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Verteidiger kritisieren Vernehmung von Schweizer Zeugen – Das Medienlog vom Mittwoch, 17. September 2014

Vor einer Aussage in München hatten sich die Schweizer Zeugen Peter Anton G. und Hans Ulrich M. gedrückt – nun beginnt das Gericht, ihre Aussagen bei der Schweizer Polizei in den NSU-Prozess einzuführen. G. soll die Mordwaffe Ceska 83 bei einem Händler gekauft oder seinem Freund M. den Kauf ermöglicht haben. Dieser soll sie nach Deutschland gebracht haben. Zwei Ermittler gaben wieder, was G. ihnen in mehreren Vernehmungen gesagt hatte – die teils harschen Nachfragen der Verteidiger machten dabei „anschaulich, wie zäh die Prozessparteien um jede Kleinigkeit ringen, die am Ende vielleicht von Vorteil sein kann“, schreibt Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk.

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139. Prozesstag – Weitere Details zu Schweizer Waffenschmugglern

Wie am Vortag untersucht das Gericht am Mittwoch den mutmaßlichen Waffenschmuggel, durch den die Mordwaffe Ceska 83 in die Hände des NSU gelangte. Dazu wird erneut der Schweizer Polizist Patrick R. gehört, der zwischen 2009 und 2012 die Zeugen Peter-Anton G. und Hans-Ulrich M. vernommen hatte. Sie sollen die Pistole 1996 gekauft und an Mittelsmänner in Deutschland weitergegeben haben.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Räuberpistole aus der Schweiz

Durch Helfer gelangte die Mordpistole Ceska aus der Schweiz zum NSU-Trio. Der erste Mittelsmann gab sich ahnungslos – obwohl er wusste, dass mit der Waffe nichts Gutes geplant war.

Irgendwann fühlte sich Peter Anton G. aus der Nähe von Bern nur noch als Opfer. Sechsmal musste er für Befragungen zur Polizei, einmal saßen ihm gleich fünf Ermittler gegenüber, zwei Schweizer und drei Deutsche. Das Thema war immer dasselbe: Es ging um eine Pistole vom Typ Ceska 83, Kaliber 7,65 mm Browning, die er sich angeblich von einem Waffenhändler hatte liefern lassen. In der Schweiz mit ihren liberalen Waffengesetzen ein alltäglicher Kauf – nur waren mit dieser Pistole neun Menschen in Deutschland erschossen worden.

Die Ceska 83 war die Mordwaffe des NSU, die über mehrere Mittelsmänner nach Chemnitz geliefert wurde. Zwei von ihnen saßen in der Schweiz, einer davon war Peter Anton G. – das erste Glied der Lieferkette. Er hatte, so die Rekonstruktion der Ermittler, die Waffe im April 1996 gekauft. Bei Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kam sie 1999 oder 2000 an.

Mithilfe von Waffengutachten ermittelten die Beamten des Bundeskriminalamts früh den Typ der Waffe und deren Herkunft – 2007 stießen sie über den Waffenhändler auf den Namen Peter Anton G., der zwei Exemplare des Modells gekauft hatte. Damals lief die Mordserie noch. Vor dem Auffliegen des NSU im November 2011 wurde G. dreimal vernommen. Doch die Schmuggelroute offenbarte sich erst nach der Selbstenttarnung.

Das lag zum einen daran, dass G. zuvor nicht den Namen seines Freunds Hans Ulrich M. nannte. Dieser hatte G. nicht nur in das Waffengeschäft hineingezogen, sondern verkaufte die Pistole später auch weiter an einen Bekannten in Deutschland, der sie gezielt für den NSU gesucht hatte. Zum anderen sprach G. immer wieder von Gedächtnisschwierigkeiten infolge einer Krebserkrankung – und tischte den Ermittlern regelmäßig dieselben Lügen auf.

G. soll seine Krankheit vorgeschoben haben

„Mein Eindruck war, dass er seine Krankheit vorgeschoben hat“, sagt denn auch der Schweizer Polizist Christian M., der als Zeuge im Prozess auftritt. Zweimal vernahm er G. in den Jahren 2007 und 2008. Als er den Zeugen im Anschluss an die Gespräche fragte, ob er die Wahrheit gesagt habe, habe G. „ein gewisses Achselzucken“ gezeigt und nicht geantwortet. Im Folgejahr führte der Polizist Patrick R. eine weitere Vernehmung.

Beide Ermittler waren skeptisch gegenüber dem, was G. ihnen erzählte – zu Recht, wie aus heutiger Sicht klar ist: Bei den Schilderungen aus den ersten Gesprächen handelte es sich im besten Wortsinne um Räuberpistolen. Denn darin häuften sich schier unglaubliche Zufälle.

G. hatte nach eigenen Aussagen zwei sogenannte Waffenerwerbsscheine beantragt, die in der Schweiz Voraussetzung für den Kauf sind. Eine davon berechtigte zum Erwerb zweier Pistolen vom Typ Ceska. Damit, sagte G., habe er Waffen für sich und seine Frau kaufen wollen. Sie hätten in einem Schützenverein mit Schießen als Hobby beginnen wollen. Dazu sei es jedoch nicht gekommen, weil G. seine Arbeit verlor und krank wurde, das Hobby wäre angeblich zu teuer geworden.

Waffen für „bestimmte Kreise“ in Deutschland

Tatsächlich waren die Erwerbsscheine während des finanziellen Engpasses nützlich: G. verkaufte sie für 400 Schweizer Franken an seinen Freund Hans Ulrich M.: „Für mich war das damals viel Geld.“ M. hatte ihm von einem interessanten Deal erzählt: Er wollte mit den Scheinen Waffen kaufen, um ein klandestines Exportgeschäft aufzubauen. Ziel sollten „bestimmte Kreise“ in Deutschland sein, wie M. sagte. G. ahnte bereits, dass es nicht um einen seriösen Handel ging – vor allem, als der Freund ihm riet, nicht weiter nachzufragen.

Bei der Polizei behauptete G. dann zunächst, er habe die Dokumente verloren – und außerdem seine Identitätskarte, den Schweizer Personalausweis. Später tauchte das Papier zufällig wieder bei G. auf. Ungeklärt ist die Frage, ob M. in der Zwischenzeit die Pistole auf G.’s Namen bestellt hatte.

Unbekannte Pakete im Hobbykeller

Bei der Lieferung der Waffe gingen die Merkwürdigkeiten indes weiter: Manchmal seien Pakete einfach in seinen Hobbykeller geliefert worden, sagte G. den Ermittlern, und der sei öffentlich zugänglich gewesen. Nach einem möglichen Einbruch gefragt, antwortete er, er schließe erst seit Kurzem sein Haus ab.

Welche Rolle also spielte G. im Waffenkomplex? War er ein Naivling, der sich für ein bisschen Geld möglicherweise der Beihilfe zum Mord schuldig machte? Ein bereitwilliger Helfer? Die Grenzen zwischen beiden Möglichkeiten sind nur schwer zu ziehen – vor allem, weil G. seine Glaubwürdigkeit durch seine früheren Angaben schwer beschädigt hatte.

Als Zeugen im NSU-Prozess ließen sowohl er als auch sein Freund M. ihre Vernehmungstermine in München platzen. Daraufhin wurden sie im Juni vor einem Schweizer Gericht befragt und bestritten wiederum ihre Beteiligung. Ihre Antworten werden demnächst in die Verhandlung eingeführt – vermutlich klingen sie wieder äußerst fantasievoll.

 

Der mysteriöse Todesfall von Heilbronn – Das Medienlog vom Dienstag, 16. September 2014

Vor genau einem Jahr starb der 21-jährige NSU-Zeuge Florian H., als sein Auto nahe Stuttgart in Flammen aufging. H. hatte zuvor unschlüssige Angaben gemacht, die etwas mit dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter von 2007 in Heilbronn zu tun hatten. Die Staatsanwaltschaft stufte den Todesfall als Selbstmord ein – doch viele Beobachter halten diese These für unlogisch: „Es ist einer der rätselhaftesten Todesfälle im Umfeld des NSU-Terrors“, urteilt Christian Rath in der taz. Auch H.s Eltern wollen erreichen, dass erneut in dem Fall ermittelt wird.

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138. Prozesstag – Schweizer Zeugen zur Mordwaffe

Die Mordpistole Ceska 83 stammt aus der Schweiz und wurde über mehrere Mittelsmänner an den NSU geliefert. Gekauft und außer Landes geschmuggelt haben sollen sie die Schweizer Peter G. und Hans-Ulrich M., die im Juni von einem Gericht in der Nähe von Bern befragt wurden. Ergebnisse früherer Vernehmungen führen die Richter mit zwei Zeugen der Schweizer Kantonspolizei ein. Die Beamten schildern den Inhalt von Gesprächen, die sie zwischen 2007 und 2012 mit G. und M. führten.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Auch am Montag, 15. September, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 16. September 2014.

 

Neue Termine im NSU-Prozess – Das Medienlog vom Donnerstag, 11. September 2014

Für das kommende Jahr hat der sechste Strafsenat des Münchner Oberlandesgerichts neue Termine im NSU-Prozess veröffentlicht. Angesetzt sind 57 weitere Verhandlungstage bis Ende Juni 2015. Werden sie ausgeschöpft, überschreitet die Prozessdauer damit die Zwei-Jahres-Marke. Begonnen hatte das Verfahren am 6. Mai 2013.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 12. September 2014.

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Am Mittwoch, 10. September, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 11. September 2014.

 

Ermittler sollen Zeugen angebrüllt haben – Das Medienlog vom Montag, 8. September 2014

Die Verhörmethoden der Bundesanwaltschaft waren am 137. Prozesstag Thema im NSU-Verfahren – und rückten diese in ein schlechtes Licht: Offenbar hatten Vernehmungsbeamte den Zeugen Enrico T. bei einem Termin in Karlsruhe angebrüllt und eingeschüchtert, wie ein Kommissar einräumte. T. soll an der Beschaffung der Mordwaffe Ceska 83 beteiligt gewesen sein. Die Vernehmung im August 2012 muss „durchaus anders verlaufen sein als die im Münchner Gerichtssaal“, berichtet Gisela Friedrichsen bei Spiegel Online. Der Beamte sprach davon, dass das Gespräch „wortstark“ und mit einer „erhöhten Dezibel-Zahl“ geführt worden sei.

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Rechtes Spitzenpersonal aus dem Erzgebirge

Der Bruder des Angeklagten André E. hat im NSU-Prozess die Aussage verweigert. Der Fall der Familie zeigt, wie sich in Ostdeutschland die Ideologie des Fremdenhasses verbreiten konnte.

André E. setzt ein triumphierendes Grinsen auf und blickt zu seinem Zwillingsbruder Maik, der auf der Zuschauertribüne in der ersten Reihe sitzt. Der grinst, genauso breit, zurück. Sein Bruder ist angeklagt als Helfer des NSU, er soll dem Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Ausweise besorgt und Wohnmobile für sie gemietet haben. Grund für die Heiterkeit der Geschwister ist der Auftritt ihres gemeinsamen großen Bruders Ronny E., der kurz zuvor den Gerichtssaal verlassen hat.

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