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Eissturm war in Washington

Mit Rassismus ist es wie mit vielen Problemen: Es herrscht der Konsens, ihn abzuschaffen, aber die Apparate laufen weiter, die ihn aufrechterhalten. Zu Besuch in Washington

© Ann Cotten
© Ann Cotten

Bitte lassen Sie die Kunden zuerst aussteigen, heißt es in der U-Bahn in Washington, das Wort durch den überdehnten Gebrauch in einen sarkastischen Metajargon einschleusend. Müsste es nicht heißen: „the people who self-identify as customers“ – die Leute, die sich selbst als Kunden bezeichnen? Die Phrase von der Selbstidentifikation hat sich stark ausgebreitet, in offiziellen Formulierungen und Medien und im notorisch tastenden privaten Sprachgebrauch. Ironien sind im sogenannten uptalk oder high rising terminals (UK) zu einem standardisierten Unsicherheits-Absicherungsbrei geworden. Überall Mangel an Verben im Vokabular – stattdessen sagt man „ist“ mit einer Distanzierung und sucht dann nach einem passenden Adjektiv: it’s like, like, like, uhm … nice? Weiter„Eissturm war in Washington“

 

Der Zufallsgenerator

Könnte Trumps skandalöse Unberechenbarkeit nicht auch eine Art Hoffnung darstellen? Unsere Autorin ist nach New York gereist, um Amerika verstehen zu lernen.

© Timothy A. Clary/AFP/Getty Images
© Timothy A. Clary/AFP/Getty Images

Beim Anflug auf New York hatte ich mehrere Aufgaben im Kopf. Eine von ihnen war, herauszufinden, was es mit dem Trump-Problem wirklich auf sich hat. Klar, das ist ein übles Tier, ungustiös, die geradezu körperliche Ekelreaktion, von der viele sprechen, leuchtet sofort ein, und wenn ich daraus eine Meinung bilden wollte, wie es dem Menschen natürlich liegt – instinktiv empfundenen Ekel mit moralischen Gründen unterfütternd – wäre sie schon fertig. Weiter„Der Zufallsgenerator“

 

Warum nur alle Jahre wieder?

Überteuerte Bratwurst, am Karussell endlose Schlangen, das Kind schreit nach Zuckerwatte. Aber mit den richtigen Tricks überstehen Sie den Weihnachtsmarktbummel.

© Carl Court/Getty Images
© Carl Court/Getty Images

Sobald man etwas zweimal tut, hat es schon Tradition und man muss es deshalb immer wieder tun, so geht es mir mit dem jährlichen Besuch des Weihnachtsmarkts. „Tradition“ klingt allerdings harmlos, genauso könnte ich sagen, das Ausfüllen meiner Steuererklärung habe bei mir Tradition, oder dass ich jeden Winter an einer Magen-Darm-Grippe erkranke. Weiter„Warum nur alle Jahre wieder?“

 

Apropos weltoffen

An jeder Dorfeinfahrt steht, wann Weihnachtsgottesdienst ist. Nirgendwo erfährt man, wann Chanukka beginnt. Muss man dafür etwa Netanjahu anrufen? Es geht auch anders.

Chanukka-Markt in Berlin © Sean Gallup/Getty Images
Chanukka-Markt in Berlin © Sean Gallup/Getty Images

Ja, ich lese Zeitung. „Das ist das große weiße Papier mit der schwarzen Schrift“, erkläre ich meinen Söhnen, die nur noch an Dinge glauben, die mit „online“ anfangen. In der Regel lese ich in der Woche Tageszeitungen, am Wochenende die Beilagen, regional, überregional, je nachdem, wo ich mich befinde und was zu haben ist. Unterwegs klaue ich gerne in der 1. Klasse der Bahn die Zeitung, um sie genussvoll in der 2. zu lesen. Das befriedigt meine kriminelle Ader und die Sozialistin in mir. Weiter„Apropos weltoffen“

 

Hat da jemand Paranoia gesagt?

Normale Geisteshaltung? Vollkommen überschätzt! Lieber sollte man mal etwas Unsinniges tun. Zum Beispiel durch die Schweiz reisen und nach geheimen Botschaften suchen.

Das Montreux-Palace Hotel © [M] Philippe Desmazes/AFP/Getty Images
Wenn man den verkritzelten Stadtraum Berlins verlässt und, sagen wir mal, eintritt in ein von förstergrünen Straßenbahnen sanft durchbimmeltes Basel, dann kann es passieren, dass das Auge hungrig bleibt. Auch wenn es in der Baseler Buchhandlung mit dem tollsten Buchhandlungsnamen Basels, nämlich Labyrinth, zahllose Buchstaben zu verschlingen gibt. Viele stecken in den zu Studienzeiten süchtig eingekauften, aufgereihten, angeblätterten und gelegentlich sogar gelesenen stw-Bändchen, einige aber auch in dem schönen schmalen Band Simeliberg des Schweizer Autors Michael Fehr, erschienen im Verlag Der gesunde Menschenversand. Weiter„Hat da jemand Paranoia gesagt?“

 

Hoch lebe die nationale Randale

Auf Stippvisite in Ost und West. Was trifft man? Nichts als deutschen Fraß und deutsche Fressen. Dazu ein bisschen Hurra-Idiotie und reichlich gefühlsechte Bosheit.

Demonstration von Pegida-Anhängern in Dresden © Sean Gallup/Getty Images
Demonstration von Pegida-Anhängern in Dresden © Sean Gallup/Getty Images

Ich reise in die wüste Peripherie, zu den Verheerten mit dem morgendlichen Schnapsatem, zu den Kerlen, die rechts täuschen und rechts treffen. Zu den Zonenkatjas in KIK-Klamotten und Plastikgaloschen, zu ihren prächtig ostdeutschelnden Töchtern, die im Westen blühen und gedeihen, und aber sagen: Der Mensch aus dem Westen, der kennt uns nicht. Ich reise nach Dresden, der Stadt der tapferen Sachsen, der erzgebirgischen Volkskunst, in die Stadt mit der Elbbrücke, die Blasewitz und Loschwitz verbindet. Weiter„Hoch lebe die nationale Randale“

 

Trump in Teheran

Mit Argwohn blicken viele im Iran nun in die USA, stärker als zuvor. Seit der Wahl von Donald Trump fürchten sich Iraner nun vor härteren Sanktionen.

 © Abedin Taherkenareh/EPA/dpa
© Abedin Taherkenareh/EPA/dpa

Es kursiert in Teheran ein Witz, den ich während meiner zwei Wochen im Iran mehrmals höre. Kein Witz mit Pointe, sondern eher mit einem trockenen Lachen am Ende. Vielleicht ist es auch gar kein Witz, sondern einfach die Beschreibung eines neuen Ist-Zustandes, den die jungen Leute, die ich hier treffe, ebenso wenig erwartet haben wie meine deutschen Freunde und ich.

„Viele wollten vor Ahmadinedschad in den Westen fliehen“, wird mir erzählt, „und jetzt kommen sie in den USA an und haben ihn wieder vor sich.“ Die junge Frau, mit der ich an einem Dienstagabend zusammensitze, fügt noch hinzu: „Im Iran kann man aber wenigstens daran glauben, dass die Wahlen gefälscht waren!“ Weiter„Trump in Teheran“

 

Makronen! Meine Fresse!

Das war kein sehr schönes Jahr. Voller Auf und Ab, nur dieses Mal halt ohne Auf. Deshalb: Backen Sie diese dringend notwendigen Adventskekse. Versuchen Sie es wenigstens.

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© Getty Images

Wir wissen das alle: Das waren leider keine sehr schönen Wochen. Doch nun beginnt ja der Advent, die heilige Zeit, die Zeit der heiligen Plätzchen. Lassen wir also all die schlechten Nachrichten kurz hinter uns, ziehen uns unsere Schürzen über, klatschen in die Hände und fangen an zu backen. In schweren Zeiten gibt es schließlich keine bessere Ablenkung als das Backen. Hier exklusiv die besten Rezepte gegen die 2016-Tristesse: Weiter„Makronen! Meine Fresse!“

 

Die Gefangenen Russlands

20 Jahre Haft. Isolationszellen. Folter, bis der Wahnsinn ausbricht. Ukrainer erdulden in russischen Gefängnissen Unmenschliches. Etwa der Regisseur Oleh Senzow.

Das Moskauer Butyrka-Gefängnis © NATALIA KOLESNIKOVA/AFP/Getty Images
Das Moskauer Butyrka-Gefängnis © NATALIA KOLESNIKOVA/AFP/Getty Images

2016. Oleh Senzow, ein ukrainischer Filmregisseur und Schriftsteller, schreibt aus dem russischen Gefängnis, wo er bereits mehr als zwei Jahre sitzt: „Wenn wir Nägel im Deckel des Tyrannengrabes sind, dann wäre ich gerne einer.“ Alle Maßnahmen der ukrainischen Behörden, eine Freilassung oder Übergabe Senzows zu erwirken, scheiterten bis jetzt: Er habe Terroranschläge auf der okkupierten Krim im Mai 2014 geplant; eine Übergabe sei nicht möglich, da er automatisch seine ukrainische Staatsbürgerschaft verloren habe, als die Halbinsel Krim in die Russische Föderation eingegliedert wurde. Er sei jetzt ein Russe und dem Rechtssystem Russlands unterstellt. Was für eine feste Umarmung der neuen Heimat. Weiter„Die Gefangenen Russlands“

 

Zum Hass erzogen

Antisemitische Ressentiments breiten sich wieder aus und gefährden unsere Demokratie. Auch Flüchtlinge bringen Vorurteile mit. Wir müssen Aufklärung leisten!

© Maja Hitij/dpa
© Maja Hitij/dpa

Nicht, dass ich das Schmock oft besucht hätte. Es war cool, auf diese sterile Weise. Man sagt minimalistisch dazu, aber das Wort erzählt nichts von einer möglichen Kälte. Die Preise waren münchnerisch, und das Hummus war trotzdem nicht weich genug. Aber darum soll es hier nicht gehen, das hier ist keine Restaurant-Kritik. Das Schmock als Restaurant wird man in Zukunft eh nicht kritisieren können: Es schließt nämlich dieser Tage. Das vielleicht bekannteste, auf jeden Fall aber hipste israelische Lokal Münchens schließt. Aufgrund von gestiegenem Antisemitismus. Weiter„Zum Hass erzogen“