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„Warum haben Sie meinem Vater das angetan?“

Im Terrorprozess hat der Sohn des ersten NSU-Opfers Enver Şimşek gesprochen. Trotz seines Leids ist er bereit, sich zu versöhnen – aber nicht mit Beate Zschäpe.

„Als ich zu meinem Vater durfte, fiel mir gleich auf, dass sein linkes Auges zerfetzt war. Ich habe drei blutverschmierte Löcher in seiner Brust und seinem Gesicht gesehen. Insgesamt habe ich sechs Löcher gezählt. Das werde ich nie vergessen.“

Man hört es an der Stimme von Abdul Kerim Şimşek, wie dieser Moment vor gut 17 Jahren sich bei ihm eingebrannt hat. Der 10. September 2000, die Intensivstation des Nürnberger Krankenhauses. Sein Vater Enver in dem Zimmer, an Apparate angeschlossen. Keiner wollte ihm sagen, was passiert ist. Doch der Sohn, 13 Jahre alt, begriff es auch so.

Um das, was einen Tag zuvor in Nürnberg geschehen war, geht es vor dem Oberlandesgericht München. Abdul Kerim Şimşek ist Nebenkläger im Prozess um die rechtsextreme Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Der heute 30-Jährige hält, als einer von wenigen Betroffenen, ein eigenes Plädoyer. Zehn Morde hat der NSU begangen. Enver Şimşek war Opfer Nummer eins, niedergeschossen am 9. September 2000 an seinem mobilen Blumenverkaufsstand, an einem Parkplatz ganz am Rande von Nürnberg. Von Kunden alarmierte Polizisten fanden ihn dort schwer verletzt.

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Der Horror der Hinterbliebenen – Das Medienlog vom Mittwoch, 10. Januar 2018

Die Schlussvorträge der Nebenklage sind in der Endphase, doch am Dienstag ging es um die Tat, die ganz am Anfang der NSU-Mordserie stand: den Mord an Enver Simsek im Jahr 2000. Stellvertretend für alle Anwälte der Familie sprach die Anwältin Seda Basay. Am Beispiel der Hinterbliebenen schilderte sie detailliert, wie die Simseks unter den Verdächtigungen und Unterstellungen der Ermittler litten.

„Der Horror der Tat und der Horror der Ermittlungen sind den Zuhörern so nah, dass es schmerzt“, bilanziert Frank Jansen vom Tagesspiegel. Die Witwe wurde demnach drangsaliert, ihr wurde suggeriert, dass ihr Mann eine Geliebte hatte und sich im Drogengeschäft betätigte. Auffällig sei gewesen, dass Beate Zschäpe häufig mit ihrem Anwalt Mathias Grasel gesprochen habe. „Ob die Angeklagte womöglich doch berührt ist und ins Nachdenken kommt, bleibt offen.“

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403. Prozesstag – Nebenklageanwälte halten weitere Schlussvorträge

Am heutigen Mittwoch werden die Plädoyers der Nebenklage-Anwälte fortgesetzt. Es geht weiter mit den Plädoyers der Nebenklage-Anwälte. Insgesamt 55 Vertreter der Angehörigen von Mordopfern und der Geschädigten von Bombenanschlägen und Rauben halten ihre Schlussvorträge im NSU-Prozess. Viele nutzen die Gelegenheit, um insbesondere die Ermittlungsbehörden, den Verfassungsschutz und die Bundesanwaltschaft zu kritisieren. Deren Festlegung auf den NSU als Gruppe aus drei Mitgliedern stößt bei vielen Anwälten auf heftigen Protest.

Die Vorträge sollen den Opfern eine Stimme geben. Meist vertreten durch ihre Anwälte, können sie dabei auch ein Strafmaß für Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten Ralf Wohlleben, André E., Holger G. und Carsten S. fordern.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Der Kampf des Sohnes

Im NSU-Prozess setzen die Hinterbliebenen ihre Plädoyers fort. Am Beispiel der Familie des ersten Mordopfers zeigt sich, wie sehr die Angehörigen unter den falschen Verdächtigungen der Ermittler litten.

Er wird froh sein, wenn es vorbei ist. Sich der Sache stellen. Denn nichts sagen, nicht hingehen und andere reden lassen – das geht ja nicht. Und so steht Abdul Kerim Şimşek am Dienstag vor dem Münchner Oberlandesgericht mit glasigen, dunkel umrandeten Augen. Seine Stimme zittert. „Ich will es einfach hinter mich bringen“, sagt er.

Der 30-Jährige ist Nebenkläger im NSU-Prozess. Verhandelt wird dort auch der Mord an seinem Vater, dem Blumenhändler Enver Şimşek. Am 9. September 2000 war Şimşek das erste Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe geworden. Bis der NSU gut elf Jahre später aufflog, galten die Familienmitglieder der Polizei als Verdächtige. An diesem Tag endet die Winterpause des Verfahrens.

Wie alle Nebenkläger kann Abdul Kerim Şimşek in dem Verfahren ein Plädoyer halten. Nur wenige tun das. Doch für ihn, den hier geborenen Deutschtürken, sei es praktisch Pflicht. „Das ist die einzige Gelegenheit, bei der ich eine Stimme kriege. Ich tue das für meinen Vater“, sagt er.

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Das Verdienst der Nebenklage – Das Medienlog vom Dienstag, 9. Januar 2018

Heute gehen die Plädoyers der Nebenklage im NSU-Verfahren weiter. Die Vertreter der Hinterbliebenen haben Gericht und Anklage kritisiert und mehr Aufklärung gefordert. Angesichts der starken Rolle der Anwälte wurde bereits gefordert, die Rechte der Nebenklage zu beschränken. Eine falsche Schlussfolgerung, kommentiert Frank Jansen vom Tagesspiegel: „Die 95 Nebenkläger und ihre 60 Anwälte haben das Mammutverfahren keineswegs an den Rand des Scheiterns gebracht oder um Jahre verlängert.“ Sie hätten hingegen viel zu dem Prozess beigetragen. Schließlich gelte: „Liberalität und langer Atem sind Markenzeichen des Rechtsstaats.“

Eine Reportage von Christian Gesellmann im selben Blatt beschäftigt sich mit dem Leben in Zwickau, „einer von Rechten dominierten Stadt“, in der das NSU-Trio gelebt hatte. Dort werde das Problem des Rechtsextremismus systematisch verharmlost.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 10. Januar 2018.

 

402. Prozesstag – Plädoyers der Opfervertreter gehen weiter

Nach der Winterpause nimmt das NSU-Verfahren heute seine Arbeit wieder auf. Es geht weiter mit den Plädoyers der Nebenklage-Anwälte. Insgesamt 55 Vertreter der Angehörigen von Mordopfern und der Geschädigten von Bombenanschlägen und Rauben halten ihre Schlussvorträge im NSU-Prozess. Viele nutzen die Gelegenheit, um insbesondere die Ermittlungsbehörden, den Verfassungsschutz und die Bundesanwaltschaft zu kritisieren. Deren Festlegung auf den NSU als Gruppe aus drei Mitgliedern stößt bei vielen Anwälten auf heftigen Protest.

Die Vorträge sollen den Opfern eine Stimme geben. Meist vertreten durch ihre Anwälte, können sie dabei auch ein Strafmaß für Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten Ralf Wohlleben, André E., Holger G. und Carsten S. fordern.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Warten auf ein neues Leben – Das Medienlog vom Montag, 8. Januar 2018

Derzeit laufen die Plädoyers der Nebenkläger im NSU-Prozess. Die Hinterbliebenen der Opfer stellen ihre Sicht der Dinge dar. Doch wie genau sieht es in ihnen aus? Beispielhaft stellt dies eine Reportage von Armin Lehmann im Tagesspiegel dar. Es geht um Abdul Kerim Simsek, Sohn des 2000 in Nürnberg ermordeten Enver Simsek.

Demnach ist die Tat eine Hypothek, die bis heute auf dem 30-Jährigen lastet. Der NSU habe Simsek „ein anderes Leben aufgezwungen“. Noch immer hadere der Sohn mit seinem Schicksal und auch mit dem Sinn des Prozesses in München: „Vor ihm eine Wand, die er nicht überwinden kann. Dahinter wiederum, glaubt er, könnte ein glücklicheres Leben warten. Vielleicht.“

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 9. Januar 2018.

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Am Freitag, 5. Januar, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

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Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 8. Januar 2018.

 

Denkwürdige Momente – Das Medienlog vom Donnerstag, 4. Januar 2018

Auch im zurückliegenden Jahr war der NSU-Prozess wieder kontrovers, konfrontativ und spannungsgeladen. Präsentiert wurden ein psychiatrisches Gutachten über die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und eine weitere Expertise, die für die Verteidigung zum Desaster wurde. Die Bundesanwaltschaft forderte lebenslange Haft für Zschäpe und ließ einen Mitangeklagten verhaften. Bewegend fielen die Plädoyers der Nebenklage aus.

Momente wie diese hat das SZ-Magazin der Süddeutschen Zeitung wie in den vorigen Jahren in umfangreichen Protokollen (kostenpflichtig) festgehalten. Sie zeichnen nach, wie sich Schlüsselszenen des Verfahrens abgespielt haben.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 5. Januar 2018.

 

NSU-Urteil in diesem Sommer? – Das Medienlog vom Mittwoch, 3. Januar 2018

2018 wird aller Voraussicht nach das Jahr sein, in dem das Urteil im NSU-Prozess fällt – und zwar wahrscheinlich im Sommer, wie es in einem Übersichtsartikel der Nachrichtenagentur AFP heißt (hier bei Daily Sabah). Zuvor stehen noch die vermutlich kontroversen Schlussvorträge der Verteidigung an, die sehr detailreich ausfallen dürften. „Unabhängig davon, wann und welches Urteil gesprochen wird, konnte das Verfahren die Trauer und Wut vieler Angehöriger aber nicht lindern“, heißt es. Diese würden durch den Richterspruch wohl nicht „ihren Frieden“ finden können.

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