Warum wir (immer noch) nicht für Griechenland bezahlen

Wegen eines Buchprojekts derzeit etwas weniger Präsenz hier, aber das Thema Griechenland kann nicht unkommentiert bleiben. Da freuen sich die hiesigen Medien also darüber, dass sie die Regierung der Lüge überführt hätten, weil die doch nun eingeräumt habe, dass uns die Rettung etwas koste.

Das Ifo-Institut ist da natürlich gleich bei der Stelle mit einer reichlich absurden Berechnung eines impliziten Schuldenschnitts und der Schlussfolgerung, dass deutsche Etatdefizit würde eigentlich um 14 Milliarden Euro höher ausfallen, wenn man dieses Defizit „versicherungsmathematisch korrekt berechnen“ würde.

Einmal abgesehen, dass es für die Berechnung des Staatsdefizits nun einmal Regeln gibt, die auch eingehalten werden sollten: So einfach ist die Sache nicht.
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Wann kommt der Schuldenschnitt in Griechenland?

Der Streit um eine Lösung der Griechenlandfrage hält an, am Dienstag dieser Woche konnte sich die Euro-Gruppe nicht auf ein Maßnahmenpaket einigen, um die Schulden des Landes zu drücken – vor allem weil Deutschland radikale Maßnahmen wie einen Schuldenschnitt zum jetzigen Zeitpunkt scheut.

Argumentierte die Bundesregierung bisher eher formaljuristisch – ein Schuldenschnitt macht aus einem Kredit einen Transfer und das ist haushaltsrechtlich und europarechtlich problematisch – so ist neuerdings auch ein ökonomisches Argument aus Berlin zu hören.
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Anlagestrategie nach der Rettung Griechenlands

Durch das neue Rettungspaket für Griechenland und die Flutung der europäischen Geldmärkte mit billigem langfristigem Geld dürfte die Eurokrise zunächst einmal entschärft worden sein. Gelöst ist sie natürlich noch nicht. Das Umfeld hat sich für die Anleger jedoch deutlich verbessert.

Es droht keine neue globale Rezession: das Wachstum ist zwar moderat, ist aber immerhin fundamental gut abgesichert. Die Schwellenländer, auf die inzwischen die Hälfte des weltwirtschaftlichen Outputs entfällt, expandieren weiterhin viel rascher als die reichen Länder und bieten daher die besten Anlagechancen.

Im OECD-Bereich gibt es zwei wichtige Wachstumsbremsen: das Deleveraging von Haushalten und Banken sowie die restriktive Finanzpolitik.

Da die Outputlücke auch global weiterhin groß und die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer schwach ist, werden die Inflationsraten trotz des forcierten Gelddruckens niedrig bleiben. Ich gehe daher davon aus, dass die extrem expansive Geldpolitik für lange Zeit beibehalten werden wird.

Die Rohstoffpreise sind eigentlich zu hoch. Dass es dennoch nicht zu einem Einbruch kommen wird, liegt an den real negativen Notenbankzinsen in den Industrieländern und dem rohstoff- und energieintensiven Wachstum in den Schwellenländern, deren reales BIP zurzeit mit Raten von 5 bis 5,5 Prozent expandiert.

Amerikanische, deutsche, britische, schweizerische, schwedische und japanische Staatsanleihen sind ziemlich teuer und sollten in dem neuerdings weniger risikoreichen globalen Umfeld untergewichtet werden, zugunsten von italienischen oder spanischen Anleihen, insbesondere aber zugunsten von Dividendenpapieren.

Eine ausführliche Analyse des aktuellen makroökonomischen Umfelds und der Risiken und Aussichten für Aktien, Bonds und Rohstoffe finden Sie in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – March 2012*) (pdf, 214 KB)

*) Der Investment Outlook von Dieter Wermuth ist in englischer Sprache verfasst und wird im Herdentrieb in loser Folge zum Herunterladen bereitgestellt. (UR)

 

Das Dilemma der EZB in Griechenland

In Griechenland dauern die Verhandlungen über die Umschuldung an – und selbst wenn eine freiwillige Einigung gefunden wird, bleibt die Frage, ob sich am Ende genug Investoren beteiligen, um Schuldentragfähigkeit herzustellen (und nur dann wird der IWF weiter Geld auszahlen). Das wirft die Frage auf, was die Europäische Zentralbank mit ihren Beständen in Höhe von rund 40 Milliarden Euro anstellen soll. Weiter„Das Dilemma der EZB in Griechenland“

 

Griechenlandrettung: Kostet kaum ein Lächeln

Hier die zentrale Passage der inzwischen im Netz zirkulierende aus der Schuldentragfähigkeitsanalyse für Griechenland. Schlimm, schlimm, die Rettung wirft die Retter um – so wird das in dem meisten Zeitungen, etwa in der Süddeutschen, kommentiert. Ist das so?

Sehen wir uns die Zahlen an: Unter Annahme der bisherigen Gläubigerbeteiligung (21 Prozent Barwertverlust) braucht das Land bis 2030 also insgesamt Hilfskredite in Höhe von 359 Milliarden Euro um Schuldentragfähigkeit – wenn ich es richtig lese eine Schuldenquote von 130 Prozent des BIP – zu erreichen. Schlimmstenfalls sind es 551 Milliarden Euro.

Keine Frage, das ist viel Geld. Aber erstens sprechen wir von einem langen Zeitraum und ein Euro in 20 Jahren ist weniger wert als ein Euro heute. Und zweitens: Das nominale Bruttoinlandsprodukt der Euro-Zone beläuft sich Stand 2011 auf 9500 Milliarden Euro. Wir sprechen also von einem Volumen von rund fünf Prozent des Euro-BIPs. Und schließlich drittens: Es handelt sich um Kredite. Das Geld kommt also zurück.

Die Überschrift ist mit Absicht polemisch formuliert, aber ganz im Ernst: Ist das wirklich der Abgrund?

Update: Noch ein schönes Detail aus dem Zahlenwerk: Die Erhöhung der Privatsektorbeteiligung um 50 Prozent reduziert den offiziellen Finanzbedarf also von 359 auf 220 Mrd €. Zugleich stecken wir 100 Mrd € in die Banken zur Absicherung – dabei sind andere Absicherungskosten wie die Erhöhung des EFSF noch nicht eingerechnet. Toller Deal…

 

Ist Griechenland gar nicht pleite?

In der EU scheint es inzwischen Konsens zu sein, dass die Griechen pleite sind und deshalb einen massiven Schuldenschnitt benötigen. Nun ist das mit Staatsinsolvenzen so eine Sache. Es lässt sich schwer feststellen, wann ein Land objektiv nicht mehr in der Lage ist, seine Schulden zurückzuzahlen. William Cline vom renommierten Peterson Institute for International Economics in Washington hat sich die Zahlen noch einmal angeschaut und kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Griechenland ist überhaupt nicht bankrott.

The results here suggest instead that Greece can manage its sovereign debt under the new package so long as it meets the fi scal adjustment targets. So far the evidence is that Greek political leaders are willing to take the extensive and unpopular measures necessary to do so.

Ein zentraler Punkt in der Analyse von Cline ist die Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettoverschuldung. In Europa ist das Konzept der Bruttoverschuldung üblich. Sie misst schlicht die Verbindlichkeiten des Staatssektors. Wenn ein Staat beispielsweise eine Bank mit Verbindlichkeiten von 100 Milliarden Euro übernimmt, steigt die Bruttoverschuldung um 100 Milliarden Euro.

Dabei bleibt aber unberücksichtigt, dass der Staat ja auch Vermögenswerte übernimmt, die wieder zu Geld gemacht werden können. Die Nettoverschuldung rechnet solche Effekte gegeneinander auf. In der Regel spielt das keine große Rolle, es gibt aber Ausnahmefälle. Japan beispielsweise hat nach Daten des Internationalen Währungsfonds eine Bruttoverschuldung von 220 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist die Zahl, die in den Medien immer wieder genannt wird. Die Nettoverschuldung des Landes aber liegt bei nur 117 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – unter anderem dürfte das daran liegen, dass der japanische Staat Eigentümer der Post ist, die in dem Land ein wichtiger Anbieter von Finanzdienstleistungen ist. Wie auch immer: 117 Prozent ist schon weit weniger dramatisch als 220 Prozent und das könnte ein Grund dafür sein, dass die Japaner mit ihren Schulden gut leben können.

Cline zufolge ist auch Griechenland so ein Ausnahmefall. Ein Großteil des vom IWF im Juli vorhergesagten Anstiegs der Verschuldung auf 172 Prozent des BIP sei darauf zurückzuführen, dass die griechische Regierung mehr Geld in ihre Banken und den Aufbau eines Vorrats an Sicherheiten für den geplanten Anleihetausch im Rahmen der auf dem letzten EU-Gipfel vereinbarten Privatsektorbeteiligung stecken müsse. Würde man diese Verbindlichkeiten mit dem dadurch erworbenen Vermögen gegenrechnen, läge die Schuldenquote um 33 Prozent niedriger.

Cline simuliert nun die Entwicklung der griechischen Nettoverschuldung unter der Annahme, dass die im Juli vereinbarten Vorgaben eingehalten werden.

In the central baseline through 2020 after the July 2011 package, gross debt peaks at 175 percent of GDP in 2012, then falls to 113 percent by 2020; net debt falls from 121 percent of GDP in 2011 to 69 percent by 2020.

Die Nettoverschuldung Griechenlands liegt also im Jahr 2020 bei 69 Prozent der Wirtschaftsleistung – Griechenland stünde besser da als der Durchschnitt der sieben führenden Industrienationen heute, die im Mittel eine Nettoverschuldung von 73 Prozent des BIP haben. Die Zinslast fällt von 7,2 Prozent des BIP in diesem Jahr auf 5,2 Prozent in 2020.

Voraussetzung ist, dass die Griechen einen strengen Konsolidierungskurs fahren. Doch wenn das Land die Privatisierungen vorantreibt, wäre nach Schätzungen von Cline ein Haushaltsüberschuss vor Zinszahlungen von 4,4 Prozent des BIP im Jahr ausreichend. Das ist hart, aber machbar.

Nun ist es wie immer in der Ökonomie: Man kann auch zu ganz anderen Ergebnissen kommen. Aber Clines Zahlen sind durchaus interessant – und sie sollten all jenen eine Lehre sein, die mit der Insolvenz schnell bei der Hand sind.

 

Warum der Rückkauf von Griechenlandanleihen nichts bringt

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Der Rückkauf von Staatsanleihen durch die Krisenländer wird wohl eines der Instrumente des umfassenden Rettungspakets werden, das die EU auf ihrem Gipfel im März verabschieden will. Es sieht ganz so aus, als seien alle von dem Vorschlag begeistert. Die Märkte, die Politiker, die Ökonomen.

Was die Frage aufwirft, ob die Maßnahme wirklich so klug ist. Meine Antwort: Es kommt darauf an. Weiter„Warum der Rückkauf von Griechenlandanleihen nichts bringt“

 

Griechenland spart – und es kann klappen

Die Regierungen überschuldeter kleiner Länder können, wenn sie nur entschlossen genug sind und von der Bevölkerung unterstützt werden, durch eine Radikalkur innerhalb kürzester Zeit ihre Finanzen in Ordnung bringen und das Vertrauen der internationalen Kapitalmärkte zurückgewinnen, sich also erneut zu relativ niedrigen Zinsen verschulden. Estland und Irland machen es gerade vor, Belgien, Schweden und Finnland ist das Kunststück in der Vergangenheit geglückt, und ich vermute, dass es auch Griechenland, Portugal und sogar Spanien gelingen wird. Ist der Abgrund nur nah genug, lassen sich regelmäßig Maßnahmen durchsetzen, die vorher als unzumutbar galten. Weiter„Griechenland spart – und es kann klappen“