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1.000 Gegenstände

Als sich Günter und Anneliese Hillwig Ende des Zweiten Weltkriegs auf dem Dorfplatz von Eddelak das erste Mal in die Augen blickten, war es um sie geschehen. Schnell folgte die Hochzeit, zwei Kinder, der Hausbau … In den 66 Ehejahren haben sich viele Dinge angesammelt. Die Fotografin Nele Gülck hat in ihrer Arbeit Auf ewig diese Sammlung an Gegenständen, insgesamt sind es über 1.000, fein säuberlich katalogisiert. Sand aus dem Urlaub, Lebensmittelmarken und Hitlerabzeichen, Radios, eine Toilettenpapierrolle, liebevoll umstrickt. Pflanzen erzählen von der gemeinsamen Liebe zur Natur. Anhand der Gegenstände kann der Betrachter sich die Geschichte selbst zusammensetzen. Jeder für sich und jeder eine etwas andere. Zum 10. Jubiläum der Robert Morat Galerie werden die Bilder von Nele Gülck und großformatige Fotografien von Peter Bialobrzeski ausgestellt, dessen jüngste Arbeit Habitat die rasante Entwicklung von asiatischen Megacitys zeigt. Im Mai erscheint dazu sein neues Buch Nail Houses – or the Deconstruction of Lower Shanghai im Hatje Cranz Verlag.

TEXT: LENA FROMMEYER

Ausstellung vom 15. März bis zum 17. Mai 2014
Di-Fr 12-18 | Sa 12-16 und nach Vereinbarung

 

Kunst, Arbeit, Markt

Seit 1981 wird das Hamburger Arbeitsstipendium an jährlich wechselnde Hamburger KünstlerInnen vergeben. In der Geschichte dieses traditionsreichen Stipendiums finden sich zahlreiche Namen, deren Arbeit einst gefördert wurde und denen anschließend der Sprung in den freien Kunstmarkt gelungen ist – ob auf regionaler, bundesweiter oder sogar internationaler Ebene. Unter dem Titel Hamburger Arbeitsstipendium revisited – tennowandthen lädt das Kunsthaus Hamburg am 14. April zur Vernissage einer Gruppenausstellung mit Arbeiten von zehn KünstlerInnen, die 2004 in den Genuss des Stipendiums kamen. Was ist aus ihnen geworden? Wie hat sich ihre Kunst entwickelt? Hat das Stipendium als Sprungbrett für die künstlerische Karriere etwas bewirken können? Diesen und anderen Fragen kann man sich beim Betrachten der Werke von Catharina Barich, Baldur Burwitz, Kyung-Hwa Choi-Ahoi, Jeannette Fabis, Annette Kelm, Yvonne Lange, Markus Lohmann, Patrick Rieve, Pitt Sauerwein, Marco Peter Schäfer noch bis zum 11. Mai widmen.

Ausstellung: 15. April bis 11. Mai 2014
Di – So 11 – 18 Uhr

 

Beats des Big Apple

Eine Ausstellung mit Bildern aus New York City? Wolkenkratzer, Freiheitsstatue, Straßenschluchten? Die Hamburger Fotografin Julia Schoenemann ist sich bewusst, dass kein Hahn mehr nach den üblichen NYC-Motiven kräht. Anstatt auf den üblichen Touristen-Kitsch zu halten, hat sich Schoenemann zur Aufgabe gemacht, den Rhythmus dieser Metropole in all seinen Facetten einzufangen – nicht nur in musikalischer, sondern auch in gesellschaftlicher, architektonischer, verkehrstechnischer Hinsicht. Ihre Bilder sind konsequent in Schwarzweiß gehalten und verweisen damit ganz bewusst auf die Fotoästhetik der 1920er/1930er-Jahre, als die oben genannten Attraktionen als Fotomotive noch relevant waren. Statt die Größe dieser Metropole einfangen zu wollen, geht es hier eher um Details, die sonst untergingen, würde man sie nicht absichtlich in den Fokus rücken: Diners, Bürgersteige, Unterführungen, Rolltreppen, kleine Kreuzungen… Rhythm of New York in black and white läuft noch bis zum 16. Mai. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.

 

Protest auf Bäumen

Cécile Lecomte wird auch „das Eichhörnchen“ genannt. Nicht, weil sie gerne Nüsse isst, sondern weil die aus Frankreich stammende Umweltaktivistin hervorragend klettern kann. Diese Fähigkeiten nutzt sie für politischen Protest. Sie seilte sich von Brücken ab, erklomm für die Antiatomkraftbewegung Bäume und kletterte bei Aktionen gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 auf einen Bagger. Normalerweise sind Aktivisten anonym, wie jene, die für Greenpeace im Schlauchboot sitzen. Cécile Lecomte gibt dem Protest ein Gesicht und einen Namen. Sie schrieb ein Buch über ihre Erfahrungen: Kommen Sie da runter – Kurzgeschichten & Texte aus dem politischen Alltag einer Kletterkünstlerin. Die gewaltfreie Aktionsgemeinschaft für Natur und Umwelt Robin Wood präsentiert ihre Lesung im Rahmen der HEW-Lesetage. „Die Charaktere sind zum Teil fiktiv, die Texte basieren aber auf meinen realen Erfahrungen der letzten zehn Jahre“, so die Autorin. Unter anderem stellte sie sich die Fragen, wie es sich anfühlt, oben in einer Baumkrone über der Castor-Strecke zu sitzen und wie man mit dem Tod eines Mitkämpfers umgeht.

TEXT: LENA FROMMEYER

 

Politischer Fußball

Flexibles Flimmern ist eine Art Pop-up-Kino, das Ort und Film nach thematischem Zusammenhang wählt. Einen Dokumentarfilm über das Sterben zeigt das mobile Kino im Bestattungsinstitut, einen Streifen über verlorene Orte präsentieren die Veranstalter im ehemaligen Güterbahnhof und die Fatih-Akin-Produktion Müll im Garten Eden lief auf dem Energieberg Georgswerder. Am 16. April widmet sich Flexibles Flimmern im Jahr der Weltmeisterschaft in Brasilien mit kritischem Blick dem Thema Fußball. Dafür haben sie sich mit dem nachhaltigen Hamburger Modelabel Recolution zusammengetan, das wiederum gemeinsam mit dem Hamburger Künstler-Kollektiv Der 6te Lachs eine WM-Kollektion mit derben Motiven kreiert hat und diese vom 16. bis 19. April in der Kinogalerie PROJEKTOR über dem alten Schlachthof präsentiert. Im Rahmen dieses Happenings zeigt Flexibles Flimmern die Arte-Dokumentation Rebellen am Ball von Éric Cantona, ein Film über Profifußballer, die politisch Haltung beziehen – beispielsweise den Ivorer Didier Drogba, der im Jahr 2004, als an der Elfenbeinküste ein blutiger Bürgerkrieg herrschte, die verfeindeten Parteien um Waffenruhe bat. Zum Film gibt es den brasilianischen Bohneneintopf Feijoada. Am Mittwoch eröffnet das Kunst-Mode-Film-Event mit einer Vernissage. Donnerstag und Freitag läuft der Film ab 20 Uhr. Am Samstag startet um 11 Uhr der Tagesmarkt, die Band Coffee spielt ihr Live-Akustik-Set und abends legen DJs bei der Finissage auf.

TEXT: LENA FROMMEYER

Reservierungen für die Kinoabende: reservierungen@flexiblesflimmern.de

www.facebook.com/pages/Flexibles-Flimmern-Filme-in-Bewegung/38159929885

 

Bizarre Fälle

Nach Mandels Büro und Black Mandel hat der bayrische Autor Berni Mayer mit Der große Mandel kürzlich seine Krimi-Trilogie um zwei befreundete Privatdetektive und ihre bizarren Fälle abgeschlossen. In den ersten beiden Teilen mussten sich Max Mandel und Sigi Singer mit der hiesigen Musikindustrie und der norwegischen Black-Metal-Szene herumschlagen. Ihr dritter Fall führt sie nun in die Welt der Wrestler und auf eine Tour durch die tiefste deutsche Provinz. TV-Moderator Markus Kavka kündigte nach der Lektüre begeistert an, „jetzt sofort Detektiv werden“ zu wollen. Und auch der Ärzte-Drummer Bela B. ist großer Mandel-Fan. Am 14. April liest Berni Mayer aus seinem aktuellen Werk vor und begleitet sich dabei selbst auf der Gitarre. Wer dem „sympathischen Irrsinn“ (Neon) beiwohnen möchte, ist in der Superbude an der Juliusstraße gut aufgehoben.

www.facebook.com/bernimayer

 

Starke Nerven

Die Weltenreisen des Nachtasyls gehen in die 19. Runde. Die seit 2010 stattfindenden Leseabende entführten ihr Publikum bisher nach Indien, China, Bosnien-Herzegowina, in den Wilden Westen oder nach Transsilvanien. Mit William S. Burroughs und Allen Ginsberg ging es nach Südamerika, mit Else Lasker-Schüler nach Theben, mit Jules Verne per Ballon in die Lüfte und mit Douglas Adams in die Galaxis. Jetzt wird in See gestochen, und zwar mit der RMS Titanic, deren Untergang am 14. April 1912 zur Veranstaltung genau 102 Jahre zurückliegt. Die Thalia-DarstellerInnen Marina Wandruszka und Christoph Bantzer tragen Texte vor, die verdeutlichen, wie die damalige Schiffskatastrophe den bedingungslosen Glauben an die Technik von Grund auf erschütterte. Die Einrichtung an diesem Abend stammt von Anton Krause. Starke Nerven und Reisetabletten sind mitzubringen.

 

Urbanes Heulen

Schon das Äußere der Mighty Oaks deutet auf den Sound der Band hin: langes Haar, wollbemützt und keine Socken an den Füßen – das können doch nur Folkies sein. Das Quartett um den Sänger und Gitarristen Ian Hooper hat sich 2010 in Hamburg formiert und seitdem drei Tonträger eingespielt. Das aktuelle Album heißt Howl – ein Titel, der sowohl auf das bekannteste Gedicht des US-Schriftstellers Allen Ginsberg anspielt als auch die „tierische“ Geräuschkulisse assoziieren lässt, die in Hoopers naturbelassener Heimat südlich von Seattle herrschen mag und die ein Neo-Hippie, wie er, in seiner Wahlheimat Berlin-Neukölln sicher vermisst, wo nur Kinder und Polizeisirenen für gelegentliches Heulen sorgen. Es heißt, dass Hooper sich sein Studium und seine bisherige Musikerexistenz durch einen Job im deutschen Bundestag finanziert hat. Das dürfte bald nicht mehr nötig sein: Der Vorverkauf zur aktuellen Tour läuft gut, das Hamburg-Gastspiel ist bereits ausverkauft.

www.facebook.com/mightyoaksmusic 

 

Widerlicher Dichter

Verbote machen eine Sache erst richtig interessant. Über 40 Jahre lang verhinderten die Erben Bertolt Brechts die weitere Vorführung und Ausstrahlung der Fernsehverfilmung von Baal. Sie waren mit der Umsetzung der literarischen Vorlage durch den Regisseur Volker Schlöndorff äußerst unzufrieden. Nun ist das Vorführverbot aufgehoben worden. Der Film wurde digital aufgearbeitet und kommt im Frühjahr 2014 ins Kino. Darin sieht man den damals 24 Jahre jungen Rainer Werner Fassbinder als widerlichen Dichter und Anarchisten Baal, der dem Alkohol verfallen ist, lügt und Frauen misshandelt. Der expressive Furor des rebellischen Lyrikers ist in der Verfilmung von 1969 zeitgemäßer Teil des Protests gegen das Establishment. Auch Mitglieder von Fassbinders Antitheater machten in Baal ihre ersten Gehversuche vor der Kamera. An der Seite von Fassbinder spielt Margarethe von Trotta, die spätere Frau von Regisseur Schlöndorff, der zur Hamburg-Premiere als Gast im Abaton erwartet wird.

TEXT: LENA FROMMEYER

www.facebook.com/Baal.DerFilm

 

Hör- & Riechtheater

Beim Lauschen eines Hörspiels braucht man nur seine Ohren. Beim Livehörspiel in absoluter Dunkelheit im Bauch eines Schiffes jedoch hört, riecht und fühlt man die Geschichte. Das Theater im Dunkeln ist zu Gast auf dem Museumsschiff Cap San Diego. Es ist stockduster, wenn die Schauspieler die Kriminalgeschichte des Hamburg-Hörspiels „Todesengel Reeperbahn“ vorführen. Ihre Stimmen, Musik, Wind, Regen und Düfte vom Duftspezialisten sollen für Kopfkino sorgen. Die Schauspieler wechseln im Unterraum Luke 4 ständig den Standort und erschrecken Zuschauer, indem sie mit einer Feder über ihren Arm  streichen. Die Geschichte ist herrlich trashig: „Hamburg 1962. Die Beat-Musiker John, Paul, George und Pete spielen im Star Club. Tina, die Gitarristin der Mädchenband She Bees, verliebt sich unsterblich in John. Als ein Kellner ermordet wird, ermittelt die Kriminalpolizei. Die beiden Bands verstricken sich im Reeperbahngeflecht, umgeben von Opium, der Chinesenmafia und Geldschiebereien. Wann schlägt der Todesengel wieder zu?“

TEXT: LENA FROMMEYER

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