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Das Ende des Interventionismus

Ich fürchte, John Gray (Professor an der London School of Economics) hat recht, wenn er die geplanten amerikanischen Waffenverkäufe an die „moderaten“ arabischen Regime so kommentiert:

The era of liberal interventionism in international affairs is over.

Die USA haben die Demokratisierung des Nahen Ostens aufgegeben und kehren zu eben jenem „Realismus“ zurück, den sie zuvor für überholt erklärt haben.

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John Gray Foto: LSE

Gray begrüßt dies ausdrücklich und zieht eine Schreckensbilanz des Irak-Abenteuers:
Der Staat Irak ist Geschichte, was nur noch im Weissen Haus und der Phantasiewelt der Grünen Zone Bagdads geleugnet werde.
Die USA können aus dem Irak nicht einfach verschwinden wie aus Vietnam, weil Irak nicht an der Peripherie der Weltökonomie liegt und weil es keine funktionierende Regierung wie seinerzeit in Nordvietnam gibt, die übernehmen könnte. Sie bleiben gebunden in den Krieg um die Ressourcen und um die damit verbundene strategische Bedeutung des Landes und seiner Nachbarn.
Dies hier ist der finsterste Teil seiner Bilanz:

„The most important – as well as most often neglected – feature of the conflict shaping up around Iraq is that the US no longer has the ability to mould events. Whatever it does, there will be decades of bloodshed in the region. Another large blunder – such as bombing Iran, as Dick Cheney seems to want, or launching military operations against Pakistan, as some in Washington appear to propose – would make matters even worse.

The chaos that has engulfed Iraq is only the start of a longer and larger upheaval, but it would be useful if we learned a few lessons from it. There is a stupefying cliche which says regime change went wrong because there was not enough thought about what to do after the invasion. The truth is that if there had been sufficient forethought the invasion would not have been launched. After the overthrow of Saddam – a secular despot in a European tradition that includes Lenin and Stalin – there was never any prospect of imposing a western type of government. Grotesque errors were made such as the disbanding of the Iraqi army, but they only accelerated a process of fragmentation that would have happened anyway. Forcible democratisation undid not only the regime but also the state.

Liberal interventionists who supported regime change as part of a global crusade for human rights overlooked the fact that the result of toppling tyranny in divided countries is usually civil war and ethnic cleansing. Equally they failed to perceive the rapidly dwindling leverage on events of the western powers that led the crusade. If anyone stands to gain long term it is Russia and China, which have stood patiently aside and now watch the upheaval with quiet satisfaction. Neoconservatives spurned stability in international relations and preached the virtues of creative destruction. Liberal internationalists declared history had entered a new stage in which pre-emptive war would be used to construct a new world order where democracy and peace thrived. The result of these delusions is what we see today: a world of rising authoritarian regimes and collapsed states no one knows how to govern.“

 

Muslime, lernt von den Juden: Selbsthass (in Maßen) ist eine gesunde Sache

Sehr guter Punkt von Bradley Burston in Haaretz:

Self-hate, after all, has been a staple of Jewish life since Jewish life began. Moses had to face the Children of Israel’s dissent, discomfort, discontent and distaste, much more often than he would have liked (witness Korach, Datan and Aviram, Numbers 16:1-33 or the episode of the golden calf, Exodus 32: 1-35).

It may be argued that an element of self-hate could benefit the contemporary Muslim world no less.

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Bradley Burston. Foto: Varda Spiegel

The sense of moral superiority and ultimate entitlement is strong within Islam as well. This has proven no healthier for Muslims than it has for Jews. It has reached its most extreme form in jihadism, and an explicit goal of eventual domination of all areas once ruled by Muslims. But in making war on the West, Al-Qaida has effectively touched off a war against Islam. For quite some time, the vast majority of victims of worldwide Islamic terror have been Muslims.

Recently, perhaps as a result, there are signs that Muslims in growing numbers are questioning the sheikhs, mullahs and ayatollahs who preach Muslim superiority and Islamic entitlement. The same Internet and satellite television that drove jihadist terror forward are serving as platforms for Muslims who question, critique and counter the extremists.

May we, Muslim and Jew, have the wisdom to address our own failings with the vigor with which we attack each others‘.

Let’s hear it for healthy self-hate. It may just be what the world needs now.

 

Warum die USA in Wahrheit in den Irak einmarschiert sind

In Kairo ist am Wochenende die zweite Miss Arab World gekürt worden. Siegerin wurde Waafa Yaqoop aus Bahrain, weiter unten sieht man die ungerechter Weise abgeschlagenen Mitbewerberinnen.

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Die Palästinenserin Merna Kattan trägt kein Kopftuch, im Gegensatz zur Kuwaiterin Fatma Ghadban.

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Ebenso die Irakerin Mayada Hussein (links), im Gegensatz zur Marokkanerin Sarah Banani

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Was das nun wieder zu bedeuten haben mag? Aber ich habe noch keine Lust auf die nächste Kopftuchdebatte.

 

Ägyptischer Großmufti: Ein Moslem darf den Glauben wechseln

Der ägyptische Großmufti Ali Gomaa, der hier bereits mehrmals Thema war, hat erneut einen Aufruhr in arabischen Medien ausgelöst.

Diesmal geht es um einen Kern des Streits mit dem Islam: um die Religionsfreiheit.

Für die lesenswerte Serie „Muslims speak out“ von Newsweek und Washington Post verfasste er einen Text über die Bedeutung des Dschihad. Darin gibt es eine längere Passage über die Freiheit, in der es am Ende um Apostasie im Islam geht.

Der Mufti vertritt die Auffassung, dass der Abfall vom Glauben im Islam zwar eine Sünde sei, für die es aber im Prinzip „keine weltliche Strafe“ geben dürfe. Es sei vielmehr eine Sache zwischen dem Menschen und Gott, über die am Tag des Jüngsten Gerichts entschieden werde.

Nur wenn der Abfall vom Glauben zugleich mit einer Subversion der öffentlichen Ordnung verbunden sei, betreffe er die weltliche Gerichtsbarkeit.
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Scheich Ali Gomaa

Hier das Kernzitat aus dem in der Washington Post veröffentlichten Text:

But from a religious perspective, the act of abandoning one’s religion is a sin punishable by God on the Day of Judgment. If the case in question is one of merely rejecting faith, then there is no worldly punishment. If, however, the crime of undermining the foundations of the society is added to the sin of apostasy, then the case must be referred to a judicial system whose role is to protect the integrity of the society. Otherwise, the matter is left until the Day of Judgment, and it is not to be dealt with in the life of this world. It is an issue of conscience, and it is between the individual and God. In the life of this world, “There is no compulsion in religion,” in the life of this world, “Unto you your religion and unto me my religion,” and in the life of this world, “He who wills believes and he who wills disbelieves,” while bearing in mind that God will punish this sin on the Day of Judgment, unless it is combined with an attempt to undermine the stability of the society, in which case it is the society that holds them to account, not Islam.

Das klingt schon fast wie eine weitgehende Annäherung an das, was liberale Säkularisten gerne von einem führenden Vertreter der islamischen Geitslichkeit hören wollen.
(Wenn man einmal gnädig ausser Acht lässt, dass er dem ägyptischen Regime eine Tür offenhält für die religiöse Legitimation der Repression der Meinungsfreiheit. Mubaraks Gerichte vermischen nämlich nur allzu gerne die Dinge und setzen Apostasie und Subversion gleich – notorisch zuletzt im Fall des Bloggers Kareem Amer, der wegen Beleidigung des Islam und des Präsidenten 4 Jahre Haft bekam.)

Der Text des Muftis wurde denn auch sofort von ägyptischen Zeitungen aufgegriffen. Die christlich-koptische Minderheit begrüßte die liberale Auslegung Gomaas, die Muslimbruderschaft attackierte ihn, Jussuf Al-Karadawis Islam Online publizierte eine gestrenge Gegenmeinung.

Der Mufti versuchte zu dementieren, doch der Text war für alle im Internet lesbar und wurde auch (in der Tageszeitung Almasry AlYoum) ins Arabische übersetzt. Ali Gomaa gab sich alle Mühe die liberale Lesart seines Textes selbst zu verschleiern.

Aber er hat das Thema der Religionsfreiheit unmissverständlich auf den Tisch gebracht.
In Zeiten des Internets gibt es kein Doppelsprech mehr. Es ist nicht mehr möglich, ein doppeltes Spiel zu spielen – im Westen als Liberaler aufzutreten und zuhause die offizielle Linie zu vertreten. Eine ungeteilte Weltöffentlichkeit ist im Entstehen. Der Scheich muss sich entscheiden: Gilt die Religionsfreiheit oder nicht?

Scheich Gomaa ist verantwortlich für Dar Al-Ifta, Ägyptens oberste Fatwa-Autorität, die jährlich tausende religiöse Gutachten veröffentlicht.

Gomaa hat zuletzt grosses Aufsehen durch seine Hymen-Fatwa erregt, in der er feststellte, Frauen dürften vorehelichen Sex durch eine Rekonstruktion des Jungfernhäutchens vor ihren prospektiven Ehemännern verheimlichen. Frauen stünden auch gleiche politische Rechte wie Männern zu, heißt es in einer seiner früheren Fatwas, bis hin zu dem Recht, einen Staat als gewählte Repräsentantin zu lenken.

 

Scheitert der Integrationsgipfel?

Berlin
Vor einem Jahr wollten alle mit aufs Foto: Die Bundeskanzlerin hatte zum ersten In­te­gra­tions­gip­fel ins Kanzleramt geladen. Ein anderes, bunteres Deutschland präsentierte sich da. An diesem Donnerstag tagt der zweite Gipfel, bei dem das Ergebnis eines Jahres voller Diskussionen präsentiert wird – der erste Nationale Integrationsplan der Bundesrepublik, gemeinsam erarbeitet von Bund, Ländern, Kommunen und Migranten.
Doch diesmal drängen sich die Sprecher der größten Einwanderergruppe – der Türken – nicht mit Angela Merkel aufs Bild. Die säkulare Türkische Gemeinde (TGD) und der Moscheeverband Ditib haben die alte Kampfrhetorik wieder ausgepackt und beklagen »Ausgrenzung« und »Diskriminierung«. Sie drohen der Kanzlerin mit Boykott, und sie appellieren an den Bundespräsidenten: Köhler soll das neue Zuwanderungsgesetz nicht unterschreiben, das soeben den Bundesrat passiert hat. Wenn die Regierung sich nicht bereit zeige, die Verschärfungen beim Ehegattennachzug, bei den Integrationskursen und beim Staatsangehörigkeitsrecht zurückzunehmen, werde man nicht mehr am Gipfel teilnehmen.
Wer glaubt, am Ende eines langjährigen Gesetzgebungsverfahrens mit intensiver öffentlicher Debatte würde der Präsident oder die Kanzlerin eine demokratische Mehrheitsentscheidung revidieren, weil eine Minderheit sich übergangen fühlt, hat wohl noch zu lernen, wie die Dinge hierzulande laufen. Auf eine Einladung der Kanzlerin mit einem Erpressungsversuch zu reagieren ist aber vor allem eines: ziemlich ungeschickt.
Nicht nur, weil Angela Merkel schon ein ganzes Jagdzimmer voll mit ausgestopften Ministerpräsidenten hat, die das Gleiche versucht haben. Es macht sich einfach nicht gut, wenn eine Gruppe, der man seit Jahren Integrationsdefizite vorhält, mit weiterer Integrationsverweigerung droht. Das unausgesprochene Ultimatum der türkischen Verbände an die Bundesregierung lautet: Nur wenn ihr die Regulierung der Zuwanderung zurücknehmt, machen wir bei der Integration mit. Beim Publikum kommt das so an: Die Möglichkeit, weiter 16-jährige Bräute ohne Deutschkenntnisse hierher zu holen, interessiert uns mehr als euer Dialog. Wer solche Sprecher hat, braucht keine Feinde mehr.
Steht der Gipfel – und damit der ganze Ansatz eines neuen deutschen Modells der Integrationspolitik vor dem Scheitern? Keineswegs. Im Gegenteil, die türkischen Verbände haben mit ihrer Krawallaktion unfreiwillig den Beweis dafür geliefert, dass der Gipfelprozess schon wirkt. Er ist keine harmlose Symbolpolitik, wie Kritiker glauben. Der Gipfel hat die abgegriffenen Konsensvokabeln »Integration« und »Dialog« entharmlost. Es geht um den Kern des Integrationsproblems – die Frage, wie Deutschland sich zu den Migranten und die Migranten sich zu Deutschland stellen.
Die riskante Wette, die die Bundesregierung mit ihrer neuen Politik eingegangen ist, lautet: durch wechselseitige Lebenslügen-Abrüstung zu einem neuen Wir. Wir Alteingesessenen hören auf zu leugnen, dass dieses Land ein Einwanderungsland ist, und ihr Neuen begreift euch als selbstverantwortliche Bürger, die etwas beizutragen haben.
Die türkischen Verbände sind damit offenbar überfordert. Auf die Einladung, Partner auf Augenhöhe zu werden, reagieren sie mit panischer Flucht in die Opferrolle. Ihre Kritik am Zuwanderungsgesetz dekonstruiert sich von selbst. Sie behaupten, Sprachkenntnisse wichtig zu nehmen, prangern aber verpflichtende Deutschkurse für türkische Bräute im Herkunftsland als unzumutbare »Hürde« an. Sie sprechen sich gegen Zwangsehen aus, sehen aber die Erhöhung des Zuzugsalters von 16 auf 18 als Beleidigung des Türkentums. Die türkische Feministin Seyran Ateş nennt dies »Kulturchauvinismus«: Die Wahrung der türkischen Identität sei wichtiger als Integrationserfolg und Frauenrechte.
Die Bundesregierung tut gut daran, ihre Wut über die türkische Rückschrittlichkeit herunterzuschlucken und einfach weiterzumachen, zur Not auch ohne Ditib und TGD. Die Kritik an diesen Verbänden wird auch in Migrantenkreisen immer lauter. Die Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer etwa ignoriert den Boykott und kommt zum Gipfel. Und der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Ayman Mazyek, äußert zwar Verständnis für die Kritik am Zuwanderungsgesetz, findet aber, sie »sollte beim Gipfel selbst zur Sprache kommen«.
Der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer (CDU), die beim Nationalen Integrationsplan die Feder führt, haben die türkischen Boykotteure auf den zweiten Blick einen Gefallen getan. Ihr Gipfel stand im Verdacht, eine unverbindliche Wohlfühlveranstaltung zu sein – im Schatten der interessanteren Islamkonferenz Wolfgang Schäubles, der gern beide Register spielt, den sanften Identitätsmodernisierer wie den sicherheitspolitischen Doktor Eisenbart.
Das war ungerecht, wie sich jetzt zeigt. Böhmer hat auf ihre freundlich-verbindliche Weise die Funktion der Integrationsbeauftragten verändert. Sie verstehe sich nicht wie ihre Vorgänger als »Anwältin der Mi­gran­ten«, wird ihr nun von Lobbygruppen vorgeworfen. Dabei ist das eine gute Nachricht. Die Idee, Migranten brauchten eine Anwältin im Kanzleramt ist Teil des falschen Denkens, das endlich durchbrochen wird. Die Kehrseite des alten Schemas war, dass der Innenminister die Anregungen der Anwältin genervt in der Gedöns-Ablage versenkte. Damit ist Schluss. Zuwanderer sind, auch wenn ihre Sprecher versäumen, dies he­raus­zu­stel­len, oft mutige, risikofreudige Menschen. Sie brauchen keine Bemutterung, sondern müssen angesprochen werden als fürs eigene Leben Verantwortliche. In­te­gra­tion ist für Maria Böhmer nichts, was der deutsche Staat mit den Zuwanderern und ihren Nachkommen macht. Sie müssen es zu allererst selbst wollen. Die deutsche Gesellschaft muss dafür Chancengleichheit bieten.
Böhmers Nationaler Integrationsplan setzt vor allem auf Selbstverpflichtung. Erstmals hat sich eine ganz große Koalition in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik auf einen Maßnahmenkatalog geeinigt. Die ausländische Wirtschaft will 10 000 Ausbildungsplätze schaffen. Auch ARD, ZDF und die Privaten werden junge Migranten zum Zug kommen lassen. Der Bund wird vermehrt Zuwanderer in seiner Verwaltung beschäftigen. Die deutsche Industrie bekennt sich zur ethnischen Vielfalt als Einstellungskriterium. Die türkischen Eltern- und Lehrervereine starten eine Bildungsoffensive, um Eltern an die Schulen heranzuführen. Die Länder werden die frühkindliche Bildung von Migranten verbessern und flächendeckend frühe Deutschtests einführen. Die Sportverbände werden Zuwanderer vermehrt als Trainer ausbilden. Der Bund wird die Länge der Integrationskurse von 600 auf 900 Stunden aufstocken und ausdifferenzieren, mit Kinderbetreuung und Frauenkursen.
Sind die Selbstverpflichtungen nur wohlfeile Versprechungen, wie manche Kritiker sagen? Dafür lastet zu viel Druck auf dem Thema. Die Große Koalition kann sich ein Scheitern ihres ehrgeizigsten gesellschaftspolitischen Projekts nicht leisten. Über den Machtspielchen der vergangenen Woche sollte man nicht vergessen, warum der Integrationsgipfel in Angriff genommen wurde: Die Regierung war kaum im Amt, da brannten die Banlieues in Frankreich, es krachte auch in der Rütli- und der Hoover-Schule in Berlin. Die homegrown terrorists in England wurden von der Großen Koalition als Menetekel gesehen.
Der Integrationsgipfel war die richtige Reak­tion auf diese Schockwelle. Mit dem Bund ist ein neuer Spieler in der Integra­tionspolitik aufgetaucht, der auch dort viel bewegen kann, wo er nicht zuständig ist: Er bringt die Beteiligten in Zugzwang. Die Länder müssen nun zeigen, wer die besten Konzepte in der Bildungspolitik hat. Die Kommunen wetteifern um kreative Ideen gegen Ghettobildung und Jugendgewalt. Und die Mi­gran­ten stehen, überfordert und geschmeichelt zugleich, vor der guten alten Kennedy-Frage, was sie für ihr Land tun können.
Der Streit geht weiter, die Integration kommt voran.

p.s. Heute in den türkischen Zeitungen:
Der Boykottaufruf vier großer türkischer Verbände gegen den Integrationsgipfel ist heute erneut Top-Thema unter den in Deutschland erscheinenden türkischen Zeitungen. „Türkisches Ultimatum an Merkel“, heißt der Aufmacher der HÜRRIYET, der in der Unterzeile „den ehrenhaften Widerstand in Deutschland lebender Türken“ lobt. Ähnlich drastisch die angeblich liberale MILLIYET, die in ihrem Aufmacher „Berlin in Schutt und Asche“ sieht, weil das Ultimatum „in Berlin wie eine Bombe eingeschlagen“ habe. Etwas unaufgeregter die übrigen Zeitungen: „Ermahnung an Merkel vor dem Gipfel“, titelt die ZAMAN, einen „Aufruf an Merkel“ erkennt die TÜRKIYE und die SABAH wieder etwas schärfer „die letzte Warnung“.
Schutt und Asche? Was denken sich die lieben türkischen Kollegen eigentlich? Glauben die, das kriegt ja eh kein Deutscher mit? Kann der Presserat da mal was machen?

 

Ferien

Verehrte Mitblogger!

Ich will schon einmal ankündigen, dass es ab Freitag hier eher ruhig zugehen wird. Am 28. 7. bin ich wieder im Lande.

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Vielen Dank allen, die hier so leidenschaftlich und kenntnisreich mitdebattiert haben. In weniger als einem Jahr sind zu meinen 320 Beiträgen 6560 Kommentare abgegeben worden, teilweise ganze Essays. Cool!

Ich habe dabei viel gelernt und hoffe, das auch bald weiterhin tun zu können.

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Allen gute Erholung und bis bald!

Jörg Lau

 

Das letzte Interview mit dem Scheich der Roten Moschee

Die panarabische Tageszeitung Asharq Alawsat veröffentlicht ein letztes Interview mit Maulana Abdulaziz, dem Anführer der Roten Moschee in Islamabad. Es wurde geführt kurz bevor Abdulaziz erfolglos versuchte, die Moschee unter einer Burka zu verlassen. Er wurde von pakistanischen Sicherhieitskräften verhaftet. Sein Bruder blieb mit den restlichen Studenten in der Moschee zurück. In der Nacht auf heute hat die pakistanische Armee mit der Erstürmung der Moschee begonnen.
Auszüge:

(Asharq Al-Awsat) Many believe that your actions are similar to those of the Taliban in Afghanistan?

(Abdulaziz) As a matter of fact, our movement is led by the youths of the country. Similar activities are taking place in other parts of the Muslim world. In Indonesia, for instance, the youths have imposed implementation of the Islamic Shariaa on 53 provinces, where they have banned music and dancing. This is why the world is saying that this movement is similar to Taliban.

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Maulana Abdulaziz

(Asharq Al-Awsat) Do you have relations with Taliban?

(Abdulaziz) We love the Taliban; it launched its movement to achieve a noble goal and brought about peace and harmony to Afghan society.

(Asharq Al-Awsat) Do you have any relations with Al-Qaeda?

(Abdulaziz) We are not in contact with Al-Qaeda, but it is an organization that is propagating the message of jihad, and it is a positive thing to have links to Jihad.

(Asharq Al-Awsat) What in your view are the reasons for the government’s failure to take any measures against you? There is an impression that you enjoy the support of a wing within the ruling group, including intelligences agencies?

(Abdulaziz) We receive no support from anyone, but many members of the police force and administration tell us that our activities are sound. When we launched our movement against the demolition of mosques in Islamabad, a great many policemen contacted us to convey their support. We also receive secret messages of support from others. Given this situation, the government feels concerned. It is not prepared to take any measures against us because many officials threatened to resign. No one is using us. We have examples from history, for instance, Moses first appeared in the land of the pharaohs. So I believe that God employs religious science students for a good purpose.

(Asharq Al-Awsat) You do not deny relations linking you to major figures in the government?

(Abdulaziz) We have no relationships with influential figures in the government. But the relatives of some of our students are themselves influential figures in the government, and they conveyed messages saying that our activities are good.

(Asharq Al-Awsat) Where do most of your students come from?

(Abdulaziz) More than 70 percent of our students come from the tribal areas and from the northwestern province where we have wide support. The people there say that they will launch a military campaign if the [religious] schools come under attack by the government.

(Asharq Al-Awsat) Is there a possibility for some sort of dialogue with the government?

(Abdulaziz) We are ready for dialogue with the government but are not prepared to recant[our beliefs]. We are ready to enter a dialogue with the government on ways of implementing the Islamic Shariaa and to discuss procedures for the application of Shariaa. However, if the government wants to use the dialogue to change our position, there will be no dialogue.

(Asharq Al-Awsat) Is it true that you do not allow anyone to take your photo?

(Abdulaziz) Taking photos is not allowed in Islam, so I do not allow anyone to take a photo of me.

(Asharq Al-Awsat) Are you going to launch a campaign against photography too?

(Abdulaziz) We will discuss this issue when we fully implement the Islamic Shariaa in the country. For the time being, we focus on issues that are deemed to be clear sins and are definitely proscribed in Islam.

(Asharq Al-Awsat) How would you react should the police act against you? You recently said that you would retaliate with suicidal attacks?

(Abdulaziz) I advised our students against using violence for fear that the police may launch an operation against the school and use clubs against the students. However, if violence is used against us, we will consider carrying out suicidal attacks.

Komplettes Interview hier.

 

Wie Amerika China, Deutschland, Japan und Grossbritannien schluckt

Diese Karte zeigt, wie die nächstgrößten Volkswirtschaften nach den USA in die Karte der USA passen würden, ihrem Bruttoinlandsprodukt entsprechend.

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China’s GDP equals that of California, Oregon, Washington State and Nevada – oh, and Alaska and Hawaii
• The UK’s GDP compares to that of New York State, New Jersey, Pennsylvania, Delaware, Maryland and (apparently) Washington DC
• Good ol’ Deutschland’s GDP is as big as that of Florida, Georgia, Alabama, Mississippi, Louisiana, Arkansas, Tennessee, Kentucky, North Carolina, South Carolina, Virginia and West Virginia.
• Japan gobbles up all the remaining states, being all of New England, the Midwest and the West (minus the ‘Chinese’ coastal states and Nevada)

Dank an Strange Maps.

 

Der florierende Terror-Markt im Irak

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Diese Tabelle widerlegt auf eindrucksvolle Weise den Versuch der amerikanischen Regierung (und auch mancher US-Medien), den Terrorismus im Irak im Wesentlichen Al-Kaida zuzuschreiben. Es zeigt sich vielmehr ein diversifizierter Markt der Terroranbieter, die miteinander um die Vorherrschaft im „Widerstand“ konkurrieren.

Die Tabelle beruht auf einer Auswertung der Bekennerschreiben nach Attentaten im März 2007. Die ISI (Islamic State of Iraq=Al-Kaida) wird von ihrer direkten sunnitischen Konkurrentin, der IAI (Islamische Armee des Irak), deutlich geschlagen. Selbst Ansar al-Sunnah – die sich nicht eindeutig zu oder gegen Al-Kaida stellt, reklamiert mehr Anschläge für sich als die internationalistischen Dschihadisten der Kaida.

Mit anderen Worten: Die mehr nationalistischen Terroristen haben im Irak die Oberhand über Al-Kaida, oder machen ihr jedenfalls den Rang streitig. (Die Kaida ist professioneller, furchterregender und spektakulärer als die homegrown terrorists des Irak.)

Warum fixiert die amerikanische Informationsstrategie sich aber so sehr auf die von Al-Kaida begangenen Taten? Erstens, um das Unternehmen Irak im Rahmen des Kirges gegen den internationalen Terrorismus zu rechtfertigen. Zweitens – das ist die lokale Zielrichtung – um dem „Widerstand“ in den Augen der irakischen Öffentlichkeit als Import zu diskreditieren.

Das Problem: Die Iraker sind nicht doof und durchschauen das Spiel. Und schlimmer noch: Man macht auf diese Weise ohne Absicht Propaganda für Al-Kaida, die viel wichtiger und machtvoller erscheint, als sie in Wahrheit ist.

Die gesamte Geschichte bei Abu Aaardvark.