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Mann und Poesie ist wie Mann und Kosmetik

Ein Mann verzweifelt. Seine Frau liest plötzlich Gedichte. Warum kocht sie nicht lieber Marmelade ein? Unser Kolumnist versucht zu vermitteln. Das Fax der Woche

Pasche Bombe, Zypriot, neuer Mann im Viertel, Arme wie Kellen, Beine wie Keulen, sagt in der Stunde seiner Verstimmung: Der Heiland, der ist mir gut, der hält einen Platz für mich frei… Er will über das Himmelreich reden, ausgerechnet mit mir, dem Muslim, er will mich im Kieler Hafenbecken taufen, ich lehne ab.

Er schraubt den Deckel des Weckglases auf, sticht mit der Plastikgabel eine Orangenscheibe mit Schale heraus, der Sirup tropft mir auf Hosensaum und Schuhe, ich mag Pascha nicht verärgern, beiße ein Stück ab. Es schmeckt wie gesüßter Ziegelsplitter, er reißt mir beim Schlucken den Rachen auf. Ich lobe die Marmeladenkochkünste seiner Frau, er verbittet sich das Lob, tänzelt um die Discounter-Kassiererin, der er eine tropfende Orangenscheibe vors Gesicht hält. Weiter„Mann und Poesie ist wie Mann und Kosmetik“

 

Nachts sind alle Menschen schwarz

Unser Kolumnist bekommt über Nacht schwarze Haut. Frauen wollen ihn küssen, Männer recken die Fäuste. Er gibt ihren Vorurteilen Gestalt. Das Fax der Woche

Ich hatte einen Traum: Ich war schwarzhäutig. Hatte sich ein Schleier aus Fliegen auf mein Gesicht gelegt? Hatte ich mich bis zur Unkenntlichkeit verbrannt? War ich eine wiederauferstandene weiße Leiche? Ich strich mit der Handkante über den Spiegel: Das Bild verblasste nicht. Ich war befremdet, den ganzen Morgen, da ich mich versteckte vor den Menschen, die mich kannten, die mich nicht wiedererkennen würden.

In diesen Stunden in meinem Unterschlupf verwuchs ich mit meiner neuen Haut. Schwärzer als das Schwarz auf den Farbbögen der Weißen. Ich sah nicht aus wie einer der Mulattenjungen, von denen die Schulmädchen schwärmten. Ein dunkler Mann, den die Nacht leicht verschluckt, das war ich. Ich schritt hinaus, ich wurde von einem Kind entdeckt, es sagte: Bist du ein Neger? Ich sagte: Bist du ausgebleicht?, dann ging ich weiter. Dies eine Wort klang nach, dies eine Wort wurde zum Gerücht, älter als das Kind, jünger als der Himmel. Weiter„Nachts sind alle Menschen schwarz“

 

Schweinekruste statt Stalingrad

Ist Merkel eine plappernde Walküre? Rennen alle Ostler zu Deppendemos? Unser Kolumnist schlendert durch Sachsen und sinniert über deutsche Geschichte. Das Fax der Woche

Dresden, Stadt der Heldenmenschen, Ankunft am schönen Frühlingstag. Bullen schnallen sich Panzerpolster an, die Bürger des Abendlands wollen am Montag wieder spazieren gehen. Erblicke zwei grimmige Sachsen auf dem Weg zur Deppendemo. Entdecke schlanke Sächsin, die an den Fassaden entlang schnürt, sie schimpft die Männer aus. Droht Getümmel? Den Sachsen schießt das Blut in die Kalbsschädel, sie bleiben ruhig. Gemiedlichgeed.

Am frühen Abend: Arbeit an Texten von Muttersprachlern. Ich krähe: Deutsche Worte sind mächtig und heftig, gebraucht sie! Es kräht ein junger Schreiber zurück: Deutsche dichten doch deutsch, denkt daran! Gelächter, Gemiedlichgeed.

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Brustenthaarung oder lieber Häschenkostüm

Wette verloren! Und dann auch noch Zugfahren und Gespräche mit Liebhabern schwer lesbarer Gegenwartsprosa. Unser Kolumnist hat es wirklich nicht leicht. Das Fax der Woche

Frankfurt-Köln, Schnellzug schießt mit 300 km/h röhrend durch die Tunnel, taumele nach der Ankunft schweißgebadet über den Bahnsteig. Homobeau mit Windhund an der Leine steht in der markierten Raucherzone, führt brüllend Handygespräch mit dem Freund, der ihn mit Homowirt in der Eckkneipe betrog. Weiter„Brustenthaarung oder lieber Häschenkostüm“

 

Die große Säuberung der enthemmten Knechte

Was sind das für gottlose Kerle, die beim Anblick von Gemarterten johlen? Unser Kolumnist verzweifelt am islamistischen Terror. Das Fax der Woche

Gott und Glaube brechen mit Gewalt ein in meine Welt. Die Sektierer morden und brennen, sie stapeln die Häupter der Geschundenen zu Haufen. Sie schänden Mädchen oder übergeben sie zur Schändung an andere Mordbuben. Sie hämmern auf Standbilder, auf Tontafeln, auf steinerne Fabelwesen. Die große Säuberung der enthemmten Knechte. Herz verhärtet, Schädel leer, Blut an den Händen. Schwarz vermummtes Pack. Gott der Moslems, der Herr von uns Moslems ist der schöne Herrscher, es ist der schöne Gott meiner Huldigung.

Was zählt mein Bekenntnis in den Augen der Freunde und Bekannten? Sie sagen: Wir sind nicht dumm. Wir sehen diese Henker, wir hören ihr Triumphgeschrei. Und du erzählst uns was vom gnadenvollen Gott? Daran glaubt ihr? Was ist dann mit den Muselmanen los, die den Propheten rächen? Die Kopfabschneider, sind das Hindus? Willst du uns milde stimmen, wo doch deine Glaubensbrüder kleine heilige Kriege führen?… Sie haben recht. Ich kämpfe um mein Seelenheil. Weiter„Die große Säuberung der enthemmten Knechte“

 

Das Märchen vom Bulimie-Teenager

Fantasie ist Lüge! Das Volk will echtes Fleisch und Blut. Unser Kolumnist verstrickt sich in Diskussionen über Kunst und wird fast geschlagen. Das Fax der Woche

Der Herr Aristokrat ist ein Schaubild der Verkniffenheit, ein geschwollener Mann. Er steht im Zimmer, Werkstattbesuch beim malenden Schreiber, beim schreibenden Maler, bei mir. Kaffee oder Tee oder Wasser lehnt er ab. Ich stelle Blatt im Passepartout auf die Staffelei: Frau in Fetzen, sie betrachtet den Betrachter, Maskengesicht, Wind fährt ihr in die Ärmel, bauscht sie auf. Der Herr ist interessiert, ich soll ihm die Geschichte zum Bild erzählen. Frei erfunden, frei gemalt, sage ich, kein Modell aus dem wirklichen Leben, der Urheber bin ich…

Er stutzt: In seiner Welt ist kein Platz für Hirngespinste und Farbeffekte ohne Grund, es will ihm scheinen, als wollte ich ihn veräppeln. Rumpf, Kopf, Arme, Beine, alles vorhanden. Aber die Seele, die von mir kostümierte, die Seele der Frau in Acryl, diese Seele ist nicht Luft noch Leere. Ich soll ihm wenigstens den Vornamen der Dame verraten. Ich beteuere, dass ich sie nicht kenne. Der Herr Aristokrat möchte mit einem Lügner niederen Standes nichts zu schaffen haben, er rauscht davon.

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Entfesselte Sau oder Shampoo-Linker?

Kann Kunst heute noch politisch sein? Unser Kolumnist wird von blutjungen Frolleinwundern gepiesackt und hält das Banner dennoch hoch. Das Fax der Woche

Der morsche Holzpoller am Hundeauslaufrasen ist umgetreten. Kumpels streiten über die Frage, ob das Viertel kippt. Der eine: Nix, neuer Poller und das Viertel glänzt. Der andere: Obrigkeit lässt uns verlausen. Er gibt mir das Stichwort, ich sage: Es wird nie geschehen, der Aufruhr mit gutem Ausgang. Kumpels verlachen mich als Shampoo-Linker. Was ist das? Das ist ein Mann, der Greisenpsalmen flüstert. Ein Sitzblockadenknaller. Ein Liebwilli des gewaltlosen Protests.

Kaffeepötte in der Hand, Mund zum Schluck gespitzt, die Kragen der Gaunermäntel hochgeschlagen: Wir lungern zwischen Kiosk und liegendem Poller, sprechen über Politik. Bert ist der Jüngste in der Runde, er tritt nach Grasbüscheln auf dem Pflaster, und weil ihn die Unruh‘ plagt, tritt er auch nach Steinen. Ein Stein prallt gegen die Stoßstange eines Autos. Fahrer steigt aus. Fahrer nennt Bert Missgeburt. Bert nennt ihn Arschbacke.

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Die Stille nach dem Erbrechen

Unser Kolumnist ist jetzt Mainzer und weiß, was tun, wenn die Wurst zu doll wackelt. Sollen die Frankfurter doch sagen, er hat einen Schuss an der Waffel! Das Fax der Woche

Mainz. Mein erster Tag als Stadtschreiber. Aschermittwoch, Fastnacht vorbei, Putztruppe fegt den Marktplatz sauber, der leichte Wind lässt Konfettischnipsel aufflattern. Beziehe brandschutzsaniertes Dichterdomizil. Krache als Arschbombe aufs frischbezogene Bett. Vom dritten Stock runter vor die Tür, starre hoch zur Stuckdecke: Putte greift Putte an die ausgewachsene Brust. Finde einen abgefallenen schwarzen Türkenbart beim Gang um den Dom. Zeichen oder Zufall, es wird sich zeigen. Im Lottoladen darf man Kaffee trinken. Erhitzter Mann ruft: Die wollen uns in’d Engä dreibä. Kollegen grölen: Jawoll! Frage nicht nach, wer da jagt, und wer von wessen Flintenschuss erlegt wird.

Laufe durch hohle Gassen, will Geschichte fühlen, spür aber nur Hunger. Blick auf die Speisekarte im Kasten am Bierbrauhaus Zum Halben Runden Rad: Handkäs mit Musik, Saftrippchen mit e Gurk. Rüttele an der verschlossenen Tür. Laufe am Rhein entlang, will Legenden fühlen, stoße auf einen Baum, an dessen Ästen abgelatschte Turnschuhe hängen. Auf gestutzte Platanen, deren Astenden im Dunkeln aussehen wie zu Baumfäusten erkaltetes schwarzes Wachs. Esse Erdnüsse in der Wohnung. Weiter„Die Stille nach dem Erbrechen“

 

Der Mann mit dem Gewehr

Vorsicht vor Frauen, die mit geschnickten Popeln jeden Mann in Fleischbrei verwandeln. Unser Kolumnist spielt Anstandsdame und muss sich gut wappnen. Das Fax der Woche.

Stolz der Unterschicht: die einmalige Karin. Sie hat in ihren Reisepass Totenköpfe gemalt, und gekreuzte Schaftknochen, gleich neben dem Foto, auf dem sie aussieht wie die einmalige Karin. Ihr Anblick haut Siggi um. Roter Lack, rote Lippen, rotes Haar. Jan, der Kumpel vom Bau, hat ihn gewarnt: Finger weg von der Roten, vom Schmachten fällt dir der Arsch ab. Siggi lebt ohne Arsch. Und sitzt ohne Arsch im Eiscafé, am Tisch mit der tschilpenden Karin, die ihm aus Spaß den kleinen runden Mandelkeks ins offene Maul warf.

Die Freundin neben ihr ist Türkin, keine Pracht ihrer Sippe. Doofer als Karin, nicht so doof wie Siggi. Aysche im Glück, sie hat sich Affenschaukeln ins Haar geflochten, und mit Festiger besprüht, zwei Mini-Totenkränze liegen ihr auf den Ohren auf. Das Wort Rendezvous spricht sie aus, als ginge es um Kampfsport: Rand Fu. Sie sagt: Ich bin das erste Mal Anstandsdame bei einem Rand Fu. Und was bist Du? Siggis Gewährsmann, sage ich, er hat darauf bestanden. Jetzt starren mich alle an, und Siggi mahnt, ich solle mal keinen Kack erzählen, er sei unbewaffnet, und er brauche auch keinen Träger für ein Gewehr, er wolle im Bilde bleiben, Karin würde jeden Kerl, der mit einer Kanone auf sie schieße, mit einem geschnickten Popel aus ihrer herrlichen Nase in Fleischbrei verwandeln.

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Gruppenbild mit Liebeskasper

Die Auserwählte will sich für den Richtigen aufsparen. Vor lauter Sehnsucht verwechselt man Bohnen mit Pommes. Unser Kolumnist lernt, was Liebe ist. Das Fax der Woche

Große Not. Siggi, der Liebeskasper, glüht. Wir sitzen vor dem C﹠A-Eingang, gelegentlich leuchten die Lampen der Alarmschranken auf, eine verschreckte türkische Dame erstarrt mitten im Schritt, hält die Tüten hoch, läuft zurück zur Kasse. Neben uns, am äußersten Sitzrand, schaufelt ein netter Irrer Kartoffelsalat aus dem Plastiktöpfchen. Eine Mücke fliegt mir ins Gesicht. Ich denke: Wieso locke ich immer Käfer und Fliegen an? Weiter„Gruppenbild mit Liebeskasper“