Die Sommerpause im NSU-Prozess ist zu Ende. Am Mittwoch sagten zwei Zeugen aus, darunter erneut der Neonazi-Aussteiger Kay S., der Beate Zschäpe und den Mitangeklagten Ralf Wohlleben zuvor belastet hatte. Wohllebens Anwalt Olaf Klemke wollte den Zeugen vereidigen lassen – weil er S. als Lügner verdächtigt. Das lehnte das Gericht jedoch ab. Offensichtlich sei, dass sich die Verteidiger des Angeklagten „bissig, wenn nicht rabiat gegen dessen unvermeidlich erscheinende Verurteilung wehren“, schreibt Frank Jansen vom Tagesspiegel. Dies werde jedoch wenig nützen.
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Während Klemkes Antrag kam es zu einem Wortgefecht – was offenkundig mit dem „abstrus anmutenden Vorwurf“ des Anwalts zusammenhing. Dieser selbst sieht das freilich anders: Wenn der Zeuge nicht vereidigt werde, dann sei dies „ein Freibrief für alle Belastungszeugen“ – denen Klemke anscheinend generell die Lüge unterstellt. Ein aggressiver Verteidigungsstil, der bei jemand anderem im Gerichtssaal allerdings gut ankommt: „Beate Zschäpe sieht ihm dabei wohlgefällig zu – noch mehr als sein eigener Mandant“, beobachtet Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung.
Der erste Zeuge, ein Taxifahrer, sorgte für Fröhlichkeit, indem er das NSU-Mitglied Uwe Mundlos fortwährend als „Uwe Mundstuhl“ bezeichnete. Bemerkenswert war sein Auftritt allerdings deshalb, weil sich Zschäpes neuer Anwalt Mathias Grasel erstmals mit Fragen an einen Zeugen wandte und im Anschluss eine kritische Erklärung dazu abgab. „Eine Anmerkung, aus der man schließen kann, dass Grasel die Sommerpause offenbar dazu genutzt hat, sich in den Prozess einzulesen“, kommentiert Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk. Wesentliche Ergebnisse seien allerdings nicht herausgekommen – für den Autor Anlass, den Fortgang des Verfahrens infrage zu stellen: „Die Öffentlichkeit versteht schon lange nicht mehr, warum der NSU-Prozess so lange dauert.“
Auf ZEIT ONLINE widmen wir uns einem juristischen Problem: Hat sich Beate Zschäpe mit den Angriffen auf ihre eigenen Verteidiger als die kühle Manipulatorin aus der Anklageschrift präsentiert – und damit ihre Position geschwächt? Von uns befragte Juristen sind nicht dieser Ansicht. „Denn ihr Verteidiger-Kleinkrieg lässt sich nicht ohne Weiteres in die Urteilsfindung speisen.“ Die meisten Möglichkeiten, das Verhalten eines Angeklagten zu interpretieren, stehen nur bei einer Aussage offen. Zschäpe aber äußert sich nicht. Die Folge trotz vermeintlich entlarvender Manöver: „Die sprichwörtliche Maske des Schweigens ist also keineswegs von Zschäpes Gesicht gerissen.“
Häufig sind Rechtsradikale als Zeugen in den Prozess geladen. Diese ähnelten auf bemerkenswerte Weise den Demonstranten vor dem Asylbewerberheim im sächsischen Heidenau, schreibt Annette Ramelsberger in einer Analyse für die Süddeutsche Zeitung. Denn: „Die Terrorzelle konnte sich bestärkt fühlen durch ein Milieu, das jedes Vorurteil gegen Ausländer begierig aufsaugt.“ Neonazis könnten vor Gericht ungestraft lügen. „Wie unter einem Brennglas zeigt der Prozess gegen den NSU, wie schwierig es ist, Rechtsradikalismus zu bekämpfen.“
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 4. September 2015.