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Verfassungsschutz wehrte Mordermittler ab – Das Medienlog vom Donnerstag, 7. August 2014

 

Prozesstag Nummer 135 war der letzte vor der Sommerpause, die bis zum 4. September dauert. Das Gericht hörte zwei Polizisten zum Fall des früheren Verfassungsschützers Andreas T., der beim Mord an Halit Yozgat 2006 in Kassel am Tatort war, aber nichts bemerkt haben will. Die Erkenntnis der Vernehmung: Der Verfassungsschutz behinderte früh die Aufklärung des Tat. Was die Beamten sagten, „wirft kein gutes Licht auf den Inlandsgeheimdienst“, kommentiert Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung.

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In der Vernehmung kam heraus, wie der Verfassungsschutz verhinderte, dass die Polizisten Informanten von T. befragten. Die Behörde wollte die Ermittler demnach nur inkognito an Gesprächen mit V-Leuten teilnehmen lassen. Darauf ließ sich die Mordkommission nicht ein. „Die Ereignisse liegen Jahre zurück, dennoch wirkt der Beamte noch immer verärgert“, beobachtet Schultz.

„Für das Interesse der Ermittler an den Informanten von T. gab es stichhaltige Gründe“, befindet Björn Hengst von Spiegel Online. Letztlich habe sich der Verdacht gegen ihn nicht erhärtet. „Geblieben ist aber der Verdacht, dass der hessische Landesverfassungsschutz in der Causa Andreas T. eine ausgesprochen merkwürdige Rolle spielte und die Ermittlungen erschwerte.“ Dass der damalige hessische Innenminister Volker Bouffier die Befragung damals endgültig verbot, sei zwar schon bekannt gewesen, schreibt Tim Aßman vom Bayerischen Rundfunk. „Sie nun aber im Gerichtssaal von den Polizisten geschildert zu bekommen, machte betroffen und wütend.“

Auch auf Andreas T. selbst warfen die Aussagen kein gutes Licht. So hatte er stets behauptet, am Montag nach der Tat zuerst zur Polizei und dann zu seiner Dienststelle in Kassel gefahren zu sein. „Die Glaubwürdigkeit dieser Aussage geriet vor Gericht erheblich ins Wanken“, kommentiert Per Hinrichs von der Welt. Denn einer der Beamten schilderte die Reihenfolge genau anders herum. Merkwürdig war außerdem, dass T. einer Kollegin erzählte, mit welcher Waffe Yozgat erschossen wurde. Eine Möglichkeit sei deshalb: „Andreas T. verfügte über Kontakte zum NSU oder dessen Umfeld (…).“

Die Sommerpause ist für mehrere Medien Anlass zu einem Zwischenfazit. Helene Bubrowski von der FAZ sieht Beate Zschäpes Verteidiger nach dem Entpflichtungsantrag in einer Zwickmühle: Sie müssten sich das Vertrauen der Mandantin bewahren, könnten sich jedoch mit überzogener Kritik an Richter Manfred Götzl schaden – etwa mit dem demonstrativ gestellten Befangenheitsantrag von Ende Juli. „Und weil solche Anträge in aller Regel aussichtslos sind, wäre in der Sache sowieso nichts gewonnen.“

Wir bei ZEIT ONLINE analysieren die Aussichten für die einzelnen Angeklagten – und stellen fest, dass es für die schweigenden Angeklagten angesichts der Indizienlage nicht gut aussieht. Im Fall der Hauptangeklagten etwa wirke es, „als gebe es nichts mehr zu gewinnen“ für ihre drei Verteidiger, die zuletzt zusehends lustlos wirkten. In jedem Fall werde es noch lange dauern, bis der Prozess abgeschlossen ist.

„Aber reicht das alles aus, um Zschäpe auch wegen der zehn Morde nicht nur als Helferin, sondern als Mittäterin zu verurteilen?“, fragt Stefan Geiger von der Stuttgarter Zeitung. Er führt den Fall der RAF-Terroristin Verena Becker an, die nur wegen Beihilfe zu den Morden der linksextremistischen Gruppe verurteilt wurde. Und dennoch: „Alles spricht dafür, dass Götzl und sein Senat der Anklage (…) folgen werden.“

Hans Pfeifer von der Deutschen Welle meint zu Zschäpe: „Die Beweise sprechen in diesem besonnen geführten Strafprozess klar gegen sie.“ Gefährlich bleibe allerdings weiterhin das rechte Umfeld, in dem sich der NSU bewegte. Zeugen aus der Szene „versuchen die Angeklagten durch Schweigen zu schützen“. Diese Unterstützer seien „eine Bedrohung für Menschen in Deutschland“.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 8. August 2014.