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Julia Benz

Lost in Train Station heißt der anspielungsreiche Titel von Julia Benz’ (Abb.: Nature Package, 2015) erster Einzelausstellung in der Stadt. Das Dazwischen, ob das auf ihren zahlreichen Reisen um die Welt, jüngst etwa nach Uganda oder in den Sudan oder auf den häufigen Fahrten zwischen ihren Heimaten Berlin und Hamburg ist, prägt die Arbeiten der Meisterschülerin der Universität der Künste. „Ein Bild fängt mit der Malerei an und nicht mit der Idee“, beschreibt sie ihre kraftvollen und farbintensiven Arbeiten, in denen Gegenständliches in Abstraktion übergeht – oder eben umgekehrt. Großformatige Idyllen, bunt und leuchtend werden spielerisch mit grafischen Elementen verziert, von denen es bei Heliumcowboy heißt, sie wären „weder moralische Instanzen noch sinngebende Träger“. Ihre gestalterischen Fähigkeiten sind auch auf manchen Fassaden zu besichtigen, so hat sie jüngst eine Wand in Düsseldorf bemalt.

Text: Sabine Danek

 

Richard Dorfmeister

Das Reeperbahn Festival bringt bekanntlich einen ganzen Schwall hervorragender Mucke auf den Kiez. Gerade starke Newcomer gibt es Jahr für Jahr zu entdecken. Doch auch bekannte Größen der internationalen Musikbranche sind immer mit am Start. So wie DJ-Urgestein Richard Dorfmeister, der auf der offiziellen Aftershowparty im Mojo auflegen wird. Die Sets des Österreichers lassen erfrischend viel Direktheit zu und zielen bei allem Eklektizismus klar auf die Tanzfläche. Laidback ist dem renommierten DJ dabei immer ein persönliches Anliegen, der Druck von da draußen ist ja schlimm genug. So auch zu hören bei seinem Bandprojekt Tosca, etwa auf dem hochgelobten Album No Hassle. Auch alle Nicht-Festivalbesucher können die Party für ’nen Zehner miterleben.

Text: Ole Masch

 

Melodic-Techno

Agents of Time laden zum DJ-Set in die Villa Nova. Andrea Di Ceglie, Fedele Ladisa und Luigi Tutolo heißen die drei Herren, die grundsätzlich in schwarzen Kutten auftreten und in diesem Jahr mit ihren Veröffentlichungen und Live-Sets einiges an Staub aufgewirbelt haben. Ihr innovativer Sound ist eine Verschmelzung aus Ambient, Electronica und Techno passt perfekt in eine Zeit melancholischer, elektronischer Musik, durch Verwendung von Geräuschaufnahmen schaffen sie eine ganz eigene Atmosphäre. An diesem Abend kommen neben viel Elektronik auch analoge Instrumente live zum Einsatz im Villa Nova, dem Club, der das Erbe des Elektro-Kultladens EGO angetreten hat, mit neuer Sound- und Klimaanlage.

Text: Gaby Olufson

 

 

Seu Jorge

Seu Jorge ist ein Kind der Favelas. Er brachte sich selbst das Gitarre spielen und das vieler weiterer Instrumente bei. Seine sonore Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert und fügt sich flexibel in Samba, Reggae, Pop oder elektronische Musik ein. In Wes Andersons Die Tiefseetaucher spielte er einen Seemann, der Akustik-Versionen von David-Bowie-Klassikern sang. „Wenn Seu Jorge meine Lieder nicht akustisch auf Portugiesisch aufgenommen hätte, wäre mir die Schönheit, die er den Stücken verliehen hat, verborgen geblieben“, soll sich David Bowie über das brasilianische Ausnahmetalent geäußert haben. Neben weiteren Coverversionen, unter anderem von Michael Jackson und Serge Gainsbourg, kooperierte er mit aufregenden Musikern wie Talib Kweli, Jack Johnson, Damien Rice und Thievery Corporation sowie mit nationalen Größen wie Sergio Mendes, Bebel Gilberto, Marisa Monte, Badi Assad und Ana Carolina. Am Montag spielt er in der Großen Freiheit 36.

Text: Jakob Luy

 

P/ART

Das junge Kollektiv der Producers Art Fair P/ART stellt sich der Macht der großen Galerien entgegen und agiert nach gewohnt frischem Konzept: Mindestens zwei der Arbeiten jedes Künstlers sollten weniger als 1.000 Euro kosten und statt der üblichen 50 gehen nur 25 Prozent Verkaufsprovision an die Veranstalter. Dazu sind die Künstler vor Ort, es gibt Gesprächsrunden, man nimmt einen Drink zusammen – und abseits des aufgeblähten Kunstmarkts entsteht so ein unprätentiöses Come Together, das die Arbeiten und Ideen in den Mittelpunkt stellt.

Nach dem Start im Kolbenhof und der furiosen P/ART in den Phoenix Hallen im letzten Jahr zieht die Produzenten-Kunstmesse jetzt erneut an einen spannenden Ort: in das ehemalige Kraftwerk Bille in Hammerbrook. Zu sehen sind dort Skulpturen von Nils Kasiske, Zeichnungen von Paul-Kai Schröder oder Malerei von Simon Hehemann.

Abb.: Verena Schottmer, Trust the Dich, 2015
Text: Sabine Danek

 

„The Forecaster“

Das Folgende ist keine Fiktion sondern so passiert, zumindest wenn es nach der Recherche von Regisseur Marcus Vetter geht. In seinem Dokumentarfilm The Forecaster prangert er den Skandal um Martin Armstrong an. Dieser war einer der profiliertesten Investitionsberater der USA und es scheint, er kann in die Zukunft sehen. Er entwickelte in den 1980er-Jahren ein Computerprogramm, das die Russlandkrise 1998/99, die Dotcom-Blase 2000, die Finanzkrise 2007 und die Eurokrise 2009 vorhersagte. Ist dieser Mann ein Genie oder ein Scharlatan? Ist sein Code so brisant, dass alle hinter im her sind? Sollte hier jemand zum Schweigen gebracht werden? Im September 1999 stürmte das FBI sein Büro und verhaftete Armstrong wegen Betrugsvorwurf. Zwölf Jahre lang verbrachte er daraufhin ohne Urteil im Gefängnis, bevor er wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.

 

Visualleader 2015

Von der Fußball WM bis zum Flüchtlingsdrama, es ist wieder alles dabei, was die Welt 2014 bewegt hat und „selten war so viel Emotion in den Bildwelten wie diesmal“, sagt Jury-Vorsitzender Markus Peichl. Nie war die Flut von Fotos größer, nie wurden mehr Megapixel gebannt, umso wichtiger wird der inhaltliche und künstlerische Anspruch. So finden sich mehr zeitgenössische Künstler in der Ausstellung. Einige von ihnen sind Roger Ballen, Thomas Demand, Roni Horn, Richard Prince, Cindy Sherman, Collier Schorr und Thomas Struth. Das Bild dieses Beitrages stammt vom Fotografen und Programmierer Andrew Lubimow, 1985 geboren auf der Krim, der ein Jahr lang ukrainische Hooligans mit der Kamera und wahrscheinlich dem Verbandskasten begleitet hat. Ob diese oder eine der rund 200 anderen Arbeiten ausgezeichnet wird, wissen wir erst nach der Preisverleihung, bis dahin kann man sich die Bilder noch ganz unhierarchisch anschauen.

Text: Georg Kühn

 

Viva con Agua

Die in Hamburg ansässige Trinkwasserinitiative Viva Con Agua lädt zur bewusstseinserweiternden Feierei: Los geht es mit einer Diskussion zum Thema „Do They Know It’s Charity?“. Hier spricht unter anderem Kenias berühmtester Rapper Octopizzo über die Aspekte des sogenannten „Geldofismus“, einer Methode der Wohltätigkeit von Musikern und Co., die den Beteiligten ein gutes Gefühl geben und letzten Endes dem Künstler positive Publicity bescheren soll. Danach tritt Octopizzo live auf. Um 21 Uhr findet schließlich die Filmpremiere der Dokumentation Waterwater statt, einer RAPortage mit Marteria, Maeckes, Paul Ripke, Onejiru, Octopizzo, Marcus Staiger und Doreen Omondi. Zugänglich sind alle Programmteile umsonst und draußen, auch ohne Festivalticket. Mit am Start sind: Bobbie Serrano (Der 6te Lach), das Künstlerkollektiv Non Stopschwitzen, das Paul Ripke-Team und viele mehr.

 

Macbeth – Third World Bunfight

Mit seinen Inszenierungen, die das postkoloniale Afrika erforschen, sorgt der Südafrikaner Brett Bailey häufig für Gesprächsstoff, so etwa jüngst mit seinem Menschenzoo. Für seine neue Arbeit hat der Regisseur und Installationskünstler Giuseppe Verdis Oper Macbeth nach Zentralafrika transportiert und vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs im Kongo neu gedeutet. Bailey verbindet Shakespeares Stoff um Mord und Machthunger mit der erschütternden Realität in Afrika: kongolesischen Warlords, multinationalen Konzernen und korrupten Politikern. Mit seinen expressiven Bildern, starken Choreografien und lauter Kritik liefert das Stück eine auf neunzig Minuten und die Hauptfiguren verdichtete Version des zeitlosen Dramas, die aktueller und erschreckender nicht sein könnte.

Text: Natalia Sadovnik

 

Heartbeat

Das Lampenfieber hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht: Weil Justine (Stephanie Clattenberg) ihre eigenen Songs auf der Bühne vor Aufregung nicht performen konnte, musste sie den Traum vom Singen aufgeben. Mittlerweile sind ihre großen Pläne in einer festgefahrenen Welt zusammengeschrumpft: ein 9-to-5-Bürojob, ein Haus voller Altbackenem und hin und wieder mäßiger Sex mit dem Ex. Mit ihrem Traum hat sie leider auch ihre Leidenschaft und ihr Herz zu Grabe getragen. Doch zum Glück verlässt ihr Ex bald die Stadt – und anstelle von Schäferstündchen greift Justine wieder zur Gitarre. Die Kanadierin Andrea Dorfman erzählt die Geschichte einer Außenseiterin und der großen Bühne des Lebens im Film Heartbeat. Der Film wird u.a. am Mittwoch im Metropolis Kino im Rahmen der Biennale des kanadischen Kinos Maple Movies – Canadian Cinema gezeigt. „Empowerment, Diversity and Female Voices“ ist das Motto. Heartbeat fügt sich bestens rein.

Text: Andra Wöllert