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Zschäpe will sich nicht begutachten lassen – Das Medienlog vom Donnerstag, 8. Mai 2014

 

Zuschauer und Journalisten, Ankläger und Angeklagte – bis auf Beate Zschäpe waren am Mittwochmorgen alle auf ihren Plätzen. Dann kam Richter Manfred Götzl ohne Robe in den Saal und verkündete, dass die Sitzung ausfällt. Beate Zschäpe ist offenbar erkrankt. Am Vortag hatte sie angegeben, ihr sei nach Erhalt einer Mitteilung übel geworden. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Ankündigung des Gerichts, drei Briefe von ihr zu beschlagnahmen. Sollte es dazu kommen, „würde Zschäpes Persönlichkeit halbwegs transparent“, analysiert Frank Jansen im Tagesspiegel. „Daran hat die Angeklagte (…) offenbar kein Interesse.“

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Die Briefe, deren Inhalt in zwei Fällen bekannt ist, schrieb Zschäpe an den Dortmunder Neonazi Robin S., der in Bielefeld inhaftiert ist. Das Gericht will sie von Sprachgutachtern analysieren lassen, um zu prüfen, ob Zschäpe Mitautorin des sogenannten NSU-Manifests ist. Jansen berichtet unter Berufung auf Justizkreise, dass der Beschluss des Strafsenats der Hauptangeklagten zu schaffen mache.

Fraglich ist: Fürchtet Zschäpe eher eine Verletzung ihrer Privatsphäre oder die juristischen Schlüsse, die aus einem Gutachten gezogen werden könnten? Für das Verfahren ist die Analyse womöglich bedeutungslos, wie Christoph Trost von der Nachrichtenagentur dpa einschätzt. Grund ist der Vermerk einer Expertin des Bundeskriminalamts, den das Gericht angefordert hatte: Darin werden mehrere Probleme aufgelistet, die einen Vergleich erschweren. Das NSU-Manifest enthalte viele Fehler und Stilmerkmale, die häufig vorkämen.

Auch Björn Hengst bringt Zschäpes gesundheitliche Probleme auf Spiegel Online mit der Beschlagnahme in Verbindung. Er schildert zudem den Auftritt von Jaqueline Wohlleben an der Seite ihres Mannes Ralf, der als NSU-Unterstützer angeklagt ist. Seine Frau war für diesen Tag als Zeugin geladen.

Nach dem Abbruch der Sitzung am Dienstag lobt Michael Giese in den Westfälischen Nachrichten die Arbeit von Richter Manfred Götzl. Mit der Unterbrechung habe der Vorsitzende Ruhe ins Verfahren gebracht – das ansonsten selten von Harmonie geprägt sei: „Der Richter hat dieses Mammut-Ereignis im Griff“, bilanziert der Autor. Daher gebe es Hoffnung auf „ein befriedendes Ende“.

Felix Hansen verfolgt den Prozess für die Initiative NSU Watch. Im Jetzt-Magazin der Süddeutschen Zeitung schildert er die Momente, die ihm innerhalb des vergangenen Jahres am deutlichsten im Gedächtnis geblieben sind – dazu zählt er die bewegende Vernehmung des Vaters von Halit Yozgat, die Aussage über ein Hitlerbild im Keller von Zschäpes Nachbar oder den Auftritt des Ermittlers Josef Wilfling, der nach dem Mord an Habil Kilic vorwiegend im Bereich der organisierten Kriminalität recherchierte.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 9. Mai 2014.