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Grenzenlose Regionalität

Seit vielen Jahren ist mir Regionalität ein großes Anliegen. Es erfüllt mich mit Freude, wie sehr sich Menschen dafür interessieren, woher welches Lebensmittel kommt. Deutscher Wein gewinnt mehr und mehr Akzeptanz, SlowFood und die Arche des Geschmacks sind in einer arrivierten Gästeschicht mittlerweile feststehende Begriffe geworden. Wochenmärkte werden besucht und der Zwanziger, den man der fleißigen Bauersfrau in die schwieligen Hände drückt, macht ein richtig gutes Gewissen.
Und doch beschleicht mich, wenn es um das Thema „Regionalität“ geht, mittlerweile manch leiser Zweifel. Sowohl auf Hersteller-/Händlerseite wie auch bei Verbrauchern machen sich bedenkliche Haltungen breit, die recht durchsichtig und vordergründig sind. Und ich bin sicher, dass alleine die Absicht, mit der Regionalität gelebt wird, über den langfristigen Erfolg dieses Trends entscheiden wird.
Welchen Grund haben Verbraucher, regional einzukaufen? Ist es möglich, dass die edle Gesinnung gute Produkte zu kaufen manchmal nur dem Wunsch entspringt, sich in einer immer schneller drehenden Welt einen festen Punkt zu suchen? Wird, um die Legitimität eines zur Verwendung anstehenden Produktes zu messen, die Entfernungsangabe in km als Gradmesser der Korrektheit gebraucht? Leicht nachzumessen, beweisbar und irgendwie voll zeitgeistig? Sind es dieselben Menschen, die heute den Carbon Footprint eines Apfels diskutieren und morgen als Gemeinderat der Pflasterung ihres Marktplatzes mit chinesischem Granit zustimmen (ist billiger), übermorgen ein japanisches Auto bestellen (Logo, Testsieger in der ADAC Pannenstatistik)?
Wenn Verbraucher bei Lebensmitteln so großen Wert auf Treibstoffeinsparung beim Transport legen, wieso juckt es dann bei anderen Konsumgütern nicht? Bei den Klamotten aus wasweißichwoher? Den goldigen Schuhen für die Kleinen für 18 Euro das Paar? Wieviel Prozent der in einem Baumarkt gelisteten Güter stammen aus Produktion im Umkreis von 300 Kilometern? 300 Kilometer wären für einen Apfel übrigens schon wieder ganz schön weit. Ist Regionalität der neue Protektionismus derer, die es sich leisten können?

Große Discounter und Lebensmittel-Handelsketten, denen tatsächlich die Umwelt und auch die Region piepegal ist, halten Schilder mit „Regional“ in die Höhe. Manche lieben angeblich sogar Lebensmittel. Und zwar ausschließlich nur deswegen, weil sich damit Geld verdienen lässt. Marketingstrategen ballern eingängige Slogans und Budgets durch die Region und so mancher Trittbrettfahrer steigt auf den Zug, den andere mühevoll und mit viel Einsatz über Jahre angeschoben haben. Kassiert ab und veräppelt dabei die Kundschaft.
Es wäre wirklich schade, wenn „Regionalität“ zu einer Marketing- und Lifestyle-Worthülse verkommt. Ich kaufe sehr gerne, wo ich es für richtig halte, noch immer Ware von hier. Aber ich bin skeptischer geworden und schau manches Mal genauer hin.

 

Meeräsche – Delikatesse für Nischen-Fuzzies

Abseits der bekannten und ausgetretenen Gourmetpfade gibt es immer wieder die eine oder andere Überraschung, die nur entdeckt werden möchte. Die Meeräsche gehört für mich dazu. Sie ist für relativ kleines Geld zu haben (im Fischhandel pro Kilo unter 10 Euro netto) und die Nachfrage scheint nicht übermäßig hoch zu sein, obwohl – oder weil – der Fisch selbst in unseren Breitengraden heimisch ist. Vielleicht ist es wie mit dem Kabeljau, den ich in meiner Kindheit als Konsumfisch (so hieß das damals) kennengelernt habe und der heute die Speisenkarte feiner Restaurants ziert. Sein Preis ist mittlerweile im Verhältnis zu dem anderer Lebensmittel stark gestiegen, doch der Fisch ist ja immer noch derselbe.

Die Äsche ist weithin ein offenbar völlig bedeutungsloser Fisch, der wohl schnell übersehen wird.
Sie ist verwandt mit Makrele, Thunfisch, Hering und Sardine, hat auch denselben kräftigen, jodigen Geschmack wie diese Fische. Ihr Fleisch hat, obwohl eine Lamellenstruktur erkennbar ist, eine Art faserige Längsausrichtung, fast so wie das Muskelfleisch von Schlachttieren. Saftig, etwas ölig und hoch aromatisch bringt mich dieser Fisch jedes Mal zur Verzückung, wenn ich ihn zubereite.

Die schönste Methode ist die Garung am Stück, in einer Salzkruste:
1,5 kg Meeräsche
3 kg grobes Meersalz, auch ungereinigt
3 Eiweiß
½ Tasse Mehl

Den Fisch ausnehmen, auswaschen und auf Höhe der Rückenflosse ein hitzebeständiges Thermometer oder, falls vorhanden, den Kerntemperaturmesser des Ofens einstechen. Der erste Zentimeter des Thermometers enthält das Bimetall. Also diesen Zentimeter an die Stelle schieben, an der das Äschen-Filet am dicksten ist. Die Bauchhöhle mit Kräutern und Limetten oder Zitronen füllen. Liebhaber kräftiger Aromen verwenden Fenchel, Rosmarin oder Lavendel. Alle anderen Petersilie und Dill. Was auch geht, ist Bergamotte, Orange und/oder Knoblauch.

Das grobe Meersalz mit Mehl und Eiweiß mischen, die Meeräsche dann mit dem Salzteig ringsum einpacken. Dazu den Fisch auf ein Backblech legen und den Salzteig darübergeben, leicht andrücken.
Bei ca. 200°C in den Ofen schieben.
Die Beheizungsart ist nicht maßgeblich, da das Salz die Hitze in Strahlungswärme transformieren wird und somit den Fisch unnachahmlich schonend garen wird.
Fertig und gar ist er, wenn das Thermometer 60°C anzeigt, dann kann er aus dem Ofen genommen werden. Wer die Äsche gerne ein bisserl glasig hat, nimmt sie schon bei 50°C raus. Bis der Teig aufgeschlagen ist, wird die Temperatur im Inneren noch mal um ca. 10°C steigen und ist dann auf der richtigen Zieltemperatur von 60°C bzw. 70°C.
Salzteig öffnen: Mit einem Hämmerchen oder dem Knauf eines Messers auf den Teig schlagen, bis er springt. Dann kann man die Salzhülle problemlos entfernen. Die Haut des Fisches mit einer Pinzette abziehen. Falls keine Pinzette zur Hand ist, nehmen Sie halt einfach die Finger.
Egal wie, Hauptsache ist: Das Salz muss weg und die Fischhaut zurückgeschlagen werden, um das unnachahmlich saftig wohlschmeckende Filet freizugeben. Mit einem Löffel allein schon kann man das Meeräschenfilet von den Gräten schieben, zurück bleibt das markant-knochige Grätengerüst.

Die kräftige Äsche verträgt sich gut mit einem ordentlichen Schuss Olivenöl und ein paar Kartoffeln oder auch gutem Brot. Wer kein Date mehr hat oder gleich dafür sorgt, dass der oder die Liebste mit isst, kann eine kanarische Mojo dazu machen. Caramba!

Nota bene:
Ich kaufe, wenn verfügbar, die schwarze Meeräsche.
Und: Natürlich funktioniert diese Zubereitungsart auch mit allen anderen Fischen.

 

Zusammenhalt um jeden Preis

Für jeden anständigen Food-Fundi gibt es ein paar Themen, die ihn schon bei bloßer Erwähnung an die Decke bringen. Transglutaminase ist so ein absolutes No Go. Man kann mit ihr eiweißhaltige Lebensmittel verkleben, um vorzutäuschen, dass ein Schinken ein Schinken sei, obwohl es sich lediglich um minderwertige Abschnitte handelt. Davon stehen dann die Zeitungen voll und alle Verbraucher fühlen sich böse getäuscht (wieder mal). Haben sie doch tatsächlich geglaubt, für 3,99 Euro das Kilo richtig anständigen Hinterschinken von glücklichen Schweinen gekauft zu haben.

Was ich von Transglutaminase halten soll, weiß ich selbst noch nicht. Das Produkt ist frei verkäuflich, in der Lebensmittelindustrie wird es schon lange eingesetzt (auch bei Fisch- und Milchprodukten) und etliche, auch hochdekorierte Kollegen verwenden sie. Schaffen damit neuartige, innovative Gerichte. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass man diese Chemie im Essen nicht braucht, auch früher ohne sie ausgekommen ist.

Aber darf ich mir es so einfach machen? Auf die ewig Gestrigen hören, die alles verdammen, was es sonst auch nicht gab? Waren das die Gleichen, die bei der Erfindung der Eisenbahn den Untergang des Abendlandes befürchtet haben? Wegen des Luftzugs und der unweigerlichen Lungenentzündung? Die gleich einem Taliban sofort „Molekularküche!“ blöken, wenn sie irgendein harmloses Pülverchen sehen? Die aber bedenkenlos gepökelte Wurst und Laugenbrezeln verzehren.

Um mir eine fundierte Meinung zu bilden, hab ich mal einen Versuch gemacht, mit drei Lammbäuchen und Transglutaminase. Absichtlich mit Lammbäuchen, denn wenn ich drei Lammsättel (Müritz-Lamm) bestelle, kann ich mit den daran hängenden geschätzten 200g pro Bauch nichts Vernünftiges anfangen, bei dem der Aufwand im Verhältnis zum Ergebnis stünde. Bestenfalls als Abschnitt in die Soße könnten die taugen. Das aber nur, um nicht im Abfall zu landen.

Gesagt, getan: Wir haben die Bäuche mit Transglutaminase bestreut, zusammen mit Rosmarinzweigen, geschrotetem Pfeffer und Senfkörnern vakuumiert und dann 8 Stunden bei niedriger Temperatur gegart. In große Würfel geschnitten und gebraten. Das Ergebnis schmeckt sehr gut und ist saftig. Es ist besser als alles, was man aus dem Ausgangsprodukt hätte machen können, so fair muss ich beurteilen.

In der Bewertung bleibe ich dennoch offen, weil mir das Zeug trotzdem suspekt ist. Unter Köchen gibt es große Diskussionen, pro und contra Transglutaminase. Ich habe mich zwischen Zustimmung und Ablehnung noch nicht entschieden.

Infos zum Produkt gibt es auf den Herstellerseiten: http://www.ajinomoto.de/cms/front_content.php?idart=330

 

Schwarzwälder Grid Girls

Während der LeMans Series 2010 und bei den 24h vom Nürburgring 2010 hat die Villa Mittermeier im dritten Jahr mit der Traube Tonbach zusammengearbeitet und für Essen und Trinken gesorgt. Selbstverständlich mit angemessenem Service. Die Auszubildenden der Traube haben sehr, sehr fleißig und gut gearbeitet.
Dennoch kam der Spaß nicht zu kurz: Die Rennfahrer und Ingenieure haben sich beim vorherigen Rennen gewünscht, die jungen Damen mal nicht im sportlichen Look mit Cargohosen und Poloshirts zu sehen, sondern in der Original-Dienstkleidung der Traube. 
Dieses Outfit wird sich wohl an dieser Stelle im Rennsport in dieser Form nicht durchsetzen, aber so viel Gaudi und Aufsehen an der Strecke gab es wohl selten vor einem Start.

 

Nenn mich nicht lieblich!

Rebzeile nach der Lese

Im Weinberg der Tauberhasen ist nun alles gelesen, Ruhe und Frieden kehren ein. Das diesige Wetter, mit dem das schwierige Weinjahr 2010 zu Ende geht, das erste Gelb der Blätter und der Bussard, der über dem Taubertal auf der Suche nach Mäusen seine weitläufigen Runden dreht, erzeugen eine melancholische Stimmung.
Vor einer der Rebzeilen steht eine letzte aufgeblühte Rose, die trotz Regenwetter noch einmal in aller Schönheit aufsteht und alles gibt, bevor auch für sie dieses Jahr zu Ende geht. Die sich noch einmal aufbäumt in anrührender Eleganz, bevor sie zerfällt. Es scheint, als möchte der ganze Weinberg eine Erinnerung an die eigene Vergänglichkeit ausrufen.
Doch gibt es eine Frucht, die heimlich, still und leise noch an ihren Zweigen hängt: die Schlehe. Sie wird schnell übersehen und sie ist ein bisschen wie die Taubertäler selbst: Versteckt hinter Dornen, manchmal unscheinbar, zum falschen Zeitpunkt sauer und herb, doch eigentlich von unschätzbarem Wert und gut für Überraschungen.

Schlehen

Schlehen stecken, geerntet nach dem ersten Frost, voller Geschmack. Wer sich die Mühe macht, sie im späten Herbst zu pflücken und aus ihnen Marmelade, Gelee oder Chutney kocht, sie entsaftet oder zu einem Kompott verarbeitet, wird belohnt mit einem Lebensmittel, das in seiner Wertigkeit mit schwarzen Johannisbeeren mithalten kann. Fruchtige Noten, so wie Kirschen oder Pflaumen, sind deutlich unterlegt mit Bittermandel-Aromen. Schlehen schmecken herb und eigenwillig, pfeffrig, ursprünglich und ungezähmt. Sie werden von kräftigen Gewürzen oder Gewürzmischungen (gerne mit Zimt) zu ungeahnten Höhen getragen und bereichern das Portfolio wertvoller heimischer Lebensmittel. Rotkraut, um ein Beispiel zu geben, wird durch Zugabe von Schlehenragout zu einem Feiertagsessen.

Das Taubertal, seit Jahrzehnten als „lieblich“ vermarktet, ist an mancher Stelle eher herb. Zum Glück.

 

Einfache Wahrheiten sind schwierig

Es ehrt den Berufsstand des Koches ungemein, wenn mittlerweile die Messlatte für eingesetzte Produkte und Zubereitungsmethoden mit Kategorien aus Ökologie, Sozialethik und Philosophie belegt wird.
Authenzität, Bio, Nachhaltigkeit und Regionalität werden allerorten gefordert.

Manchmal wird mir das dennoch ein bisschen zu viel. Ich glaube, dass es mancher Zeitgenosse sich ein wenig einfach macht, wenn er vom Koch verlangt, was er vielleicht selbst zu Hause nicht leistet. Vielleicht noch mit dem Argument, dass er im Restaurant ja schließlich dafür bezahle.

Diejenigen, die gerne nach strengen Regeln leben (seien diese für sich oder für andere gemacht), dürfen sich über eines gewiss sein:
Oft genug wird bei Anwendung dieser selbstauferlegten Gesetze das Kind mitsamt dem Bade ausgeschüttet.
Es kann schon sein, dass die Flasche Wein von hier aus der Region den kürzeren Transportweg hat. Es ist sicher auch so, dass der Winzer ums Eck von diesem Umsatz lebt, damit sich und seine Familie ernähren kann. Aber wie sieht’s mit der Ökobilanz dieser einen Flasche aus?  60 davon in den Kofferraum des 500er gepackt, eine Stunde mit Vollgas über die Autobahn geheizt – wer kann zuverlässig die Rechnung aufmachen, ob der Rotwein aus Chile nicht vielleicht weniger Sprit pro Flasche auf dem Zähler hat?

Solche Beispiele gäbe es viele. Ökobilanz und Regionalität können in ihren Absichten kollidieren, Nachhaltigkeit und Bio ebenso. Das ist aber wurscht. Hauptsache es ist für die gute Sache, von der konkret aber auch kaum einer sagen kann, welche Ziele da genau verfolgt werden.

Der Eifer, mit dem da manche These verteidigt wird, hat was von moralin-saurem Sarrazin. Ein paar Fakten, ein paar Halbwahrheiten und der Ruf nach dem Koch als Protagonisten, der schließlich davon was verstehen muss, verbunden mit dem Apell an das schlechte Gewissen.
Das verträgt sich für meinen Geschmack so gar nicht mit Lebensart und Genuss. Gelassenheit und Kennerschaft halte ich da für angebrachter.

Der SlowFood-Bewegung sagt man nach, sie sei nicht konsequent genug in ihrem Regelwerk. Zu viel Spielraum für eigene Interpretationen, zu lasche Kriterien.
Stimmt schon, die wichtigsten Kriterien heißen: Gut. Sauber. Fair.
Ich finde, das genügt durchaus. Wenn es denn ernst genommen wird. Wenn mit gutem Willen, mit edler Absicht gearbeitet wird. Es kommt doch immer auch auf die Haltung an, mit der etwas getan wird.
Essen ist Lust, Kochen ist Liebe… müssen in diesem Fall alle Argumente auf das schlechte Gewissen zielen? Kann man sein Anliegen nicht mal positiv belegen und Qualität und Geschmack des Produkts in den Vordergrund stellen?

Ich für meinen Teil versuche, mir Mühe zu machen. Meine Arbeit so gut zu machen, wie ich es kann. Ich muss aber deshalb nicht auf jedes Frühstücksei schreiben, wie die Henne geheißen hat und wie sie sich beim Legen gefühlt hat. Was hilft es dem Gast, wenn das Lamm zwar aus der Region, dafür aber zäh ist?
Einkauf und Zubereitung von Speisen sind komplexe Themen. Einfache Lösungen dafür sind halt manchmal ein bisserl eindimensional.

Ich denke, dass die wirklich guten Lösungen für diese durchaus lebenswichtigen Themen bei jedem selbst anfangen, vor der eigenen Haustür. In dem Umfeld, das er beeinflussen kann.

Qualität im Produkt und in der Zubereitung zu erreichen ist ein langer und harter Weg. Er erfordert den Verzicht auf bequeme Artikel und Methoden, er erfordert Toleranz und Vertrauen von Gästen. Wenn wir möchten, dass zuneige gehende Ressourcen geschont werden und wenn wir dauerhaft gesunde, saubere und faire Lebensmittel verzehren wollen, wäre es hilfreich wenn jeder einzelne diese Ziele täglich lebt, seinen Kindern damit Vorbild ist. Wirklich und nicht nur als Lippenbekenntnis auch außerhalb der Restaurants.

Es sind ja tatsächlich schon bemerkenswerte Fortschritte gemacht worden. Vor zwanzig Jahren kame gerade Tamarillos und Drachenfrüchte auf, der Gourmetteller feierte Urständ und die Teller waren von quer halbierten Kirschtomaten dekoriert. Wir Köche haben uns lange davon emanzipiert und benötigen keine Exotik, um zu beeindrucken. Es ist eine Freude, vermeintlich banalen Produkten ihre Schönheit zu entlocken und ihren Wert zu zeigen.

Die Tatsache alleine, dass ein Produkt von hier ist, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Doch als einziges Argument ist es mir einfach zu wenig. Da geht mehr.

 

Das Goldschlägerhäutchen

Die äußerste Bindegewebsschicht eines Buttendarms heißt Goldschlägerhäutchen. Es ist papierdünn, hoch reißfest und unglaublich stabil. Diesen Eigenschaften verdankt es seinen Namen.

Es wird tatsächlich, gar nicht weit von meinem Heimatort entfernt in Schwabach, zum Schlagen von Blattgold verwendet (http://www.schwabach.de/touris/gold/00216.html). Mit ihm können einzelne Schichten bis auf eine Stärke von durchschnittlich nur noch zehntausend Atomen dünn geschlagen werden. Es wurden, als noch keine modernen Werkstoffe verfügbar waren, mit dem Goldschlägerhäutchen die Mundstücke von Oboen abgedichtet. Sogar Luftschiffe wurden mit dieser Blinddarmhaut von Rindern gebaut (http://www.uni-stuttgart.de/hi/gnt/ausstellungen/zeppelin/4.1_gaszellen.html )

Vor vielen, vielen Jahren, als die Metzger noch alles, wirklich alles, verwerteten, was ein geschlachtetes Tier herzugeben vermochte, wurde das Goldschlägerhäutchen zur Herstellung von Lachsschinken verwendet. Eine aufwendige Bindetechnik gab den notwendigen Halt, um gepökelten Schweinelachs, kernigen Rückenspeck und darum das Goldschlägerhäutchen zu einer optisch und geschmacklich betörend guten Spezialität werden zu lassen.

Vielleicht lässt sich ein Weg finden, der es jungen Menschen ermöglicht, diese vergessenen Produkte wieder zu entdecken, die zugehörigen Fertigkeiten und Fähigkeiten zu erwerben. Meine Hoffnung ist Jürgen Kochs Motto: „Alles kommt wieder!“
Und: Das Kino hat man ja schließlich auch schonmal totgeglaubt.

 

Ohne Mampf kein Kampf


Trotz meiner Begeisterung für Verbrennungsmotoren aller Art hatte ich bis vor kurzer Zeit noch keinen Draht zu Motorsport-Veranstaltungen. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass mich solche Wettbewerbe interessieren würden.

Geändert hat das eine Anfrage, für Gäste und Mannschaft eines Teams während der LeMans-Series das Catering zu übernehmen. Mitten im Fahrerlager, einer hermetischen Welt, die einem Außenstehenden wie mir so gar nichts hergibt, sollte ich kochen. Dafür sorgen, dass pünktlich und zuverlässig in guter Qualität Speis und Trank auf den Tisch kommt, morgens wie abends, und, falls notwendig, nachts. Denn auch in diesem Zirkus gilt:
Ohne Mampf kein Kampf.

So bin ich also gemeinsam mit einer Crew der Traube Tonbach und meinen eigenen Leuten an den großen Rennstrecken Europas unterwegs und sorge für die Verpflegung der Rennfahrer, Mechaniker, Ingenieure, Journalisten und Vips, vor und während der Rennen. In diesem Jahr in Spa Francorchamps (Belgien), in Le Castellet (Frankreich), am Nürburgring und dieses Wochenende in Silverstone (UK).

Die Traube stellt dabei den Service, meine Leute verantworten die Küche. Die Logistik dafür ist jedes Mal eine neue Herausforderung. Die Stunden zählen wir nicht und jeder dieser Jobs verlangt von jedem Mitarbeiter ein Höchstmaß an Einsatz. Für den Einzelnen ist es eine Übung, sich mit Kollegen aus einem anderen Betrieb zu arrangieren, sich auf den anderen Stallgeruch einzustellen und einzulassen. Eine Übung, deren Wert nicht hoch genug geschätzt werden kann und die dennoch bestanden sein will. Dazu gibt es ständig neue Herausforderungen: Stromausfall in der Küche, unpünktliche Lieferanten, strikte Regeln und strenge Aufsicht durch diensteifriges Ordnungspersonal, während der Fahrt umgekippte Sahneeimer, Platzregen beim Aufbau…

Und doch freuen wir uns nach jedem Rennen wie kleine Kinder auf das nächste Mal, denn eines macht diese Jobs sehr besonders und unterscheidet sie von der Arbeit zu Hause:
Das ganze Renn-Team mit allen Beteiligten ist wie eine große Familie, die Köche und die Servicekräfte gehören ganz einfach dazu. Wir ziehen alle am selben Strang, jeder einzelne nimmt sich zurück und alle verfolgen das gleiche Ziel: Wir möchten, dass unsere Autos gewinnen.

Keiner der Gäste verlangt nach einer Extrawurst, keiner lebt seine Befindlichkeiten aus. Herzlicher, geschulter und guter Service und einfache Gerichte wie gefüllte Paprikaschoten, Kalbsrahmgulasch  oder saftige Schnitzel zaubern dem Team ein Lächeln ins Gesicht. Dieses Team-Gefühl, dieser Zusammenhalt ist einzigartig und begeisternd, sogar regelrecht mitreißend. Wahrscheinlich ist das die Grundlage für den Erfolg.

Einfach ist manchmal so leicht. Und gut ist so manches Mal einfach. Warum machen wir es dann eigentlich manchmal so kompliziert?

 

Der Geschmack des Meeres

© ohneski/Photocase

Austern zu schlürfen weckt bei mir Assoziationen wie Brandung, wie den Geruch der Küste. Jodig, nach frischen Algen, salzig. Halt nach Meer, nach Gischt. Beim Austern schlürfen schließe ich gerne die Augen und denke ans Meer, deswegen ist zwischen den beiden Schalen für mich immer ein bisschen Urlaub und Freiheit und Weite.
Austern kommen aus dem Wasser, genauso wie Fisch. Manchmal finde ich eben diesen ursprünglichen, frischen, unangetasteten Geschmack ansatzweise auch bei sehr frischem Fisch, aber nicht immer. Auch Meeresbohnen und frische Algen schmecken so, können diesen Geschmack mit ins Binnenland bringen.

Wenn naturbelassenes Meersalz mit H2O vermischt wird, müsste diese Lösung ja auch so schmecken wie Meerwasser. Tut sie aber nicht. Dies lässt den Schluss zu, dass beim Verdunstungsprozess des Meerwassers sich die Inhaltsstoffe, die nach Meer schmecken, wohl verflüchtigen.

Wenn ich genau diesen besonderen Geschmack nun dennoch gerne im Fisch drinhätte, und zufällig auf hoher See der Maschinenraum eines Kreuzfahrtschiffes die Möglichkeit bietet Meerwasser abzuzapfen, will ich es doch mal versuchen.

Meerwasser-Entsalzungsanlage im Maschinenraum

Gesagt, getan. Meerwasser auf hoher See in Edelstahleimer abgefüllt und Lachsfilets für 20 min darin eingelegt. Das Fischfleisch wird durch Osmose in kürzester Zeit fest und prall, fast wie trocken gebeizter Lachs, aber saftiger. Und da ist er wieder, der Geschmack, den ich gesucht habe. Dieser reine, unverfälschte Geschmack.

Die Gelegenheit, frisches Meerwasser verwenden zu können, werde ich nicht alle Tage haben. Und Fisch schmeckt ja auch gut, so wie ich ihn seit Jahren ohne Meerwasser zubereite. Dennoch war es ein Versuch, der gelungen ist und überzeugt hat.

 

Zur Not schmeckt die Wurscht auch ohne Brot

Amrumer Lammfleisch ist kräuter-würzig und zart. Meinetwegen soll es Urlaubs-Einbildung sein, dass die Lämmer von hier so besonders gut schmecken.
Auf meiner Einkaufstour bin ich wie jeden Tag beim Metzger vorbeigestrunzt. Recht schnell ging es dort um die Wurst. Als Franke, Metzger und Koch hab ich da eine feste Vorstellung davon, wie eine Wurst aussehen und schmecken sollte. Und feingekutterte Bratwürste, naja… das sind eigentlich keine Bratwürste. Jedenfalls war ruckzuck abgemacht, dass ich Helge mal ein paar Lammwürste nach meiner Vorstellung würze. Ich stelle wieder mal fest, dass Köche und Metzger öfter miteinander reden sollten, denn beide Berufsgruppen können sehr viel voneinander lernen. Die Schnittstellen zwischen den beiden Welten sind es, die diese Liason so spannend machen.

Franken oder der Rest der Welt
Eine normale Lambratwurst die so schmeckt wie daheim war mir zu langweilig und so hab ich ihm zwei ausgefallenere Varianten gemacht.
Eine nach italienischer Art: Rosmarin, Petersilie, ligurische Wiesenkräuter-Mischung(getrocknet), Knoblauch und Zitronenschale, dazu Melange noir (schwarze Pfeffermischung) und Trockentomaten
Eine nach Cape Malay-Art: Rosinen, Knoblauch, Zitronenschale, frischer Ingwer und Sosatie-Rub, eine Gewürzmischung, die enthält: langer Pfeffer, schwarzer Pfeffer, Orangenblüten,Gewürznelken, rosenscharfer Paprika, Muskatnuss, Zimtrinde, Chili, Kardamomsaat, Thymian
Die Metzgerei-Verkäuferinnen waren recht skeptisch ob der ausgefallenen Zutaten, mit denen ich da hantierte. Eine von beiden mochte kein Lamm, und konnte sich für die neuartigen Würste so gar nicht begeistern. Die mussten wir zum Probieren mit Engelszungen überreden. Als dieselbe Dame mit keckem Lachen dann Nachschlag verlangt hatte, war die Freude allseits gross und wir wussten, wir haben alles richtig gemacht.

Wer grad keine komplette Metzgerei-Einrichtung in der Nähe hat, kann die oben beschriebenen Würz-Zutaten auch für ein Lamm-Hacki anwenden.

Dazu Lammfleisch, am besten von der Schulter, mit einem grossen Messer kleinschneiden oder wiegen, bis die Stücke nicht grösser als 3 mm sind.  Das Lammfleisch kann auch 50:50 mit Schwein gemischt werden (ebenso von der Schulter), dann wird es ein bischen saftiger. Pro kg Fleisch noch 16g Meersalz zugeben, Würzung mit den oben genannten Zutaten nach Geschmack, nicht nach Gramm.

Eine dritte Variante haben wir nicht gemacht, daie heben wir uns für das nächste Mal auf:  Lamm-Brät mit Roquefort.