Berlin erprobt den Burkini

Ich wollte schon seit Tagen darüber schreiben. Doch zunehmend spüre ich Unlust, den neuesten Irrsinn von der (Des-)Integrationsfront zu kommentieren.
Nun gut, tun wir unsere Pflicht: Berlin erlaubt probeweise das Tragen der vermeintlich islamisch korrekten Bademode in Schwimmbädern. Der Burkini wird erlaubt. Wenn der bis zum Sommer terminierte Probelauf sich als erfolgreich erweisen sollte (aber was heißt hier „Erfolg“), dann wird man die Ganzkörperverhüllung im Wasser auch in den Freibädern erlauben.
Ich neige bekanntlich in Fragen des Dresscodes zu radikal liberalen Positionen (->Kopftuch).

Und so sehe ich es auch hier: Der Staat hat sich aus der Reglementierung von Bademoden herauszuhalten. Eine Gesellschaft, in der das Tragen von Thongs und Arschgeweihen erlaubt ist, wird auch damit leben können, dass es vollverhüllte Irre gibt, die im Freibad jeden Zentimeter Haut bedeckt halten wollen. (Warum man dann überhaupt ins Freibad will? I don’t get it!)
Aber bitte sehr, soll doch jeder nach seiner Fasson unglücklich werden.

Allerdings geht es hier ja nicht nur um die persönlichen Schamgrenzen Einzelner. Es geht ja vielmehr um die politisch-religiöse Durchsetzung eines Begriffs von „islamischer Korrektheit“. Und darin sehe ich das Problem: Indem der Staat nun nicht einfach jedes Outfit freigibt, sondern einen Großversuch anordnet, indem man es zum Ziel erklärt „Toleranz gegenüber Andersgläubigen“ (so der Bäderbetriebschef Lipinsky) auszudrücken, macht man eine Aussage über das, was dieser andere Glaube angeblich vorschreibt. Und da hat der Staat neutral zu sein. 

Denn was dieser Glaube angeblich vorschreibt, ist keineswegs unumstritten. Die Fundis und Ultras wollen bestimmte Begriffe des Erlaubten und Verbotenen durchsetzen und legitimieren dies mit Rückgriff auf ihre Auslegung der Scharia und mit bestimmten Koranstellen. Andere halten dagegen, zunehmend in der Defensive. Der Berliner Senat akzeptiert die Fundi-Deutung, indem er eine Toleranz gegenüber dem Schwimmen im Jogginganzug als „Toleranz gegenüber dem Islam“ versteht. 

Was ist mit der Mehrzahl der Muslime, die diesen Zusammenhang (noch) nicht so akzeptieren? Sie werden, wenn das Experiment „erfolgreich“ verläuft, noch mehr in die Defensive gedrängt. Es gibt dann ja eine vom Senat sanktionierte halal-Bademode. Absurd!

Also: Der Staat soll meinetwegen den Burkini akzeptieren, dann aber dazu das Maul halten und diesen prüden Irrsinn nicht auch noch adeln, indem man ihn für schariakonform erklärt. 

Oder er soll an der bisherigen Regelung festhalten und segregierte Bäder für Neomuslime in Kauf nehmen. Sollen sie doch ihre eigenen Bäder aufmachen.

Was nicht geht, ist das jetzige Vorgehen, mit dem der Senat die Islamisierung des Alltags klammheimlich – und bizarrer Weise unter der Flagge „Toleranz“ – mit betreibt.

Liberale Muslime, Kulturmuslime, Ex-Muslime kämpfen für die Entpolitisierung der Religion und die Enttheologisierung des Alltags. Und der deutsche Staat geht den anderen Weg, indem er die Islamisierung mit einem staatlichen Unbedenklichkeitssiegel versieht? Verkehrte Welt.

p.s. Und noch eine schöne Ironie dieses genialen Modellversuchs: Es muss nun aus hygienischen Gründen gecheckt werden, ob die Muslima Unterwäsche unter dem Burkini trägt. In anderen Worten: Die vermeintlich schariakonforme Kleidung führt zu hoch peinlichen Inspektionen.

Deutscher Bürokratenirrsinn in Perfektion.

 

Burkini in Almelo

In einem Schwimmbad der niederländischen Stadt Almelo gab es in der letzten Woche eine Premiere. Eine Muslima badete dort im Burkini.

Auf diesem Blog hier ist bereits mehrfach über diese aus Australien stammende Bademode berichtet worden. (Gestern waren darum weit über 10.000 niederländische Leser hier, zu meinem anfänglich großen Erstaunen. Eine Recherche bei den Kollegen von Elsevier und de Volkskrant ergab die Lösung.)

Die Frau hatte ihren Besuch des Schwimmbads – offenbar schon Ärger antizipierend – bei der Schimmbadleitung angemeldet. Dennoch beschwerten sich später Badegäste über den Anblick der verhüllten Frau beim Direktor.

Die Muslimin nimmt an einem Integrationsprogramm der Stadt Almelo teil. Dazu gehört auch Sport. Für das Schwimmen ließ sie sich in der Türkei einen schwarzen Burkini mit Blumenmuster anfertigen.

Der leiter des Schwimmbades erklärte de Volkskrant, er sehe kein Porblem mit der Badekleidung. Jeder dürfe im Schwimmbad tragen, was er wolle – ausgeschlossen eine Verhüllung des Gesichts. (Wäre auch ein bißchen unpraktisch – gerade so als wolle man sich selbst waterboarden. Aber wer weiß, auch das wird womöglich noch kommen.)

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Islamisch korrekte Badefreuden, jetzt auch in Holland. 

 

Die Burkini-Debatte

Mitblogger MC gibt folgendes zu bedenken:

Ich kann beim besten Willen keinen Zusammenhang zwischen dem Burqini und dem Islamismus erkennen.
Wird der von Ihnen beschriebene Freiraum der Schule, der zur Entfaltung und zum Kennenlernen der Welt angedacht ist, durch den Burqini in nennenswerter Weise eingeengt? Ich denke nicht.

Ich verstehe langsam die Gedankengänge bestimmter Zeitgenossen nicht mehr. Da werden tausende Seiten in den Zeitungen mit hasserfülltem Gelaber gefüllt, nur um gegen ein Stück Stoff oder jetzt gegen einen etwas weiter geschnittenen Badeanzug zu kämpfen. Das zeigt mir doch nur wir arm im Geister diese Hassprediger sein müssen.

Es geht hier nicht um die reaktionären Kräfte, was auch immer Sie damit meinen, es geht um das ethische Verständnis einer Religion in bestimmten Dingen eben eine andere Meinung zu haben als der Mainstream. Für mich als Muslim ist der Burqini eine moderate Lösung, die ein Zusammenleben auch im Freibad
ermöglicht. In Australien gibt es sogar muslimische Rettungsschwimmerinnen, die diesen Burqini tragen.

Ich meine, dass man dieses Recht den Muslimen zugestehen muss, selbst zu entscheiden, wie sie in den Swimmingpool steigen.

Oder haben wir demnächst eine Bikini-Pflicht in öffentlichen Bädern?

Ich bleibe bei meiner Ablehnung:

Schauen Sie doch in die Handreichung des Council (Link in meinem vorigen Post).
Der Burkini ist Teil eines ganzen Pakets, mit dem man die britische Schule islamisch-moralisch reformieren will. Der gesamte Schulalltag wird gemäß der Gruppenrechte, die sich gewisse Muslime selbst zuschreiben, umgepflügt. Jede einzelne Massnahme wird zwar als pragmatischer Kompromiss der Mehrheit mit den Muslimen verkauft, deren Religion all dies nun einmal erfordere. (Wer könnte etwas gegen Gebete in der Schule haben, wer könnte etwas gegen Alkoholverbote auf Klassenfahrten haben, wer könnte etwas gegen „anständige“ Schwimmbekleidung haben?) Am Ende ist ein neutraler Raum nicht mehr vorhanden. Alle Grenzen werden durch die Empfindlichkeiten einer religiösen Gruppe diktiert. Fatal. Weiss eigentlich niemand mehr, wie viele Millionen in den europäischen Religionskriegen und Kulturkämpfen ihr Leben lassen mussten, bis wir diese kostbare öffentliche Sphäre erreicht hatten?

Zum Burkini:
Der Burkini sexualisiert den Schwimmunterricht, genau wie das Kopftuch die Frau permanent sexualisiert. Ich empfinde dies übrigens nicht nur als frauen- sondern auch als männerfeindlich, weil es unsereinem (und schon 9jährigen Jungs!) eine unkontrollierbare Lüsternheit unterstellt. Ein normaler Schwimmanzug gilt neben dem Burkini plötzlich als Schlampen-Outfit. Ich bin als Feminist und Vater dreier Töchter absolut gegen diese Sexualisierung im Gewand der höheren Moral.

 

Schlafwandelnd in die Segregation – England erlaubt den Burkini im Schwimmunterricht

Wer dem europäischen Bildungswesen bei der Selbstdemontage zuschauen will, sehe sich bitte diese neuen Empfehlungen eines Westlondoner Councils für religiöse Erziehung an.
Die Schulen werden ermutigt, beim Schwimmunterricht den Burkini – zuzulassen, weil der eine gute Alternative zur Geschlechtersegregation sei (die man leider nicht zu bieten hat).

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Islamisch korrekte Badefreuden

Mich macht dieses Dokument fassungslos.
Auf 24 Seiten wird ohne jeden Abstrich die Position des MCB (Muslim Council of Britain) zum Massstab des Schullebens gemacht. Das sind die selben Leute, die schon 1989 gegen Rushdie hetzten, die es heute wieder tun.
Die britische Schulverwaltung soll den Forderungen, die der MCB für die Muslime erhebt (die sich von ihm übrigens überhaupt nicht repräsentiert fühlen!), Punkt für Punkt nachkommen:
– Sexualkunde wo möglich nach Geschlechtern getrennt
– Schulausflüge über Nacht nur, wenn „ein Kompass zum Finden der Qibla (Gebetsrichtung) mitgenommen wird“
– im Malunterricht Rücksicht auf strenggläubige Muslime, die keine menschlichen Wesen darstellen wollen
– im Musikunterricht Rücksicht auf Eltern, die Musik als unislamisch ansehen
– für den Ramadan gibt es einen Vordruck, auf dem die Eltern gefragt werden: „Wenn Ihr Kind ohnmächtig wird, sollen wir ihm zu essen geben?“
– kein Sexualkundeunterricht oder Schwimmunterricht im Ramadan (letzteres wegen der Gefahr, Wasser zu schlucken und damit das Fasten zu brechen)

Und dieser Irrsinn, der eine segregierte Welt mitten in der staatlichen Schule schafft – und damit einen alten Traum der Islamisten realisiert – wird unter der Überschrift „Success through Diversity“ verkauft.
Diversity sollte bedeuten, dass in einem neutralen öffentlichen Raum alle lernen müssen, die jeweils anderen auszuhalten (und vielleicht zu schätzen). Wenn der öffentliche Raum derart abgeräumt wird, indem man ihn der Identitätspolitik der Islamisten anheimgibt, ist dies nicht möglich. An die Stelle eines wohl verstandenen Multikulturalismus tritt die Monokultur der Fundamentalisten, wenn Gruppenrechte das Maß der Dinge werden.

Man versteht es nicht: Haben diese Leute nichts gelernt aus der Katastrophe des britischen Modells?

 

Der Burkini

Nach einem Bericht von Islamonline.net macht der Burkini (von „Burka“ und „Bikini“) weiter in Australien Furore. Über das Kleidungsstück, das ausser Händen, Füssen und Gesicht den ganzen Körper bedeckt, ist bereits mehrfach berichtet worden. Australiens erste muslimsche Rettungsschwimmerin, Mecca Laalaa, trägt ihn.
Laut Islamonline spricht sich nun auch der notorische Scheich Taj Al-Din al-Hillali für den Burkini aus.

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Der Imam einer Moschee in Sydney, der sich gerne als Großmufti Australiens bezeichnet (was andere Muslime ihm allerdings streitig machen), war kürzlich durch den Kommentar bekannt geworden, vergewaltigte Frauen dürften sich nicht beklagen, wenn sie ihren Körper nicht bedeckt gehalten haben, weil „unbedecktes Fleisch“ nun mal die Katzen anziehe.

 

Lernen, mit dem radikalen Islam zu leben

Ich habe heute eine Reihe von Texten gelesen, die mich zum Grübeln bringen. So viele, dass ich nocht lange nicht mit dem Grübeln fertig bin. Doch das Gute an diesem Medium hier ist ja, dass man die Begrübelungsgrundlage verbreitern kann, indem man andere dazu einlädt, an de eigenen unfertigen Gedanken teilzuhaben und mitzudenken.

Erstens stach mir dieser Bericht von Press TV ins Auge, in dem behauptet wird, das State Department betrachte sie russische Zusammenarbeit mit den Iranern am Atomkraftwerk Bushehr als im Rahmen des Nichtverbreitungsregimes erlaubte zivile Aktivität. Es wird der Sprecher des Aussenminsiteriums Robert Wood zitiert (den ich noch aus seiner Zeit als Sprecher der Berliner US-Botschaft kenne): 

Robert Wood said during a Wednesday press briefing that the trial start-up of the Bushehr nuclear plant in southern Iran is in the realm of peaceful use of nuclear energy. 

Und dann wird geschlußfolgert: Wood’s remarks indicated that Washington’s apparent approval was because fuel arrangements for the nuclear facility were made with Russia. 

Was bedeuten würde, dass die russische Kooperation mit Iran positiv gesehen wird, weil sie als Argument dazu herhalten kann, dass die Iraner keine eigene Anreicherung brauchen (ausser für Waffenzwecke, was Iran ja zu verfolgen bestreitet).

Das ist doch eine erstaunliche neue Position zu dem ganzen Iran-Russland-Atom-Komplex!

Zweitens las ich einen leidenschaftlichen Text von Roger Cohen in der Herald Tribune, in dem dieser sich wegen eines Reihe von Reportagen aus Iran gegen die Vorwürfe verteidigt, er habe sich von Regime  einseifen lassen, was seine milde Sicht des Landes beweise.

Unmittelbarer Anlass für diese Selbstverteidigung: Cohens Äusserungen zur Lage der Juden im Iran, die dort nach seiner Schilderung besser leben als in den meisten arabischen Ländern. (Läßt sich wohl kaum bestreiten.)  Nun geht Cohen in die Vollen und wendet sich in seiner neuen Kolumne gegen die Dämonisierung des Iran. Vor allem die dauernden Vergleiche des Iran mit dem Nazi-Staat weist er zurück, und zwar sehr zu Recht:

I was based in Berlin for three years; Germany’s confrontation with the Holocaust inhabited me. Let’s be clear: Iran’s Islamic Republic is no Third Reich redux. Nor is it a totalitarian state.

Munich allowed Hitler’s annexation of the Sudetenland. Iran has not waged an expansionary war in more than two centuries.

Totalitarian regimes require the complete subservience of the individual to the state and tolerate only one party to which all institutions are subordinated. Iran is an un-free society with a keen, intermittently brutal apparatus of repression, but it’s far from meeting these criteria. Significant margins of liberty, even democracy, exist. Anything but mad, the mullahs have proved malleable.

Das ist wichtig, bei aller Kritik an der iranischen Unterdrückung von Regime-Gegnern, Andersgläubigen und Frauen im Sinn zu behalten.

Und drittens beeindruckt mich ein neuer Essay von Fareed Zakaria in Newsweek mit dem Titel „Learning to live with radical Islam“. Zakaria sagt, wir müßten unterscheiden zwischen Islamisten, deren Agenda für die Durchsetzung der Scharia in ihren Gesellschaften wir zwar ablehnen mögen, die unsere Sicherheitsinteressen aber nicht gefährden, und denen, die sich als Teil eines globalen Dschihad gegen den Westen sehen.

In den letzten Jahren haben wir eine Perspektive eingeübt, in der diese Unterscheidung nicht gemacht wurde. Ja, es wurde geradezu zum Dogma, dass es unmöglich sei, zwischen verschiedenen Formen und Graden des Islamismus zu unterscheiden. Am Ende laufe alles aufs Gleiche hinaus.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der radikale Islamismus nicht verschwinden wird und nicht besiegt werden kann, wenn wir alle Islamisten in einen Topf werfen.

Wir müssen neue Prioritäten setzen: Unsere Hauptaufgabe ist es, den Bin-Ladenismus zu besiegen. Und in diesem Kampf sind nicht die moderaten Muslime (oder Ex-Muslime) unsere wichtigsten Verbündeten, sondern diejenigen Radikalen und Fundamentalisten, die sich nicht dem Dschihad gegen uns verschworen haben. 

Der „Surge“ im Irak hat aufgrund solcher Teufelspakte funktioniert, und in Afghanistan wird man ähnliche Koalitionen schmieden müssen, auch hier mit Gruppen, die uns zuwider sind. Es geht darum, die lokalen Militanten von den globalen Dschihadis abzuspalten und sie einzubinden in eine Lösung der Probleme des Landes. Zakaria zitiert David Kilcullen, den ich hier vorgestellt habe: 

„I’ve had tribal leaders and Afghan government officials at the province and district level tell me that 90 percent of the people we call the Taliban are actually tribal fighters or Pashtun nationalists or people pursuing their own agendas. Less than 10 percent are ideologically aligned with the Quetta Shura [Mullah Omar’s leadership group] or Al Qaeda.“ These people are, in his view, „almost certainly reconcilable under some circumstances.“ Kilcullen adds, „That’s very much what we did in Iraq. We negotiated with 90 percent of the people we were fighting.“

Für unsere einheimische Debatte über Islam und Radikalismus hat das auch Folgen: Wir müssen aufhören, auf Kopftücher und Burkinis zu starren, als sei erst dann Hoffnung in Sicht, wenn diese Markierungen religiöser und kultureller Differenz verschwunden sind.

Es wird ganz einfach nicht passieren, ob es einem passt oder nicht. 

Und wir müssen darum auch jede Form der Thematisierung vermeiden, die suggeriert, es gebe ein Kontinuum zwischen Kopftuch und Sprengstoffgürtel. 

Zakaria endet mit diesen Worten, die ich nur unterschreiben kann: 

We can better pursue our values if we recognize the local and cultural context, and appreciate that people want to find their own balance between freedom and order, liberty and license. In the end, time is on our side. Bin Ladenism has already lost ground in almost every Muslim country. Radical Islam will follow the same path. Wherever it is tried—in Afghanistan, in Iraq, in parts of Nigeria and Pakistan—people weary of its charms very quickly. The truth is that all Islamists, violent or not, lack answers to the problems of the modern world. They do not have a world view that can satisfy the aspirations of modern men and women. We do. That’s the most powerful weapon of all.

 

Kopftücher in Norwegen

Zwei Meldungen aus Norwegen, anhand derer ich noch einmal versuchen will, meine Haltung zum islamischen Kopftuch zu klären:

Erstens wird berichtet, das Lebensmittelunternehmen Nortura ermögiche Musliminnen das Tragen von Kopftüchern bei der Arbeit – und stelle zu diesem Zweck auch hygienische Einmal-Kopftücher bereit, wie Sie auch in Schweden bereits im Gesundheitswesen üblich sind. Kopftücher zum Wegwerfen also.

Die Mitarbeiter dort sind ohnehin gehalten, bei der Arbeit ihre Haare zu bedecken. Ich halte diese Regelung für völlig in Ordnung. 

Nortura-Managerin demonstriert das Wegwerf-Kopftuch

Zweitens hat die Eingabe einer islamischen Polizistin Erfolg gehabt, die bei der Arbeit Hidschab tragen will. Künftig wird es in Norwegen erlaubt sein, als Polizistin Kopftuch zu tragen. Islamische Verbände begrüßen diese Regelung, die Polizeigewerkschaft ist enttäuscht, weil sie das Neutralitätsprinzip verletzt sieht. Das Argument der Befürworter lautet, im Sinne einer umfassenden Repräsentanz der Gesellschaft sei es sinnvoll, das Kopftuch zuzulassen, denn sonst „würde man de facto diese Gruppen ausschliessen“. 

Keltoum Hasnai Missoum, die norwegische Polizistin

Ich finde dieses Argument gefährlich. Man hat damit die Deutung akzeptiert, dass die neutrale Kleidung eine Diskriminierung derer ist, die mit ihrer Kleidung eine relgiöses Bekenntnis zum Ausdruck bringen wollen. Sie wird gerne von Islamisten vorgebracht. Sie ist aber nicht plausibel. (Eine Parallele zum Burkini-Fall in Berlin.)

Ich bin der Überzeugung, dass es legitim ist, mit seiner Kleidung religiöse und andere Meinungen auszudrücken. Und ich bin allerdings auch der Meinung, dass man bereit sein muss, dafür gegebenenfalls  den Preis zu zahlen – dass man eben nicht für den weltanschaulich neutralen Staat stehen kann. 

(Wenn man etwa als orthodoxe Jüdin die Police Academy von New Jersey absolviert hat, steht man auch vor schweren Entscheidungen. Hier taucht dann z. B. die Frage auf, ob man überhaupt am Freitag Dienst tun könne.)

Es ist nichts gegen ein Kettchen mit islamischen Insignien zu sagen, oder gegen ein kleines Kreuz, das man um den Hals trägt. Aber ein großes Kreuz möchte ich nicht um den Hals eines Polizeibeamtenoder selbst eines Religionslehrers baumeln sehen. Eine Kippa auf dem Kopf finde ich im öffentlichen Dienst auch unangemessen.

Dito ein Kopftuch. Wer den Verzicht darauf nicht auf sich nehmen kann, muss eine andere Karriere einschlagen.

Das Argument, bekopftuchte Polizistinnen kämen besser an in manchen Migranten-Milieus, ist auch gefährlich. Heisst das, ganz gewöhnliche Polizisten würden dort nicht akzeptiert? Brauchen wir eine Scharia-konfome Polizei? Ja, wo leben wir denn?

Es ist ein Irrweg, wie in den USA oder in Großbritannien Kopftücher und Turbane (von Sikhs) im Staatsdienst zuzulassen.

Neutralität im öffentlichen Dienst ist ein hohes Gut. Und es wird immer wertvoller, je bunter unsere Gesellschaften werden.

In keinem Fall darf das Argument akzeptiert werden, die Pflicht zur religiösen Zurückhaltung im Dienst sei schon Diskriminierung.

Muslime sind als Polizisten sehr willkommen, wie jede andere Gruppe auch. Es werden aber keine Gruppen eingestellt, sondern Individuen, die einen Eid auf den Staat leisten. Es darf keine religiöse Diskriminierung geben, ja der Staat sollte sich für das religiöse Bekenntnis überhaupt nicht interessieren. Aber muslimische Staatsdiener dürfen umgekehrt den Staatsdienst nicht zur Propagierung ihrer Religion nutzen, wie jeder andere übrigens auch.

Immer wieder das Gleiche: Im Namen der Toleranz wird die öffentliche Sphäre demontiert, um die religiösen Aktivisten zu akkomodieren. Den vielen Muslimen, die den Westen wegen seiner Neutralität schätzen und wegen der Trennung von Religion und Staat, tut man damit einen Tort an.

 

Warum der Begriff Islamophobie nichts taugt, obwohl es eine arge Islamfeindlichkeit gibt (und warum es in diesem Blog doch weitergeht)

Ein Vortrag vor dem „3. Zukunftsforum Islam“ der Bundeszentrale für Politische Bildung in Brühl vom 17. Mai 2008, der vielleicht erklärt, warum dieses Blog abgeschaltet wurde und nun doch weitergeht:

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe ein Problem: Der Begriff, unter dem ich mich hier bereit erklärt habe anzutreten, taugt nämlich eigentlich nichts.
Islamophobie – mit diesem Konzept werden ohne Unterschied irrationale und rationale Ängste im Bezug auf den Islam zu Symptomen einer Art psychischen Krankheit erklärt.
Eine Phobie ist schließlich etwas anderes als ideologische Voreingenommenheit – wie sie uns etwa in Form einer rassistischen Einstellung, eines religiösen Fanatismus oder politischer Parteilichkeit begegnen. Eine Phobie hat man, unter einer Phobie leidet man, merh noch, sie hat einen, sie nimmt einen in Beschlag. Die Phobie muss behandelt werden wie andere bedrohlich psychische Erkrankungen. Der Phobiker verhält sich zwanghaft. Er kann anderen zur Gefahr werden und wird zugleich als Opfer einer Krankheit betrachtet, statt als Subjekt mit Überzeugungen und Meinungen, wie fragwürdig auch immer.
Wollen wir wirklich in solchen Begriffen von der öffentlichen Debatte um den Islam reden, wie sie sich bei uns in den letzten Jahren entfaltet hat? Ich halte das nicht für sinnvoll. Trotzdem will ich über das Thema „Islamophobie – die Rolle der Medien“ sprechen. Denn ich kann sehr wohl verstehen, warum sich bei manchen Muslimen der Eindruck einer generellen Islamfeindlichkeit festgesetzt hat. Dies auf eine sich immer weiter verbreitende „Islamophobie“ zurückzuführen, hielte ich dennoch für falsch.
Denn dadurch werden bestimmte Redeweisen und Einstellungen von vornherein in den Bereich der Angst gerückt und somit psychologisiert. Man rückt sie damit aus dem Bereich des Verstehbaren und Widerlegbaren heraus und hat sie somit zum Schein neutralisiert. Mit einem Phobiker kann man nicht debattieren. So enifach geht es aber nicht.
Schauen wir uns kurz ein paar prominente Versuche an, Islamophobie zu definieren. Dann wird das Problematische dieses Begriffs deutlich werden.
Der Begriff wurde durch eine Studie des britischen Runnymede Trust 1997 in die Debatte eingeführt. Runnymede Trust ist eine unabhängige Lobbygruppe für eine multi-ethnische, multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft.
Eine islamophobe Einstellung kommt nach einer Definition des Trust in folgenden Meinungen zum Ausdruck:

* Der Islam sei ein allein stehender monolithischer Block, statisch und für Veränderung unempfänglich.

* Der Islam sei gesondert und fremd, er habe keine gemeinsamen Ziele und Werte mit anderen Kulturen; weder sei er von ihnen beeinflusst noch beeinflusse er sie.

* Der Islam sei dem Westen unterlegen, barbarisch, irrational, primitiv und sexistisch.

* Der Islam sei gewalttätig, aggressiv, bedrohlich, den Terrorismus unterstützend und in einen Kulturkampf verstrickt.

* Der Islam sei eine politische Ideologie, die für politische oder militärische Vorteile genutzt werde.

So weit die Definition des Forum Against Islamophobia and Racism (FAIR). Islamophobie und Rassismus stehen hier nahe beieinander, was auch problematisch ist: Denn ich kann sehr wolh feindliche Gefühle gegenüber dem Islam als Religion hegen, ohne Muslime dabei rassistisch abzulehnen. Sonst wäre Islamkritik und Islamfeindlichkeit vonseiten geborener Muslime ja nicht möglich. Auch dies ist ein Versuch, jede Kritik am Islam von vornherein als rassistisch zu diskreditieren.
Ausserdem bin ich der Meinung, dass alle die „islamophoben“ Ideen, die der Runnymede Trust hier auf den Index gesetzt hat, prinzipiell unter dem Schutz der Meinungsfreiheit stehen.
Der Islam wird von manchen Muslimen als politische Ideologie verstanden. Das bestreiten am allerwenigsten jene Muslime, die sich dagegen verwehren. Ja, der Islam hat ein gewalttäiges, aggressives und bedrohliches Gesicht. Terrorismus und Kulturkampf sind ihm nicht fremd. Ist der Islam dem Westen unterlegen? Ist er sexistisch? Ist er barbarisch? Letzteres würde ich nicht sagen, aber Barbaren im Namen eines bestimmten Islam gibt es zweifelsohne. Sie bringen mit Vorliebe andere Muslime um, wie wir mit Schrecken jeden Tag im Irak sehen können. Sexismus? Wer hier möchte aufstehen und sagen, dies sei ein völlig absurder Vorwurf? Dass der Islam dem Westen „unterlegen“ sei, ist die große Angst und der ANTRIEB aller muslimischen Reformdenker der letzten 200 Jahre. Warum sollten wir diese Aussage also tabuisieren? Nur weil es nicht in Ordnung ist, wenn Nichtmuslime sagen, was Muslime seit 200 Jahren sagen? Genauso verhält es sich mit der Aussage, der Islam sei ein allein stehender monolithischer Block, statisch und für Veränderung unempfänglich.
Es ist einfach Unsinn, diese Aussage als Indiz für „Islamophobie“ anzusehen. Manche Muslime sehen des Islam genau so, manche Muslime kämpfen wiederum gegen jene, weil sie Veränderungen wollen. Eine Aussage, die Gegenstand eines innermuslimischen Streits ist, zum Symptom für „Islamophobie“ zu erklären, wenn sie aus dem Mund von Nichtmuslimen zu hören ist, das geht einfach nicht. Das ist eine Gefahr für die freie Debatte, für die freie Forschung. Das ist eine Attacke auf dem wissenschaftlichen Fortschritt. Und wie verhält es sich mit der letzten Aussage, die Runnymede als signifikant erklärt: Der Islam sei gesondert und fremd, er habe keine gemeinsamen Ziele und Werte mit anderen Kulturen; weder sei er von ihnen beeinflusst noch beeinflusse er sie. Der letzte Teil dieses Satzes ist historischer Unfug. Natürlich ist der Islam beeinflusst von anderen Kulturen, und natürlich beeinflusst er auch sie. Ob der Islam „gesondert und fremd“ sei, ob er „gemeinsame Ziele und Werte“ mit anderen Kulturen habe, das ist genau der Kern des Streits, um den sich alles dreht in unserer Debatte. Noch einmal zur Erinnerung: Auf allen Seiten gibt es Vertreter der einen oder anderen Richtung: Muslime, die das Fremde betonen, Muslime, die ökumenisch denken. Nichtmuslime, die das Gemeinsame sehen, Nichtmuslime, die sich keinen Konsens vorstellen können. Es ist dumm, diese Debatte zensieren und regulieren zu wollen. Sie muss ausgetragen werden. Wir müssen alle zusammen da durch.
Noch ein Beispiel für einen unglücklichen Definitionsversuch:
In seiner sozialwissenschaftlichen Studie „Deutsche Zustände. Folge 4“ macht Wilhelm Heitmeyer Islamophobie im Rahmen einer Befragung u.a. an der Zustimmung zu folgenden Aussagen fest:

* „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“
* „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.“
* „Es sollte besser gar keine Muslime in Deutschland geben.“
* „Muslimen sollte jede Form der Religionsausübung in Deutschland untersagt werden.“
* „Für mich sind die verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen kaum zu unterscheiden.“
* „Die Mehrheit der Muslime hält große Distanz zur restlichen Bevölkerung.“
* „Viele Muslime in Deutschland wollen lieber unter sich bleiben.“
* „Die islamistischen Terroristen finden starken Rückhalt bei den Muslimen.“
* „Ich hätte Probleme in eine Gegend zu ziehen, in der viele Moslems leben.“
* „Ich werde nur solche Parteien wählen, die gegen den weiteren Zuzug von Moslems sind.“

Umgekehrt gilt ihm auch die Ablehnung der folgenden Aussagen als Indiz für eine islamophobe Einstellung:

* „Der Islam hat eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht.“
* „Die muslimische Kultur passt durchaus in unsere westliche Welt.“
* „Ich würde mein Kind auch in einer Schule anmelden, in der eine moslemische Frau mit Kopftuch unterrichtet.“
* „Es ist allein Sache der Muslime, wenn sie über Lautsprecher zum Gebet aufrufen.“
Auch mit dieser Art der Erfassung habe ich Probleme: Was, wenn ich den Gebetsruf ablehne, wie ich auch das Glockenläuten ablehne, weil ich am Sonntag (oder Freitag) nicht gestört werden will, oder weil ich überzeugter Säkularist oder Atheist bin, der Religion nur im Stillen für akzeptabel hält?
Muss ich den Islam nicht nur hinnehmen, sondern sogar bewundern, um nicht als islamophob zu gelten? Ist die Ablehung einer bekopftuchten Lehrerin – gerade unter Türken weit verbreitet – schon islamophob? Und was ist mit den Türken, die Kreuzberg verlassen, weil sie für ihre Kinder bessere Schulen wollen? zu sagen, die islamistischen Parteien fänden „starken Rückhalt bei Muslimen“ ist, global gesehen, ein Irrtum, wie wir aus vielen Umfragen wissen. In Ägypten ist es die reine Wahrheit.
Und so weiter, und so fort: Sie sehen schon, was mir an dem Begriff Islamophobie nicht gefällt, ist die Tatsache, dass er – in meist bester Absicht – die notwendigen, peinigenden Debatten einfach abschneidet, statt sie führbar zu machen. Der Islamophobie-Begriff, wenn er sich durchsetzen sollte in der Breite, in der ich ihn hier skizziert habe, hätte fürchterliche Folge für unsere liberale Öffentlichkeit. Er wäre ein Instrument, um jede mißliebige Debatte zu ersticken. Diejenigen muslimischen Gruppen, die ihn in Großbritannien propagieren, sind durch die Salman-Rushdie-Affäre entstanden. Ich halte das nicht für einen Zufall. Die Verwendung des Islamophobie-Begriffs seitens dieser Gruppen ist ein Versuch, den in der Rushdie-Affäre gewonnenen Boden zu verteidigen und zu vergrößern.

Wer aber die Wahrnehmung der Menschen verändern will, ist schlecht berufen, mit Verboten, Tabus und Sprachregelungen zu arbeiten. Besser wäre es, der Öffentlichkeit ein anderes Image des Islam zu präsentieren. Allerdings darf das nicht bloß eine Art beschönigende Gegenpropaganda sein. Es muß ein authentisches Gegenbild sein, dass die problematischen Dinge nicht ausblendet und von echter Auseinandersetzung mit ihnen zeugt. Dazu später.
Nachdem ich jetzt so viel Zeit damit verbracht habe, den Begriff, auf dem mein Vortrag fußt, kaputtzumachen, muß ich endlich zum zweiten Teil meiner Überschrift kommen: die Rolle der Medien.

Im letzten Jahr habe ich an vier Debatten zu diesem Thema teilgenommen: in Berlin, 2xFrankfurt und München. Jedesmal saß ich gewissermassen stellvertretend auf der Anklagebank für meine Zunft. Die Unterstellung war: Es gibt immer mehr Islamophobie. Sie (die Medien) sind schuld daran. Was, werter Herr Lau, gedenken Sie also zu ändern? Was ist der „Beitrag“, wurde ich einmal gefragt, den die Medien zum gesellschaftlichen Frieden leisten können?
Ein bißchen trotzig – aber auch aus tiefster Überzeugung – habe ich dazu gesagt: Nichts. Keinen Beitrag. Dafür sind wir nicht zuständig. Ich verbitte mir solche Fragen. Stellen Sie sich einfach vor, unserem Wirtschaftskorrespondenten würde vom Bund der deutschen Industrie vorgehalten, in Deutschland werde das Klima immer wirtschaftsfeindlicher. Immer mehr Geschichten über Korruption bei Siemens und VW, immer mehr Kommentare über Managergehälter, viel zu viel Verständnis für Gewerkschaftsforderungen. Was können wir tun, was können die Medien tun, damit das Klima in Deutschland wieder wirtschaftsfreundlicher wird? Das wäre ein Skandal.
Oder stellen Sie sich vor, der Vorsitzende einer Partei würde sich beschweren, wir würden nur Negativberichte über ihn und seine Truppe bringen. (Ach, es gibt diesen Fall in der Wirklichkeit: Denken Sie an Kurt Beck und die SPD und ihr unglückliches Verhältnis zur „Berliner Hauptstadtpresse“.) Was kann die Presse tun, um das Klima wieder freundlicher für die Sozialdemokratie zu gestalten? Absurd! Werden Sie zu Recht sagen.
Oder nehmen Sie die Chinesen – sie wünschen sich eine andere Tibet-Berichterstattuntg. Wir sollen die Probleme mit diesen paar Mönchlein nicht so hoch spielen, hören wir da. Wir sollen die Tugenden des chinesischen Wirtschaftswunders mehr in den Vordergrund stellen. Wir sollen die Bedeutung Chinas für den Weltfrieden und die Weltökonomie im Blick behalten und nicht so sehr auf einzelnen Menschenrechtsverletzungen herumreiten. Eine Presse, die sich darauf einließe, wäre erledigt.
Warum findet niemand etwas dabei, im Bezug auf den Islam mit den gleichen absurden Zumutungen zu kommen?

Und hier muss meine eigene Erfahrung ins Spiel kommen. Ich habe in den letzten 2 Jahren ein Blog gefuehrt, in dem ich mich im Wesentlichen mit den Themen Islam in Europa, Integration, islamische Reform, interreligioeser Dialog und so weiter beschaeftigt habe. Die wichtigste Kategorie in diesem Blog heisst: Die Freunde und die Feinde des Islam.
Alles hat damit angefangen, dass ein iranischer Freund – der Philosoph Ramin Jahanbegloo – in Teheran verhaftet wurde. Ich wollte täglich ueber seinen Fall berichten, und da schien mir das Internet das richtige Medium. Um Ihnen eine Idee von der Weite des Themenfeldes zu geben: Ich habe über den Dialog des Papstes mit den zunächst 38, dann 138 islamischen Gelehrten geschrieben. Ich habe über eine britische Debatte zur Zulässigkeit des “Burkini” beim Schulsport geschrieben. Die Islamkonferenz, die neueren Repressionen in Iran gegen “unislamische Kleidung”, ein neues Magazin für muslimische Maedchen, die Verhaftung eines Bloggers in Kairo, der Aufstand muslimischer Gelehrter in Nordwestpakistan gegen eine Pflicht zum Barttragen – all dies war Thema bei mir im Blog.
Im 2 Jahren habe ich 660 Posts geschrieben, es wurden ueber 30.000 Kommentare hinterlassen. Ich nähere mich der halben Million bei den Besuchern.
Und doch habe ich vor 2 Wochen fürs erste aufgehoert. Ich hatte keine Lust mehr, und daran waren vor allem die Reaktionen einiger besonders meinungsstarker Kommentatoren Schuld. Es hatte sich ein festes Ritual eingespielt, in dem einige so genannte “Islamkritiker” entweder mir oder anderen Kommentatoren vorwarfen, wir seien naiv im Bezug auf die Reformfaehigkeit des Islams. Wir wurden dargestellt als nützliche Idioten einer schleichenden Islamisierung Europas und unserer Gesellschaft. Ich habe mich bemüht, hoeflich aber entschieden dagegen zu halten, doch die Debatte began sich irgendwann im Kreis zu drehen. Wenn man auch nur darauf verwies, dass es selbstkritische Stimmen aus der islamischen Community gibt, dass es Theologen mit abweichender Meinung zu Frauenrechten, Menschenrechten, zum Wirkungsbereich der Scharia gibt, dann wurde man gescholten, man wolle nur vom “wirklichen Islam” ablenken, in dem es nun einmal keine Reform geben könne. Von anderer Seite wurde ich angegriffen, weil ich diesen so genannten “Islamkritikern” nicht auf meiner Website den Mund verbieten wollte. Ich fand es aber wichtig, dass es ein Forum gab, auf dem sich fromme Muslime (auch einige Konvertiten), interessierte Laien und Islamkritiker argumentativ auseinandersetzen mussten. Ich betrachtete mich als Moderator, der jeweils von den besten (und den schlechtesten) Argumenten lernen konnte.

Da verteidigte ein säkularer tuerkischer Intellektueller die Hamas, in der er eine legitime Freiheitskämpfer-Armee sieht. Er sah sich dafür (auch von mir) angegriffen, er rede die völkermörderischen Passagen in der Hamas-Charta schön. Ein ostdeutscher Konvertit verteidigte einen konservativen Islam gegen meine Versuche, liberalen Auslegungen ein Forum zu geben. Ein Atheist versuchte zu zeigen, dass alle Religionen schädlich seien, und der Islam gewissermassen nur der Inbegriff des monotheistischen Irrsinns. Eine katholische Debattantin begründete immer wieder, dass die einzig sinnvolle Reform des Islam in der Konversion aller Muslime bestehen muesse. Ein iranischer Arzt aus Süddeutschland unterstützte meine Kritik des Teheraner Regimes und wandte sich zugleich gegen die Dämonisierung des Islams per se.
Das alles war sehr interessant und oft temperamentvoll vorgetragen. Aber am Ende frustrierte mich die Unlust der haeufigsten Kommentatoren, irgendetwas dazulernen zu wollen.
Also habe ich mit diesen Worten das Blog geschlossen:
„Das Thema Islam/Integration/Migration läßt sich einfach nicht mehr verhandeln, ohne zu den immer gleichen Abschweifungen über die muslimische Gefahr, den allzu weichen Westen, die Illusionen des Mulitkulturalismus (dem ich nie gehuldigt habe) etc. anzuregen.
Ich habe keine Lust, die Kommentare abzuschalten.
Ich habe immer weniger Lust, auf die Kommentare der meisten hier zu antworten.
Ich gebe mich vorerst geschlagen und bitte eventuelle unbekannte Mitleser um Nachsicht.“

Jetzt mache ich doch wieder weiter, weil ich es falsch finde, die Web-Öffentlichkeit nur Islamisten und Anti-Islam-Paranoikern zu überlassen. Ich danke allen, die mich darin mit freudlichen Mails oder direktem Zuspruch bestätigt haben.