Die Erwartungskomponente im Ifo-Index bewegt sich seit vielen Jahren im Gleichschritt mit der deutschen Industrieproduktion – und die wiederum ist ein Indikator dafür, wie sich das reale Sozialprodukt entwickeln wird. Nach den Zahlen, die das Ifo Institut am Montag veröffentlicht hat, dürfte die Zuwachsrate der Industrieproduktion gegenüber dem Vorjahr im kommenden April deutlich über fünf Prozent liegen.
Es ist angesichts eines solchen Aufschwungs zu vermuten, dass das reale BIP im ersten Quartal gegenüber dem vierten um mindestens ein Prozent, vielleicht sogar um 1,25 Prozent zunehmen wird. Die meisten Prognosen für das Gesamtjahr bewegen sich in der Größenordnung von zwei Prozent (nach +0,4 im Jahr 2013). Wenn die Vorhersagekraft des Ifo-Index sich auch diesmal bestätigt, wird ein viel besseres Ergebnis herauskommen.
Der Aktienmarkt hat sich von diesen schönen Aussichten nicht beeindrucken lassen. Vor ein paar Tagen verkündeten die naiven Börsenkommentatoren noch im Fernsehen, dass der DAX in Kürze die angeblich magische Marke von 10.000 knacken würde – am Montag ist der Index dagegen erneut gefallen, so wie in den Vortagen, und lag zu Börsenschluss bei 9.349 Punkten. Ein kräftiges Wirtschaftswachstum geht in der Regel einher mit einem überproportionalen Anstieg der Gewinne; die Löhne folgen später. Sollte es diesmal anders sein?
Ich habe zwei Erklärungen: Zum Einen war der DAX 2013 um 25,5 Prozent gestiegen, nach plus 29,1 Prozent im Jahr 2012, obwohl das Wirtschaftswachstum in beiden Jahren mehr als mickrig war, gemessen am realen BIP nämlich jeweils nur 0,9 und 0,4 Prozent. Mit anderen Worten, die Aktienkurse hatten eine sehr kräftige und anhaltende Zunahme der Gewinne vorweggenommen. Wenn die Kurse stärker steigen als die Gewinne, erhöht sich das Kurs-Gewinnverhältnis (KGV), der wichtigste Bewertungsmaßstab für Aktien. Tatsächlich hat es von Ende 2011 bis heute von 12,0 auf 15,8 zugenommen (auf der Basis der Gewinne der letzten vier Quartale). Das ist für deutsche Verhältnisse teuer, so dass es nicht mehr viel Kursphantasie gibt. Ich hatte darauf in meinen letzten Investment Outlooks hingewiesen. Auch die Dividendenrendite ist nicht mehr so attraktiv wie einst. Eine mehrmonatige Marktkonsolidierung ist augenblicklich ein plausibles Szenarium.
Zum Anderen sind die Anleger aus mehreren Gründen skeptischer geworden: Sie wissen vor allem nicht, wie das sogenannte Tapering der US-Notenbank, die langsamere Expansion der Zentralbankgeldmenge, auf die Liquidität der Märkte durchschlägt. Die Geldflut, mit der die Fed die Kreditvergabe und mit ihr die Ausgaben der Haushalte und Unternehmen zu stimulieren versuchte, hatte nur teilweise ihren Zweck erfüllt, viel war übriggeblieben für den Erwerb von Aktien, einschließlich der Aktienrückkäufe von Unternehmen selbst. Da nicht viel in Sachanlagen investiert wurde, kam es zu einem Anlagenotstand an den Finanzmärkten. Damit dürfte jetzt allmählich Schluss sein.
China ist zudem die große Unbekannte. Das Land war bislang die Lokomotive der Weltwirtschaft, es sieht aber immer beängstigender nach einem kreditfinanzierten Wirtschaftsboom aus, also einer Blase, die demnächst platzen könnte. Die privaten (Brutto-) Schulden sind im Verhältnis zum nominalen Sozialprodukt auf 183 Prozent gestiegen, nach „nur“ 119 Prozent vor fünf Jahren (die Zahlen sind von der Bank für internationalen Zahlungsausgleich). Der Anstieg war deutlich dynamischer als alles, was zuvor in den USA und im Euroland beobachtet worden war.
Die Schwäche der deutschen Aktien ist im Übrigen das Pendant zum festen Rentenmarkt. Bundesanleihen sind bei risikoscheuen Anlegern erneut wieder sehr gefragt. Die Renditen der zehnjährigen sind daher innerhalb weniger Monate von fast zwei Prozent auf heute nur noch 1,67 Prozent gesunken. Totgesagte leben länger: Außer dem Euro gehören offenbar auch niedrig-verzinsliche Bundesanleihen dazu.