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Europa spricht deutsch und die Märkte flippen aus

Interessant die Rendite auf italienische Staatsanleihen gestern während der Pressekonferenz von Angela Merkel und Straßburg, als die Vertragsreform verkündet wurde und es sich damit abzeichnet, dass es künftig ein strenges Haushaltsregime geben wird in Europa.

Grafik: reutersitaly

Und die Auktion heute war alles andere als erfreulich – fast acht Prozent für zweijährige, das ist Irrsinn. Daraus folgt: Auch wenn wir Schuldensünder künftig auf die Guillotine schicken: Das wird den Markt nicht beruhigen. Die Härtung der Regeln ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Stabilisierung der Währungsunion.

Das ist keine Frage der Ideologie oder der Überzeugungen, sondern der Fakten. Mir wäre es auch lieber, wenn ein paar neue Regeln beruhigend wirkten, aber das ist nicht so.

Es wird irgendeine Form der kurzfristig wirkenden Stützung geben müssen – von wem auch immer und trotz aller Risiken. Oder es kommt das Armageddon.

Anders gesagt: Entweder Zinssozialismus, oder wir können schon einmal die Kartoffeln einlagern und aufs Land ziehen.

 

Adolf Nazi, die Inflation und die Euro-Krise

Die Angst der Deutschen vor der Inflation ist bekanntlich ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung der Bundesregierung, wenn es um radikale Vorschläge zur Lösung der Euro-Krise – Eurobonds, aggressive Anleihekäufe durch die EZB, ein höheres Inflationsziel – geht. Aber was ist die Ursache dieser Angst? Und ist sie berechtigt? Und was hat das alles mit dem Euro zu tun? Weiter„Adolf Nazi, die Inflation und die Euro-Krise“

 

Mit Rainer Hank ins 19. Jahrhundert

Vielen liberalen Ökonomen ist ja vorzuwerfen, dass sie den Staat zwar kleinmachen wollen, ohne zu Ende zu denken, welche Konsequenzen das hat. Rainer Hank – willkommen in der Blogwelt, liebe Kollegen von der FAZ – ist ein ziemlich liberaler Ökonom, aber wenigstens ist er ehrlich. Und so beschwört er in seinem Text über die Euro-Krise die gute, alte Zeit: Weiter„Mit Rainer Hank ins 19. Jahrhundert“

 

Was Friedrich Merz nicht versteht

Die Lektüre des Gastbeitrags von Friedrich Merz im Handelsblatt zeigt, wo die Krise ihren Ursprung hat: Die Wirtschaftspolitik in Europa hat schlicht keine europäische Dimension. Das konnte man in die Südländern beobachten, wo die Zinsgewinne der Euro-Einführung verfrühstückt wurden, aber das kann man auch in den Nordländern beobachten, wo die Löhne so hemmungslos gedrückt wurden, dass die eigene Wirtschaft nur noch auf Kosten einer zunehmenden Verschuldung bei den Handelspartner am Laufen gehalten werden konnte.

Und wenn sich Merz jetzt darüber echauffiert, dass die französischen und italienischen Banken bei der EZB Liquidität nachfragen, die sie am Interbankenmarkt nicht mehr bekommen – genau darum geht es in der Target-2-Debatte –, dann sagt er damit letztlich, dass die EZB nur noch die Zentralbank des Nordens sein soll. Die Liquiditätsversorgung des Bankensystems, die klassischste aller Notenbankaufgaben, soll dem Süden also ganz offensichtlich verweigert werden.

Wenn ein Mitgliedsstaat aus dem Euro ausscheiden sollte, dann fallen beim Eurosystem in der Tat Verluste aus den Liquiditätsoperationen an, auch wenn sich Merz, oder wer auch immer ihm das aufgeschrieben hat, schließlich ist er bislang nicht als Experte für Geldpolitik aufgefallen, mit den Zahlen verrechnet.

Aber die Idee einer Währungsunion ist genau, dass kein Mitgliedsstaat ausscheidet. Sonst kann man keine einheitliche Geldpolitik machen und keine gemeinsame Zentralbank installieren, die alle Banken im Währungsraum versorgen muss. Sonst haben wir ein Festkurssystem.

Aber vielleicht will Merz das ja.

 

Der Fehler der Bankenrettung

Aus der FTD von morgen:

Deutschlands Banken brauchen nach Informationen der FTD und der Nachrichtenagentur Reuters deutlich mehr Geld, um ihre Kapitalquoten wie gefordert zu erhöhen: statt wie bisher gedacht 5,2 Mrd. Euro womöglich 10 Mrd. Euro oder sogar noch mehr. Der Grund: Insidern zufolge hat Europas Bankenaufsicht EBA den Stresstest vom Sommer um die Daten des dritten Quartals aufgefrischt. In diesem Zeitraum, der die Monate Juli, August und September umfasst, war die Staatsschuldenkrise in Europa eskaliert.

Die Bankenrekapitalisierung könnte – zusammen mit dem Schuldenschnitt – einmal als einer der größten Fehler des Krisenmanagements eingehen. Wie die FTD ganz richtig weiter schreibt und auch hier schon zu lesen war:

Viele Banken in Europa bauen derzeit ihre Bilanzen ab, womit sie die Krise allerdings doppelt verschärfen: einerseits, indem sie durch den Verkauf von Staatsanleihen deren Kurse drücken und Renditen in die Höhe treiben, was den Staaten die Aufnahme neuer Darlehen immer schwerer macht. Andererseits dadurch, dass sie durch das Abstoßen der Bonds Wertverluste auf diese Papiere realisieren, was zu Verlusten führt, ihr Eigenkapital aufzehrt und dadurch wiederum den Kapitalbedarf abermals vergrößert. 

Wir befinden uns also gerade in einem Teufelskreis aus Anleiheverkäufen, steigenden Zinsen, wachsender Pleitegefahr und noch mehr Anleiheverkäufen. Und wieder die FTD:

Diesen Teufelskreis hatte die EBA im Sommer mit ihrem Blitz-Stresstest selbst in Gang gesetzt, indem sie die Banken zwang, ihre Staatsanleihen auf deren Marktwert abzuschreiben, um ein realistischeres Bild der Lage zu bekommen.

So wird das nichts mehr.

 

Zinsen außer Kontrolle – Teil II

Wenn man sich in die Daten eingräbt, findet man nicht wieder heraus. Hier die Zinsen auf Unternehmenskredite mit einer Laufzeit von einem bis fünf Jahren in Deutschland und Griechenland.

Grafik: Zinssätze für Unternehmenskredite - DE und GR

Deutsche Firmen zahlten zuletzt weniger als vier Prozent, griechische fast acht Prozent – und das in einem gemeinsamen Währungsraum. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass die deutsche Wirtschaft boomt (also höhere Zinsen benötigte), die griechische aber schrumpft (und damit auf niedrige angewiesen wäre), wird die Brisanz der Lage deutlich. Irgendetwas muss passieren.

Und angesichts dieser Zahlen kann ich beim Lesen der neuesten Analyse von Hans-Werner Sinn nur den Kopf schütteln:

Als Irland sich vor einem Jahr weigerte, unter den Rettungsschirm zu gehen, und fast schon von Trichet dazu geprügelt werden musste, wunderte man sich. Wollte das Land etwa untergehen, statt gerettet zu werden? Das wollte es natürlich nicht. Die Lösung des Rätsels war, dass Irland für nur ein Prozent Zinsen von der EZB die Erlaubnis erhalten hatte, die Druckerpresse auf hohen Touren laufen zu lassen und sich bereits damit hatte retten können. Und so war es auch bei Griechenland, Portugal, Spanien und neuerdings auch Italien.

Ein Prozent? Merke: Preis des Zentralbankgelds ist ungleich Preis des Kredits. Kann man übrigens auch in Lehrbüchern zur Geldtheorie nachlesen.

 

Hat die EZB doch recht (Italiens Zinsen außer Kontrolle)?

Vor einige Zeit habe ich hier bekanntlich an der offiziellen Rechtfertigung der EZB für das Anleiheprogramm bezweifelt. Die Notenbank argumentiert bekanntlich, dieses diene dazu, die Transmission der Geldpolitik zu gewährleisten. Dabei gehe es doch in Wahrheit ganz offensichtlich darum, die Anleihemärkte zu stabilisieren, um damit die Staatsfinanzierung zu erleichtern, was zumindest nicht unmittelbar mit dem Mandat der EZB zu tun hat (was nicht bedeutet, dass es deshalb keine Argumente dafür gibt, doch darum geht es mir hier nicht).

Aber vielleicht ist das doch nicht so einfach. Weiter„Hat die EZB doch recht (Italiens Zinsen außer Kontrolle)?“

 

Wir Hunnen

Volker Kauder, heute auf dem Parteitag der CDU:

„Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen.“

Er meint es sicher nicht so, aber doch sind es solche Sätze, die Unbehagen wecken. Ganz im Ernst: Warum dieses Auftrumpfen, sobald man sich im Recht und auf der Überholspur wähnt? Dieses Rechthaberische? Warum nicht genießen, werben, überzeugen?

Irgend etwas stimmt mit den Deutschen nicht.

 

Die CDU zündelt

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass die politische Klasse in Deutschland mit der Krise hoffnungslos überfordert ist, dann hat ihn die CDU jetzt erbracht. Ein europapolitischer Leitantrag für den Bundesparteitag sieht vor, dass Mitgliedsstaaten der Währungsunion diese wieder verlassen können. Um es mit dem Europaparlamentarier Markus Pieper zu sagen: „Wenn Polen kommt, darf Griechenland gehen.“

Wenn das Regierungslinie wird, wird es ein Desaster geben. Weiter„Die CDU zündelt“

 

Target 2: Der Rat spricht

Für Fans und Feinschmecker: Der Sachverständigenrat hat in seinem aktuellen Jahresgutachten eine Box zum Thema, die ich nur jedem empfehlen kann. Auszug:

Ungeachtet der Tatsache, dass TARGET-Kredite sowohl zur Finanzierung von Leistungs- wie  von reinen Finanztransaktionen verwendet werden können, wird in der Debatte häufig angenommen, dass die TARGET-Salden überwiegend zur Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten in den Problemländern herangezogen werden.

In der Tat. Und weiter:

Dabei wird jedoch verkannt,  dass die aggregierten Leistungsbilanzdefizite der vier GIPS-Länder (Griechenland, Irland,  Portugal und Spanien) von ihrem Höchstwert von 165 Mrd Euro im Jahr 2007 auf 62 Mrd Euro  im Jahr 2011 zurückgegangen sind. Zudem ist der Zusammenhang zwischen den nationalen  TARGET- und Leistungsbilanzsalden nicht sehr ausgeprägt. So ist Irland auf der einen Seite der mit Abstand größte Netto-Schuldner des TARGET-Systems, auf der anderen Seite jedoch das  einzige Problemland mit einem positiven Leistungsbilanzüberschuss im Jahr 2011 und einer in  der Summe der Jahre 2009 bis 2011 ausgeglichenen Leistungsbilanz. Umgekehrt ist für Spanien, das im Jahr 2011 mit 32 Mrd Euro das in absoluten Größen bei weitem höchste Leistungsbilanzdefizit aufweist, der negative TARGET-Saldo vergleichsweise gering.

Genau. Deshalb:

Insgesamt spiegeln die steigenden TARGET-Salden in erster Linie die wachsende Verunsicherung auf den Finanzmärkten, insbesondere das immer geringere Vertrauen in die Banken der  Problemländer wider. Aus diesem Grund wäre es in der jetzigen Situation äußerst riskant, den Zugriff der nationalen Notenbanken auf das TARGET-System zu begrenzen. Es würde bedeuten, dass Finanztransaktionen innerhalb der Währungsunion nicht mehr uneingeschränkt möglich wären, was einem de facto Zusammenbruch des Euro gleichkäme.

Und der zentrale Satz:

Bei aller berechtigten Besorgnis über die Entwicklung der TARGET-Salden ist es unbegründet, hieraus eine Beeinträchtigung der Kreditvergabemöglichkeiten der Banken in den Überschuss-Ländern abzuleiten.

Genau so wenig droht – die neuste Wendung des Arguments – zwingend eine Kreditschwemme:

Es gibt schließlich keine technische Grenze für TARGET-Salden. Wenn sich die aktuelle Entwicklung fortsetzt, ist zwar in der Tat bald ein Punkt erreicht, bei dem die Refinanzierungskredite der deutschen Banken gegen Null tendieren. Sollten dann weitere Zuflüsse nach Deutschland stattfinden, käme es zu einem Umschlagen von einer Netto-Schuldner- zu einer NettoGläubiger-Position der deutschen Banken gegenüber der Deutschen Bundesbank. Um in diesem Fall ein Absinken des Tagesgeldsatzes auf Null zu vermeiden, müsste die EZB zinstragende Anlagemöglichkeiten für das überschüssige Zentralbankgeld bieten. Dies kann entweder durch Termineinlagen geschehen oder aber durch die Emission kurzfristiger Anleihen der EZB. In Ländern mit hohen Devisenmarkt-Interventionen ist eine solche Konstellation häufig zu beobachten