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Unangenehme Fragen an Holger G. – Das Medienlog vom Donnerstag, 29. Oktober 2015

 

Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis es für den Mitangeklagten Holger G. eng wird – jetzt könnte es so weit sein: Nebenkläger wollen mit einem umfangreichen Beweisantrag Details über die Gesinnung des 41-Jährigen zutage fördern, der nach eigenen Angaben aus der rechten Szene ausgestiegen ist. Zum Verhängnis könnte ihm werden, dass er zu Prozessbeginn weder alles noch nichts zu den Anklagevorwürfen gesagt, sondern eine sogenannte Teilaussage abgelegt hatte. „Holger G. hat sich auf dieses Glatteis begeben. Jetzt bringt ihn die Nebenklage möglicherweise in die Bredouille“, analysiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online.

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G. wird vorgeworfen, das NSU-Trio unterstützt zu haben, indem er ihm unter anderem Reisepass, Führerschein und Krankenversichertenkarte überließ. Zu den Vorwürfen äußerte er sich äußerst vage in einer Erklärung am Anfang des Verfahrens. Darin behauptete er auch, sich im Jahr 2004 aus der Szene gelöst zu haben – was ihm viele Beobachter nicht abnehmen. Die Nebenklageanwältin Antonia von der Behrens, die den Beweisantrag am Mittwoch stellte, hält seine Aussage für „eindeutig taktisch geprägt“. Tatsächlich habe er noch lange Kontakt mit Figuren aus dem rechten Milieu gehalten.

Richter Manfred Götzl hatte G. kurz nach dessen Aussage den Hinweis gegeben, seine bisherigen Einlassungen seien nicht ausreichend. Seitdem erregte der Angeklagte nicht mehr viel Aufmerksamkeit. „In der dritten und letzten Tischreihe der Anklagebank wirkt Holger G. fast unsichtbar und das scheint auch seine Verteidigungsstrategie zu sein“, beobachtet Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen. Ein Indiz, das ihn aus der Unsichtbarkeit reißen könnte: Auf seinem Computer waren Bilder der Comicfigur Paulchen Panther gespeichert, die jedoch wieder gelöscht wurden – die Figur ist zentraler Bestandteil des NSU-Bekennervideos.

Den Nebenklageanwälten sei es gelungen, dass G. „bis über beide Ohren rot anläuft und unruhig auf seinem Platz hin und her wetzt“, wie Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung berichtet. Die Vertreter der Opfer leisteten eine wichtige Arbeit in dem Prozess. Trotzdem müssten sie äußerst „frustrationsresistent“ sein. Denn nach dem Skandal um einen Anwalt, der für eine nicht existierende Nebenklägerin im Prozess saß, müssten sie sich oft eine Frage anhören: „Ist dieser Prozess eine Wärmestube für Anwälte?“

Julian von Löwis widmet sich im Bayerischen Rundfunk einer möglichen Aussage der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, über die zuletzt häufiger spekuliert wurde. Lohnen könnte sich eine Einlassung für Zschäpe nur, wenn ihre Aussage neue Erkenntnisse liefert – etwa über Komplizen. „Zugegebenermaßen, der Gedanke, mit Hilfe von Beate Zschäpe ein mögliches rechtes Terrorunterstützer-Netzwerk aufzudecken, klingt tollkühn.“ Falls es jedoch dazu käme, würden sicher nicht nur Belanglosigkeiten zu Protokoll gegeben.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 30. Oktober 2015.