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Gazakrieg: Der Preis war zu hoch

Mitblogger „Wachtmeister“ meint:

…ist Krieg nie sauber und immer mit moralischen Kompromissen verbunden. Die Hamas befindet sich nach eigener Definition im permanenten Kriegszustand mit Israel, und bei ihr ist daher die Verantwortung für diese Situation zu suchen.

Man kann Israel aber den Vorwurf machen, dass die Regierung erneut ohne sinnvolle Strategie vorgegangen ist. Anstatt das Problem namens Hamas endlich zu lösen, hat man wieder eine Situation hinterlassen, bei der die nächste Runde der Auseinandersetzungen bereits vorprogrammiert ist.

Wenn man Militär einsetzt und alle damit verbundenen Probleme erzeugt, dann sollte man es mit der Absicht tun, eine Entscheidung herbeizuführen. Vielleicht hatten die Kritiker Recht, die in der israelischen Aktion nur ein Wahllkampfmanöver gesehen haben. Für ein solches Manöver war der Preis aber definitiv zu hoch.

Aber was hieße es, „das Problem Hamas endlich zu lösen“?

 

Die Deutschen und Gaza

Ein Leser schreibt als Antwort auf unseren Gaza-Schwerpunkt in der ZEIT dieser Woche:

Ich würde mich freuen, wenn Ihre Zeitschrift einmal knapp und unmißverständlich zum Ausdruck brächte:
Kann eine Bevölkerung ein in ihrem Namen handelndes kriegslüsternes Regime nicht wegjagen, sondern läßt zu, daß es seine Nachbarn mit Ausrottung bedroht, wird sie zu Recht bekämpft. Die geringe Anzahl toter Frauen und Kinder der Palästinenser sind zwar zu bedauern, aber unvermeidlich. Das sollten wir Deutsche eigentlich noch in der Erinnerung haben: Wir haben das Nazi-Regime nicht beseitigen können und daher Tausende von Toten durch Luftangriffe hinnehmen müssen.
Hochachtungsvoll 

Ich habe mit der historischen Parallele ein Problem: Die Palästinenser in Gaza sind erstens nicht mit den Deutschen zu vergleichen, die ganz Europa mit Krieg überzogen hatten und dafür auf die stärkste Armee ihrer Zeit zurückgreifen konnten. Und zweitens ist der Luftkrieg gegen Deutschland auch nicht in toto zu rechtfertigen. Oder soll etwa der Untergang Hamburgs im großen Feuersturm eine Rechtfertigung für das israelische Vorgehen in Gaza sein? Die Israelis werden sich bedanken für solche Vergleiche! Wir sollten nicht diesen aktuellen Konflikt im Spiegelkabinett historischer Verweise zu verstehen versuchen.

Was nichts daran ändert, dass die Hamas gegenüber Israel völkerrechtswidrige, antisemitische und genozidale Positionen vertritt und dafür bekämpft werden muss.

 

Die feinen Unterschiede im Hass…

Alan Posener zum Streit um Antisemitismus und Islamophobie:

In Arras, Nordfrankreich, sind am Vorabend des muslimischen Opferfests auf einem Soldatenfriedhof Hunderte von Gräbern muslimischer Gefallener von Neonazis geschändet worden.  Wie schon im April 2007 und im April 2008 wurden die Gräber der Soldaten, die für Frankreich ihr Leben ließen, mit Hakenkreuzen und den Worten “Heil Hitler” beschmiert. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy fand die richtigen Worte, als er von einem “widerlichen Rassismus” sprach, der sich gegen die muslimische Gemeinschaft Frankreichs richte. Ob man nun diesen widerlichen Rassismus Islamophobie nennt oder Islamfeindschaft oder Muslimfeindschaft oder Antiislamismus oder was auch immer: die Urheber dieser Tat haben mit ihren Hakenkreuzen und dem Slogan “Heil Hitler” klar gemacht, dass sie für die feinen Unterschiede im Hass gegen die eine wie die andere Gruppe wenig Gefühl haben…

Mehr hier.

 

Na, das hat er mal davon

Michael Kreutz schreibt im Transatlantic Forum (sehr harsch, für meinen Geschmack):

(…) wer Hoders Newsletter abonniert hatte, weiss, dass Hoder Anhänger von Ahmadi-Nejad war, den er groteskerweise als “neuen Amir Kabir” bezeichnete. Tatsächlich ist der Name des historischen Amir Kabir wie kein zweiter mit der Modernisierung des Iran in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbunden. Man vergleiche dies mit dem Kurs Ahmadinejads, die Universitäten zu islamisieren und personell zu säubern und man sieht, wes Geistes Kind Hoder ist.

(…)

Wie kommt es dann, dass Derakshan verhaftet wurde? Er sollte doch eigentlich vom Regime mit offen Armen empfangen werden. Das kann nur verstehen, wer den Charakter totalitäter Regime zur Kenntnis nimmt. Khomeini, Mao, Stalin – sie alle haben ihre engsten Mitstreiter hinrichten lassen. Sie alle nämlich waren paranoid. Und so ist ihre Paranoia auch dem Staatsapparat der von ihnen gegründeten Regime ins Fundament gegossen.

Die Moral von der Geschicht’: Anschleimen an Diktaturen lohnt sich nicht.

 

Lau regt sich mal wieder sinnlos auf

Martin Ebbing, Korrespondent in Teheran, kritisiert meine Kritik an Mary Robinsons Kopftuch in Teheran:

Laus Zorn erregt das oben zu sehende Foto von der Konferenz „Religionen in der modernen Welt“, die gestern in Teheran eröffnet wurde. Es handelt sich dabei um eine Dialogreihe, in der politische Größen dieser Welt in recht langweiligen Reden über die Bedeutung von Religionen und ihr Verhältnis zueinander räsonieren. In Teheran sind diesmal u.a. der ehemalige UN Generalsekretär Kofi Annan, der ehemalige italienische Ministerpräsident Romano Prodi, der ehemalige portugiesische Präsident Jorge Sampaio, der ehemalige norwegische Premier Magne Bondevik und die ehemalige irische Präsidentin Mary Robinson dabei.

Zutreffend erwähnt Lau, bei der Veranstaltung gehe es auch darum, dem „Reformer“ Khatami (die Anführungszeichen sind von Lau, der Ahmadinejads Vorgänger eine „Flasche“ nennt) eine „große Bühne zu geben, damit der 2009 vielleicht gegen Ahmadinedschad antreten kann“.

„Kann man machen“, gibt sich Lau gönnerisch, aber auf keinen Fall machen kann man seiner Ansicht nach, was Frau Robinson gemacht hat.

„Tugendterror“ und „Freiheitsberaubung“. Da schäumt die Feder.

Lächerlich erscheint mir eher, dass Lau ausgerechnet Mary Robinson, die bis zum Jahr 2002 UN Hochkommissarin für Menschenrechte war (was Lau nicht erwähnt), „Anbiederei an den Tugendterror“ vorwirft. In diesem Amt hat sie es an Kritik an der Menschenrechtspraxis des Irans nicht missen lassen. Im übrigen war zur selben Zeit Khatami Präsident.

Es sagt einiges, dass trotz dieser damals recht heftigen und öffentlich ausgetragenen Differenzen Frau Robinson bereit ist, einer Einladung nach Teheran zu folgen. Vielleicht ist Khatami doch weniger eine „Flasche“ und mehr ein „Reformer“ als Lau glauben mag.

Ja, was sagen die „jungen Frauen im Iran, die jedes Jahr zu Hunderten verhaftet werden wegen ‚bad hijab‘“ zum Tuch auf dem Kopf von Robinson? Nichts. Sie wissen nur zu genau, dass

a. das Tragen von Kopftüchern im Iran für Frauen aller Konfessionen gesetzlich vorgeschrieben ist

b. Khatami auch als Gastgeber der Konferenz keine Möglichkeit hat, dieses Gesetz aufzuheben

c. Khatami den Hardlinern die Vorlage bieten würde, auf die sie nur gewartet haben, wenn er öffentlich mit einem weiblichen Gast auftreten würde, der kein Kopftuch trägt.

Vielleicht weiß Jörg Lau das nicht und wahrscheinlich ist es ihm auch nicht klar, dass die überwiegende Mehrheit der von den politischen Verhältnissen im Land Frustrierten den Dialog auf jeden Fall einem provozierten Einreiseverbot wegen mangelndem Kopftuchs vorzieht.

Wenig vertraut scheint Lau auch mit der Praxis von IRNA, der staatlichen Nachrichtenagentur, zu sein, aus jeder Äußerung eines westlichen Staatsgastes eine Lobhudelei auf den Iran zu stricken – notfalls auch indem man Sätze aus dem Zusammenhang reißt oder sie in ihr Gegenteil verbiegt.

Ich bin fast geneigt, ein Kopftuch darauf zu wetten, dass Bondevik das nicht gesagt hat, was ihm bei IRNA in den Mund gelegt wird – oder zumindest nicht so.

Eigentlich ist DIE ZEIT doch im Durchschnitt eine ganz manierliche und manchmal auch nachdenkliche Zeitung. Mich geht es ja nichts an, aber irgendwie erscheint mir Jörg Lau da fehl am Platze. (Hier mehr.)

Bei dem letzteren Punkt bin ich zwar dezidiert anderer Meinung. Ich bin auch sehr „manierlich“, und also passe ich auch sehr gut in eine „manierliche“ Zeitung.

Aber vielleicht hat Ebbing ja Recht, und ich habe mich hier an der falschen Stelle aufgeregt.

Ich bin mir allerdings über die Vorschriften im Iran im klaren, und ich kenne auch die Praxis von IRNA. Aber auch Frau Robinson und Herr Bondevik kennt sie, und müßte entsprechend handeln.

Martin Ebbing meint, es lohne sich das Spiel der Mullahs mitzuspielen und man vergebe sich dabei nichts.

Ich habe den Eindruck, dass das so gar nichts bringt. Und dass man sich in der Tat lächerlich macht bei dieser Art Scheindialog. So läuft es nämlich jetzt schon seit ca. 3 Jahrzehnten. Und wo stehen wir? Diese europäische Anbiederei bringt genausowenig wie die totale Kontaktsperre der USA. Wir brauchen einen Neuanfang.

 

Faruk Sen muss gehen

Mitbloggerin Miriam schreibt:

„Ich habe eine Nacht über Ihre Apologie geschlafen. Das hat nicht dazu geführt, dass mein Unbehagen geringer geworden ist.

Die Sache mit den ’neuen Juden‘ läuft nicht auf eine Verharmlosung des Holocaust hinaus, sondern auf eine Verleumdung der Europäer. Denn wenn die Türken die neuen Juden sind, dann sind die Deutschen bzw. die Europäer die neuen Antisemiten. Ich kann nicht einsehen, dass eine solche Verleumdung, auch wenn sie angeblich dem guten Zweck des Schutzes der türkischen Juden vor Diskriminierung dienen sollte, irgendwie zu rechtfertigen wäre. Herr Sen hat jahrzehntelang von positiver Diskriminierung profitiert. Ich plädiere jetzt für Gleichbehandlung.

Die Sache mit den „neuen Juden“ ist ihm auch nicht in einem Halbsatz so rausgerutscht. Sie bildet den roten Faden seines Textes. Er wusste genau, was er tat.

Übrigens, Julia Gerlach berichtet von den Verhaltensregeln der Website www.jungemuslime.de: Regel 14: ‚Ab sofort ist es verboten, die Lage der Muslime mit der Lage der Juden in der NS-Zeit zu vergleichen oder anzudeuten, dass Antisemitismus durch Antimuslimismus ersetzt wird.'(Zwischen Pop und Dschihad, S. 164)…“

(Ähnlich sieht es heute auch Tissy Bruns im Leitartikel des Tagesspiegel.)

 

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Schwierigkeiten mit Obamas Kandidatur

Meine Kollegin Jeannine Kantara, Mitarbeiterin im Hauptstadtbüro der ZEIT, schrieb folgenden Zwischenruf, der sich kritisch mit dem Sprach-Krampf auseinandersetzt, der deutsche Kommentatoren überfällt, wenn sie über Barack Obamas Kandidatur schreiben:

Im vergangenen Sommer fragte ich einen befreundeten amerikanischen Journalisten während seines Deutschlandsbesuchs, ob er glaube, dass Barack Obama der nächste US-Präsident werden könnte. Die Obama-Euphorie in den USA war in vollem Gange und auch in Deutschland beschäftigte man sich zunehmend mit dem Phänomen Obama.
Mein Freund wurde sehr nachdenklich und antwortete: „Ich glaube, der Rassismus wird noch sein hässliches Gesicht zeigen.“ Auf beiden Seiten des Atlantiks.

Knapp ein Jahr später ist Barack Obama Präsidentschaftskandidat der Demokraten, und mein Freund behielt dennoch Recht. Ausgerechnet am 5. Juni 2008, dem Tag nach Barack Obamas historischem Sieg bei den demokratischen Vorwahlen in den USA, titelt die Berliner tageszeitung über einem Foto des Weißen Hauses: „Onkel Baracks Hütte“. Deutlicher lässt sich die Verachtung für den möglicherweise ersten schwarzen US-Präsidenten nicht zum Ausdruck bringen. Der Hinweis auf die tragische Romanfigur des alles erduldenden Sklaven Tom, der mit seinem Leben bezahlt, ist beleidigend und ein kalkulierter rhetorischer Tiefschlag. Vergeblich die Hoffnung, deutschsprachige Kommentatoren hätten ihre Vorurteile in Bezug auf Barack Obamas Hautfarbe endlich hinter sich gelassen haben. Fehlanzeige!

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Überraschen müssen solche Ausfälle nicht, denn links und liberal bedeutet nicht automatisch antirassistisch. Eine nähere Betrachtung der allgemeinen deutschsprachigen Medienresonanz auf Barack Obama seit Bekanntgabe seiner Kandidatur Anfang 2007 offenbart, wie sehr stereotype Vorstellungen über schwarze Menschen noch immer in vielen hiesigen Redaktionen verwurzelt sind.
Die Reaktionen auf Obama reichten von Überraschung und Verunsicherung, über Misstrauen und Verspottung, bis hin zu Euphorie und Verklärung. Dabei ist das Medieninteresse an dem bisher unbekannten Senator durchaus berechtigt. Man will alles erfahren über seine persönliche Biografie und seine politische Agenda. Doch bleiben Analysen und Kommentare allzu oft an Äußerlichkeiten hängen. Hier offenbart sich ein Dilemma: Wie soll man diesen ungewöhnlichen Mann beschreiben, der so schnell nicht wieder von der Bildfläche verschwinden wird?
Die stilistische Ideenvielfalt scheint in dieser Hinsicht unerschöpflich. Barack Obama ist mal „afroamerikanisch“ oder „schwarz“, mal „farbig“ oder „dunkelhäutig“, mitunter auch „braun“ (taz) oder „halbschwarz“ (FAS, Emma) und schließlich „weder schwarz noch weiß“ (Welt) In der FAZ ist er mal „Mulatte“, mal „Farbiger, aber kein Afroamerikaner“. Die Kolumne „West Wing“ auf Spiegel Online glaubt, Obama sei „für viele Amerikaner auch zu schwarz“, um ins Weiße Haus einzuziehen, während die ZEIT fragt, was passiert, wenn durch Obamas Präsidentschaft „das Weiße Haus nicht mehr weiß“ wäre. Wenigstens bringe er „Farbe in den politischen Betrieb in Washington“, freut sich die taz, sucht an anderer Stelle allerdings nach einer komplexeren Erklärung. Unter der Überschrift: „Alles, nur nicht weiß“ schreibt das Blatt: „Man scheint sich einig, dass der Mann nicht schwarz ist, jedenfalls nicht so schwarz, wie es Jesse Jackson war, der immer mal wieder Präsident werden wollte.“ Und einige Zeilen weiter: „Dennoch ist Obama aber auch ganz entschieden nicht weiß. Dieses Nichtweiß-Sein ist, anders als sein Schwarz-Sein, nicht so ausgeblendet aus dem allgemeinen Bewusstsein“.

Spätestens an dieser Stelle blendet der Leser sein Bewusstsein aus. Beruhigend klingt auch die Versicherung kürzlich im ARD-Presseclub, Obama sei „gar nicht so schwarz ist, wie alle glauben“. Auch die Weltwoche stellte Erstaunliches fest: „Der in Harvard ausgebildete Sohn eines Kenianers und einer weissen Amerikanerin sieht vor ländlichem Publikum ebenso weiss aus wie ein Wall Street Banker“. Ob dies allerdings Obamas Wahlchancen erhöht, bleibt fraglich. Um sich genau diese nicht zu verderben, empfiehlt ihm die taz: „Abwarten und nicht schwarz werden“.

Die mitunter abstruse Farbenlehre einiger Kommentatoren stimmt nachdenklich, ebenso wie die häufige, unreflektierte Verwendung des Begriffs »Rasse«. Dass es sich dabei lediglich um die Übersetzung des englischen Wortes »race« handelt, reicht als Erklärung nicht aus. »Rasse« hat im Deutschen noch immer einen bitteren Beigeschmack. Da wird munter geschrieben über „Rassenidentitäten“ und „Rassenspannungen“ (taz), über „Rassenmotiv“ und „Rassenproblematik“ (SZ) und „Rassenpolitik“ (Welt) und „Rassenfrage“ (Tagesspiegel) und „Rassenschranken“ (Zeit). Die NZZ versucht es mit „rassischer Integration“ und die FR findet, „die Rassenkarte sticht nicht“. In Bezug auf Barack Obama scheinen solche Bedenken wie weggewischt. So druckte beispielsweise die Zeitschrift Emma einen Artikel aus der New York Times nach, der sich mit dem historischen Verhältnis zwischen Bürgerrechts- und Frauenbewegung in den USA auseinandersetzt. Der Orginaltitel lautet: „Rights vs. Rights: An Improbable Collision Course“. In der Übersetzung von Emma wird daraus „Rasse sticht Geschlecht“. Und während deutschsprachige Kommentatoren seit dem Auftauchen von Barack Obama sich intensiv mit rassistischen Ressentiments in den Vereinigten Staaten beschäftigen, bedienen sie diese gleichzeitig selbst. Selbst „Amerika-Kenner“ kommen mitunter zu seltsamen Schlüssen. „ So unglaublich es klingen mag: Die USA sind kein rassistisches Land mehr“, verkündete die Frankfurter Rundschau kurz nach Bekanntgabe von Obamas Kandidatur. „Längst ist die amerikanische Gesellschaft durch die massive Einwanderung so durchmischt, dass die für den Rassismus so wichtige Vorstellung der Blutsreinheit selbst dem letzten Wohnwagenbewohner in Georgia unglaubwürdig geworden ist“. Unglaublich – das findet auch Claire McCaskill, demokratische Senatorin von Missouri und mögliche Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin. In einem Interview mit dem Sender CNN sagte sie kürzlich: „Rassismus und Sexismus gedeihen nach wie vor in unserem Land.”

Mehr als bei jedem anderen Kandidaten thematisieren und kommentieren deutschsprachige Medien die physischen Attribute Barack Obamas. Wir haben viel erfahren über sein gutes Aussehen, die schlanke Figur, die samtige Stimme. Über die Furchen in seinem Gesicht und dass er „der wahrscheinlich einzige Politiker ist, der trotz Segelohren umwerfend aussieht“ (Weltwoche). Er sei „der heißeste Politiker, den Amerika zurzeit zu bieten“ habe, schwärmt der Stern, und erwähnt gleich zweimal in einem Artikel, dass der „oberste Hemdknopf immer offen“ stehe. „Seine kurzen, kraus belassenen Haare“ seien „Ausweis der eigenen Rassen-Loyalität“, weiß die Süddeutsche Zeitung zu berichten. Dieser Mann „anderer Hautfarbe“ habe eine „Wahnsinns-Aura“ und „tanzte viel besser“ als Hillary Clinton, schwärmt Brigitte. Die Financial Times Deutschland bescheinigt ihm gar „die größte Ethno-Kompetenz“ und verspricht im Hinblick auf seine Heimatinsel Hawaii: „Wenn Obama Präsident wird, dann kommt wahrscheinlich auch die nächste Tiki-Welle. Mit Hularock und Blumenketten.“

Besondere Beachtung finden auch Obamas erotische Eigenschaften. Selbst die feministische Zeitschrift Emma bescheinigt ihm „den meisten Sexappeal“. Spiegel Online ereifert sich „Obama wählen ist wie eine aufregende Affäre.“ Er sei „mitreißend“, stehe für „Leidenschaft“ und biete „politische Poesie“. Doch eine Warnung sei ausgesprochen, da so manche „liebetolle Fremdgängerei schließlich reumütig da ende, wo sie begann – zu Hause “. Nicht Sexappeal und Charisma, sondern „Erfahrung, Nervenstärke, Gelassenheit“ sind Garanten für eine gute Präsidentschaft – Eigenschaften, die man eher Hillary Clinton zuschreibt. „Niemand fragt, wenn es brenzlig wird, ob der andere spritzig, lustig, erotisch, anregend, wagemutig oder inspirierend ist“, weiß man im „West Wing“ von Spiegel Online. Als die Nominierung Obamas immer wahrscheinlicher wird, folgen weitere Erklärungsversuche, „warum Amerikaner nie wählen, was sie wirklich wollen“. Der amerikanische Wähler leide nämlich, laut Spiegel Online, „unter multipler Persönlichkeitsstörung“.

Vielleicht liegt die Verunsicherung der deutschen Medien durch Obama auch daran, dass sie sich noch nie ernsthaft mit einem schwarzen Mann auseinandersetzen mussten, dessen Einfluss über die Unterhaltungsbranche oder den Sportbereich hinausgeht. Der so unbeirrt und zielsicher danach strebt, der mächtigste Politiker der Welt zu werden. Und dessen Chancen dafür außerordentlich gut sind. Was bedeutet es, wenn die „nichtwestliche Menschheitsmehrheit im Weißen Haus“ regiert (Zeit). Genauer gesagt, die nicht-weiße Menschheitsmehrheit? Apokalyptisch prophezeit die „Welt“, am Tage seines Amtseids werde „die Mall schwarz vor Schwarzen sein“.

Sollte Barack Obama wirklich im November Präsident werden, müssten einige Kommentatoren ihre Wortwahl künftig genauer überdenken oder darauf hoffen, dass dieser „Hohlschwätzer“ (FTD), diese „Bowling-Niete mit Gangster-Connection“ und „Kandidat für die Chill-Out-Zone“ (Spiegel Online) sich zweifelsohne als „ein echter Mann“ (ZEIT) und Gentleman erweist oder dass er bzw. jemand aus seinem Team keine deutschen Zeitungen liest.

Doch auch wenn Barack Obama nicht ins Weiße Haus einzieht, wäre eine Sensibilisierung im Hinblick auf rassistische Sprache wünschenswert. Dann wären Deutschlands Kommentatoren vorbereitet auf einen Anwärter oder eine Anwärterin mit „Migrationshintergrund“ für das Bundeskanzleramt. Er oder sie wird kommen – früher oder später.

 

Alice Schwarzer hat recht…

… meint Mitblogger Kojak, der mir folgende Stellungnahme zu meiner Kritik an ihrem Birma-Bericht schickt: 

„Ich finde es erfrischend, in dieser Pressewelt der vorgestanzten Meinungen zur Abwechslung mal einen eigenständigen Bericht einer Burmareisenden wie Alice Schwarzer zu lesen, der ohne die langweiligen Empörungen der professionellen Meinungsmacher auskommt. Auch wenn ich ihr nicht in allem zustimme (und auch ich Myanmar ganz gewiss eine bessere Regierung wünsche), die selbstgerechte Aufregung der Presse über ihern Artikel finde ich peinlich, zumal viele (Spiegel online, SZ) sich dabei so sehr selbst erhöhen, dass einem schlecht werden könnte. Diese Selbsterhöhung funktioniert auch nur, indem sie Frau Schwarzer einen Kopf kürzermachen und am liebsten Mundverbot erteilen würden. Keiner dieser Journalisten fand es meines Wissens nach nötig, sich über die von Frankreich und Deutschland angesichts der Naturkatastrophe erwogenen Gedanken “einer Invasion Burmas aus moralischen Gründen” zu empören, obwohl es zugleich einen deutschen Aussenminister gibt, der es mutig findet, den Dalai Lama nicht zu treffen, weil stille Diplomatie in Asien sooo viel mehr bringt als Säbelrasseln…Herr Außenminister, liebe Journalisten, auch Burma liegt in Asien, und ist noch dazu sehr viel mehr abgeschlossen als China heute, und im Gegensatz zu China werden keine Milliarden € an deutschen Steuergeldern nach Burma gepumpt, die auch dort das Leid der Bevölkerung lockern könnte und einen sanften Wandel begünstigen könnten… aber wenn schon kein Geld, so gibt es auch kein diplomatisches Verständnis für ein leidgeprüftes Land wie Burma, schließlich ist der Hauptgrund für die Misere des Landes in den Jahren der kolonialen Aubeutung zu suchen, als die Briten die vielen Volksgruppen des Landes gegeneinander ausspielten, das Land zum brutalsten Kriegsschauplatz des zweiten Weltkriegs in Südostasien machten und unter britischen Oberbefehl der Bürgerkrieg im Lande eröffnet wurde. Zum Abschied schenkten die Engländer Burma die Freiheit und ein vom Krieg zerstörtes und ausgeplündertes Land, in dem vor allem die zukünftigen Bürgerkriegsarmeen gut ausgebildet waren. Darauf einen modernen, demokratischen Staat zu begründen ist nicht einfach. Zu Recht zweifelt deshalb Frau Schwarzer die Redlichkeit der britischen Burma Campaign Gruppen an: Wer wie diese Lonely Planet Burma Bücher in London öffentlich verbrennt, scheint zumindest aus deutscher Sicht selbst ein gestörtes Demokratieverständis zu haben. Dass aber die deutsche Presse ihre Informationen von genau diesen Gruppen ungeprüft übernimmt, zeigt die Teilnahmslosigkeit dieser professionellen Schreiberlinge und macht den Unterschied zu Alice Schwarzers engagiertem Beitrag aus. Doppeltes Maß macht den Großteil der deutschen Presse und der Politik unglaubwürdig. Nach einer brutalen Katastrophe wie diesem Zyklon, bestehende und sehr strenge Sanktionen erneut zu verlängern (wie von George Bush getan), ist genauso menschenverachtend wie Lieferungen von Hilfsgütern zu stoppen, weil man sie nicht selbst verteilen darf (wie es manche Hilfsoranisationen taten) und entspricht der Menschenverachtung der zu Recht angeprangerten Generäle.“

 

Die demokratische Frage ist wichtiger als die religiöse

Claudia Dantschke, eine der führenden Islamismus-Expertinnen in Deutschland, schickt mir folgenden Beitrag als Reaktion auf die Wiedereröffnung dieses Blogs – und auf die ersten Diskussionen:

„Hallo Jörg,
glaube nicht, dass du dir damit einen Gefallen getan hast, den Blog doch wieder zu öffnen – habe jetzt mal die Kommentare gelesen – sehe da so gut wie keine Änderung zu vorher.

Deinen Frust und deine Begründung, zu schließen, konnte ich sehr gut nachvollziehen – denn man dreht sich nur noch im Kreis.

Zu dem hervorgehobenen Beitrag „Mitblogger Rafael stellt die entscheidende Frage:“, der ja recht nett gemeint ist, fällt mir aber doch sehr vieles auf: die ganze Debatte von wir, uns und eben die anderen – abstrakt mit „der Islam“ – auch wenn von Vermischung usw. gesprochen wird, und der Beitrag produktiv formuliert ist.

Die Spaltung der Menschen verläuft doch nicht entlang von Religionsgrenzen, auch nicht entlang kultureller Grenzen – das ist doch alles viel zu einfach und oberflächlich.

Das nur, weil du den Beitrag des Mitbloggers charakterisiert hast als „die entscheidende Frage“ – die entscheidende Frage sehe ich eher tiefergehend:

Das „wir“ ist ein wir der Demokraten (seien sie nun zusätzlich zu ihren komplexen Identitäten auch noch gläubige Christen, Muslime, Juden, Atheisten usw.) und das ihr – das sind die Antidemokraten, zu denen auch die Islamophobiker gehören, ebenso wie die Islamisten. 🙂

Krieg der kulturen und Dialog der kulturen sind zwei seiten der gleichen Medallie, was die Definition menschlicher Identitäten betrifft.

Insofern bringt auch ein abstrakter Diskurs über „Islam“ herzlich wenig, wenn er eben nicht auch auf die konkreten Menschen und ihre komplexen historischen, sozialen, politischen usw. Realitäten heruntergebrochen wird.

Das nur mal so unter uns 🙂

Tschüß Claudia

 

Reform des Islam?

Mitblogger Rafael stellt die entscheidende Frage:

„Die Zeit wird zeigen, ob es die Reform des Islam geben wird. Und es ist wichtig, dass wir Nicht-Muslime die Stimmen der Reformer beachten, denn wer würde es sonst tun?

Auf eine Frage habe ich immer noch keine Antwort gefunden. Und deshalb lese ich nach wie vor mit großem Interesse diesen Blog, in der Hoffnung, irgendwann einmal eine Antwort oder eine Idee zu bekommen. Die Frage ist:

Wenn der Islam, so wie er ist, gelinde gesagt reformbedürftig ist, uns im Allgemeinen also eher nicht so gefällt, wie er sich real existierend darstellt, wie können wir, die Nicht-Muslime des Westens, dazu beitragen, dass die Reform des Islam vorankommt?

Geht uns das eigentlich etwas an? Ich denke, ja. Schließlich ist der Islam ein immer wichtiger werdender Aspekt unserer Gesellschaft. Er mischt sich in unseren gesellschaftlichen Diskurs ein und gestaltet unsere Gesellschaft in zunehmendem Maße mit. Er gewinnt an Bedeutung durch Globalisierung, durch Immigration, durch Demografie und durch Mission. Daher sollte die Gesellschaft auch das Recht haben, sich in die Angelegenheiten des Islam, der ja Teil dieser Gesellschaft sein will, einzumischen.

Also, was sollen, was können wir tun, damit der Islam besser wird?“

Wir haben da nur begrenzte Wirksamkeit, scheint mir. Aber folgenlos bleibt auch nicht, wenn und wie wir uns einmischen. Vielleicht hat es noch nie (oder jedenfalls seit Jahrhunderten nicht mehr) soviel Kontakt, Einmischung und Vermischung gegeben wie heute (durch die Kriege des Westens von Bosnien über den Kosovo bis zu Afghanistan und Irak und durch die globale Migration). Eine Entmischung wird es jedenfalls nicht geben, auch wenn mancher davon träumen mag.