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Schützt die Staatsanleihe

Ich war am Donnerstag bei einem Briefing von Joachim Fels, Chefvolkswirt bei Morgan Stanley. Ich bin mit Fels nicht immer einer Meinung, er ist aber einer der wenigen Bankökonomen, die ich respektiere und schätze, weil er sich eine eigene und meistens gut fundierte Meinung erlaubt. In diesem Briefing entspann sich eine interessante Debatte: Was ist eigentlich eine Staatsanleihe? Weiter„Schützt die Staatsanleihe“

 

Rettet die Staaten und nicht die Banken

Der Bundestag hat dem EFSF zugestimmt. Jetzt ist die Frage, was wir mit dem Geld anstellen. Seit einigen Wochen ist das Argument zu hören, man möge doch statt der Staaten die Banken retten. Was damit gemeint ist: Wir rekapitalisieren die Banken, damit sie einen Zahlungsausfall verkraften können. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt die Wertberichtigungen in den Büchern der europäischen Banken durch die Staatsschuldenkrise (wohlgemerkt nicht den Rekapitalisierungsbedarf) auf 200 Milliarden Euro.

Die Ursache ist schnell benannt, denn wie der IWF schreibt:

Nearly half of the €6,500bn stock of government debt issued by euro area governments is showing signs of heightened credit risk. 

Es ist klar, dass die Banken auf Basis dieser Markterwartungen ziemlich viel Geld bräuchten, damit  ihnen wieder vertraut wird – und dass Christine Lagarde deshalb massive Rekapitalisierungsprogramme fordert. Damit aber zäumen wir das Pferd von hinten auf. Denn es droht eine Situation, in der zwar die Staaten pleite, aber die Banken wohl kapitalisiert sind. Sieht so kluge Politik aus?

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ziel der Politik muss es sein, die Staatsanleihen zu stabilisieren, damit Staatsschulden in der industrialisierten Welt wieder als eine sichere Anlage gelten. Sei es durch Inflation, durch Rettungsschirme, durch institutionelle Reformen oder durch Sparmaßnahmen – und wahrscheinlich wird es eine Kombination aller vier Maßnahmen sein.

Wenn das gelingt, muss auch kein frisches Geld in die Banken gesteckt werden. Und weil man jeden Euro nur einmal ausgeben kann, sollte sich die Politik jetzt voll auf die Lösung der Staatsschuldenkrise konzentrieren. Der Rest ergibt sich dann von selbst.

 

 

Stecken Sinn und Schlesinger unter einer Decke?

Vielleicht haben sich einige schon gewundert, warum Hans-Werner Sinn immer wieder Schützenhilfe von Helmut Schlesinger erhält. Schlesinger war schließlich Präsident der Bundesbank und die Bundesbank – genau wie die Europäische Zentralbank – hat bekanntlich erhebliche Bedenken an der Methodik von Sinns Target-2-Analysen angemeldet.

Nun ist mir zu Ohren gekommen, dass Schlesinger der geistige Vater der Target-Debatte ist. Angeblich hat Schlesinger bei einem Treffen des wissenschaftlichen Beirats beim Wirtschaftsministerium – in dem beide Mitglied sind – auf den Anstieg der deutschen Target-Forderungen aufmerksam gemacht und Sinn hat sich dann des Thema angenommen – mit den bekannten Ergebnissen.

Das ist nicht verwerflich, um das gleich zu sagen. Aber es würde die ungewöhnliche Allianz erklären.

 

Warum eigentlich darf „Mister Dax“ ins Fernsehen?

Wenn Talkshows nach einer Figur suchen, die die Sicht der Finanzmärkte repräsentiert, dann nehmen sie gerne Dirk Müller. Kampfname: Mister Dax. So auch Günther Jauch gestern. Nun kennt man ihn aus dem Fernsehen, weil sein Arbeitsplatz an der Börse zufällig unter den Kurstafeln lag – aber abgesehen davon: Was macht ihn eigentlich zum Finanzmarktexperten?

Gestern bei Jauch jedenfalls erklärte er den Deutschen, dass es den „Jungs jenseits des Atlantiks“, also die großen Investmentbanken egal ist, was ein deutscher Minister so sagt. Komisch nur, dass die Märkte im Moment panikartig auf jede Äußerung eines deutschen Ministers reagieren – wahrscheinlich weil sie sehr genau wissen, dass über die Zukunft des Euros in Berlin entschieden wird.

Kleiner Tipp an die Redaktionen: Vielleicht mal einen von den „Jungs jenseits des Atlantiks“ in die Show holen!

 

Wer ist hier links?

Leider komme ich erst jetzt dazu, auf den sehr interessanten Beitrag von Kantoos – der damit wieder einmal beweist, dass er einen der interessantesten Blogs betreibt – über die Frage verfasst, was unterLinkssein zu verstehen ist. Dabei nimmt er Bezug auf meine Auseinandersetzung mit dem Aufsatz von Frank Schirrmacher zu dem Thema. Kantoos kritisiert nun, in meiner Kritik an Schirrmacher mache ich den Fehler, Linkssein als Zugehörigkeit zu einem bestimmten Theoriegebäude zu definieren und schreibt: Weiter„Wer ist hier links?“

 

Euro-Bonds überfordern uns (aber nur intellektuell)

Ich bin ja nun schon eine Weile im Geschäft, aber dennoch immer wieder verblüfft, was es da so in die hiesigen Qualitätszeitungen schafft. Standard & Poor’s hat sich also zum Thema Euro-Bonds geäußert.

Wenn wir einen Euro-Bond haben, bei dem Deutschland 27 Prozent garantiert, Frankreich 20 Prozent und Griechenland 2 Prozent, dann läge das Rating des Euro-Bonds bei ,CC‘, was der Kreditwürdigkeit Griechenlands entspricht“, sagte der Leiter des Länderbereichs Europa von S&P, Moritz Krämer, auf dem „Europäischen Forum“ im österreichischen Ort Alpbach.

Wenn Europa einen Euro-Bond so strukturierte, dann hätte es tatsächlich den Untergang verdient. Natürlich fliegt das nur, wenn es eine gesamtschuldnerische Haftung gibt – joint and several für die Experten –, wenn also der Ausfall eines Landes nicht automatisch zu einem teilweisen Zahlungsausfall führt, sondern einer für den anderen eintritt.

Dann sollte die Verschuldung der Euro-Zone insgesamt zählen, und die ist niedriger als die der USA – und wahrscheinlich wäre es vollkommen egal, was S&P sagt, weil an einem solchen Bond niemand vorbei käme. Ohne gesamtschuldnerische Haftung kann man die Sache mit den Euro-Bonds auch gleich bleiben lassen. Ich denke, man muss nicht einmal Goldman Sachs engagieren, um das hinzubekommen.

Krämer kann sich eine solche Anleihe immerhin vorstellen.

„Vielleicht könnte dies auf eine andere Art strukturiert werden“, fügte er hinzu.

Die meisten meiner Kollegen offensichtlich nicht. „Deutschland droht Rating wie Griechenland“ las ich irgendwo und noch Schlimmeres. Denkfaulheit ist die wohlwollende Interpretation, Stimmungsmache die wahrscheinliche.

Update: Ein Auszug aus einer Studie von S & P (leider kein link). Es ist genau so, wie ich dachte:

We anticipate that such composite, severally liable issuance is unlikely to be realized at significant scale beyond a group of similarly rated sovereigns given the potentially higher financing costs for higher rated sovereigns issuing in combination with lower rated peers.  Our rating approach described herein would apply where each participating government would be responsible only for the debt service of that share of the bond proportional to the share of the receipts it received at the time of the bond sale and no government would be liable for more than its own share. We see this format as equivalent to packaging a pool of several sovereigns‘ identical issues (tenor, coupon, interest dates) into a single bond.

Mit anderen Worten: S & P spricht nicht über einen Eurobonds, wie ihn sich die Befürworter vorstellen, sondern über eine teilschuldnerische Haftung. Daher auch das Urteil.

Under these circumstances, Standard & Poor’s would generally rate the bond at the rating level of the lowest rated participating sovereign (weak-link approach), irrespective of how large or small that sovereign’s share in the bond may be.

 

Reich werden mit Keynes

FT Alphaville zitiert aus einem Gespräch mit Bill Gross:

“Do I wish I had more Treasuries? Yeah, that’s pretty obvious,” Mr Gross told the Financial Times last week, adding: “I get that it was my/our mistake in thinking that the US economy can chug along at 2 per cent real growth rates. It doesn’t look like it can.”

When the yield on the 10-year Treasury was 3.5 per cent in January, Mr Gross warned that the risk of rising inflation made government debt a poor investment.

Schon blöd, wenn die politisch erwünschte ökonomische Theorie so gar nicht zur Realität passt. Sie kommt nicht, die große Inflation.


 

Der Weg in die Knechtschaft

Eines der wichtigsten Argumente gegen die Übertragung von Kompetenzen an den EFSF, nach Brüssel oder an eine andere europäische Institution ist deren mangelnde demokratische Legitimation. Es gilt no taxation without representation und der Bundestag will sein Budgetrecht nicht hergeben.

Andererseits: Wie ist es um die Souveränität einer offenen Volkswirtschaft in globalen Märkten bestellt?  Man kann ja mal die Schweizer fragen, wie groß die geldpolitische Autonomie noch ist, wenn man von den Kapitalmärkten als sicherer Hafen ausgeguckt wurde.

Die Frage ist als, wie das default setting aussieht. Bei Nichtübertragung von Kompetenzen kehrt hierzulande also nicht zwingend die totale Souveränität ein, denn dann reden zwar nicht die Griechen und Portugiesen mit, aber dafür die Märkte. Und irgendwie scheinen wir zu glauben, dass die Unterwerfung unter den Markt mit weniger Freiheitsverzicht verbunden ist als die Unterwerfung unter gemeinsame europäische Regeln.

Dabei kann die Vergemeinschaftung als Versuch verstanden werden, Souveränität wiederherzustellen – nicht die perfekt durchlegitimierte Souveränität, die wir aus dem nationalen Kontext kennen, aber eine, die vielleicht immer noch demokratischer ist als von den Märkten regiert zu werden.

Meines Erachtens liegt der große Denkfehler vieler Kritiker der Rettungsmaßnahmen – einschließlich des Bundespopulisten Wulff –  darin, dass sie argumentieren, wir würden uns von den Märkten durch die Manege ziehen lassen. Dabei schaffen wir uns die Instrumente, um die Märkte durch die Manege ziehen zu können.

 

Was wollt ihr eigentlich, ihr Euroskeptiker?

Mein Beitrag über Christian Wulff hat eine wahre Flut von Kommentaren ausgelöst – 90 Prozent davon wüste Beschimpfungen. Damit kann ich leben. Was ich mich aber frage ist: Was wollen diejenigen eigentlich, die die Rettungsmaßnahmen kritisieren? Raus aus dem Euro? Könnte zwar in einer Katastrophe enden, aber kann man natürlich machen. Dann aber sollte man zumindest so ehrlich sein, und das auch sagen, statt wie Bundespopulist Wulff über die Politiker herzuziehen und sich immer nur darüber zu beklagen, dass dauernd Regeln gebrochen werden und alles ganz schlimm ist. Ist es, keine Frage, aber die Welt ist kein Ponyhof. Und vielleicht waren ja auch ein paar der Regeln einfach nicht so clever.

Wenn man aber die Währung behalten will, dann muss ja ganz offensichtlich irgendetwas geschehen. Man kann Eurobonds einführen, den EFSF vergrößern und mit der Flexibilität ausstatten, die nötig ist, um am Markt zu agieren, oder man kann den Job der EZB übertragen.  Für all das gibt es Argumente und Gegenargumente, aber wer alles ablehnt – wie es 90 Prozent der Deutschen zu tun scheinen – der macht sich einen „schlanken Fuß“ um einmal Wulff zu zitieren.

Wenn jetzt dieselben Leute, die gegen die Bondkäufe der EZB wettern, sich darüber beklagen, dass durch den EFSF ihr schönes Budgetrecht zum Teil verlustig geht, dann ist das bestenfalls unaufrichtig. Soll Klaus Regling etwas jedes Mall beim Bundestag nachfragen, bevor er interveniert? Die Märkte werden aber richtig Angst bekommen. Und: Fordern wir nicht von den Griechen und den Portugiesen, dass sie ihr Budgetrecht aufgeben?

Die Euro-Debatte ist ein Trauerspiel.