung…)

Der Kardinal fügt hinzu:

Die Katholische Kirche hat aber immer auch darauf hingewiesen, dass die Planungen zum Bau einer Moschee langfristig angegangen und durch intensive Diskussionen mit der Wohnbevölkerung und mit den Behörden vorbereitet werden sollten. Auch die Kirche steht gerne zu solchen Gesprächen bereit, um im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu Ausgleich und Verständigung beizutragen. Erforderlich ist ein konstruktiver Meinungsaustausch auf der Grundlage wechselseitiger Wertschätzung, bei dem offen auch über Probleme bei der Auswahl eines geeigneten Standortes und über Fragen der architektonischen Gestaltung gesprochen wird. Auf diesem Wege vermögen legitime unterschiedliche Auffassungen zusammengeführt und gute Lösungen gefunden werden. Wenn alle Beteiligten sich vom Geist des Ausgleichs bestimmen lassen, können auch strittige Diskussionen einen Beitrag zu einem friedlichen und gedeihlichen Zusammenleben leisten.

Das ist eine kluge Position, im richtigen Ton formuliert.

 

Muslimische Gelehrte appellieren an die Kirche: Gottes- und Nächstenliebe vereinen uns

Ein Jahr nach dem ersten Brief der 38 muslimischen Gelehrten an den papst – eine Antwort auf seine Regensburger Rede – hat sich eine noch viel breitere Gruppe von islamischen Gelehrten und Würdenträgern zusammengefunden, um einen zweiten Brief an die Christenheit zu schreiben.

Es handelt sich um einen Appell, in den Geboten der Gottes- und Nächstenliebe das Vereinende der 3 großen abrahamitischen Religionen zu erkennen.

Die Gelehrten ergehen sich in ausführlichen Textvergleichen zwischen hebräischer Bibel, NT und Koran und stellen die Gemeinsamkeiten heraus. Das ist ein präzedenzloser Vorgang: Die Provokation des Papstes hat einen echten Dialog in Gang gesetzt. Die islamischen Gelehrten haben noch nie so geschlossen und noch nie so detailliert über die konkurrierenden Monotheismen gesprochen. Es bewegt sich etwa.

Den gesamten Text, der morgen veröffentlich wird, dokumentiere ich im folgenden. Sämtliche Anmerkungen und die eindrucksvolle Liste der Unterzeichner finden sich hier. In der nächsten ZEIT folgt eine Deutung dieses Ereignisses.

In the Name of God, the Compassionate, the Merciful

On the Occasion of the Eid al-Fitr al-Mubarak 1428 A.H. / October 13th 2007 C.E., and on the One Year Anniversary of the Open Letter of 38 Muslim Scholars to H.H. Pope Benedict XVI,

An Open Letter and Call from Muslim Religious Leaders to:

His Holiness Pope Benedict XVI,

His All-Holiness Bartholomew I, Patriarch of Constantinople, New Rome, His Beatitude Theodoros II, Pope and Patriarch of Alexandria and All Africa, His Beatitude Ignatius IV, Patriarch of Antioch and All the East,
His Beatitude Theophilos III, Patriarch of the Holy City of Jerusalem, His Beatitude Alexy II, Patriarch of Moscow and All Russia,
His Beatitude Pavle, Patriarch of Belgrade and Serbia,His Beatitude Daniel, Patriarch of Romania, His Beatitude Maxim, Patriarch of Bulgaria,
His Beatitude Ilia II, Archbishop of Mtskheta-Tbilisi, Catholicos-Patriarch of All Georgia, His Beatitude Chrisostomos, Archbishop of Cyprus,
His Beatitude Christodoulos, Archbishop of Athens and All Greece, His Beatitude Sawa, Metropolitan of Warsaw and All Poland,
His Beatitude Anastasios, Archbishop of Tirana, Duerres and All Albania, His Beatitude Christoforos, Metropolitan of the Czech and Slovak Republics,

His Holiness Pope Shenouda III, Pope of Alexandria and Patriarch of All Africa on the Apostolic Throne of St. Mark,
His Beatitude Karekin II, Supreme Patriarch and Catholicos of All Armenians,
His Beatitude Ignatius Zakka I, Patriarch of Antioch and All the East, Supreme Head of the Universal Syrian Orthodox Church,
His Holiness Mar Thoma Didymos I, Catholicos of the East on the Apostolic Throne of St. Thomas and the Malankara Metropolitan,
His Holiness Abune Paulos, Fifth Patriarch and Catholicos of Ethiopia, Echege of the See of St. Tekle Haymanot, Archbishop of Axium,

His Beatitude Mar Dinkha IV, Patriarch of the Holy Apostolic Catholic Assyrian Church of the East,

The Most Rev. Rowan Williams, Archbishop of Canterbury,
Rev. Mark S. Hanson, Presiding Bishop of the Evangelical Lutheran Church in America, and President of the Lutheran World Federation,
Rev. George H. Freeman, General Secretary, World Methodist Council, Rev. David Coffey, President of the Baptist World Alliance,
Rev. Setri Nyomi, General Secretary of the World Alliance of Reformed Churches,

Rev. Dr. Samuel Kobia, General Secretary, World Council of Churches, And Leaders of Christian Churches, everywhere….

In the Name of God, the Compassionate, the Merciful

A Common Word between Us and You
(Summary and Abridgement)

Muslims and Christians together make up well over half of the world’s population. Without peace and justice between these two religious communities, there can be no meaningful peace in the world. The future of the world depends on peace between Muslims and Christians.

The basis for this peace and understanding already exists. It is part of the very foundational principles of both faiths: love of the One God, and love of the neighbour. These principles are found over and over again in the sacred texts of Islam and Christianity. The Unity of God, the necessity of love for Him, and the necessity of love of the neighbour is thus the common ground between Islam and Christianity. The following are only a few examples:

Of God’s Unity, God says in the Holy Qur’an: Say: He is God, the One! / God, the Self- Sufficient Besought of all! (Al-Ikhlas, 112:1-2). Of the necessity of love for God, God says in the Holy Qur’an: So invoke the Name of thy Lord and devote thyself to Him with a complete devotion (Al-Muzzammil, 73:8). Of the necessity of love for the neighbour, the Prophet Muhammad said: “None of you has faith until you love for your neighbour what you love for yourself.”

In the New Testament, Jesus Christ  said: ‘Hear, O Israel, the Lord our God, the Lord is One. / And you shall love the Lord your God with all your heart, with all your soul, with all your mind, and with all your strength.’ This is the first commandment. / And the second, like it, is this: ‘You shall love your neighbour as yourself.’ There is no other commandment greater than these.” (Mark 12:29-31)

In the Holy Qur’an, God Most High enjoins Muslims to issue the following call to Christians (and Jews—the People of the Scripture):

Say: O People of the Scripture! Come to a common word between us and you: that we shall worship none but God, and that we shall ascribe no partner unto Him, and that none of us shall take others for lords beside God. And if they turn away, then say: Bear witness that we are they who have surrendered (unto Him). (Aal ‘Imran 3:64)

The words: we shall ascribe no partner unto Him relate to the Unity of God, and the words: worship none but God, relate to being totally devoted to God. Hence they all relate to the First and Greatest Commandment. According to one of the oldest and most authoritative commentaries on the Holy Qur’an the words: that none of us shall take others for lords beside God, mean ‘that none of us should obey the other in disobedience to what God has commanded’. This relates to the Second Commandment because justice and freedom of religion are a crucial part of love of the neighbour.

Thus in obedience to the Holy Qur’an, we as Muslims invite Christians to come together with us on the basis of what is common to us, which is also what is most essential to our faith and practice: the Two Commandments of love.

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Ohne absolute Wahrheit keine Toleranz – Replik auf Micha Brumlik

Der geschätzte Micha Brumlik setzt sich heute in der taz in einem Essay mit der Haltung der Kirche (der evangelischen im engeren Sinne) zu den Muslimen auseinander.

Die kirchliche Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft“ – die bei den Muslimen zu großem Ärger geführt hat – ist auch Brumlik übel aufgestoßen. Er nennt sie zwar „insgesamt moderat“, aber es bleibt doch ein „Unbehagen“.

Es rührt daher, dass sogar eine so aufgeklärte religiöse Organisation wie die EKD in einem wenn auch letzten Rückzugswinkel nicht umhinkann, eine große andere Religion in einigen Hinsichten abzuwerten. Zu behaupten, es ginge dabei nur um das ehrliche Herausarbeiten von Differenzen, wird dem theologischen Duktus der Handreichung nicht gerecht. Bei aller Toleranz im zivilen Umgang klammert sie sich krampfhaft an einen absoluten Wahrheitsanspruch.

Dies wiederum berührt mich sehr eigenartig: Denn wieso ist das festhalten an einem „absoluten Wahrheitsanspruch“ mit der „Abwertung einer großen anderen Religion“ gleichzusetzen? Ich kann diesen Zusammenhang nicht erkennen. Ich würde es sogar umdrehen: Nur wer an seinem Wahrheitsanspruch (ist der nicht per se „absolut“) festhält, kann überhaupt verstehen, warum andere dies ebenfalls tun. Die Einsicht in den „Absolutismus“ der Wahrheitsansprüche ist somit die Basis für gegenseitige Toleranz: Denn nur, was sich nicht irgendwo im relativen Konsens treffen kann – und dies ist bei den monotheistischen Religionen der Fall, braucht Toleranz: eine Form der humanen Resignation angesichts der Tatsache, dass man den anderen Wahrheitsanspruch (im Auge des anderen) nicht falsifizieren kann.

Das ist etwas, das im religiös lauen Europa leicht vergessen wird. In den USA ist es gelebte Wirklichkeit. Wir müssen das als unsere Zukunft erkennen.

Die EKD-Schrift, die übrigens nicht von der „theologischen Kammer“ der EKD (sowas gibt es nicht), sondern von einer bunt zusammengesetzten Arbeitsgruppe geschrieben wurde (darunter moderate Evangelikale, ein katholischer Theologe und der religionspolitische Kopf der Friedrich-Ebert-Stiftung), bekennt sich aus diesem Geist auch zur Mission. Das ist ein Unwort für manch einen, aber man sollte dies nicht dramatisieren in einer Zeit der Kirchenflucht: Die Kirche tut alles, was sie tut – auch die Kindergartenbetreuung, die Altenpflege, den Sozialdienst – immer schon im Geist des christlichen Bekenntnisses und letztlich als Bekenntnis.

Ohne Bekenntnis – und das heisst auch ohne das Wissen, wofür man als Kirche steht – kann es keinen sinnvollen Dialog geben. Eine Krankheit des so genannten Dialogs der letzten Jahre war die Selbstverluegnung und Eskamotierung von Gegensätzen unter faulen Konsensformeln wie der vom „Glauben an den selben Gott“. Nun wird der Glaube an „einen Gott“ als Gemeinsamkeit bewahrt, während man zugleich auf der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Bilder und Vorstellungen von Gott beharrt. Wie anders wäre das jeweilige Bekenntnis überhaupt zu erfassen?

Brumlik aber deutet die EKD-Schrift sehr ungnädig und sozialpsychologisierend als Angst-Zeugnis:

Versucht man, diese Befunde zu deuten, so bleibt kaum ein anderer Schluss übrig, als dass die christlichen Kirchen in Deutschland der Weiterentwicklung des Landes zu einer multireligiösen Gesellschaft keineswegs mit fröhlicher Zuversicht entgegensehen, sondern mit einem gerüttelt Maß an ganz unchristlicher Angst.

Schrumpfende gesellschaftliche Macht und Verunsicherung der eigenen Mitgliedschaft gehen Hand in Hand. Angst und Abwehr sind indes allemal schlechte Ratgeber. Sosehr es die Aufgabe der Kirchen in Zukunft sein wird, verängstigten Christenmenschen in ihren meist, nicht immer unbegründeten Befürchtungen ernst zu nehmen, so sehr sollten sie darauf achten, in ihren Theologien nicht genau das zu reproduzieren, was sie dann im seelsorgerlichen und sozialen Bereich mühsam wieder ruhigstellen müssen.

Angst ist in der Tat ein schlechter Ratgeber. Aber sie läßt sich nicht dadurch überwinden, daß man Befürchtungen einfach abtut (die ja auch Brumlik als „nicht immer unbegründet“ anerkennt). Und sie läßt sich nicht durch das fröhliche Überspringen von Differenzen in die „multireligiöse Gesellschaft“ beseitigen. Wahrhaft multireligiöse Gesellschaften relativieren die Wahrheitsansprüche nicht, sondern lehren die Menschen, konkurrierende Wahrheitsansprüche auszuhalten. Das muss allerdings auf echter, nicht bloss vorgespielter Gegenseitigkeit beruhen – und dabei hat „der Islam“ noch eine ganz schöne Wegstrecke vor sich. Die Angst, vor der Brumlik spricht, läßt sich nicht ohne Rückbesinnung aufs Eigene bekämpfen – weil es ohne Selbstachtung auch keine Empathie und keinen Respekt für den anderen geben kann.

Die EKD-Schrift ist kein Angst-Symptom, sondern ein Zeugnis, dass die evangelische Kirche selbstbewusst genug ist, die eigene Wahrheit herauszustellen, für die sie streitet. Sie bekennt übrigens auch, daß sie dieser Wahrheit oft genug im Wege steht und gestanden hat (und sie also nicht einfach „besitzt“). So kann ein Dialog beginnen, der seinen Namen verdient. Bisher hat die andere Seite leider nur mit Kränkung und Vorwürfen reagiert.

 

Ganz unten: Wallraff ist „Islamfeind Nr. 1“

Im Juli hatte Günter Wallraff vorgeschlagen, er wolle in der umstrittenen Ehrenfelder Moschee gerne aus Salman Rushdies „Satanischen Versen“ vorlesen und ebendort über das Buch debattieren – notfalls unter Polizeischutz.

Letzteres hätte er mal besser nicht so forsch gesagt. Den Polizeischutz genießt Wallraff jetzt bereits, zu der Lesung hingegen wird es wohl nicht kommen.

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Wallraff als Türke Ali bei den Recherchen zu „Ganz unten“


Auf einer Internetseite ist Wallraff als „Islamfeind Nr. 1“ bezeichnet worden. Die Polizei hat darum entschieden, ihn unter Personenschutz zu stellen.

Wallraff, der selbst in Ehrenfeld wohnt, hatte sich bereit erklärt, im Beirat der Moschee mitzuarbeiten. Bekir Alboga, dem Dialogbeauftragten von DITIB, hatte er dann spontan vorgeschlagen, eine Rushdie-Lesung in der Moschee zu veranstalten. Alboga zeigte sich offen: „Warum nicht?“ Offenbar ist Alboga aber nur begrenzt geschäftsfähig. Oder er hat es sich anders überlegt.
Heute schreibt die Ditib angesichts der Bedrohung Wallraffs:
„DITIB verurteilt die Drohungen gegen Günter Wallraff auf das Schärfste. Der Islam ist eine friedliche und gemäßigte Religion. Die fortschrittliche Religionsauffassung des Islams rechtfertigt unter keinen Umständen die Androhung oder den Einsatz von Gewalt. Wir lehnen daher Terrorismus, den Einsatz oder die Androhung von Gewalt unter jeden Umständen ab. Der Koran bildet auch in Deutschland für unsere Gesellschaft die spirituelle Grundlage unserer Religiosität. Er darf aber keineswegs als Rechtfertigung zur Gewaltanwendung herangezogen werden. Der Koran betont häufig: „Wenn dein Herr [Allah] wünschte, Er hätte alle Menschen unter einem Glauben vereint.“ Dieser Grundsatz ist ein Aufruf zur Toleranz gegenüber anderen Glaubensauffassungen und Ansichten. Die Vielfalt ist Teil des göttlichen Willens und verlangt von dem Menschen, diese als einen großen Reichtum anzuerkennen.“
So weit, so gut. Aber dann geht es um Wallraffs peinigendes Angebot:
„Günter Wallraffs Anregung, die „Satanischen Verse“ in der Kölner DITIB-Moschee zu lesen, ist ein provokanter Beitrag im Rahmen einer öffentlichen Debatte. Selbstverständlich würde eine solche Lesung in einer Moschee die religiösen Gefühle der Muslime verletzen.“

Warum eigentlich „selbstverständlich“? Dazu kein einziges Wort. Stattdessen salbungsvolle Worte über die Aufgabe eines Journalisten.
„Als Journalist ist es Wallraffs Aufgabe, mit seinen Ideen zu polarisieren und Diskussionen anzustoßen. Wallraff hat sich im Rahmen seines Buchprojektes ´Ganz Unten` für die Interessen der türkischen Migranten in Deutschland eingesetzt. Günter Wallraff bemüht sich um einen konstruktiven Dialog mit uns Muslimen in Deutschland. Wir schätzen ihn“, betont Sadi Arslan, Präsident der DITIB. Die Ehrenfelder DITIB-Moschee kennt Wallraff seit seinen Recherchen zu seinem damaligen Buchprojekt. Die DITIB steht der Idee einer gemeinsamen Veranstaltung zur Lesung der „Satanischen Verse“ zurückhaltend gegenüber. Bei dem letzten gemeinsamen Treffen vor knapp zwei Wochen hat man sich über den Charakter einer solchen Veranstaltung nicht einigen können. Eine Lesung auf dem Moscheegelände kommt aus Sicht der DITIB sicherlich nicht in Frage.“
„Sicherlich“. Das war’s? Warum genau kommt es nicht in Frage? Und was heißt eigentlich „zurückhaltend“, wenn es offenbar überhaupt keinen Diskussionsspielraum gibt.
Wäre es nicht denkbar, die Lesung zu machen und dann dort zu sagen, was einem an Rushdie mißfällt? Eine Moschee die sich für eine solche Debatte öffnet, wäre eine Weltsensation. Sie würde der Behauptung, der Islam sei „eine friedliche und gemäßigte Religion“ Glaubwürdigkeit verleihen. Ditib muss verstehen, dass es die Rushdie-Affäre war, die das Vertrauen einer breiten liberalen Öffentlichkeit auch in die hier lebenden Muslime erschüttert hat (in England noch mehr als auf dem Kontinent).
Wer aus den Fabriketagen in die deutsche Öffentlichkeit hinauswill, sollte sich besser auf solche Debatten gefaßt machen. Das ist es, was Wallraff mit seiner mutigen Intervention zeigen wollte. Er zahlt den Preis dafür, wie schon seinerzeit, als er den verfolgten Salman Rushdie in seinem Haus versteckte

 

Coole Kopftücher

Der Burkini war nur der Anfang: Die Halal-Pop-Designer-Welle geht weiter, wie die Ausgabe des Magazins MSLM für die modebewußte Muslima zeigt:

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Hier ein paar Auszüge aus dem Modeshooting für die erste Ausgabe:
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Und dies ist das neue Sport-Hidschab-Modell des kanadischen Herstellers „Queendom“, besonders für den Sport geeignet wegen der Mischung aus Baumwolle und Polyester und der eingebauten Ponytail-Tasche:
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Religion, Kunst, Bilderverbot

Vielleicht könnte man daraus ein Wochenendrätsel machen? Oder einen Essay-Wettbewerb? Wer erklärt uns den Zusammenhang dieser Nachrichten? Was treibt die Künstler, was treibt die heftigen Reaktionen hervor?

Diese Kunst-Objekte sind gleichzeitig Objekt der Erregung.
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Diese beiden Werke wurden von Luke Sullivan („Das vierte Geheimnis von Fatima“, links) und Priscilla Bracks („Bärtige Orientalen“, rechts) zum „Blake Prize for Religious Art“ eingereicht.

Der australische Premierminister Howard protestierte gegen die Kunstwerke. Die Maria mit der Burka und das Hologramm des zu Jesus changierenden Osama Bin Laden seien „eine Beleidigung für Gläubige“. Auch die australischen Muslime protestierten gegen das Jesusbild. (Die Marienstatue nannte ein Sprecher „unbedenklich“, weil Maria ein geeignetes Kleidungsstück trage. Zwinker, zwinker!)
Die Werke Bracks und Sullivans wuden nicht prämiert.
Zur gleichen Zeit in Köln: Das neue Fenster des Kölner Doms, gestaltet von dem Künstler Gerhard Richter, hat das Mißfallen des dortigen Kardinals Johannes Meisner erregt. Es würde „besser in eine Moschee passen“, sagte Meisner, der damit auf die ornamentale Abstraktion von Richters Lichtkunst anspielt, die ihn offenbar an Mosaiken erinnert. Meisner war sogar dem Einweihungsgottesdienst ferngeblieben.

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© Gerhard Richter, Südquerhausfenster des Kölner Doms (Ausschnitt), Copyright: Gerhard Richter, Foto: Matthias Deml, Dombauverwaltung, Köln

 

Der rockende Rabbiner

Während wir noch auf den ersten Imam warten, der gute Tanzmusik macht und auch mal einen über den Durst trinkt, hier ein mögliches Rollenvorbild: Rabbi Rav Shmuel, der orthodoxe Rocker aus Brooklyn.

Hier ist seine Website.

Rav Shmuel is a Rabbi who drinks beer, has six kids, and thinks of himself as a rock star!

Rav, who has taught Jewish Philosophy and Talmud at various universities, has also toured the USA with Gelfilte Fish, his first stateside band, playing sold-out parking lots before and after Phish shows.

Born in Brooklyn, Rav spent seven years in Jerusalem teaching by day and playing in the clubs at night.