Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Richter lassen mysteriösen V-Mann-Fall links liegen – das Medienlog vom Donnerstag, 12. Mai 2016

 

Die Richter im NSU-Prozess gehen in großen Schritten Richtung Urteil: „Im Stakkato schmetterten sie am Nachmittag einen Beweisantrag nach dem anderen ab“, berichtet Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk aus der Sitzung vom Mittwoch. So ist nun auch klar, dass es keine gerichtliche Aufarbeitung im Fall des V-Manns Ralf M. alias Primus geben wird. Weder Akten über Primus sollen herangezogen, noch der Rechtsextremist oder sein Quellenführer als Zeuge geladen werden. Ralf M. soll Uwe Mundlos in den Jahren 2000 und 2001 in seiner Baufirma beschäftigt haben.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Darüber hinaus beschäftigte sich das Gericht mit Urlaubsfotos aus der Zeit, da das Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund lebte. Es handelt sich um rund 130 Bilder aus einem Urlaub, der offenbar 2004 stattfand. Die Richter folgten einem Antrag von Nebenklageanwälten, die damit Zschäpes Aussage vom Dezember in Zweifel ziehen. Demnach war sie „entsetzt“, als sie von Mundlos und Böhnhardt vom Kölner Nagelbombenanschlag von 2004 erfuhr. Die Fotos vom Schleswig-Holstein-Urlaub sollen sie hingegen glücklich und vertraut zeigen. „Was die Richter auf den Bildern sehen, behalten sie an diesem Tag für sich. Möglicherweise verraten sie es am Tag der Urteilsverkündung“, schreibt Wiebke Ramm auf Spiegel Online.

Bis dahin dauert es womöglich nicht mehr lange: Beobachter beschleiche „das Gefühl, dass der vorsitzende Richter Manfred Götzl und seine vier Beisitzer bereits genug Informationen haben, um die Beweisaufnahme nach nunmehr über drei Jahren Verfahrensdauer abschließen zu können“, kommentiert BR-Reporter Bendixen.

Im Gericht spricht Beate Zschäpe kein Wort, zeigt praktisch keine Mimik. Doch das Bild der kühlen, verschlossenen Hauptangeklagten ist wohl nur eine Seite von Zschäpe, wie ein Interview der ZEIT nahelegt. Im Gespräch mit den Autoren Stephan Lebert und Christian Fuchs äußert sich die Journalistin Astrid Ebenhoch, die mehrere Tage im Frauengefängnis Stadelheim einsaß, in dem auch Zschäpe untergebracht ist. Dort machte sie sich Notizen über die Rechtsextremistin. Ihr Fazit: „Sie spielt Theater. Ihre Auftritte vor Gericht sind eine Inszenierung.“ Sie könne bestätigen, was sie zuvor von anderen Insassen gehört habe: Zschäpe sei „im Knast so etwas wie eine Königin, sie habe Geld und Macht, sie bewege sich wie eine Mischung aus Chefin und Filmstar“. Hinter den Mauern rekrutiere sie auch andere Gefangene und stachele sie sogar zu Gewalt auf – vor allem sozial schwache Menschen.

Mit Zschäpe selbst, sagt die frühere Insassin, habe sie nicht gesprochen. Ähnliche Berichte sind bereits in der Vergangenheit an die Öffentlichkeit gekommen. Eine Mitgefangene sagte, dass Zschäpe bewundert werde, eine andere betrachtete die 41-Jährige „wie eine Mutter“.

Neue Enthüllungen werfen abermals ein kritisches Licht auf die Arbeit des Verfassungsschutzes und seiner V-Männer: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hielt offenbar jahrelang das Mobiltelefon des verstorbenen Informanten Thomas Ri. alias Corelli unter Verschluss und übergab es erst jetzt dem Bundeskriminalamt. Das berichten übereinstimmend der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung. Auf dem Handy befinden sich demnach rund 200 Kontakte aus dem rechtsextremen Milieu und Tausende Fotos. Einem internen Bericht des Bundestagsuntersuchungsausschusses zufolge stammt das Gerät aus dem Jahr 2012, gefunden wurde es im Sommer 2015. Um es in einem Panzerschrank zu finden, brauchten die Verfassungsschützer fünf Durchsuchungen.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 13. Mai 2016.