Muslimische Gelehrte antworten dem Papst – und verurteilen gewaltsame Reaktionen auf seine Regensburger Rede

Der Fortschritt nährt sich manchmal auch von Missverständnissen. In einem Offenen Brief setzen sich 38 theologische Kapazitäten aus der gesamten islamischen Welt intensiv mit der Regensburger Vorlesung des Papstes und deren politischen Folgen auseinander.
Sie verurteilen den Mord an der katholischen Nonne in Somalia „und alle anderen gewaltsamen Akte, die ‚in Reaktion‘ auf Ihre Rede an der Regensburger Universität geschehen sind, als vollständig un-islamisch“.

Bemerkenswert: Der Ton der Beleidigtheit und des willentlichen Mißverstehens, der die Reaktionen der ersten Tage kennzeichnete, ist wie weggeblasen. In einem ruhigen, verbindlichen Ton antworten die Gelehrten Punkt für Punkt auf die pästlichen Einlassungen.

Sie gehen auf die Frage der Gewalt ein, auf die Frage der „absoluten Transzendenz“ Gottes, auf die Rolle der Vernunft in der Religion. Sie definieren „Dschihad“ im Rahmen einer islamischen Theorie des Gerechten Kriegs, und sie nehmen Stellung zu der Frage, was (und ob) der Islam Neues gebracht habe im Vergleich zum Judentum und Christentum.

Der Papst sei das „Oberhaupt für mehr als eine Milliarde Katholiken und ein moralisches Beispiel für viele andere weltweit“: „Wir teilen Eure Sehnsucht nach einem offenen und ehrlichen Dialog, und anerkennen seine Bedeutung in einer zunehmend vernetzten Welt.“

Zu den Unterzeichnern gehören Scheich bin Bayyah aus Saudi-Arabien und der Grossmufti von Bosnien-Herzegowina, Mustafa Ceric (eine der höchsten theologischen Autoritäten des Islams in Europa). Weiter vertreten sind der Grossmufti von Ägypten, Scheich Ali Gumah, sowie Scheich Hamza Yusuf Hanson aus Kalifornien – dessen Handschrift die Erklärung trägt. Die arabische Welt ist sehr breit repräsentiert, vom Maghreb bis in den Irak. Und auch ein iranischer Ayatollah ist dabei, Mohammed Ali Taschkiri, ein enger Berater des Revolutionsführers Chamenei.

Im einzelnen geht der Brief auf folgende Punkte ein:

  • Die Gelehrten bestreiten die Auffassung des Papstes, der Koranvers darüber, dass „kein Zwang in der Religion“ sei, stamme aus der Zeit, als der Prophet noch machtlos und unter Druck gewesen sei. Sie deuten den Vers vielmehr als eine Aufforderung an den aufstrebenden Islam, auch aus einer Position der Stärke nicht zum Mittel der Gewalt zu greifen, um den Glauben durchzusetzen – nicht einmal gegenüber den eigenen Kindern
  • Sie treten dem Argument des Papstes entgegen, der Gott der Muslime sei „asbolut transzendent“ und daher ohne Beziehung zu den menschlichen Kategorien der Vernunft, des Guten und Wahren. Wer den Gott der Muslime als kapriziösen Willkür-Gott darstelle, vergesse, dass Gerechtigkeit, Güte und Milde seine wichtigsten Attribute im Koran seien
  • Die intellektuelle Tradition des Islam sei stets zwei Extrempositionen entgegentreten: „Die eine macht den analytischen Geist zum letzten Schiedsrichter in Wahrheitsfragen, und die andere besteht darin, die Kraft des menschlichen Geistes zu verleugnen, die letzten Fragen zu stellen.“ Der Hauptstrom des islamischen Denkens habe vielmehr darauf bestanden, dass es einen Einklang zwischen den Wahrheiten der koranischen Offenbarung und den Ansprüchen der menschlichen Vernunft gebe: „Die Vernunft selbst ist eines der vielen göttlichen Zeichen in uns, die Gott uns einlädt zu betrachten – wie er uns einlädt, mit ihrer (der Vernunft) Hilfe die Wahrheit zu bedenken.“
  • Der Begriff „Heiliger Krieg“ existiere im Islam nicht. Dschihad bedeute „Bemühung, Anstrengung“, im besonderen auf dem Wege Gottes. Diese Anstrengung könne viele Formen annehmen, auch des gewaltsamen Kampfes. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Islamische Kriegsregeln lassen sich so zusammenfassen: Zivilisten sind keine legitimen Ziele. Religiöse Gründe allein rechtfertigen keinen Angriff. Muslime können und sollen in Frieden mit ihren Nachbarn leben. Ausnahmen sind nur als Selbstverteidigung und zur Erhaltung der Souveränität erlaubt
  • Der Islam habe sich zwar als politische Einheit „teilweise durch Eroberungen“ ausgebreitet, doch der größere Teil seiner Verbreitung gehe auf Predigt und Missionstätigkeit zurück. Der Islam kenne nicht das Gebot, die eroberten Völker in die Konversion zu zwingen. Jahrhundertelang hätten eroberte Völker als nicht-Muslime unter muslimischer Herrschaft gelebt. Allerdings hätten „einige Muslime“ in der Geschichte die islamischen Vorschriften gegen erzwungene Konversion verletzt. Diese Ausnahmen bestätigten aber die Gültigkeit der Vorschriften
  • Der Prophet habe niemals den Anspruch gehabt, „etwas Neues“ zu bringen, was der vom Papst zitierte Kaiser ihm bekanntlich als Indiz der Minderwertigkeit seiner Religion auslegt. Nach islamischem Glauben lehrten vielmehr alle wahren Propheten zu ihrer Zeit die gleiche Wahrheit des Glauben an den einen Gott

Abschließend zitieren die Scheichs und Muftis das Zweite Vatikanische Konzil, das erstmals die hohe Wertschätzung der Kirche für die Muslime ausdrückte und die Gemeinsamkeiten zwischen den abrahamitischen Religionen herausstellte (während Papst Benedikt heute mehr die Unterschiede betont). Sie zitieren auch Papst Johannes Paul II., der vor zwanzig Jahren in einer Generalaudienz betonte, „wir glauben an den gleichen Gott“.

Die Evidenz dieses Satzes ist in den letzten Jahren in die Luft gesprengt worden. Die muslimischen Gelehrten fürchten sich zu Recht vor einer Welt, in der er niemandem mehr einleuchtet. Ihre Antwort auf den Papst läßt hoffen, dass ein echter Dialog beginnen kann, nachdem der unaufrichtige Scheindialog ans Ende gekommen ist.

 

Tariq Ramadan: Migranten sind keine Opfer

Ich habe mit Tariq Ramadan ein Interview über die europäische Islam-Debatte geführt. Ich finde die Klarheit, mit der er ein Bekenntnis der Muslime zu Europa fordert und auch um Verständnis für die Irritation der Alteingesessenen wirbt, bemerkenswert. Über die Jahre habe ich mich immer wieder mit Ramadan auseinandergesetzt. Ich finde seine Entwicklung seit der Istanbuler Erklärung von 2006 ziemlich erfreulich.

Ramadan ist seit kurzem Professor für zeitgenössischen Islam am St. Antony’s College in Oxford. Dort habe ich ihn vor zwei Wochen besucht.

DIE ZEIT: Professor Ramadan, in Europa macht sich eine Stimmung gegen den Islam breit. Minarette, Burkas und Kopftücher werden verboten. Deutschland debattiert über integrationsunwillige Muslime. Warum diese Zuspitzung?
Tariq Ramadan: Unsere westlichen Gesellschaften sind verunsichert durch die Globalisierung. Auch die Einwanderungsströme gehören dazu. Aber entscheidend ist das Sichtbarwerden des Fremden. Darum erregen sich die Leute über Moscheebauten, Minarette, Kopftücher, andere Hautfarben, Sprachen und Gerüche in ihren Vierteln. Wenn gegen die angebliche Islamisierung der Städte protestiert wird, geht es um die Sichtbarkeit einer fremden Religion, die dazugehören will. Das ist neu. Solange das Fremde nicht dazugehört, kann man leichter damit leben.
ZEIT: Seit Jahren leben wir mit der Terrordrohung im Namen des Islams.

Foto: Martin Bureau, Getty Images

Ramadan: Gewalt im Namen der Religion vergiftet die Debatte. Wir Muslime können die Augen nicht davor verschließen, dass dies die Wahrnehmung des Islams beeinflusst. Doch handelt die Islam-Debatte von unserer europäischen Identität. Sie ist hochpolitisch: Auf dem ganzen Kontinent bilden sich Parteien, deren Wahlerfolg davon abhängt, Misstrauen zu schüren. Sie füttern das Gefühl der Verunsicherung, man könne nicht mehr Deutscher oder Niederländer sein wegen dieser Einwanderer.
ZEIT: Der deutsche Präsident hat gesagt, der Islam gehöre zu Deutschland. Er wurde angegriffen, auch aus dem eigenen Lager.
Ramadan: Diese Identitätsfragen übersteigen die Bindungskraft der politischen Lager. Sie können heute Menschen auf der Linken finden, die sehr scharf gegen den Multikulturalismus polemisieren, und auf der Rechten gibt es welche, die einer pluralistischen Gesellschaft offen gegenüberstehen. Ihr Präsident hat etwas Offensichtliches festgestellt: Wenn es Millionen von Muslimen in Deutschland gibt, ist der Islam natürlich auch eine deutsche Religion. Der Islam ist eine europäische Religion, er ist ein Teil von Europas Geschichte und Gegenwart. Er ist nicht das ganz andere, er ist für Europa nichts Äußerliches mehr, bei sieben Millionen Muslimen in Frankreich, drei Millionen in England, vier in Deutschland.
ZEIT: Ebendies macht vielen Angst. Wie kommt man vom Hiersein zum Dazugehören?
Ramadan: Es hilft nicht, wenn sich die Haltung breitmacht: Was auch immer diese Leute tun, sie können nicht zu uns gehören, denn ihre Werte sind nicht die unseren, ihre religiösen Dogmen und Praktiken sind anders. Den Muslimen sage ich: Ein Bürger zu sein bedeutet nicht nur, die Gesetze zu achten und die Sprache zu sprechen. Ich muss loyal zu meinem Land stehen, weil ich das Beste für es will. Nur so wird die Wahrnehmung eines unlösbaren Konflikts zwischen Muslimsein und Europäertum verschwinden. Weiter„Tariq Ramadan: Migranten sind keine Opfer“

 

„Abendland in Christenhand“

Die rechtsextreme und vom Verfassungsschutz beobachtete Partei Pro NRW tritt bei der Landtagswahl mit einem Spruch an, den sie bei der FPÖ geklaut hat: „Abendland in Christenhand“.

Die christlichen Kirchen haben sich gegen diese Diktion schärfstens verwahrt. Zu Recht.

Das ist natürlich bereits einkalkuliert in der Masche der Rechtsextremisten: Sie wollen jeden, der sich ihrem apokalyptischen Geraune von der drohenden, ja längst stattfindenden Islamisierung verweigert, als „Dhimmi“, „Appeaser“, „Moslemversteher“, „Schariafreund“ etc. hinstellen. Und also auch die christlichen Kirchen, die bei aller Kritik (s. Regensburger Rede des Papstes, s. „Klarheit und gute Nachbarschaft“ der EKD) weiter am Dialog festhalten (in der Sprache der Rechtsextremisten: „Dialüg“).

„Abendland in Christenhand“, im Juli 1933. Foto: Gedenkstätte deutscher Widerstand

Die Parole empört mich als Christen persönlich. Es ist einfach nur widerlich, dass sich ein Klub, in dem erwiesener Maßen alte Neonazis eine Rolle spielen, ausgerechnet auf das Christentum beruft. Das Christentum – eine unversalistische Religion aus dem Morgenland, die einen Juden als Sohn Gottes verehrt – wird hier ethnifiziert zu einem Abgrenzungsmerkmal von „Abendländern“. Es wäre zum Kotzen, wenn es nicht so doof und durchschaubar wäre.

Historisch gesehen gibt es durchaus Anknüpfungspunkte, leider insbesondere im deutschen Protestantismus, der im Dritten Reich weite Teile der Gläubigen und der Pfarrerschaft an den völkischen Rassismus verlor. Die „deutschen Christen“ machten aus der Liebesbotschaft Jesu eine Travestie, indem sie den Antisemitismus Hitlers unterstützten – zu Millionen.

Den Leuten, die heute unter neuen Vorzeichen an diese reaktionären Traditionen „abendländischen“ Wahns anknüpfen wollen, darf man keinen Schritt breit entgegenkommen. Sie gehören politisch bekämpft und geächtet wie alle anderen Extremisten, damit eine rationale Debatte über die Konflikte eines Einwanderungslandes weiter möglich bleibt.

 

Zum Ende der Papstreise ins Heilige Land

Man kann sich die Erleichterung des Papstes vorstellen, wenn heute nach einem Treffen mit orthodoxen Christen sein Besuch im Heiligen Land zuende geht. Noch nie ist der Pilger-Besuch eines Pontifex so skrupulös beobachtet worden. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass das Schicksal dieses Pontifikats an dieser Reise hing: Noch ein falsches Wort, noch ein Skandal – und Benedikt wäre als Versager auf dem heiligen Stuhl in die Geschichte eingegangen.

So ist es nicht gekommen. Die Papstreise ist – gemessen an den Befürchtungen – gut verlaufen. Der Papst hat in einigen Fragen sogar – was etwa die Wünschbarkeit eines palästinensischen Staates angeht – erfreulich klare Worte gefunden.

Aber eine große Reise war es dann doch nicht. Und das hat mit einem merkwürdigen Ungleichgewicht des Mitgefühls zu zu tun, das der Papst bei seinen Stationen an den Tag legte.

Dass diese Pilgerreise so heikel werden würde, hatte der Papst sich selbst eingebrockt – zuletzt durch sein Missmanagement der Affäre um den Holocaustleugner Bischof Williamson. Es war klar, dass manche in Israel darum eine besondere Geste erwarten würden. Und es war zugleich klar, dass er sie nicht würde bieten können. Ein Papst, der sich – etwa in der Gedenkstätte Jad Vaschem abermals entschuldigt, dass er und seine Beamten leider, leider übersehen haben, dass ein Bischof der Piusbrüder offenbar der Meinung ist, die Gaskammern hätte es nicht gegeben – wie peinlich und unangemessen wäre das gewesen!

Doch hätte Benedikt sich in Jad Vaschem zur Haltung der Katholischen Kirche im Nationalsozialismus unter Pius XII äussern sollen? Im Ernst wurde dies nicht erwartet, auch wenn manche Stimmen in Israel so etwas lauthals gefordert hatten. Eine Pilgerreise ist nicht geeignet zur Fortsetzung eines immer noch nicht angeschlossenen Historikerstreits um Schuld und Verstrickung der Kirche.

Aber hätte Benedikt, wenn er schon diese Erwartungen nicht erfüllen konnte, nicht etwas anderes tun können, um die Israelis für sich einzunehmen? Eine menschliche Geste, ein paar bewegte, persönliche Worte wären genug gewesen. Sie kamen ihm nicht über die Lippen. Er wirkte wie eingemauert in die Angst, etwas falsch zu machen. Jedenfalls beim israelischen Teil seiner Reise.

Das ist das Erstaunliche: Dieser Papst kam besser bei seinen palästinensischen Gastgebern an als bei den Israelis.

Anders gesagt: Benedikt kommt überraschender Weise mit den Muslimen besser zurecht als mit den Juden, mit denen er doch theologisch eine größere Nähe („unsere älteren Brüder“) zu haben reklamiert. Das ist nach dem Skandal seiner Regensburger Rede erstaunlich, die vor Jahren zu großer Empörung in der muslimischen Welt geführt hatte.

Aber vielleicht ist das bei diesem Papst eine Konstante – dass er mit den ferneren Glaubensrichtungen eigentlich besser kann als mit den nächsten Verwandten im Geiste: Es fällt ihm ja auch leichter, freundliche Gesten gegenüber der christlichen Orthodoxie zu machen als in Richtung der Protestanten.

Und so schien Benedikt mehr in seinem Element, als er Messen in Amman, Nazareth und Bethlehem feierte, als auf israelischem Boden. Er fand ergreifende Worte für das Leid der Palästinenser unter der Besatzung. Er ging voller Engagement in die politischen Tageskämpfe, als er das Recht der Palästinenser auf ein eigenes „Heimatland“ forderte (auch wenn er dabei das Wort „Staat“ vermied“).

In Jad Vaschem hingegen erging er sich in eher dürren und abstrakten Erklärungen gegen den Antisemitismus, ohne die unheilige Rolle der Kirche über Jahrhunderte dabei auch nur zu streifen. Es hätte gar nicht das große „nostra culpa“ sein müssen: Ein persönliches Wort des Mannes, der als Joseph Ratzinger ja auch ein Zeitzeuge der Barbarei war, hätte genügt.

Die israelische Öffentlichkeit war zu Recht enttäuscht über diesen Mangel. Und dies besonders angesichts der Tatsache, dass es Benedikt auf der palästinensischen Seite offenbar nicht an lebendiger Empathie gebrach.

Am Ende hat er noch einmal versucht, seinen allzu kühlen Ton in Jad Vaschem zu korrigieren. Am letzten Tag sagte er, in Erinnerung an den Besuch in dem Museum: „Diese sehr bewegenden Momente haben mich an meinen Besuch im Todeslager Auschwitz vor drei Jahren erinnert, wo so viele Juden, Mütter, Väter, Ehemänner und Frauen, Brüder, Schwestern und Freunde brutal vernichtet wurden – von einem gottlosen Regime, das eine Ideologie von Antisemitismus und Hass verbreitete.“ Er hat es also spät auch selber verspürt, das da etwas gefehlt hatte.

Trotzdem war diese Reise ein Erfolg: Der Papst hat sich immer wieder leidenschaftlich dafür ausgesprochen, dass die Religionen – alle großen monotheistischen Religionen, die im Nahen Osten ihre gemeinsamen Wurzeln haben – eine Ressource zur Überwindung der haßvollen Kulturkämpfe unseere Tage sein können. Und er fand auch starke Worte gegen jene, die im Namen Gottes den Hass säen – und so noch vor dem Leben „ihre Seele verlieren“. Das war ins Gewissen jener gesprochen, die Selbstmordanschläge im Namen Gottes rechtfertigen oder verharmlosen.

Hätte Benedikt seine Anti-Bin-Laden-Botschaft, dass die Religionen der Liebe und dem Respekt der Menschen untereinander dienen sollen, auch mit etwas mehr menschlicher Bewegtheit angesichts der Shoah vorgetragen, es hätte eine ganz große Reise werden können.

 

Ein muslimischer Thinktank gegen den Islamismus

Vier junge britische Muslime sind dabei, eine Stiftung gegen den Islamismus zu gründen. Der bekannteste unter den Gründern der Quilliam-Stiftung ist Ed Husain, ein ehemaliges Mitglied von Hizb-ut-Tahrir. Husain hat im letzten Jahr das Aufsehen erregende Buch „The Islamist“ veröffentlicht, in dem er seinen Werdegang  vom entfremdeten Jugendlichen zum führenden Strategen der Hizb beschreibt. Ich habe das Buch hier verschiedentlich schon zur Lektüre empfohlen.

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Ed Husain    Foto: Quilliam Foundation

Mit von der Partei ist auch Maajid Nawaz, ein weiterer Dissident der Hizb-ut-Tahrir, der im letzten Jahr Zeugnis ablegte über sein Engagement in der „Kalifatspartei“.

Die Quilliam-Stiftung – benannt nach dem berühmten britischen Konvertiten Abdullah (William Henry) Quilliam, der die erste Moschee in England baute – will sich der Aufgabe widmen, die Islamisten intellektuell ernst zu nehmen und herauszufordern. Naheliegender Weise wird man sich zunächst der Hizb-ut-Tahrir zuwenden, die unter jungen Muslimen in England eine starke Anziehunsgkraft hat, weil sie eine moderne Weltrevolutionsideologie im Gewand der islamischen Tradition vertritt.

Am 22. April wird die Stiftung im Londoner British Museum ins Leben gerufen. Es gibt prominente Unterstützer aus der islamischen Welt wie etwa Scheich Bin Bayyah und Grossmufti Ali Gomaa aus Ägypten. (Beide gehören zu den islamischen Gelehrten, die den Dialog mit dem Papst führen.) Von britischer Seite sind als Berater etwa Lord Paddy Ashdown und Timothy Garton Ash dabei.

Ich halte dies für eine sehr wertvolle Initiative – weil die Islamismuskritik hier nicht von Aussen formuliert wird, sondern von der Warte eines gemäßigten Islams. Die Zeiten sind vorbei, da islamische Organisationen sich mit dünnen Distanzierungen das Thema Islamismus vom Leib halten konnten. Die Auseinandersetzung hat begonnnen. Zitat von der Website:

„The Quilliam Foundation is a counter extremism think tank. Created by former activists of radical Islamist organisations, who are familiar with the mindset and methods of extremist groups. Now under the guidance of mainstream Muslim scholars, we believe that Western Muslims should revive Western Islam, our Andalusian heritage of pluralism and respect, and thereby find harmony in West-Islam relations.

Western Muslims should be free from the cultural baggage of the Indian subcontinent, or the political burdens of the Arab world. We were born and raised in a milieu that is different from the Muslim East. As such, our future and progeny belong here. Just as Muslims across the globe have adopted from and adapted to local cultures and traditions, while remaining true to the essence of their faith, Western Muslims should pioneer new thinking for our new times.“

Die Website der Stiftung hat schon einige interessante Zeugnisse und gute weiterführende Links zu bieten.

 

Papst lädt Muslime zum Dialog in den Vatikan

Es geht voran im Dialog der Weltreligionen. Die Regensburger Rede des Papstes hat zwar zuerst wütende Gegenreaktionen ausgelöst, erweist sich aber zusehends als Startsignal eines ernsthaften Gesprächs nach dem Ende des Scheindialogs zwischen Christen und Muslimen.

Der Papst hat gestern auf den Brief der 138 islamischen Gelehrten geantwortet. Das bedeutet, dieser Mann

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hat Post bekommen – seine Königliche Hoheit Prinz Ghazi bin Muhammad bin Talal von Jordanien, der Initiator der beiden Briefe an den Papst. (Der Prinz ist auch Leiter des in Amman arbeitenden AAl-Al-Bayt-Instituts für Islamisches Denken, auf dessen Website der Appell der 138 veröffentlicht wurde.)

Der Papst erklärt seine Bereitschaft, eine Delegation der Unterzeichner zu empfangen und bietet an, eine Arbeitsgruppe aus Gelehrten beider Religionen ins Leben zu rufen.

Das sind gute Nachrichten! Die Wiederkehr der Diplomatie in die Kulturkämpfe unserer Tage ist nicht nur auf die Politik im engeren Sinn beschränkt. Es entwickelt sich endlich eine Art Religionspolitik, die es damit aufzunehmen versucht, dass einige der heißesten weltpolitischen Konflikte heute religiös eingefärbt sind. Um das Fernziel der Entpolitisierung der Religion zu erreichen, muss sich die gemäßigte Religion erst einmal politisieren, um den Extremisten etwas entgegen zu halten.

Hier der Volltext des Päpstlichen Briefes, überliefert durch den Staatssekretär des Vatikans, Tarcisio Bertone:

Seine Königliche Hoheit
Prinz Ghazi bin Muhammad bin Talal
The Royal Palace
Amman
Jordanien

Aus dem Vatikan, am. 19. November 2007

Ihre Königliche Hoheit,

Am 13. Oktober 2007 unterzeichneten 138 muslimische religiöse Führer, darunter auch Sie, Ihre Königliche Hoheit, einen Offenen Brief an Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. und andere christliche Hirten. Sie wiederum waren so gütig, ihn Bischof Salim Sayegh vorzulegen, dem Vikar des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem in Jordanien, mit der Bitte, ihn Seiner Heiligkeit zukommen zu lassen.

Der Papst hat mich gebeten, Ihrer Königlichen Hoheit und allen, die den Brief unterschrieben haben, seinen Dank zu übermitteln…. Weiter„Papst lädt Muslime zum Dialog in den Vatikan“

 

Eine katholische Antwort auf den Brief der islamischen Gelehrten

Die morgige ZEIT enthält eine Analyse des hier vorgestellten Offenen Briefes der 138 islamischen Gelehrten durch Professor Christian W. Troll. Der Ratzingerschüler und Jesuit Troll ist seit Jahrzehnten im christlich-islamischen Dialog engagiert. Er hat die Deutsche Bischofskonferenz und den Vatikan immer wieder in Fragen des Islams beraten.


Christian W. Troll SJ

Troll hat in den sechziger Jahren Arabisch gelernt, Islamwissenschaften studiert und dann selbst auch (u.a.) in New Delhi und Ankara unterrichtet. Ich empfehle nachdrücklich Trolls Buch „Muslime fragen, Christen antworten“ und das kurze und konzise „Als Christ dem Islam begegnen“. Das erstere ist auch komplett online lesbar, unter anderem auch auf Türkisch.

Hier ein Ausschnitt aus Prof. Trolls Reaktion (mehr an einem Kiosk Ihres Vertrauens):

„In der 1400-jährigen Geschichte der muslimisch-christlichen Beziehungen hat es eine solche Initiative noch nicht gegeben: 138 muslimische Führungspersönlichkeiten und Gelehrte haben zum diesjährigen Fest des Fastenbrechens einen Offenen Brief und Aufruf veröffentlicht. Die Regensburger Vorlesung des Papstes erweist sich offenbar trotz oder gerade wegen ihres provokativen Gehaltes als fruchtbar. Vor einem Jahr bereits hatten 38 muslimische Gelehrte an Papst Benedikt geschrieben. Nun scheint sich ein dauerhafter Dialog auf breiter Grundlage zu entwickeln…

Die Gelehrten stellen die »allumfassende, konstante und aktive Liebe Gottes« als das zentrale Gebot aller drei monotheistischen Re­li­gio­nen heraus. Das ist bemerkenswert, zumal das Schreiben dazu nicht nur Texte des Korans, sondern auch der jüdischen und christlichen Bibel heranzieht. Seltsam berührt dann allerdings, wenn die Gemeinschaft der jüdischen Gläubigen in diesem Aufruf einfach übergangen wird, obwohl das Schreiben deren kurze Bekenntnisformel in Deuteronomium 6, 4–6 als den »Zentraltext des Alten Testaments und der jüdischen Liturgie« bezeichnet. Diesem Text aber verdanken sich – richtig verstanden – sowohl das Neue Testament wie auch der Koran. Kann es eine tragfähige muslimisch-christliche »Übereinkunft« und fruchtbare Zusammenarbeit der Monotheisten auf der Basis des Doppelgebotes der Liebe geben – ohne Einbeziehung der jüdischen Gläubigen?
Allein die Tatsache, dass dieses Schreiben auf biblische Texte eingeht, die wortwörtlich autorisierten jüdischen und christlichen Bibelübersetzungen entnommen sind, ist aufsehenerregend. Deutet sich hier etwa ein Bruch mit der klassischen muslimischen Lehre an? Nach dem Koran gelten die Heiligen Schriften der Juden und Christen ja eigentlich als Dokumente der »Korruption« (tahrīf) der Überlieferung – mit der Folge, dass Muslime diesen Texten die Zuverlässigkeit absprechen und sie deshalb auch nicht als gemeinsame Grundlage für den Dialog anerkennen. Das Buch der Psalmen wird zum Beispiel von Muslimen weder liturgisch noch privat rezitiert, obwohl der Koran wiederholt von den Psalmen spricht, die David gegeben wurden. So darf gefragt werden: Suchen die Autoren des Schreibens die aus der Bibel zitierten Texte wirklich aus ihrem eigenen, biblischen Kontext zu verstehen und zu interpretieren? Oder könnte es sein, dass diese im Schreiben zitierten biblischen Texte von den muslimischen Autoren nur insofern als autoritativ akzeptiert und zitiert werden, weil sie vermeintlich mit dem Koran ganz und gar identische Aussagen machen? Die zitierten biblischen Texte wären dann für Muslime und alle übrigen Menschen deshalb als offenbart und damit normativ zu akzeptieren, weil und wenn sie genau dasselbe sagen wie die entsprechenden Texte des Korans. Wie dem auch sei, die äußerst wichtige islamische Lehre von der willentlichen Veränderung der biblischen Texte durch Juden und Christen wird in diesem Schreiben weder erwähnt noch explizit modifiziert.
Vor allem aber: Auch für dieses Schreiben und seine Autoren bleiben Mohammed, sein Leben und seine Auslegung der koranischen Weisungen Gottes der absolute Maßstab für die korrekte Auslegung des Kerngebots von Gottes- und Nächstenliebe. Mit anderen Worten, Mohammeds Wirken, zunächst aus der Min­der­hei­ten­posi­tion in Mekka und dann als Machthaber in Medina, bleibt maßgebend für die Muslime heute. Die islamischen Gelehrten entnehmen das Motto ihres Briefes einer relativ frühen medinensischen Sure (meist auf die Jahre 624/625 datiert). Sie stellen sich aber nicht dem Problem, dass an die Stelle der einladenden Haltung dieses Verses in späteren Suren eine unduldsame Haltung tritt – wie etwa in Sure 9 mit ihren Kampfaufrufen gegen Juden und Christen.

 

Bischof Huber: Moscheebauten als Machtansprüche?

Unter den Kirchen in Deutschland scheint sich beim Dialog mit den Muslimen eine Art Arbeitsteilung herauszuschälen. Die katholische Kirche setzt eher auf eine Strategie der Umarmung  – unterbrochen von gelegentlichen Ausbrüchen wie der Regensburger Rede des Papstes, Kardinal Lehmanns Zweifeln an der Anerkennungsreife der Islamischen Verbände und Kardinal Meisners Absage an  interreligiöse Feiern.

Die evangelische Kirche hingegen hat den Part der konsistenten inhaltlichen Auseinandersetzung gewählt, auch um den Preis des lieben Dialogfriedens. Das ist in ihrem Papier „Klarheit und gute Nachbarschaft“ deutlich geworden. Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, meldet sich nun mit einem Zwischenruf zum Moscheebaustreit zu Wort:

Huber sieht in den zunehmenden Neubauten von Moscheen in Deutschland «offenbar eine groß angelegte Moscheebau-Initiative in den muslimischen Gemeinden» im Land. «Die Frage muss erlaubt sein, inwieweit es sich dabei um die legitime Befriedigung religiöser Bedürfnisse handelt oder ob weitergehende Machtansprüche damit verbunden sind», sagte Huber am Montag in Berlin.


Bischof Wolfgang Huber
Fest stehe, dass gegenwärtig mehr Moscheen neu gebaut würden als bisher existierten. Nach Angaben des Islamarchivs in Soest sind in Deutschland zurzeit 184 Moscheen im Bau oder in Planung. Bereits genutzt würden 159 Moscheen. Dabei handelt es sich um «Klassische Moscheen», die durch Kuppeln oder Minarette auch von außen erkennbar seien. Dazu kommen etwa 2600 Gebets- und Versammlungshäuser und außerdem Schulmoscheen und islamische Gebetsstätten.

Huber betonte trotz dieser Kritik, Religionsfreiheit sei immer auch die Freiheit des Andersgläubigen. «Wir selbst können unser Verständnis von Freiheit nicht davon abhängig machen, ob sie in anderen Ländern gewährt wird oder nicht.» Das schließe natürlich auch den Bau von Moscheen hierzulande ein. «Es ist doch besser, Muslime bewegen sich in ihren Moscheen als in irgendwelchen Hinterhöfen», so Huber.

Allerdings trügen auch die Angehörigen anderer Religionen eine Mitverantwortung für die Wahrung von Religionsfreiheit und Toleranz. «Wer sich auf die Religionsfreiheit beruft, muss auch die anderen Aussagen unserer Verfassung akzeptieren. Die Gleichbehandlung von Mann und Frau gehört ebenso dazu wie die Freiheit, die Religion zu wechseln. Keine Religion kann Gewalt rechtfertigen», betont Huber.

So stelle ich mir eine standhafte und prinzipienfeste Islamkritik vor: Die andere Seite nicht von vornherein aus unserer Werte- und Verfassungswelt herausdefinieren, sondern sie in die Mitverantwortung für Religionsfreiheit und Toleranz hineinziehen. Machtansprüche in Frage stellen, ohne unsere freiheitlichen Prinzipien aufzugeben.

 

Muslimische Gelehrte appellieren an die Kirche: Gottes- und Nächstenliebe vereinen uns

Ein Jahr nach dem ersten Brief der 38 muslimischen Gelehrten an den papst – eine Antwort auf seine Regensburger Rede – hat sich eine noch viel breitere Gruppe von islamischen Gelehrten und Würdenträgern zusammengefunden, um einen zweiten Brief an die Christenheit zu schreiben.

Es handelt sich um einen Appell, in den Geboten der Gottes- und Nächstenliebe das Vereinende der 3 großen abrahamitischen Religionen zu erkennen.

Die Gelehrten ergehen sich in ausführlichen Textvergleichen zwischen hebräischer Bibel, NT und Koran und stellen die Gemeinsamkeiten heraus. Das ist ein präzedenzloser Vorgang: Die Provokation des Papstes hat einen echten Dialog in Gang gesetzt. Die islamischen Gelehrten haben noch nie so geschlossen und noch nie so detailliert über die konkurrierenden Monotheismen gesprochen. Es bewegt sich etwa.

Den gesamten Text, der morgen veröffentlich wird, dokumentiere ich im folgenden. Sämtliche Anmerkungen und die eindrucksvolle Liste der Unterzeichner finden sich hier. In der nächsten ZEIT folgt eine Deutung dieses Ereignisses.

In the Name of God, the Compassionate, the Merciful

On the Occasion of the Eid al-Fitr al-Mubarak 1428 A.H. / October 13th 2007 C.E., and on the One Year Anniversary of the Open Letter of 38 Muslim Scholars to H.H. Pope Benedict XVI,

An Open Letter and Call from Muslim Religious Leaders to:

His Holiness Pope Benedict XVI,

His All-Holiness Bartholomew I, Patriarch of Constantinople, New Rome, His Beatitude Theodoros II, Pope and Patriarch of Alexandria and All Africa, His Beatitude Ignatius IV, Patriarch of Antioch and All the East,
His Beatitude Theophilos III, Patriarch of the Holy City of Jerusalem, His Beatitude Alexy II, Patriarch of Moscow and All Russia,
His Beatitude Pavle, Patriarch of Belgrade and Serbia,His Beatitude Daniel, Patriarch of Romania, His Beatitude Maxim, Patriarch of Bulgaria,
His Beatitude Ilia II, Archbishop of Mtskheta-Tbilisi, Catholicos-Patriarch of All Georgia, His Beatitude Chrisostomos, Archbishop of Cyprus,
His Beatitude Christodoulos, Archbishop of Athens and All Greece, His Beatitude Sawa, Metropolitan of Warsaw and All Poland,
His Beatitude Anastasios, Archbishop of Tirana, Duerres and All Albania, His Beatitude Christoforos, Metropolitan of the Czech and Slovak Republics,

His Holiness Pope Shenouda III, Pope of Alexandria and Patriarch of All Africa on the Apostolic Throne of St. Mark,
His Beatitude Karekin II, Supreme Patriarch and Catholicos of All Armenians,
His Beatitude Ignatius Zakka I, Patriarch of Antioch and All the East, Supreme Head of the Universal Syrian Orthodox Church,
His Holiness Mar Thoma Didymos I, Catholicos of the East on the Apostolic Throne of St. Thomas and the Malankara Metropolitan,
His Holiness Abune Paulos, Fifth Patriarch and Catholicos of Ethiopia, Echege of the See of St. Tekle Haymanot, Archbishop of Axium,

His Beatitude Mar Dinkha IV, Patriarch of the Holy Apostolic Catholic Assyrian Church of the East,

The Most Rev. Rowan Williams, Archbishop of Canterbury,
Rev. Mark S. Hanson, Presiding Bishop of the Evangelical Lutheran Church in America, and President of the Lutheran World Federation,
Rev. George H. Freeman, General Secretary, World Methodist Council, Rev. David Coffey, President of the Baptist World Alliance,
Rev. Setri Nyomi, General Secretary of the World Alliance of Reformed Churches,

Rev. Dr. Samuel Kobia, General Secretary, World Council of Churches, And Leaders of Christian Churches, everywhere….

In the Name of God, the Compassionate, the Merciful

A Common Word between Us and You
(Summary and Abridgement)

Muslims and Christians together make up well over half of the world’s population. Without peace and justice between these two religious communities, there can be no meaningful peace in the world. The future of the world depends on peace between Muslims and Christians.

The basis for this peace and understanding already exists. It is part of the very foundational principles of both faiths: love of the One God, and love of the neighbour. These principles are found over and over again in the sacred texts of Islam and Christianity. The Unity of God, the necessity of love for Him, and the necessity of love of the neighbour is thus the common ground between Islam and Christianity. The following are only a few examples:

Of God’s Unity, God says in the Holy Qur’an: Say: He is God, the One! / God, the Self- Sufficient Besought of all! (Al-Ikhlas, 112:1-2). Of the necessity of love for God, God says in the Holy Qur’an: So invoke the Name of thy Lord and devote thyself to Him with a complete devotion (Al-Muzzammil, 73:8). Of the necessity of love for the neighbour, the Prophet Muhammad said: “None of you has faith until you love for your neighbour what you love for yourself.”

In the New Testament, Jesus Christ  said: ‘Hear, O Israel, the Lord our God, the Lord is One. / And you shall love the Lord your God with all your heart, with all your soul, with all your mind, and with all your strength.’ This is the first commandment. / And the second, like it, is this: ‘You shall love your neighbour as yourself.’ There is no other commandment greater than these.” (Mark 12:29-31)

In the Holy Qur’an, God Most High enjoins Muslims to issue the following call to Christians (and Jews—the People of the Scripture):

Say: O People of the Scripture! Come to a common word between us and you: that we shall worship none but God, and that we shall ascribe no partner unto Him, and that none of us shall take others for lords beside God. And if they turn away, then say: Bear witness that we are they who have surrendered (unto Him). (Aal ‘Imran 3:64)

The words: we shall ascribe no partner unto Him relate to the Unity of God, and the words: worship none but God, relate to being totally devoted to God. Hence they all relate to the First and Greatest Commandment. According to one of the oldest and most authoritative commentaries on the Holy Qur’an the words: that none of us shall take others for lords beside God, mean ‘that none of us should obey the other in disobedience to what God has commanded’. This relates to the Second Commandment because justice and freedom of religion are a crucial part of love of the neighbour.

Thus in obedience to the Holy Qur’an, we as Muslims invite Christians to come together with us on the basis of what is common to us, which is also what is most essential to our faith and practice: the Two Commandments of love.

Weiter„Muslimische Gelehrte appellieren an die Kirche: Gottes- und Nächstenliebe vereinen uns“

 

Religionsfreiheit im Islam?

Jetzt muss es hier leider mal ein bisschen kompliziert und ausführlich zugehen. Aber sonst kommen wir ja auch nicht weiter…

Auf dem Orientalistentag hielt Patricia Crone aus Princeton den Hauptvortrag über „Islam and Religious Freedom“. Es war ein Erlebnis, die große Unruhestifterin der Islamwissenschaft dort zu erleben.
Crone geht darin den Deutungen nach, die der berühmte Koranvers „Kein Zwang in der Religion“ (2:256) erfahren hat. Sie fragt, ob dieser Vers, wie es oft verstanden wird, einen Ansatz zur Versöhnung des Islam mit dem modernen Säkularismus bietet, ob er gar ein Fundament für ein islamisches Verständnis von Religionsfreiheit sein könnte.

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Patricia Crone

Es gibt derzeit keine spannendere Frage für Orientalisten, und nicht nur für sie. Es ist die Frage, die allen Beunruhigungen über den Islam zugrunde liegt, wie sie sich in Moscheebaustreitigkeiten und Kopftuchdebatten manifestieren.

Crone verfolgt diese Frage durch das islamische Mittelalter bis zu der Debatte um die Regensburger Vorlesung des Papstes und der Antwort der 38 islamischen Theologen.

Die Vorlesung ist jetzt online abrufbar auf der Website des Orientalistentages.

So why is there so much fuss about this verse? Well, one reason is that it expresses a tolerant view that Westerners like to hear, so it is a good passage to dispel their prejudices about Islam with. But it is also a verse that you encounter in connection with the question whether Islam can coexist with a secular sphere: is Islam a belief system that you can combine with a any political order that you like — as long as they are religiously neutral? Or is it a religion that dictates its own political order? That’s a key issue today, and the „no compulsion“ verse figures in the discussion.

Für die frühesten Exegeten, sagt Crone, war der Vers ein Problem: Sie lebten in einer politischen Gemeinschaft, die auf dem Islam aufgebaut war. Und für diese Gemeinschaft war der „kein-Zwang-Vers“ ein Sprengsatz, weil er in der Konsequenz ihre Grundlagen gefährdete – wenn man ihn als Freibrief für das Individuum verstand, seine Religion frei zu wählen:

For if it is up to the individual to choose his own religion, then you can’t have a polity based on religion; if religion is a private matter, then the public space is secular, in the sense of based on some non-religious principle, such as territory or nationality, or whatever else a large number of people can feel they have in common. The exegetes lived in a polity based on Islam. Islam had created the public space they shared. For as you know, Islam had not grown up within a state, the way Christianity had; rather; it had created its own state. You obviously can’t have religious freedom in a community based on religion. You can’t have religious freedom in a church.

Was taten sie also, diese Exegeten? Sie entwickelten verschiedene Deutungen, nach denen dieser Vers „abrogiert“ (abgeschafft, ersetzt) worden sei: er habe nur für die Frühzeit des Islam in Mekka gegolten, oder er habe sich nur auf Dhimmies (schutzbefohlene Juden, Christen, Zoroastrier) in Medina bezogen.

Dann kommen die Mutaziliten ins Spiel. Sie deuten den Vers neu im Sinn einer schlichten Feststellung: Gott zwingt niemanden zum Glauben. Glauben ist eine Sache zwischen dem einzelnen Menschen und seinem Gott.

What they meant by this was that when God says that there is no compulsion in the religion, He means that He does not practise compulsion. He does not force you to be a believer or an infidel – i.e. He does not predestine or determine it for you: you have free will. I suspect that this will sound sound farfetched to you, but the word for predestination was jabr, compulsion, and the word for free will, or one of them, was qadar, power. God was seen as refraining from using His power so that you could have your own; he was abstaining from compulsion –from determination — so that you could choose whether to be a believer or an unbeliver. That’s what what God was saying here, according to the Mu’tazilites: the verse was a declaration of unlimited freedom from divine coercion. God allows you to choose your own salvation.

Klingt gut? Heisst es aber auch, dass Menschen keinen Zwang in Sachen des Glaubens ausüben dürfen, wenn Gott selbst seine Macht so zurücknimmt?

Eben nicht, sagt Crone:

In short, in your inner self, your private interior, you are free vis-à-vis humans and God alike. But your external self was a different matter. You were free as a disembodied soul, not as an embodied social being. As a member of a human society you were subject to coercion in all kinds of ways. There was – still is– no way round that, in any society. And since the Muslim polity was based on religion, coercion had to be used in religious matters too. But that didn’t contradict the verse because the coercion was only applied to the external person: the inner person was free; there was no coercion in religion in the sense of inner conviction. So again, the verse was not contradicted by the duty to wage holy war or execute apostates. It was even compatible with forced conversion, which was allowed in the case of unbelievers who hadn’t become dhimmis yet or couldn’t become dhimmis, either because they were pagans rather than Christians, Jews or Zoroastrians or else because they were slaves. In fact, the Mu’tazilites said, forcing people to convert was actually a good thing, because sooner or later they or their children would acquire genuine faith: so you would have saved them from eternal hellfire.

Das ist eine erstaunliche Pointe der Mutaziliten-Deutung des Zwangs-Verses: Weil Gott keinen Zwang ausübt und es also eine religiöse Freiheit des inneren Menschen gibt, ist äußerer Zwang nicht nur nicht verwerflich, sondern geradezu geboten. Und das ist die Denkschule, auf der alle Hoffnungen der religiösen Modernisierer wie etwa Nasr Hamid Abu Zayd beruhen! Ernüchternd.

The big issue is Muslim society itself. The laws regulating modern Muslim states are mostly secular: should the civic sphere be wholly secularised? Can Muslims be fully integrated in secular societies in the West? In other words, should religion be something you have along with your citizenship rather than as part of it? And if yes, should this additional membership be wholly voluntary, so that Muslims would be free to convert to other religions, or to have no religion? … For to say that people are free to leave Islam is oficially to declare the public order to be secular, so that one could in principle be an atheist or a Buddhist or a Hindu along with being a full citizen of Egypt.

Davon sind wir ganz offenbar weit entfernt, wie etwa die Verurteilungen des ägyptischen Bloggers gezeigt hat, der halb wegen seiner Frechheiten gegenüber Präsident Mubarak und halb wegen seiner angeblichen „Apostasie“ verurteilt wurde.

Aber Ägypten ist eh nicht unser Hauptproblem: Die Frage ist, ob sich die islamische Theologie auf die Situation des religiösen Pluralismus in den Ländern des Westens einstellen kann. Kann (und will) die islamische Theologie den Gläubigen eine Deutung des „kein-Zwang-Verses“ an die Hand geben, die es ihnen ermöglicht, dauerhaft in einer säkularen Ordnung als eine religiöse Gruppe unter anderen zu leben – ohne den Anspruch, diese Ordnung zu transformieren oder sie in den Dienst der eigenen religiösen Agenda zu stellen. Dazu wäre es nötig, die Deutungen des Verses radikal zu historisieren, wie es Crone ansatzweise in ihrem brillanten Vortrag tut. Werden muslimische Denker ihr folgen? Skeptizismus ist angebracht:

We historians do not equate change with falsehood, but there is no way around the fact that we are secularisers: we are secularising history, because we separate the past we are studying from our own and other people’s modern convictions; we do not allow the past to be rewritten as mere support of these modern convictions. That’s a problem to all traditional believers, and perhaps Muslims more than most. Muslims tend not to have a problem with modern science: the Quran does not have a mythological account of the creation, it is not incompatible with any modern scientific views. But history is a different matter because the truths of Islam are tied to history. So whether they want to or not, historians also find themselves as actors in the debate whether, or to what extent, Islam should coexist with a secular sphere. Where will it all end? Well, there at least even the most modern of historians can give the most traditional of answers: God knows best.