Die Anwälte des Mitangeklagten Ralf Wohlleben halten Beate Zschäpe für schlecht verteidigt und glauben, dass dies auch ihrem eigenen Lager Schaden zufügen werde. Weil das Gericht im NSU-Prozess das anders sieht stellten Wohllebens Verteidiger am Mittwoch einen Befangenheitsantrag gegen die fünf Hauptrichter. Die Chancen sind – wie bei allen bisherigen Anträgen – extrem gering und wohl nur ein Anlauf für die Revision. „Der Befangenheitsantrag wirkt kurios“, befindet Frank Jansen vom Tagesspiegel. Das Gericht wird sich dennoch sorgfältig damit befassen und setzte den heutigen Verhandlungstermin aus.
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Auffällig sei, wie offensiv Wohllebens drei Anwälte handelten. Sie machten sich den Zwist zwischen Zschäpe und ihren Verteidigern zunutze. Die Verteidiger „scheinen Gründe für eine Revision zu sammeln, mit der sie die zu erwartende, harte Verurteilung ihres Mandanten angreifen könnten“, schreibt Jansen. Kurios erscheint der Antrag, weil eine Partei die Verteidigung einer anderen Partei als Nachteil für sich selbst auslegt – das hat in der Juristerei Seltenheitswert.
Der NSU-Prozess entwickelte sich daher „mehr und mehr zu einem vom Senat veranstalteten Fortbildungsseminar für Strafverteidiger“, merkt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online an. Um reine Rechtslehre geht es dabei jedoch nicht: Es scheine, „als strebe die Wohlleben-Verteidigung mittlerweile die Störung der weit fortgeschrittenen Hauptverhandlung an“.
Trotz des Antrags vernahm der Strafsenat im Anschluss den Zeugen Mario B., einen Wegbegleiter des NSU aus Jena.
Mario B. ist von bemerkenswerter Arroganz und Unverfrorenheit. #NSU
— PZ hautnah (@PZhautnah) 14. Oktober 2015
Sonderlich ergiebig war die Befragung zunächst nicht. Das Prinzip lautete „alles abstreiten bzw. nur das zugeben, was eh nicht zu leugnen ist“, berichtet Thies Marsen vom Bayerischen Rundfunk. Dann jedoch entlockten Anwälte der Nebenklage dem Zeugen B. das Eingeständnis, als V-Mann tätig gewesen zu sein. Besucher erlebten im Anschluss „schließlich die verzweifelten Versuche seines Rechtsbeistandes, das Ganze wieder einzufangen und abzustreiten“.
Dem Vernehmen nach war B. für den Militärischen Abschirmdienst tätig. Sollte dies der Wahrheit entsprechen, „wäre die rechtsradikale Organisation Thüringer Heimatschutz, aus der der NSU entstand, gleich von zwei V-Leuten geleitet worden“, folgert Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung.
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 16. Oktober 2015.