Der Oktober ist vorbei, wir schreiben den 1. November – und die Finanzmärkte sind bester Laune. Ich habe mich geirrt, als ich Anfang Oktober ein kleines Beben vorhersagte. Damals war es mir zu ruhig an den Märkten, die üblichen Kennziffern wie die Volatilität lagen damals fast schon wieder auf den Rekordtiefs von Anfang Mai, als ich das Beben ganz gut vorhergesehen hatte. Heute notieren der amerikanische VIX und der deutsche VDax noch tiefer als Anfang Oktober. Meine Vola-Zertifikate, die ich als Absicherung gekauft hatte, weisen ein Minus von 15 Prozent auf. Also Handbremse lösen, Aktien und andere riskante Anlageklassen wie Emerging Markets oder High Yields aufstocken nachdem der gefährliche Oktober so eindrucksvoll zu Ende gegangen ist?
Ich traue mich nicht. Ich verlängere meine Wette, erhöhe sie aber nicht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es scheppert. Was noch fehlt ist der Trigger! Ich kann mir zwei vorstellen.
Den einen möglichen Auslöser habe ich bereits im alten Beitrag beschrieben: Die Märkte irren. Das große Spiel heißt derzeit: Schwächeres Wachstum, geringere Inflation. Die niedrigen Renditen an den Rentenmärkten blasen die Bewertungen in allen riskanten Anlageklassen wieder auf. Ich glaube, an den Märkten wird eine zu starke Abschwächung des Wachstums erwartet. Ich bin voll im Camp der Rebalancing- und Decoupling-Fans. Amerika schwächt sich ab, reißt aber den Rest der Welt nicht mit nach unten. Warum? Weil der Tech-Sektor, der den letzten Abschwung ausgelöst hat, global ist, der Housing-Sektor aber nicht (siehe meine Argumentation in der ZEIT). Ich tippe drauf, dass der Rest der Welt weiter ansehnlich wächst und so Amerikas Wirtschaft stützt. Der fallende Ölpreis ist zwar schön für die Inflation, noch schöner allerdings für die Haushalte, die Konsumpower zurück bekommen. Über kurz oder lang wird der Rentenmarkt ein höheres Wachstum einpreisen müssen. Das wird kaum ohne Turbulenzen über die Bühne gehen.
Auf den zweiten möglichen Auslöser für ein Beben hat mich Albert Edwards gebracht. Der globale Assetstratege von Dresdner Kleinwort hat seit ein paar Wochen ein Auge auf den japanischen Yen geworfen. Im Yen vermutet er die globale Liquiditätsquelle, die die jüngste Rally in allen riskanten Anlageklassen speist. Denn der Yen ist – entgegen den fundamentalen Erwartungen – auf Talfahrt. Das macht den berühmten Carry-Trade sehr attraktiv. Beim Carry Trade verschulden sich Hedgefonds und andere Zocker in der Währung, die möglichst wenig Zinsen kostet und am besten auch noch abwertet, tauschen das Geld dann in Dollar, Euro oder Rubel und investieren es in riskante Anlagen. Das Spiel geht so lange gut, solange der Yen beziehungsweise die Yen-Zinsen nicht kräftig steigen. Bei den Zinsen braucht sich kein Spekulant Sorgen zu machen, wohl aber beim Yen-Wechselkurs. Er hat im Oktober kräftig einen auf die Mütze bekommen und seine seit 1998 gültige Unterstützungslinie sogar durchbrochen, als er über117 Yen je Dollar gestiegen ist. Gleichzeitig hat noch eine enorme Spekulation auf einen weiter schwachen Yen eingesetzt, wie Edwards zeigt. Das ist nicht unbedingt eine stabile Situation. Denn wenn der Yen jetzt nicht weiter gegenüber dem Dollar verliert (sprich nicht deutlich über 117 Yen je Dollar steigt), werden die ersten Spekulanten ihre Wetten glattstellen, damit zu einer Aufwertung des Yen beitragen, was wiederum die Carry Trader nervös machen wird und auch dort zu Glattstellungen führen dürfte. Ein schöner Teufelskreis, bei dem am Ende Geld aus den riskanten Anlagen abgezogen werden dürfte – und die Unsicherheit zurück kehren sollte. Voila, die Volatilität.
Mal sehen, wie lange wir darauf warten müssen.