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Peter Brötzmann

Brötzen im Rohschnitt: Peter Sempels Film über den Ausnahme-Saxofonisten Peter Brötzmann feiert am 3. Oktober seine Premiere im Metropolis-Kino.

Dass der „Godfather of Free Jazz“ acht Stunden am Tag probt, will natürlich kein Laie glauben. Aber was Peter Brötzmann an irren Tönen und Geräuschen aus Saxofon, Klarinette und Tárogató so alles herausholt, hat sich der mittlerweile 73-jährige Remscheider mit Wohnsitz in Wuppertal seit den 1960ern schwer erarbeitet. Hamburgs „one and only“ Musikfilmpoet Peter Sempel (Dandy, Just Visiting This Planet, Nina Hagen – Punk & Glory, Lemmy, Die Ameise der Kunst) stellt den immer noch hoch energetischen Fluxus-Künstler, ehemaligen Assistenten von Nam June Paik und Pionier des europäischen Free Jazz in seinem jüngsten Filmwerk Rohschnitt Peter Brötzmann mit Aufnahmen unter anderem aus dem Hamburger Westwerk (wo Brötzmann schon zu einer Art Stammgast geworden ist) nun einem breiten Publikum vor.

 

Villa Nova

Aus dem alten Ego wird eine technoide Villa Nova. Am ersten Abend steht Gastgeber H.O.S.H zusammen mit Steve Bug an den Plattentellern.

Fünf Jahre lang betrieben die Macher des Diynamic Labels den Club Ego in der Talstraße. Mit der Schließung bot sich für zwei neue Veranstalter die Möglichkeit, ihren Traum des eigenen Ladens zu verwirklichen: Jörg Hill und Holger Behn eröffnen hier am 2. Oktober die Villa Nova, einen zeitlosen Techno- und House-Club. Beide sind in der Hamburger Szene keine Unbekannten. Seit zehn Jahren veranstalten sie das Grünanlage Open Air in Entenwerder. Behn ist zudem als DJ H.O.S.H. erfolgreich. Es wurde fleißig renoviert: das DJ-Pult nach hinten verlegt, Wand und Decke dunkelgrün gestrichen. Musikalisch setzen Hill und Behn hauptsächlich auf eigenes Booking und Programm. Neben nationalen und internationalen Acts sollen Hamburger Kreative durch einen Stamm von festen Residents unterstützt werden. Für Oktober haben bereits Nick Curly, My Favorite Robot, Ripperton oder Kollektiv Turmstrasse zugesagt. Am Eröffnungsabend wird Gastgeber H.O.S.H zusammen mit Steve Bug an den Plattentellern stehen. Zwei Tage später geht es mit neuen Residents und einem Überraschungsgast weiter.

Text: Gaby Olofson

 

„Knotenpunkt“

50 Künstler und eine Handvoll DJs: Die Galerie Affenfaust lädt vom 2. bis zum 5. Oktober zum Street- und Urban-Art-Festival in den Kolbenhof.

Leute, die an Arachnophobie leiden, sollten derzeit einen Riesenbogen um das Gängeviertel machen. Denn dort ist eine Riesenspinne eingezogen: Mit ihren glutroten Augen starrt sie hoch oben von der Hauswand in der Speckstraße. Gut, sie sieht ein wenig lädiert aus: Ihr Körper ist zweigeteilt und man kann ihre Innereien sehen – was sie nicht weniger gruselig macht. Der österreichische Graffiti-Künstler Nychos ist Schöpfer dieses eindrucksvollen Insekts, das Teil des Mural Kick Off des Knotenpunkt-Festivals ist: Mehrere Urban-Art-Künstler haben dafür im September Hamburger Hausfassaden mit Wandgemälden versehen. Das eigentliche Festival, das die Galerie Affenfaust nun zum zweiten Mal initiiert, findet Anfang Oktober im Kolbenhof statt:

Auf den 850 Quadratmetern der ehemaligen Fabrikhallen werden neben den großformatigen Werken von Nychos unter anderem auch die Illusionsarbeiten des Hamburger Künstlers 1010 (Foto) zu sehen sein, Pappkarton-Skulpturen der Kanadierin Laurence Vallières, Ballon-Installationen von Alexander Zissou und die Werbeplakat-Modifikationen des spanischen Künstlers Vermibus. Insgesamt mehr als 50 Akteure werden den Kolbenhof für vier Tage in einen Knotenpunkt der Street- und Urban-Art-Szene verwandeln. Passend musikalisch begleitet wird das Festival Freitag- und Samstagabend von DJ Dynamite, Deo&Z-Man, Steve David und DJ Phono.

Text: Julia Braune

 

Comicfestival Hamburg

Geld, Ruhm und Groupies: Das Fest der gezeichneten Geschichten zeigt einen Querschnitt der zeitgenössischen europäischen Independent-Szene.

Comic ist weniger ein Genre als eine Art, Geschichten zu erzählen. Und zwar in unendlicher Variation: Was Comics tun, können eben nur Comics. Mal sind sie hochverdichtet, mal ätherisch, sie sind gegenständlich, abstrakt oder karikierend, geradlinig oder zerschossen, zum Schreien komisch und zum Heulen traurig. Das Comicfestival Hamburg hat sich der anspruchsvollen, geradezu unlösbaren Aufgabe angenommen, einen repräsentativen Querschnitt zeitgenössischer europäischer Independent-Comics zu zeigen. Und schlägt sich gut.

Zu den Highlights des Festivals gehört die Ausstellung Comic Atlas Finnland (Foto: Auszug von Anna Sailamaa), wo experimentierfreudige Werke aus Europas Norden gezeigt werden, zudem wird der britische Shootingstar Luke Pearson mit einer Einzelausstellung bedacht: Seine Abenteuer-Reihe um das blauhaarige Mädchen Hilda wird international gefeiert, mit Was du nicht siehst erscheint nun seine erste Graphic-Novel auf deutsch. Mit zwei Gruppenausstellungen, Mummy! und Geld, Ruhm und Groupies!, sind auch Hamburger Künstler beim Festival vertreten.

Der Berliner Zeichner Mawil bittet am letzten Festivaltag an die Tischtennisplatten (5.10., 13 Uhr). Die stehen in der Sporthalle am Fischmarkt, nachgestellt wird eine Situation aus seiner Graphic-Novel Kinderland. Darin wird der Fünftklässer Mirco Watzke von den politischen Entwicklungen des Jahres 1989 vollkommen überrumpelt: Dabei hatte er doch ein Rundlauf-Turnier organisiert! Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls findet es dann eben auf St. Pauli statt.

Text: Michael Weiland

 

Kulturflut

Livemusik, Theater, Kleinkunst, Gastronomie und Kinderprogramm: Der Verein Stacksignale lädt zur großen Sause nach Finkenwerder.

Stacksignale e.V. möchte das kulturelle Angebot im Stadtteil Finkenwerder bereichern. Erstmals veranstaltet er deshalb das Festival Kulturflut. An drei Tagen wird dann die ehemalige Elbinsel sozusagen mit einem reichhaltigen Kulturprogramm überschwemmt: Das Spektrum reicht von Lesungen, etwa des Hamburger Autors Frank Schulz, über Improvisationstheater bis hin zu Comedy. Musik gibt’s unter anderem von der Hamburger Gruppe Der Fall Böse, aber auch von der britischen Oysterband. Zusätzlich werden die ganz jungen Besucher mit kindgerechtem Programm versorgt. Alle Veranstaltungen finden in einem großen Zirkuszelt statt; ein Kaffee- und Kuchenzelt versorgt zusätzlich mit Kulinarik – das Team der Kneipe Freundlich + Kompetent sorgt für Drinks, Dieter Sanchez für Burger und Philly Cheesesteak.

Text: Jannis Hartmann

 

Tanzen im Bunker

Feiern bis zum Morgengrauen (und darüber hinaus): Zwei Dutzend DJs beschallen die Schutzräume an der Feldstraße mit Club-Sounds.

Ob groß im Ballsaal, etwas intimer im Turmzimmer oder über den Dächern der Stadt im Terrace Hill: Gefeiert wird in der ObenUntenAlles-Nacht ganz nach Lust und Laune sowie auf allen Ebenen. Mit nur einem Ticket kann im gesamten Bunker an der Feldstraße vertikales Club-Hopping bis zum Sonnenaufgang (und darüber hinaus) betrieben werden. Mit insgesamt 24 DJs wird auch musikalisch Abwechslung geboten – unter anderem stehen Kotelett&Zadak (Foto), Sahne & Seife, Antoine Baiser, Pete Pellerito, Clark Davis, Rich vom Dorf, Chris Kistenmacher, StereoSphere, Bodega und Viktor Czyzewski an den Turntables. Für die Dekoration der Räumlichkeiten sind Die Dekologen zuständig. Um die „Gesichtsdeko“ der Besucherinnen und Besucher kümmern sich die Irisierenden Nachteulen. Kneifen gilt nicht – da müsst ihr durch.

Text: Jannis Hartmann

 

Nachtflohmarkt

Doppelevent unter der Sternbrücke: Überall Flohmarkt – in der Astra-Stube spielen Silly Walks Movement ihren Dub und Reggae.

Schallplatten, Kleidung und Raritäten kaufen und wummernde Dancehall-Beats hören? Geht! Während nämlich der Nachtflohmarkt ab 20 Uhr zahlreiche Freunde des Stöberns und Feilschens unter die Sternbrücke und in die anliegenden Nachtclubs lockt, wird die Astra-Stube ab 24 Uhr zur guten Adresse für Reggae-Fans. Silly Walks Movement gelten, seit sie Dub und Reggae nach Hamburg und Deutschland brachten, als Pioniere der Soundsystem-Szene in Europa. Dass das mittlerweile schon 23 Jahre her ist und ehemalige Wegbegleiter wie beispielsweise Tillmann Otto a.k.a. Gentleman ihr eigenes Ding machen, tut der Party keinen Abbruch. Es lohnt sich dementsprechend den nächtlichen Schnäppchen-Streifzug zu unterbrechen, um karibischen Klängen in der Astra-Stube zu lauschen.

 

Boysetsfire

Aus dem Post-Hardcore-Ruhestand auf die Bühne zurückgekehrt, verbreitet die Band weiterhin munter Stinklaune und Lautstärke.

Zweiter Frühling für den Wutbrocken: 2007 hatte die Band aus Delaware die Gitarrenkabel eigentlich bereits aufgerollt und die Verstärker auf den Dachboden gewuchtet. Doch das Leben nach dem Post-Hardcore ließ offenbar doch zu viel vermissen: 2011 gingen Frontmann Nathan Gray und seine Mitstreiter wieder auf Tour, zwei Jahre später erschien das Comeback-Album While A Nation Sleeps. Viel verändert hat sich in der Zwischenzeit nicht: Im mittlerweile zwanzigsten Jahr ihres Bestehens pflegen Boysetsfire weiterhin Stinklaune und Lautstärke. Im besten Punksinne politisiert Gray brüllend gegen konservative Bigotterie, der auf den Zuhörer einprügelnde Gitarrensturm hält auch mal für Pathos und hymnische Singalongs inne. Boysetsfire sind nach wie vor eine gut geölte Krachmaschine, die sich noch ein wenig Zeit nehmen darf um erneut in der Versenkung zu verschwinden. In Hamburg spielt die Band gleich drei Konzerte im Gruenspan – inklusive eines kurzen Akustik-Gigs am 3. Oktober für Fans, die Tickets für alle drei Termine gekauft haben.

Text: Michael Weiland

 

Roger Cicero

Eine Big Band im Rücken präsentiert der Wahlhamburger Roger Cicero sein aktuelles Album „Was immer auch kommt“ im CCH.

Mit Männersachen fing alles an. Die Melone auf dem Kopf, besang Cicero im gut sitzenden Anzug all jene Themen, die das Zusammenleben von Mann und Frau doch immer wieder zu einem langen Weg voller Stolpersteine und Fettnäpfchen macht. Vier Alben später spielt das Beziehungsleben und das ausbleiben eben dessen immer noch eine tragende Rolle in Roger Ciceros Texten – doch fällt der Blick heute auch weiter. Zwischen Big-Band-Nummern und Schmunzel-Swing, haben sich auf dem neuen Album Was auch immer kommt auch grüblerische Passagen eingemischt, das Live-Programm wurde um soulige Elemente erweitert. Der Musiker schnippt immer noch mit dem Finger, das jugendliche Schulterzucken wird jedoch durch Achtsamkeit abgelöst. Ob das damit zu begründen ist, dass Cicero die Meditation für sich entdeckt hat? Was immer auch kommt – für so ein neues Motto braucht es schließlich eine Menge Gelassenheit.

 

Beats im Planetarium

Mit French-Chillout-Klängen und Lasereffekten malt Raphaël Marionneau im Planetarium einen abgefahrenen Hamburger Sternenhimmel.

Einen Mangel an Kreativität kann man Raphaël Marionneau beim besten Willen nicht vorwerfen. Als der gebürtige Franzose 1993 nach Hamburg kam, arbeitete er als Art Director eines Grafikstudios und kreierte unter anderem die Flyer und Plakate für den Mojo Club. Nebenbei schuf er als DJ aus Ambient, Trip-Hop und klassischer Musik einen so einzigartigen Sound, dass man früh die Notwendigkeit sah, diesem neuen Genre einen Namen zu geben: French-Chillout. Die regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen, bei denen er in entspannter Atmosphäre auflegte, sollten schnell zu angesagten Events werden. Sich der Technik des Planetariums bedienend, lädt Raphaël Marionneau im Rahmen von le voyage mit Visualisierungen, Laser und seinen Beats zu einem Trip durch den Kosmos ein.

Text: Jannis Hartmann