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Verfassungsschützer will nicht verantwortlich sein – Das NSU-Medienlog vom Freitag, 17. Juni 2016

 

Zum vierten und voraussichtlich letzten Mal stand am Donnerstag der Quellenführer von V-Mann Piatto, Reinhard G., im Zeugenstand. Dabei ging es auch um die Frage, warum G.s Arbeitgeber, das Brandenburger Innenministerium, 1998 einen Hinweis des Informanten auf das NSU-Trio zurückgehalten hatte. Die Vernehmung des Verfassungsschützers verlief turbulent. „In keinem Fall will der aus Potsdam angereiste Mann dafür verantwortlich gewesen sein, dass eine der heißesten Informationen im ganzen NSU-Komplex von seiner Behörde nicht an die Polizei weitergegeben wurde“, resümiert Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk. Hauptsächlich habe der Zeuge mitgeteilt, er könne sich nicht erinnern oder sei nicht zuständig gewesen.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Ähnlich verhielt sich auch das Innenministerium, das auf einem Treffen mit anderen Verfassungsschutzämtern 1998 verfügte, der Tipp eines V-Manns zum Aufenthaltsort des NSU dürfe nicht genutzt werden. „Im Ministerium ging der Schutz der wertvollen Quellen offenbar über alles andere – kein Risiko durfte eingegangen werden, wenn ein Spitzel öffentlich auffliegen und dadurch keine Informationen mehr liefern könnte“, analysieren wir auf ZEIT ONLINE. Der Quellenschutz wurde selbst angesichts des Drängens der anderen Behörden aufrechterhalten. G. nannte in der Vernehmung die Namen zweier Thüringer Teilnehmer der Konferenz. Weitere Personen könnte er nicht benennen – ob wegen tatsächlicher oder vorgeschobener Gedächtnislücken.

Allerdings lieferte er eine andere Erinnerung aus seiner Dienstzeit: Demnach wusste G., dass ein Neonazi Rohrbomben gebaut hatte und diese gemeinsam mit einem Kameraden testen wollte, wie bei dpa nachzulesen ist. Ein Zusammenhang mit dem NSU-Komplex ist allerdings nicht geklärt.

Im Prozess brachten Nebenklageanwälte einen neuen Beweisantrag ein: Es geht um die Neonazi-Postille Der weisse Wolf, die der NSU mit einer Geldspende unterstützt haben soll. Geladen werden sollen nach dem Willen der Anwälte zwei Zeugen – einer von ihnen gab das Heft heraus, der zweite eine andere Nazi-Postille. In mehreren Briefen soll das untergetauchte Trio den beiden insgesamt 2.500 Euro gespendet haben. Im Weißen Wolf erschien 2002 offenbar als Dank dafür eine Grußbotschaft. Über den Antrag berichtet Wiebke Ramm auf Spiegel Online.

Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wagt einen neuen Vorstoß: Einem dpa-Bericht zufolge will sie ihre Pflichtverteidigerin Anja Sturm loswerden. Als Begründung führt sie an, dass Sturm seit mehreren Wochen erkrankt sei. Sie lässt sich derzeit von ihrem Kollegen Andreas Lickleder vertreten. Zschäpe fordert in einem Brief an das Gericht, an Sturms Stelle ihren derzeitigen Wahlverteidiger Hermann Borchert einzusetzen. Bisher war die Angeklagte mit sämtlichen Entpflichtungsanträgen gegen ihre Verteidiger gescheitert.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 20. Juni 2016.