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Gängeviertel goes Mojo Club

Hunderttausende Geflohene haben in den letzten Wochen ihren Weg aus dem Krieg nach Europa und vor allem Deutschland gesucht. Hunderttausende folgen. Statt angesichts der Entwicklungen – besonders aus dem Nahen Osten – schon mal mit einer höheren Anzahl von Flüchtlingen zu rechnen, haben Europa und einzelne Regierungen in die Forcierung der Grenzen anstatt in ein besseres Aufnahmesystem investiert. Jetzt haben wir den Salat: Eine Messehalle voll mit über 1000 Menschen, ein hoffentlich winterfestes Zeltlager im Osten Hamburgs usw.

Es gibt aber eine Gruppe Menschen, die zusammenrückt und für ein bisschen Menschlichkeit sorgt: Wir! Viele Bürger spenden für die Neuankömmlinge, organisieren Feste und lassen wissen: „Refugees welcome!“ Nebenbei sprießen Soli-Partys wie Pilze aus dem Boden. Und das bedeutet best of both worlds: Feiern und dabei helfen.

Am Freitag schickt sich das Gängeviertel an, lässt es in Zoom-Club-Tradition im Mojo mit 60s-Psychedelic über Mojo Club Sounds bis hin zu Hip-Hop und Reggae krachen. Der Eintritt ist frei, gespendet werden darf aber unbedingt. Eine Botschaft gibt’s schon vorab: „Aus dem Herzen des Gefahrengebietes ein ‚Herzliches Willkommen‘ an unsere neuen Nachbarn!“

Text: Andra Wöllert

 

Villa Nova

Nach der EGO-Schließung im vergangenen Jahr sah’s zunächst nach einem weiteren Fall von Clubsterben aus. Gerade für die Hamburger Houseszene war der Laden in der Talstraße 9 jahrelanges Aushängeschild. Doch der Verlustschmerz für die elektronische Feiermeute währte nicht lang. Die Veranstalter der Grünanlage Open Airs öffneten an gleicher Stelle die Villa Nova. Anfang Oktober feiern sie ihren ersten Geburtstag. Die Crew um Jörg Hill lädt dafür zu einem zweitägigen Partymarathon. „Für uns war das Clubgeschäft völlig neu“, so Hill. „Das war learning by doing par excellence und ist es noch immer. Manchmal schmerzhaft, aber für den Traum des eigenen Clubs und die vielen tollen Nächte, die wir hier bereits erlebt haben, lohnt es sich, zu kämpfen.“ Der Kampf ums beste Booking ist mit Troy Pierce am Geburtstagsfreitag bereits gewonnen. Und auch für das restliche Wochenende versprechen die Macher zahlreiche Spezialgäste und die versammelte Resident-Riege.

Text: Gaby Olufson

 

3 Jahre „sowohl als auch“

Entscheiden hier, wählen da. Selten geht im Leben alles auf einmal. Aber wenn doch, warum wählerisch sein, wenn man alles haben kann – oder zumindest beides? Diese mutmaßliche Philosophie hinter dem Namen sowohl als auch wird heute gefeiert, wenn die so betitelte Partyreihe ihr Dreijähriges im Fundbureau zelebriert. Ein feines Line-up krönt der Stockholmer Mikael Jonasson, der sich in den zwanzig Jahren seiner künstlerischen Karriere von seinen Anfängen in der schwedischen Rave-Szene zum europaweit gefragten Techno-Produzenten emanzipiert hat. Support kommt u. a. von Florian Belmondo und Yobovski & Valent. Und da ist die Entscheidung doch klar: hingehen, raven, feiern, genießen – alles auf einmal.

Text: Friedrich Reip

 

Kleine Gesellschaft für Venus

Es begann mit der Kleinen Gesellschaft für Zeit und setzte sich fort mit dem Urelement Wasser in Form einer Kleinen Gesellschaft für Meer. Seit April 2014 widmet die Reihe sich dem Komplex Kunst und Kultur und Franziska Opel, preisgekrönte HFBK-Absolventin, verwandelt nun die Kleine Gesellschaft für Kunst und Kultur in die Kleine Gesellschaft für Venus. Bekannt ist Opel für ihre großformatigen Tableaus, in denen sie Foto, Grafik und Typografie verschränkt, und für ihre verschachtelten Installationen. Kleine Gesellschaft für Venus ist die erste Einzelausstellung der Gesellschaft und die Künstlerin stellt hier auch eine ganz neue Arbeit vor. Am Freitag ist Vernissage inklusive Musik von Porzellan und am 17. Oktober wird dann zur Finissage geladen. Vom 3. bis 18. Oktober ist die Ausstellung geöffnet.

Text: Sabine Danke

 

B-Lage

Was wird da eröffnet? Ein ständiger Pop-up-Store? Aber dann ist es ja kein Pop-up-Store!? Die Verfasserin dieses Event-Tipps gibt zu, sie war erst verwirrt. Dabei ist es doch ganz klar: In der Schanze öffnet am Freitag eine Ladenfläche, die dauerhaft für Pop-up-Konzepte zur Verfügung steht. B-Lage heißt das Geschäft und den Anfang machen im Oktober die vier jungen Hamburger Labels Vanewonderland, Köhnigreich, Miau Design und Naiona. Streetwear, Schmuck, Taschen, Interieur und Accessoires gibt’s von denen dort käuflich zu erwerben. Wer selbst aus der Kreativwirtschaft ist und eine super duper Pop-up-Idee hat, der sollte mal vorbeischauen und konkrete Zukunftspläne schmieden. Alle anderen gehen einfach auch, weil temporäre Geschichten meistens cooler sind als die Dauerkandidaten.

Text: Andra Wöllert

 

Top oder Flop

Nichts für schwache Nerven oder arge Protestanten ist diese Versteigerung, die uns kurz und bündig so angekündigt wird: „Jede Platte beginnt mit einem Startgebot von 50 Cent. Gibt es keine Gebote, wird die Scheibe vom Auktionator ordnungsgemäß zerstört und entsorgt.“ Dieser Termin fällt aus der Reihe, denn sonst wird jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat in der Kometbar diesem drastischen Entsorgungsritual gefrönt. Dabei können natürlich Perlen gefischt oder gerettet werden, andererseits darf man manchmal auch der gerechten Strafe beiwohnen. Die Platten kommen erst unter die Nadel und dann unter den Hammer, möglicherweise gleich zweimal. Musikalisch bereitet diese Resterampe ein ganz eigenes, reichlich eklektisches Vergnügen, materiell kann dieser Brauch eine wichtige Katharsis sein, soll man sich doch nicht so binden an die schnöden Dinge. Menschen mit allzu großer Affinität zu Vinyl bleiben der Veranstaltung vielleicht eher fern, oder bringen einen Sack 50 Cent-Stücke mit. Danach im Basement: CLUB 27 HipHop Freestyle Club.

Text: Georg Kühn

 

Freifunk Hamburg

Die Werkstatt 3 ist seit bald 36 Jahren eine interkulturelle Begegnungsstätte, die sich bewusst brisanten Themen widmet. Die Auswirkungen globaler Entwicklungen auf das Leben des Einzelnen zu untersuchen, das ist der formulierte Anspruch. Dazu gehören natürlich auch die digitale Revolution und die Teilnahme daran. Der Freifunk Hamburg organisiert freien Zugang zum Internet, zum Beispiel für Flüchtlinge, für die das selbstredend besonderen Wert hat. Mit Unterstützung des Chaos Computer Club wird zum Beispiel gerade wieder die Sankt Pauli Kirche ans freie Netz angeschlossen. An diesem Abend berichten von ihrer technischen und politischen Arbeit Andre Schmidt von Freifunk Hamburg und Astrid Lorenzen vom Fab Lab Fabulous St. Pauli, einer offenen Werkstatt, die allen Interessierten und Eingewiesenen das Arbeiten am Lasercutter und dem 3-D-Drucker ermöglicht.

Text: Georg Kühn

 

We Are Waltari

Quer durch sämtliche Metallregale, aber auch mit Versatzstücken aus Funk, Tribal, Triphop oder Psychodelic bastelt Waltari seit bald 30 Jahren eine Soundmelange, die man, so wie ihre Protagonisten, getrost als durchgeknallt bezeichnen darf. Dass das Finnen sind, hätte man sich denken können und man kann ihre Spanne kaum beschreiben, von Madonna-Covern bis Von den Blauen Bergen kommen wir ist alles dabei, mal Suomi, mal Englisch, mal Technorock, mal Grindcore. Wer eine brettharte Gitarrenband mit einem ordentlichen Schuss theatralischer Ironie sehen will, die live absolut liefert (so zuletzt auch in Wacken), der sollte diesen Gig keinesfalls verpassen. Der struppige, rothaarige Frontmann Kärtsy Hatakka spielt einen Rechtsbass links und ungefähr so wird auch das Genre durch den Wolf gedreht, zu hören auch auf der aktuellen Scheibe You Are Waltari. Support: Lord Bishop Rocks.

Text: Georg Kühn

 

Filmfest Hamburg

Kreativ und bunt war der Protest der Hamburger Bürger im Januar 2014, als die Polizei die Stadtteile St. Pauli, Sternschanze und große Bereiche Altonas zum Gefahrengebiet erklärte. Nur neun Tage hielt die hoch umstrittene Maßnahme der Kritik stand – und steht beim 23. Hamburger Filmfest nun erneut im Fokus. In Gefahrengebiete und andere Hamburgensien (Foto) hat Regisseur Rasmus Gerlach drei damalige Konfliktherde in der Stadt dokumentiert.

Auch abseits des Schauplatzes unserer Hansestadt gibt sich das Filmfest politisch. Die Reihe Risse in der Fassade: Unabhängiges chinesisches Kino zeigt elf Filme, die im zensurgeprägten Reich der Mitte keine staatliche Zulassung erhielten. In der Rubrik Veto sind Flüchtlinge (A Syrian Love Story) oder die Ausbeutung von Textilarbeitern in Indien (Jungle Sisters) nur zwei von vielen Favoriten auf den mit 5.000 Euro dotierten Preis der Friedrich-Ebert-Stiftung für den besten politischen Film.

Festivalkinos: Abaton, B-Movie, Cinemaxx, Metropolis, Passage, Studio und B-Movie.

Text: Mirko Schneider

 

Neu in Hamburg: Fränzi

Mariam Taherpour (27) und Tobias Hardjowirogo (30) sind die Macher des neuen Bistros in St. Georg. Das Pärchen hat internationale Wurzeln – ihre Familien stammen aus dem Iran und aus Indonesien. Keine dieser Landesküchen spielen jedoch im Fränzi eine Rolle, sondern moderne Vollwertkost: Burger, Salate und Teigtaschen, allesamt vegetarisch oder vegan.

Im Fränzi trifft Stuck auf Blümchengardinen und die Wände sind in Pastelltönen gestrichen. Junge Leute trinken hausgemachte Limo und bearbeiten ihre Burgertürme. Sechs Varianten gibt es, darunter den BBQ Börger mit hausgemachter Sauce und gebackener Aubergine (8,50 Euro) sowie den Preiselbörger mit Preiselbeeren und Weichkäse (8 Euro), als Beilage Sesam-Süßkartoffeln oder Tomaten-Carpaccio mit Himbeeren, Basilikum und Cashewkernen (beides 3,50 Euro).

Alles schmeckt frisch und richtig gut. Die Speisen sind nicht überwürzt, wie es oft bei der vegetarischen Küche vorkommt – als wolle man mit Chili und Kardamon über den Verzicht auf Fleisch hinwegtrösten. Im Fränzi steht der Geschmack der Zutaten für sich. Die veganen Buletten stammen von Mariams Eltern, die seit 1994 Vegetarisches produzieren und an Reformhäuser verkaufen. Im Bistro erhitzt Tobias die frische Ware im großen Ofen. Der stammt noch vom vorherigen Mieter, der Biobäckerei Pitzschel.

Text: Lena Frommeyer