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Der politische Islam blüht und gedeiht

Mitblogger C. Sydow (selber Mitbetreiber eines lesenswerten Nahost-Blogs) widerspricht der Analyse von Mshari Al-Zaydi:

Ich denke nicht, dass sich der politische Islam im Niedergang befindet.

Die angeführten Hinweise sind für mich nicht schlagkräftig.

Die Hizbollah hat bei den Wahlen im Juni alle Parlamenssitze, für die sie kandidiert hat, gewonnen. In den mehrheitlich von Schiiten bewohnten Wahlkreisen im Südlibanon erhielt sie etwa 90% der abgegebenen Stimmen.

Dito Palästina: Die Hamas hat die letzten Wahlen 2006 deutlich gewonnen.

In Ägypten, dem bevölkerungsreichsten arabischen Land, sind die Muslimbrüder die stärkste Oppositionsgruppe. Bei freien Wahlen würden sie vermutlich die größte Parlamentsfraktion stellen.

Wichtiger aber ist noch: Man kann den Erfolg islamistischer Bewegungen nicht allein an Wahlergebnissen messen. Ihr oberstes Ziel ist eine (Re-)Islamisierung der Gesellschaft. Diese erreicht sie zuerst über Predigten und die Indoktrinierung der Bevölkerung. Wahlen sind für das Ziel der Islamisierung nur einer von mehreren Wegen. Schaut man sich die gesellschaftliche Entwicklung in vielen arabischen Ländern oder auch in Pakistan an, scheint mir der Islamismus unverändert unverändert auf dem Vormarsch zu sein.

 

„Mein Deutschland“ versteht ihr nicht

Mitblogger Mattes gibt zu Bedenken:

“Mein Deutschland” ist kein geographischer sondern ein sozialer Ort.

Er ist dort wo die Erfahrungen der Menschen nicht von Politik, Erziehung, Unterhaltung, Kommunikation oder Kunst dominiert sind. Die Menschen beschäftigen sich hier damit, wie man Maschinen und Softwaresysteme entwirft und baut, wie man eine Produktions- oder Logistikkette organisiert oder wie man Geschäfte führt.

Diese Menschen sehen auf das was Sie schreiben und was die Politik tut aus dem Blickwinkel Ihrer Erfahrung, und die (Perspektive) unterscheidet sich in deutlich von Ihrem Softskilluniversum.

Wenn in der Technik ein Fehler passiert, ist hinterher meistens klar, wer verantwortlich ist und was er falsch gemacht hat. Das bedingt eine gewisse Abneigung gegen unkontrollierte Experimente. Ein Bauingenieur wird keine Elemente ohne baurechtliche Zulassung verbauen, ein Chemiker keine ungeprüften Rohstoffe in eine hunderte Millionen teure Produktionsanlage einspeisen.

Eine meiner Aufgaben ist es, Experten zusammen zu bringen um technische Probleme zu lösen. Glauben Sie ernsthaft, ich könnte mich in dieser Rolle verhalten wie unsere Politiker? Welche Reaktion würden Sie von mir erwarten wenn jemand zu mir kommt und sagt: “Ich möchte gerne Mitglied dieses Teams werden, denn die Leute in dieser Truppe haben die beste Arbeit. Ich kann zwar nichts, was ihr brauchen könnt und eigentlich will ich auch gar nicht Teil des Teams werden, aber nehmt mich, gebt mir alle Rechte und dann sehen wir schon wie es weitergeht”. Alleine die Vorstellung ist absurd!

Das Problem dabei ist, dass die Menschen, denen es geht wir mir, sich Ihnen, der Presse, den Meinungsmachern und Multiplikatoren, nicht verständlich machen können, denn sie beherrschen den Jargon nicht und haben in Ihren Kreisen keine “credibility”.

Ich unterstelle Schäuble, dass er die besten Absichten hat, aber er hat keine Vergleichswerte, er experimentiert und die Menschen sehen das.

Sie sehen, dass ihr Arbeitgeber Deutschkurse organisiert und sogar die Kosten tragen wil,l und die Kurse werden mangels Teilnahme abgesagt.
Sie hören, dass im Semester des Ältesten unter fast 200 Studenten (naturwissenschafliches Fach) kein einziger Türke ist, und fragen sich, wo die Bereicherung herkommen soll.
Sie stellen mit frustrierter Überraschung fest, dass der Wert von Omas Häuschen in der Altstadt rapide verfällt. weil es inzwischen in einem halben Ghetto liegt.
Inzwischen kennt selbst in den Kleinstädten jeder Fälle von angedrohter oder ausgeübter Gewalt im unmittelbaren Umfeld.

Dadurch dass man irgendwelche Thesen oder Hoffnungen gebetsmühlenartig wiederholt, kann man diese Menschen gegen die wahrgenommenen Fakten nicht überzeugen.

Übrigens erhöht man auch nicht seine Glaubwürdigkeit, indem man sich von irgendwelchen Scheichs düpieren lässt, am wenigsten bei den Scheichs selbst.

 

Wie Obama säkularistischen Muslimen in den Rücken fällt

Hier meine Übersetzung des sehr bedenkenswerten Einwurfs von Marieme Hélie-Lucas:

„Zunächst einmal wendet sich Obama an den Islam, als ob eine Idee, ein Begriff, ein Glaube ihn erhören könne. Als ob dies nicht vermittelt werden müßte durch Menschen, die Ideen, Begriffen, einem Glauben anhängen. Wie Soheib Bencheikh, der frühere Mufti von Marseille einmal gesagt hat: ‚Ich habe noch nie einen Koran auf der Straße marschieren sehen.‘

Kann man sich für eine Minute vorstellen, dass Obama sich ans Christentum wenden würde ? An den Buddhismus? Unmöglich, er würde zu den Christen, zu den Buddhisten sprechen, … kurz zu Menschen, zu Individuen, die sich voneinander unterscheiden.

Obama essentialisiert den Islam, er ignoriert die enormen Differenzen zwischen den muslimischen Gläubigen bestehen, – Unterschiede in der religiösen Interpretation und ziwschen Denkschulen, aber auch kulturelle Unterschiede und politische Divergenzen. Es ist unmöglich, angesichts einer solchen Vielheit vom Islam in einer totalisierenden Weise zu sprechen, wie er es tut. Er würde nie wagen, das Gleiche beim Christentum zu tun – und etwa das Opus Dei und die Befreiungstheologie zusammenzuwerfen…

Unglücklicherweise bedeutet die Essentialisierung des Islam, dass man das Spiel der Fundamentalisten spielt, die dauernd bemüht sind die Idee zu verbreiten, es gebe nur einen einzigen Islam – den wahren, in anderen Worten: ihren -, eine homogene islamische Welt, und als Folge daraus ein einziges islamisches Recht, das von allen respektiert werden müsse im Namen des religiösen Gesetzes. Das geringste Studium der Gesetze in den islamischen Ländern zeigt aber schon, dass diese variieren, manchmal sogar dramatisch von einem Land zum nächsten – inspiriert nicht nur von unterschiedlichen religiösen Auslegungen, sondern auch von verschiedenen kulturellen Parktiken auf jenen Kontinenten, auf denen der Islam sich ausgebreitet hat, und auch von historischen und politischen Besonderheiten, darunter koloniale. Alles Quellen, die ausdrücklich nicht göttlicher Art sind.

Dies ist die verhängnisvolle Konsequenz der Manier, in der Obama den Islam vergegenständlicht und die Muslime homogenisiert: Wie auch immer seine Kritik der Fundamentalisten ausfällt – er nennt sie eine „Minderheit von Extremisten“ -, er benutzt ihre Sprache und ihre Konzepte. Das kann nur schwerlich den Kampf der Antifundamentalsiten in den islamischen Ländern unterstützen.

Schießßlich spricht Obama zu den Religionen statt zu Bürgern, Nationen oder Ländern. Für ihn muß jeder eine Religion haben. Die Tatsache stört ihn wenig, dass Menschen oft eine religiöse  Identität erdulden, die ihnen gewaltsam aufgezwängt wird. Es passiert immer öfter, dass in den islamischen Ländern die Bürger gezwungen werden, eine religiöse Praxis zu befolgen, und dass sie jeden Widerstand dagegen mit ihrer Freiheit und manchmal mit ihrem Leben bezahlen. Darum versetzt der amerikanische Präsident ihren Menschenrechten, ihrer Gedankenfreiheit, ihrer Meinungsfreiheit einen Stich, wenn er öffentlich die Idee unterstützt, dass jeder Bürger eines Landes, in dem der Islam die Mehrheitsreligion ist, automatisch ein gläubiger Muslim sei (ausser wenn er einer anderen Minderheitsreligion angehört).

Ob sie nun gläubig sind oder nicht, praktizierend oder nicht, Menschen entscheiden manchmal, dass die Religion nicht ihr bestimmendes Identitätsmerkmal sein soll. Zum Beispiel können sie ihrer Identität als Bürger die Priorität einräumen. Eine gute Zahl von Bürgern in den ‚islamischen‘ Ländern möchte die Religion auf ihren Platz verweisen und von der Politik trennen. Sie unterstützen den Laizismus und wollen weltliche Gesetze, das heißt demokratisch legitimierte Gesetze, veränderbar gemäß der Wahl und der Stimmabgabe der Menschen; sie stellen sich im Namen der demokratischen Regeln gegen die Einführung unveränderlicher Gesetze, die übergeschichtlich und angeblich göttlichen Ursprungs sind. Sie kämpfen gegen die Macht der Religiösen.“

 

Warum Obama nicht zum „Islam“ hätte sprechen sollen

Sehr bedenkenswerte Einwände fand ich auf einer französischen Website von Marieme Hélie-Lucas (vom feministischen Netzwerk „Femmes sous lois musulmanes„).

(Sollte es gewünscht werden, übersetze ich das folgende auch gerne.)

Tout d’abord, Obama s’adresse à ’l’islam’, comme si une idée, un concept, une croyance pouvait l’entendre. Comme si ceux-ci ne devaient pas nécessairement être médiatisés par des gens – ceux qui adhèrent à ces idées, ces concepts, ces croyances. Comme le disait Soheib Bencheikh, autrefois Grand Mufti de Marseille, actuellement directeur de l’Institut des Hautes Etudes Islamiques à Marseille : „Je n’ai jamais vu un Coran marcher dans la rue“…

Peut-on imaginer une seule minute qu’Obama parle au christianisme ? ou au bouddhisme ? Impossible, il parlerait aux chrétiens, aux bouddhistes, … bref, à des gens, des individus différents les uns des autres.

Obama essentialise l’islam, il ignore les vastes différences qui existent entre les croyants musulmans, – différences d’interprétations religieuses et d’écoles de pensée certes, mais aussi différences culturelles et divergences politiques. Il est impossible, devant une telle diversité, de parler d’’Islam’ de façon aussi totalisante qu’il le fait. Il n’oserait pas faire de même s’il s’agissait du christianisme, en amalgamant, par exemple, l’Opus Dei et la théologie de la libération…

Malheureusement, essentialiser l’Islam fait le jeu des intégristes musulmans dont l’effort permanent est de promouvoir l’idée qu’il existe un seul islam – le vrai, c’est-à-dire le leur – , un monde musulman homogène, et par voie de conséquence, une loi islamique unique qui devrait être respectée par tous, au nom des droits religieux. La moindre étude des lois dans les pays ’musulmans’ montre que celles-ci varient, et parfois dramatiquement, d’un pays à l’autre, s’inspirant non seulement de différentes interprétations religieuses, mais aussi de pratiques culturelles diverses selon les continents où l’islam s’est répandu, et de circonstances historiques et politiques spécifiques, y compris coloniales (1), toutes sources qui ne sont manifestement pas divines.

C’est là la première conséquence néfaste de la façon qu’a Obama d’essentialiser l’islam et d’homogénéiser les ’musulmans’ : quelle que soit sa critique des intégristes – qu’il appelle une ’minorité d’extrémistes’ – , il utilise leur langage et leurs concepts. Voilà qui peut difficilement soutenir la cause des anti-intégristes dans les pays musulmans.

Ensuite, Obama parle aux religions, pas aux citoyens, pas aux nations ni aux pays. Pour lui, il va de soi que chacun doit avoir une religion ; le fait le trouble peu que, bien souvent, les gens subissent une identité religieuse qui leur est imposée par la force. Il est de plus en plus fréquent que, dans les pays ’musulmans’, les citoyens soient forcés à observer une pratique religieuse (2), et qu’ils payent toute dissidence de leur liberté et parfois de leur vie. C’est donc un grand coup que leur porte le président des États-Unis, à eux, à leurs droits humains, à leur liberté de pensée, à leur liberté d’expression, quand il soutient publiquement l’idée que tout citoyen d’un pays où l’islam est la religion majoritaire est automatiquement un croyant musulman (sauf à être d’une religion autre minoritaire).

Qu’ils soient croyants ou pas, pratiquants ou pas, les citoyens et citoyennes décident parfois que la religion ne sera pas leur marqueur identitaire. Par exemple, ils peuvent donner priorité à leur identité en tant que citoyen-nes. Bien des citoyen-nes de pays ’musulmans’ entendent cantonner la religion à sa place et l’écarter de la politique. Ils soutiennent la laïcité et veulent des lois laïques, c’est-à-dire des lois démocratiquement votées par le peuple, modifiables selon le choix et le vote du peuple ; ils s’opposent, au nom de la règle démocratique, à l’introduction de lois immuables, a-historiques et supposées divines. Ils combattent le pouvoir des religieux.

 

Ein nüchterner Blick auf Guantánamo

Mitblogger N. Neumann mahnt, sich die Sache mit Guantánamo nicht zu einfach zu machen, selbst wenn die Kritik an der Bush-Regierung berechtigt sein mag:

Wie kann man mit der Bitte um Entlastung bei diesen Gefangenen an eine befreundete Regierung herantreten, wenn im eigenen Land – und von Führern der Regierungspartei! – gefordert wird, die anderen Gefangenen dürften “nicht auf amerikanischem Boden bleiben, nicht einmal in Hochsicherheitsgefängnissen”?

Gerade deshalb. Es existieren Gründe für die Annahme, dass es sich bei den Uiguren um die für westliche Staaten vergleichsweise harmlosesten Besucher von Lagern der al-Kaida handelt. Wenn man Gefangene, die (warum im einzelnen auch immer) nicht ihrem Ursprungsland übergeben werden können, noch am ehesten loswerden kann, dann die Uiguren – so wahrscheinlich das Kalkül. Bei den anderen Problemfällen gehen manche wahrscheinlich davon aus, dass es noch unwahrscheinlicher ist, dass sie von einem anderen Staat aufgenommen werden.

Wobei “nicht einmal in Hochsicherheitsgefängnissen” wirklich grober populistischer Unfug ist.

Da entsteht doch der Eindruck, die Gefangenen sollten wie eine Art juristischer Sondermüll irgendwo in der Welt verklappt werden – um zu Hause die nötigen Debatten über die rechtspolitische Sackgasse zu vermeiden, in die die Bush-Regierung sich manövriert hat.

Die Gefangenen sind teilweise auch “juristischer Sondermüll”. Wie mit sog. unlawful combattants (der Begriff wurde nicht von den Bushies erfunden) zu verfahren ist, ist kriegsvölkerrechtlich und ebenso nach nationalem Recht nicht klar geregelt, es handelt sich um eine juristische Grauzone. Die Bushies haben sie ausgenutzt, aber eben nicht geschaffen; eindeutig ist allein, dass sie nicht gefoltert werden dürfen.

Der Ursprung des Problems besteht darin, dass das zeitgenössische Kriegsvölkerrecht wesentlich zur Zeit der Staatenkriege entstand und lediglich mit Blick auf konkurrierende Regierungen bzw. eine siegreiche Guerilla (sog. de facto-regime oder stabilisierte de facto-regime) innerhalb eines Staates erweitert wurde. Dass die Akteure de facto jedoch transnational operierende Terroristen (al Kaida) sind und/oder im Auftrag eines de facto-regimes (Taliban) gekämpft haben, dessen völkerrechtliche Einordnung als de facto-regime aus gutem Grund als zweifelhaft gelten kann, war definitiv nicht vorgesehen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Es wird vor allem in Bezug auf die rechtliche Ebene von Menschenrechtsorganisationen, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, etlichen Journalisten sowie einigen Völkerrechtlern seit Jahren der Eindruck erweckt, dass die Anomalie (altgriechisch “Unregelmäßigkeit”) Guantanamo relativ einfach gelöst werden könnte. Die Wahrheit ist jedoch, dass die verbleibenden Gefangenen auch ohne das Lager Guantánamo und ohne Folter ein besonderes, kein einfach zu lösendes juristisches und politisches Problem wären. Die verständliche Empörung über die (Un)Rechtspraxis der Bushies in Guantanamo hat vielen bis heute den nüchternen Blick darauf verstellt.

Kritik an der Vorgehensweise der Regierung Bush zu üben bzw. zu sagen, was man nicht tun darf und soll, war und ist ungleich einfacher, als Wege für die Lösung eines Problems zu finden, dass durch der Regierung Bush verschärft, aber nicht geschaffen wurde.

Zumal der unkomplizierte Gefangenen-Typus des von miesen Gesellen verhökerten völlig harmlosen Kabuler Taxifahrers mittlerweile wohl nicht mehr in Guantanamo sitzt und sich ohne rückfällig geworden zu sein in Freiheit befindet.

 

Druck auf Israel – ein Zeichen der Hilflosigkeit

Ingo Way meint:

Was meinen Sie mit weiter so? Etwa die Politik des einseitigen Rückzugs aus Gaza, die bekanntlich zu vermehrten Raketenangriffen der Hamas geführt hat? Die meisten Israelis waren offenkundig der Meinung, dass eine Politik des Immer-weiter-so tatsächlich nicht zielführend ist und haben folgerichtig eine etwas weniger konziliante Regierung gewählt. Dazu war gar kein Druck von Freunden nötig.

Aber der Druck geht ja sowieso in eine ganz andere Richtung. Und da frage ich mich schon, wie man darauf kommt, die derzeitige Situation im Nahen Osten sei eine Folge davon, dass bislang zu wenig Druck auf Israel ausgeübt worden ist, so dass jetzt auch Israels “Freunde” glauben, zu diesem Druck noch ein wenig beitragen zu müssen. Da wird die Zweistaatenlösung wie eine Monstranz vor sich hergetragen, als sei es Israels Schuld, dass die Palästinenser es vorziehen, Israel und einander zu bekämpfen, anstatt endlich damit anzufangen, funktionierende staatliche Strukturen aufzubauen (was die Juden schließlich auch schon Jahrzehnte vor der eigentlichen Staatsgründung geschafft haben), und zwar ohne sich hinter Popanzen wie “Mauer”, “Besatzung” und “Siedlungen” zu verstecken. Würden die Palästinenser das nämlich tun, anstatt Waffen zu kaufen und Selbstmordattentäter auszubilden, sie hätten ihren Staat schon längst.

Da man an die Palästinenser aber nicht herankommt – vom Iran zu schweigen, der das ganze Theater schließlich subventioniert -, übt man den Druck, den jene nötig hätten, eben auf die Israelis aus – nicht weil das richtig wäre, sondern weil man es kann. Eine klassische Übersprungshandlung. Erinnert ein wenig an den Witz von dem Betrunkenen, der sein Portemonnaie im Lichtkegel der Straßenlaterne sucht, obwohl er weiß, dass er es anderswo verloren hat. Aber anderswo ist es zu dunkel zum Suchen.

Jemand wie Liebermann bietet sich natürlich als Buhmann und Sündenbock an, für die Europäer eh und anscheinend jetzt auch für die Obama-USA. Man hat den Schuldigen ausgemacht und an den Pranger gestellt, und wenn’s dann mit dem Nahostfrieden immer noch nicht klappt, hat man wenigstens was getan, nämlich Druck gemacht.

 

Ödes Multikulti-Bashing

Mitblogger Jens gibt zu Bedenken (und zwar zu Recht):

Dieses ständige Multikulti-bashing hier bei einigen blog-Teilnehmern ist einfach anödend.

Von einigen, die offenbar noch nie Kontakt zu Linken hatte, die nicht Tod Israel und/oder Allah akbar rufen, kann man ja vielleicht nichts anderes erwarten (in welcher Clique wart ihr eigentlich während der Schulzeit?).

Die Bewegung hin zum Multikulturalismus ist entstanden als Antwort auf einen gefühlten (und m.E. durchaus realen) Rassismus in den 80ern. Demgegenüber betonte man die Eigenständigkeit und Werthjaltigkeit anderer Kulturen. Ich bin der Meinung, dass diese Bewegung viel für die Integration und das Selbtwertgefühl der Ausländer hier getan hat. Integration erreicht man nur, wenn man dem anderen auch Respekt gegenüber zeigt.

Dass diese Theorie (besonders in ihrer institutionalisierten Form) mittlerweile teils unerträgliche Blüten treibt, mindert nicht ihren wichtigen Beitrag zu gesellschaftlicher Harmonie (da habe ich mal eine chinesische Wortschöpfung geklaut).

Um es deutlicher zu formulieren: Intelligenter Multikulti bedeutet nicht Schutz vor unangenehmen Rechtsnormen für ausgewählte Minderheiten, sondern vielmehr eine betonung der GleichWERTIGkeit deren Kultur innerhalb des Rechtsrahmens der Bundesrepublik!

Konkret bedeutet dies z.B. dass der Muezzin genauso singen dürfen muss wie die Kirchturmglocke schlägt (oder beide eben nicht), wenn dieser Muezzin aber gleichzeitig zum Selbstmordanschlag aufruft, er gegen deutsches Recht verstösst und bitte schnell verurteilt gehört.

 

Deutschland zwingt den Türken seine Sprache auf?

Ein Leser schreibt (mit Bezug auf diesen Post):

„Herr Lau,

ich habe die türkische Staatsbürgerschaft, ich bin in Deutschland geboren und habe an der Universität Mannheim Betriebswirtschaftslehre studiert. Derzeit promoviere ich an der Universität ODTÜ in Ankara. Ich muss sagen, dass ich über Ihren Artikel sehr enttäuscht bin. Es ist wirklich Schade, dass es in Deutschland immer noch Journalisten gibt, die so subjektiv und vorurteilhaft an ein wichtiges Thema herangehen. Ich fühle ein Hauch von Nationalismus und bin zutiefst erschüttert. Vielleicht sollten Sie sich einen Gedanken darüber machen, was der Unterschied zwischen Einreisebedingung und Aufenthaltsbedingung ist….Ausserdem ist es nur Schade, dass die Deutschkenntnisse aufgezwungen werden. Wäre es Ihres Erachtens nicht für ein Land wie Deutschland passender, wenn man Menschen zu einem Deutschkurs motivieren würde und mehr Unterstützung in diese Richtung stecken würde ??? Es ist nicht zu übersehen, dass viele türkische Bürger in Deutschland sehr wenig deutsch sprehen können, aber es ist auch sichtlich erkennbar, dass bis dato die Politik nie daran interessiert war, die Türken als Bürger anzuerkennen. Sie sollte hier arbeiten und dann wieder gehen, die Rechnung ist aber nicht aufgegangen. Viele Türken sind geblieben und es werden immer mehr, und dieser Kurs ist nichts anderes als ein Mittel um die Einwanderung zu senken. Die Heirat nach Deutschland ist im Jahr 2008 gesunken, weil viele nicht bereit sind, sich eine Sprache aufzwingen zu lassen und die nötigen Finanzen dafür nicht aufbringen lassen können. Ich wäre allerdings auch nicht bereit, die Sprache eines Landes zu lernen, das ich nicht einmal vorher betreten darf.
Zuletzt würde ich Sie gerne etwa fragen. Ist es Ihnen nicht unangenehm, gar peinlich, Kommentaren auf Ihrer Seite Platz zu geben, die nun wirklich an Rassismus grenzen ?“

 

Dazu folgende Anmerkungen: 

Es hat nichts mit Nationalismus zu tun, wenn der deutsche Staat Mindestanforderungen an die Sprachkenntnisse stellt. Es ist ein nicht zu bestreitendes Faktum – und Sie gestehen es ja auch zu -, dass unter Türken in Deutschland sehr wenig Bereitschaft da ist, sich um Sprachkenntnisse zu bemühen. Sprache ist nicht der alleinige Faktor für erfolgreiche Integration, aber sicher ein sehr wichtiger. 

Natürlich geht es auch darum, eine bestimmte Form der Einwanderung zurückzudrängen: das Importieren von Bräuten. Wollen Sie diese Praxis verteidigen? Hat sie der türkischen Gemeinschaft in Deutschland genützt? Eine Schulleiterin in Wedding erzählte mir folgendes: Ihr Lieblingsschüler Erdogan, der es zum Meister mit eigenem Handwerksbetrieb gebracht hatte, stellte ihr seinen Sohn vor. Auch jener sollte auf die Schule gehen, an der der Vater gelernt hatte. Der Junge konnte mit fünf Jahren kaum Deutsch. Die Direktorin fragte ihren Ex-Schüler: Was ist denn hier los, Du warst Doch mein Musterschüler! Und Dein Sohn kann nur radebrechen? Darauf der Angesprochene: Ich möchte Ihnen meine Frau vorstellen. Und er präsentierte eine sehr nette junge Frau, die kein Wort Deutsch konnte.

Die Direktorin sagte mir:  „Und so fangen wir immer wieder von neuem an. Jede Generation ist die erste Generation bei den Türken.“

Darüber sollten Sie sich empören, dagegen sollten Sie etwas tun. Da bahnt sich eine gesellschaftliche Katastrophe an, und Sie haben nicht Besseres zu tun, als beleidigt zu sein. Unfasslich. Deutschland hat Ihnen eine tolle Karriere ermöglicht. Wo ist Ihr Patriotismus? Wo sind Ihre Gefühle für Deutschland?

Sorry für den erregten Ton, aber manchmal reicht’s einfach.

Grüße ins schöne Ankara, Jörg Lau

 

Obamas Rede an Iran – ein Fehler?

„Weblog Sicherheitspolitik“ meint:
„Die Rede war vermutlich kontraproduktiv. Sie mag für westliche Zielgruppen sehr positiv erscheinen, weil sie das eigene Bedürfnis bedient, zur “guten”, toleranten, nicht-konfrontativen und verhandlungsbereiten Seite zu gehören. Politisch hat die Rede aber wohl eher Schaden angerichtet:

– Die Hardliner im Iran können der Bevölkerung nun erklären, dass sie die USA mit ihrer Strategie in die Knie gezwungen haben. Konzessionsorientierten Kräften wird man vorhalten, dass diese iranischen Interessen geschadet hätten. Obama hat die Hardliner gestärkt. Man schwächt Hardliner nur, indem man ihnen Erfolge verweigert.
– Die iranische Führung muß nun davon ausgehen, dass sie von amerikanischer Seite keine ernsthaften Maßnahmen gegen ihr Atomwaffenprogramm mehr zu befürchten hat. Warum sollte sie darauf verzichten? Weil Obama so lieb ist?
– Der Iran wird also mittelfristig über Atomwaffen verfügen. Danach wird die iranische Führung dafür sorgen, dass diese Investition sich lohnt: Eine aggressivere Politik am Persischen Golf, neue Bündnisse mit den Golfstaaten, Ende der amerikanischen Präsenz, iranische Hegemonie über den Golf, iranische Kontrolle des Ölpreises. Wieder werden die Hardliner erklären können, dass ihre Politik das beste für den Iran bewirkt hat. Und was werden die gestärkten Hardliner, ausgestattet mit Atomwaffen und Kontrolle über den Ölpreis, als nächstes unternehmen?“
Mehr hier.

 

Sertaps Kopftuch

Mitblogger „Peer“ schreibt mir:

Stellen Sie sich doch mal, jeder für sich, die Frage:
Wo wollen wir hin?
Wie soll unsere deutsche Gesellschaft aussehen, von welchen Vorstellungen soll sie geprägt sein?

Meine ganz konkrete Antwort lautet:
Ich möchte, dass in meinem Heimatland _kein_ junges Mädchen, egal welcher Nationalität, vor mir steht und mir sagt:
“Ich glaube zwar immer schon an Allah und bete und faste wie vorgeschrieben – aber ich trage mein Kopftuch ja erst seitdem ich 15 bin, weil ich es vorher so häßlich fand. Und jetzt habe ich Angst, dass Allah mir nicht vergeben wird und ich deswegen in die Hölle komme.”

Wo ich diesen Satz her habe?

Das sagte mir Sertap, unsere 16jährige Babysitterin, vor ein paar Monaten während einer Unterhaltung.
Sie kommt aus einer arbeitsamen türkischen Mittelstandsfamilie, geht aufs Gymnasium und nimmt nun seit einem Jahr an einem privaten Islamunterricht teil. Inzwischen hat sich auch ihr Berufswunsch von “Studium und Rechtsanwältin” auf “Ehefrau und Mutter, weil das gottgefällig ist” geändert.
Und vor kurzem informierte sie uns, wir müssten uns eine neue Babysitterin suchen, da es unsittlich für sie als Muslima ist, allein in einer fremden Wohnung zu sein, wo vielleicht auch ein Mann (mein Partner) anwesend sein könnte.
Unsere Kinder lieben Sertap, sie passt inzwischen seit 3 Jahren immer wieder auf die Kleinen auf und nun sowas.

Ich muss mitansehen, wie ein fröhliches, leistungsstarkes, liebenswertes Mädchen zu einer ängstlichen, zurückgezogenen, traurigen jungen Frau wird.
Übrigens ist sie nicht die einzige, die diese schreckliche Verwandlung durchgemacht hat – alle ihre Freundinnen, die mit ihr den privaten Islamunterricht besuchen, tragen inzwischen Kopftuch und lange Kleidung. Keine von ihnen ist mehr wie früher im Sportverein, beim Ballett oder beim Reiten zu finden.
Alles im Namen von Religion, Sitte und Anstand? Alles “nicht so schlimm”? Alles Ausdruck von guten Traditionen?
Ich bin fassungslos