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Die dreiste Aussage eines V-Manns – Das Medienlog vom Donnerstag, 24. Juli 2014

Der Trubel um Zschäpes Misstrauensantrag hat sich gelegt, es geht weiter wie üblich im NSU-Prozess: mit Szenezeugen, die sich an nichts erinnern oder gar nicht erst erscheinen. Letzteres war der Fall für Thomas B., der sich entschuldigen ließ, weil er auf dem Weg nach München in einer Kneipe hängengeblieben war. Ersteres galt für Andreas R., einen mutmaßlichen NSU-Unterstützer. Er habe „sich im Lauf der Verhandlung als einer der bisher dreistesten Zeugen“ erwiesen, resümiert Gisela Friedrichsen von Spiegel Online – was daran gelegen haben könnte, dass er dem NSU-Trio erstaunlich nahe gekommen war.

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Kein guter Tag für Zschäpe – Das Medienlog vom Mittwoch, 23. Juli 2014

Vor einer emotionalen Zeugenbefragung sagte Richter Manfred Götzl offiziell das Erwartete: Beate Zschäpes Antrag auf Entpflichtung ihrer Verteidiger Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl sei abgelehnt. Die Begründung ihres Misstrauens enthalte keine „konkreten und hinreichenden Anhaltspunkte“. Der Schritt Zschäpes habe „eine prozessual brisante Situation heraufbeschworen, die noch lange nicht beigelegt ist“, kommentiert Gisela Friedrichsen für Spiegel Online. Fraglich sei, ob sie sich künftig gut beraten fühlen werde.

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130. Prozesstag – Szenekamerad aus Thüringen im Zeugenstand

Am Mittwoch ist der Zeuge Andreas Ra. nach München geladen. Ra. gilt als Weggefährte des NSU, er war wie das Trio aus Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt aktiv in der rechten Gruppe Thüringer Heimatschutz (THS). Von ihm sind Aussagen zur Organisation des Sammelbeckens zu erwarten, in dem Mitte der Neunzigerjahre Thüringer Neonazis unter Leitung des NPD-Kaders Tino Brandt zusammenkamen. Während ihrer Zeit im THS radikalisierten sich die späteren NSU-Mitglieder. Ra. fiel der Polizei durch Gewaltdelikte auf, das Bundeskriminalamt zählt ihn „zum harten Kern“ der Gruppe.

Ebenfalls geladen ist Thomas B. Der Zeuge sollte bereits Ende Juni aussagen, blieb dem Prozess jedoch unentschuldigt fern. Möglich ist, dass er diesmal unter Zwang ins Gericht gebracht wird. B. ist ein Jugendfreund von Uwe Böhnhardt. und beging gemeinsam mit ihm Straftaten. In Vernehmungen beschrieb er ihn als aggressiv.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Vertrauenskrise ohne Folgen? – Das Medienlog vom Dienstag, 22. Juli 2014

Das Münchner Oberlandesgericht hat Beate Zschäpes Antrag gegen ihre eigenen Verteidiger abgelehnt. Trotz angeblichen Misstrauens bleiben Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl damit weiter die Anwälte der Hauptangeklagten, wie der Spiegel und die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter Berufung auf Justizkreise berichten. Vom Tisch sei damit auch die Möglichkeit eines vierten Pflichtverteidigers. Mittlerweile deutet sich zudem an, warum Zschäpe sich zum Schritt gegen ihre eigenen Beistände entschieden hat.

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129. Prozesstag – Prozess geht mit Urlaubsbekanntschaften weiter

Der NSU-Prozess geht weiter wie geplant, solange die Entscheidung über den Entpflichtungsantrag von Beate Zschäpe aussteht. Auch Stellungnahmen dazu werden laut einer Sprecherin nicht in der Verhandlung erörtert. Die Hauptangeklagte hatte ihren Verteidigern am Mittwoch das Misstrauen ausgesprochen und am Freitag eine Begründung eingereicht.

Eine Änderung hat das Gericht nach dem Antrag allerdings vorgenommen: Zwei Zeugen, die am Dienstagvormittag zur Brandstiftung in der Zwickauer Frühlingsstraße aussagen sollten, wurden abgeladen. Die Sitzung beginnt daher erst am Nachmittag.

Dann hört das Gericht zwei Frauen, die das NSU-Trio im Urlaub kennenlernte. Solche Bekanntschaften sollen Aufschluss über die Organisation des NSU und Zschäpes Rolle gegenüber ihren beiden Kameraden geben. Bei einer ähnlichen Befragung hatten Zeugen etwa ausgesagt, dass Zschäpe damals das Geld der Gruppe verwaltete.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Keine Aussage, keine neuen Anwälte – Das Medienlog vom Montag, 21. Juli 2014

Je mehr Informationen durchsickern, desto wahrscheinlicher wird, dass im NSU-Prozess alles beim Alten bleibt. Beate Zschäpe, die ihren Anwälten nicht mehr vertraut, hat dafür am Freitag eine Begründung beim Gericht eingereicht. Nach Informationen des Focus spricht die Angeklagte darin nicht von einer möglichen Aussage – über eine solche Möglichkeit wurde zuvor spekuliert. Dass ihre Verteidiger Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl ihr Mandat verlieren, halten Prozessbeobachter aufgrund der bislang vorliegenden Hinweise für unwahrscheinlich.

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Zschäpe geht ein hohes Risiko ein – Das Medienlog vom Freitag, 18. Juli 2014

Beate Zschäpe vertraut ihren Verteidigern nicht mehr – unklar ist, welche Folgen das für den NSU-Prozess hat. Vorerst wird die Verhandlung wie geplant fortgesetzt. Zudem bekam Zschäpe eine Verlängerung für die Frist, innerhalb der sie begründen muss, weswegen sie nicht mehr mit ihren Anwälten zusammenarbeiten kann. Ist die bislang ausgeübte Strategie des Schweigens ein Grund für den Bruch mit der Verteidigung? „Diese Frau ist klug genug, um zu erkennen, dass sie mit dieser Verteidigungsstrategie ein wachsendes Risiko läuft, zur Höchststrafe verurteilt zu werden“, kommentiert Stefan Geiger von der Stuttgarter Zeitung.

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Zschäpes Chancen stehen schlecht – Das Medienlog vom Donnerstag, 17. Juli 2014

„Paukenschlag“, „Wendung“, „Umbruch“: Der 128. Prozesstag war eine Sensation im NSU-Prozess. Beate Zschäpe ließ erklären, sie vertraue ihren Verteidigern nicht mehr. Ob ihre Anwälte Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl nun ihre Mandate verlieren, ist unklar – zunächst muss Zschäpe ihren Antrag begründen. Über die Gründe kursieren Spekulationen. Die populärste lautet, dass Zschäpe vor Gericht aussagen will. „Schweigen allein ist zu wenig, um die Anklage zu entkräften. Möglicherweise hat Zschäpe das schneller erkannt als ihre Anwälte“, folgert Annette Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung.

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Will Zschäpe aussagen?

Der NSU-Prozess steht vor einem Umbruch: Beate Zschäpe hat ihren Anwälten das Misstrauen ausgesprochen. Möglicherweise will sie reden – gegen den Willen der Verteidiger.

Der Prozesstag, der die Zäsur im NSU-Verfahren bringen könnte, beginnt normal. Der Thüringer Neonazi Tino Brandt wird weiter befragt. Doch nach der Mittagspause verzögert sich der Sitzungsbeginn, erst um zehn Minuten, dann um eine halbe Stunde. Beate Zschäpe kommt erst in den Saal, geht wieder hinaus, dann stellt sie sich wieder zu ihren Anwälten Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl. Sie macht ein grimmiges Gesicht, das ist anders, denn üblicherweise bewegt sie keine Miene. Seit 128 Verhandlungstagen zeigt die Hauptangeklagte eigentlich kaum eine Regung.

Vielleicht hat sie Kopfschmerzen, vielleicht ist ihr übel, wie schon häufiger in der letzten Zeit, spekulieren die Beobachter auf der Besuchertribüne. Ein paar Mal war die Hauptverhandlung deshalb auch unterbrochen worden.

Schließlich tritt der Strafsenat ein. Richter Manfred Götzl erklärt, was los ist: Ein Saalpolizist habe ihm in der Pause mitgeteilt, „dass sie kein Vertrauen mehr in ihre Verteidiger habe“. Er schaut zur Anklagebank: „Ist das richtig, Frau Zschäpe?“ Die Hauptangeklagte nickt.

Götzl weist Zschäpe darauf hin, dass sie ihr Misstrauen vor dem Gericht begründen muss. Bis Donnerstag um 14 Uhr hat sie Zeit, eine schriftliche Stellungnahme einzureichen, danach nähmen Bundesanwaltschaft und die Zschäpe-Anwälte ebenfalls Stellung. „Die Voraussetzung für eine Entbindung der Verteidigung ist eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses“, gibt der Vorsitzende ihr mit auf den Weg. Sturm, Heer und Stahl sind vom Gericht als Pflichtverteidiger bestellt worden, Zschäpe muss also Götzl und seine Kollegen davon überzeugen, wenn sie künftig von anderen Menschen beraten werden will. Anders als bei Wahlverteidigern, die der Angeklagte selbst bezahlt, können Pflichtverteidiger nicht so einfach von ihrem Mandat entbunden werden. Die Vernehmung des Zeugen Brandt wird abgebrochen, die für Donnerstag angesetzte Verhandlung entfällt.

Die Prozessbeteiligten hat die Nachricht völlig unvorbereitet ereilt. Heer, Sturm und Stahl lehnen auf dem Gerichtsvorplatz alle Fragen von Journalisten ab, sie wollen keine Stellungnahme abgeben.

„Das Ganze hat eine sehr hohe Brisanz“, sagt der Nebenklage-Anwalt Bernd Behnke. Denn würde Zschäpe erreichen, sämtliche Verteidiger ihres Mandats zu entheben, müssten sich neue Anwälte in die Materie einarbeiten. Das kann dauern – aber es darf nicht länger als 30 Tage dauern: Wird eine Verhandlung länger unterbrochen, ist sie vor dem Gesetz gescheitert – „dann müsste man den Prozess möglicherweise von vorn beginnen“, sagt Behnke, der mögliche NSU-Opfer vertritt. Er rechne jedoch damit, dass es nicht soweit kommt und bereits in der nächsten Woche wieder verhandelt wird.

Unklar ist bisher, ob Zschäpe alle drei oder nur einzelne Verteidiger ablehnt. In letzterem Fall wäre der Übergang zu einem neu zusammengestellten Team aus Beiständen leichter.

Was aber hat das Misstrauen verursacht? Unter den Opfervertretern kursieren zwei Theorien. Erstens: Zschäpe ist mit dem Verteidigungsstil der Anwälte unzufrieden. Zweitens: Sie möchte, wie sie einst vor einem Polizisten angekündigt hatte, aussagen – gegen den Willen von Heer, Stahl und Sturm.

„Meines Erachtens war es eine Frage der Zeit, bis Zschäpe die Konsequenzen aus der Verteidigung zieht“, sagt die Anwältin Angelika Lex. Die Verteidiger hätten Anträge gegen das Gericht, etwa Misstrauensanträge gegen die Richter, vorgebracht – und sich nicht auf die Entkräftung der Vorwürfe gegen Zschäpe konzentriert.

In den vergangenen zwei Tagen ging es im NSU-Prozess um Tino Brandt, der als V-Mann an den Thüringer Verfassungsschutz berichtet hatte. Doch zu seiner Spitzeltätigkeit hatten die Verteidiger am Mittwoch keine Fragen. Sie befassten sich mit Brandts Aussage, Zschäpe habe nicht wie eine „dumme Hausfrau“ gewirkt. „Man muss sich fragen, ob hier nicht Angriffe auf den Verfassungsschutz erfolgen sollten“, sagt Lex.

Behnke sagt: „Ich denke, dass die Fragen der Verteidigung der Angeklagten nicht gefallen haben.“ Er will indes ebenfalls nicht ausschließen, dass die Initiative von Heer, Stahl und Sturm ausging, die das Mandat loswerden wollten und Zschäpe um das Misstrauensvotum gebeten hätten.

Mehrere Beteiligte werten es als durchaus möglich, dass Zschäpe aussagen will. „Man muss das vielleicht so interpretieren, dass hier ein Umdenken stattgefunden hat“, sagt Lex. Sowieso sei für die Hauptangeklagte fraglich, ob „Schweigen das Mittel der Wahl ist“. Es könne sein, dass neue Verteidiger „mit ihr eine neue Strategie entwickeln und sie aussagt“, sagt der Verteidiger Johannes Pausch, der den Mitangeklagten Carsten S. vertritt. Das sei allerdings Spekulation. Er halte es auch für möglich, dass sich neue Anwälte in 30 Tagen in einen Prozess einarbeiten können.

Auch bei der Bundesanwaltschaft, also den Vertretern der Anklage, ist die Überraschung groß: „Das ist ein seltener Antrag“, sagt Bundesanwalt Herbert Diemer. Es komme selten vor, dass eine entsprechende Forderung nach dem Austausch der Pflichtverteidigung Erfolg habe, die Hürden seien hoch.

Der Jurist Udo Vetter hält es für wahrscheinlich, dass Zschäpe und ihre drei Verteidiger einvernehmlich um die Auflösung ihrer Mandate bitten. Gleichzeitig, so schreibt Vetter in seinem Blog, könnte die Angeklagte eigene Anwälte benennen, die bereit sind, sie ohne Zeitverzögerungen und Extrakosten zu verteidigen. Dem würden sich Gerichte normalerweise nicht versperren. Sollte das nicht funktionieren, könnte sie diese aus der eigenen Tasche finanzieren.

Das Gericht habe aber auch das Recht, dem offensichtlichen Wunsch Zschäpes nach einer Entpflichtung der bisherigen Anwälte nicht nachzukommen. Vor allem, wenn dies der Sicherung der Fortführung des Verfahrens diene – was laut Vetter wahrscheinlich ist. Würde etwa die Finanzierung der neuen Verteidiger platzen, säße Zschäpe womöglich alleine auf der Anklagebank und der Prozess würde unnötig verzögert. Insofern könnte es passieren, dass die neuen Verteidiger künftig neben den bisherigen sitzen.

 

Tino Brandt: Spinne im Netz der rechten Szene – Das Medienlog vom Mittwoch, 16. Juli 2014

Gemessen am Medieninteresse ist Tino Brandt der bislang wichtigste Zeuge des NSU-Prozesses: Die erste Vernehmung des Thüringer Neonazis und Ex-V-Manns begleiteten am Dienstag etliche Journalisten mit Berichten. Der Grund: „Brandt ist eine der zentralen Figuren in diesem Verfahren, vielleicht sogar die zentrale“, befindet Mirko Weber von der Stuttgarter Zeitung. Dazu trägt auch Brandts Rolle als Spitzel bei, die Einblicke in die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes bietet: „Wieder einmal fällt kein gutes Licht auf die Behörde“, heißt es.

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