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Gewalt-Opfer stützt NSU-Angeklagten – das Medienlog vom Mittwoch, 9. November 2016

 

Im NSU-Prozess hat am Dienstag das Opfer eines schweren Gewaltangriffs ausgesagt. Der Vorfall ereignete sich 1998 in Jena. Der Mitangeklagte Carsten S. hatte die Tat erstmals im Münchner Gerichtsverfahren geschildert. Weil sich seine Aussagen dazu bislang jedoch nicht einwandfrei bestätigen ließen, wollten die Verteidiger des ebenfalls angeklagten Ralf Wohlleben den Fall zur Glaubwürdigkeitsprobe für den Kronzeugen S. machen. Doch die Anwälte „scheiterten auf ganzer Linie“, kommentiert Thies Marsen vom Bayerischen Rundfunk. Denn der Zeuge bestätigte die Angaben von S. bis zu dem Detail, dass er und ein Freund in einer Holzhütte zusammengetreten wurden.

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Das Opfer stütze „die Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten Carsten S. – und belastet indirekt den Mitangeklagten Ralf Wohlleben“, analysiert auch Wiebke Ramm in der Süddeutschen Zeitung. Im Anschluss entschuldigte sich S. unter Tränen bei dem Mann, der damals schwerste Verletzungen erlitt und nach eigenen Angaben bis heute unter dem brutalen Überfall leidet. Der Schilderung von S. zufolge war nicht nur er selbst, sondern auch Wohlleben beteiligt.

Nach dem Fund von DNA des NSU-Mitglieds Uwe Böhnhardt bei der Leiche von Peggy Knobloch hat sich die Bundesanwaltschaft dagegen ausgesprochen, Akten der Mordermittlungen im NSU-Prozess beizuziehen. Der Fall sei nicht Teil der Aufklärung im Terrorverfahren, sagte Oberstaatsanwältin Anette Greger in der Sitzung vom Dienstag.

Unterdessen dauern die Untersuchungen an. Bislang ist noch nicht geklärt, ob die Spur tatsächlich durch Verunreinigung an den Fundort des Mädchens gelangte, wie zuletzt gemutmaßt worden war. Die Chronik der bisherigen Ermittlungen zeichnet Dirk Laabs in der Welt nach. Er berichtet auch, dass Ermittler dafür eine DNA-Probe bei dem wegen Kindesmissbrauchs verurteilten NSU-Helfer Tino Brandt nahmen.

Laabs berichtet auch über die Ermittlungen nach einer Strafanzeige wegen der Aktenschredder-Aktion beim Bundesamt für Verfassungsschutz: Demnach stellte die Kölner Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, nachdem eine Opferfamilie einen Mitarbeiter der Behörde angezeigt hatte. Der Mann mit dem Tarnnamen Lothar Lingen gab gegenüber der Bundesanwaltschaft zu, dass er im November 2011 Akten über Thüringer V-Männer habe schreddern lassen – kurz nach dem Auffliegen des NSU.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 10. November 2016.