Im Jahr 2013 schrieb Beate Zschäpe einen langen Brief an den damals in Bielefeld inhaftierten Neonazi Robin S. Das Schreiben wurde beschlagnahmt und in die Prozessakte geheftet, ist bislang jedoch kein Beweisstück. Das wollen Vertreter der Nebenklage jetzt ändern und das Dokument verlesen lassen. Am Mittwoch sprachen sich Zschäpes Verteidiger dagegen aus. Schließlich erlaubt der Brief tiefe Einblicke in die Angeklagte: Er sei „eine ungefilterte und nicht auf eine Verteidigungsstrategie und den Akteninhalt abgestimmte Selbstdarstellung“, analysiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Gegenüber S. habe sie sich „stark, selbstbewusst, ja fast abgebrüht“ gezeigt – und damit ganz anders als in der mithilfe ihrer Verteidiger abgefassten Aussage.
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„Die Verlesung des Briefes könnte dazu dienen, Zschäpes Persönlichkeit weiter aufzuhellen, vielleicht sogar in ein anderes Licht zu stellen“, meint auch Alf Meier vom Bayerischen Rundfunk. Wohl auch deswegen hätten sich ihre Anwälte vehement gegen die Verlesung gestemmt. Altanwalt Wolfgang Stahl berief sich in seiner Stellungnahme auf das Brief- und Postgeheimnis sowie das Verbot der Weitergabe von Privatgeheimnissen. Tatsächlich sei der Brief sogar zu vernichten. Stahls energischer Vortrag habe Zschäpes neuen Pflichtverteidiger Mathias Grasel „zeitweise blass aussehen“ lassen.
Ein neuer Antrag kam von dem Nebenklageanwalt Hardy Langer. Er fordert, einen Chemnitzer Bauarbeiter ausfindig zu machen und als Zeugen zu laden. Hintergrund: Der Mann war einem Zeitungsbericht zufolge im Juni 2000 mit einem Luftgewehr angeschossen worden. Dies könnte zu einem Ereignis passen, das der Mitangeklagte Ralf Wohlleben dem ebenfalls auf der Anklagebank sitzenden Carsten S. geschildert haben soll: Laut S. sagte er, das Trio aus Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt habe „jemanden angeschossen“. Die Tat von 2000 geschah in derselben Straße, in der die drei Untergetauchten damals wohnten. Eine Erhebung des Bundeskriminalamts hatte keine Fälle zutage gefördert, die auf den Vorfall passen. Anwalt Langer recherchierte nun zwei Zeitungsartikel, die von den Schüssen auf den Bauarbeiter berichten. Von seinem Antrag berichtet Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk.
Ebenfalls mit einem Antrag meldeten sich Wohllebens Verteidiger zu Wort. Sie beantragten, eine Schweizer Kriminalbeamtin zu laden, die in einem Bericht Probleme bei den Ermittlungen zum Verkaufsweg der NSU-Mordpistole Ceska 83 eingeräumt habe. Über das Gesuch berichtet Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen.
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 23. September 2016.