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Türkische Zeitung über Joerg Lau Blog: „Welch eine Gedankenlosigkeit!“

Und hier endlich die Übersetzung des Aufmachers der Sabah von letzten Freitag, der auf dieses Blog reagiert:

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Fotozeile (im Foto): Nachdem SABAH über die Kursteilnehmer in Ankara berichtet hatte, hat der Kolumnist Jörg Lau in den deutschen Zeitungen kommentiert: „Die Türken würden das Gesetz sehr lieben“.

Laut dem deutschen Kolumnisten stürmen sie die Deutschkurse

Welch eine Gedankenlosigkeit!
Der deutsche Kolumnist Jörg Lau hat die Nachrichten, die in der Türkischen Presse über die Bräute und Bräutigame erschienen sind, die wegen der Familienzusammenführung Deutsch-Kurse in der Türkei besuchen, verzerrt. Lau, der die Sprach-Kurs-Bedingung des Zuwanderungsgesetzes als großen Erfolg bezeichnet hat, behauptet: „Wir sehen, dass die Türken sehr zufrieden mit diesem Gesetz sind“.

Der deutsche Kolumnist Jörg Lau hat in seinem Artikel die Nachricht über die obligatorische Teilnahme an den Sprach-Kursen in der Türkei für diejenigen, die über den Weg der Familienzusammenführung nach Deutschland kommen wollen, thematisiert. Lau, der die in SABAH erschienenen Interviews als Beispiel aufgreift, behauptet, dass die Türken das neue Zuwanderungsgesetz – entgegen der Auffassung der Migrantenvereine und -organisationen in Deutschland – lieben. Der Kolumnist hat in seinem Artikel folgende Sichtweise dargestellt: „Als vor kurzer Zeit das neue Zuwanderungsgesetz beschlossen wurde, gemäß dem Sprachkurse bereits in der Türkei obligatorisch sind, war das Geschrei bei den türkischen Vereinen groß, sie sprachen von Diskriminierung und versuchten, den Integrationsgipfel platzen zu lassen. Dagegen sehen wir, dass die Türken sehr zufrieden mit diesem Gesetz sind.“

Ihr habt ein Geschrei veranstaltet

Der Kolumnist schreibt über ein Gesetz, das wegen seiner diskriminierenden Artikel kritisiert wird und das man versucht, in ganz Europa zu verbreiten, dass die Türken in Deutschland „gedroht hätten, es vor das Verfassungsgericht zu bringen“, kommentiert aber die Deutsch-Kurse in der Türkei als Erfolg. In seinem Artikel schreibt Lau, „was war das nur für ein Geschrei“, als ob er sich über die türkischen Vereine und Organisationen sowie über die Politiker mit Migrationshintergrund, die gegen den Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin Merkel protestiert haben, lustig machen will. Lau, der bei Zeitungen wie TAZ, Merkur, Die Zeit als Kolumnist und Journalist tätig ist, hat aus den Augen verloren, dass das Gesetz aus einem Thema, das Deutschland betrifft, ein türkisches Problem macht, und dass die Kosten der Kurse und der Integration den Menschen in der Türkei und den Migranten aufgehalst werden. Auffällig ist, dass Lau die Pflicht Deutsch zu lernen, der die Bräute und Bräutigame unterliegen und die ihre Möglichkeiten arg strapaziert, als „Deutsch- und Zuwanderungsgesetz-Liebe“ bezeichnet.
Mesut HASTÜRK / BERLIN

KOMMENTAR

Ein Journalist, der in Zeitungen wie TAZ, Merkur, Die Zeit schreibt, verteidigt nicht nur ein Gesetz, das die universalen Menschenrechte in eine mittelalterliche Diskriminierung transformiert, er verachtet gleichzeitig die Bemühungen seiner türkischen Kollegen, der türkischstämmigen Schriftsteller und Politiker in Deutschland. Der Kolumnist, der – wie man merkt – den in Sabah zitierten Satz der kursteilnehmenden Türken, „Es ist ungerecht, aber das werden wir auch überwinden„, nicht wirklich begriffen hat, versucht, die gutwilligen Bemühungen derjenigen, die die Ungerechtigkeit überwinden wollen, gegen die hiesige türkische Gemeinschaft auszuspielen. Dieses Verhalten nennt man auf Türkisch „aymazlik“, ein Begriff, der so im Deutschen nicht existiert.

Anmerkungen des Übersetzers: aymazlik findet man im Standard-Wörterbuch Türkisch-Deutsch von Steuerwald nicht mit einer 1:1Übersetzung, sondern nur mit Verweisen.Der Sabah – Kommentator wollte wahrscheinlich die deutsche Entsprechung für „aymazlik“ an das Ende seines Kommentars setzen, da er aber in seinem Wörterbuch nicht fündig wurde, schreibt er nun: „ein Begriff, der so im Deutschen nicht existiert“.
Allerdings lässt sich „Aymazlik“ sehr wohl ins Deutsche übersetzen – siehe Überschrift:
Gedankenlosigkeit, oder auch: Sorglosigkeit, Unachtsamkeit – es kann aber auch als Dummheit, Dusseligkeit, Leichtsinnigkeit oder Dämlichkeit übersetzt werden.

 

Ülkücülük – oder: Wer bei DITIB so alles willkommen ist

DITIB erklärt zu dem Vorschlag Wallraffs, aus den Satanischen Versen von Salman Rushdie auf dem Gelände der DITIB-Moschee zu lesen und zu diskutieren: „Geschäftsführung, Dialogabteilung und Vorstand sind sich einig gewesen, dass eine solche Veranstaltung nicht für die Integration der Muslime in Deutschland förderlich wäre.“

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„Alparslan“ Türkes, Führer der türkischen Rechtsextremisten


Die Gremien der DITIB müssen sich dann aber auch die Frage gefallen lassen, ob es für die Integration förderlich ist, wenn die größte DITIB Moschee Berlins, die Sehitlik Moschee, am 8.4.2007 den türkischen Rechtsextremen (Graue Wölfe) überlassen wird, damit diese in der Moschee ihre Gedenkfeier (Anma Gecesi) für ihren am 4.4.1997 verstorbenen Führer, den Oberwolf Alparslan Türkes, veranstalten können.

So ist es geschehen. Und es wäre auch eine kleine Debatte wert gewesen.

 

Türken lieben neues Zuwanderungsrecht

Was war das nur für ein Geschrei, als vor wenigen Wochen das neue Zuwanderunsgrecht beschlossen wurde, gemäß dem Sprachkurse bereits in der Türkei obligatorisch sind! Von Diskriminierung sprachen die türkischen Verbände, allen voran die säkulare Türkische Gemeinde. Den Integrationsgipfel wollten sie platzen lassen. Den Bundespräsidenten riefen sie an, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. Mit dem Verfassungsgericht wurde gedroht, die Einladung ins Kanzleramt ausgeschlagen.

Und nun das: Die neuen Sprach-Kurse sind in der Türkei ein Renner. Sie werden, wie die türkischen Zeitungen berichten, von der Bevölkerung sehr gut angenommen.

HÜRRIYET, SABAH und MILLIYET berichten heute über den großen Zuspruch, den die neuen Sprachkurse zur Erlangung eines Visums für Deutschland finden.

Der mit dem reformierten deutschen Zuwanderungsrecht obligatorische Sprachkurs für nachziehende Ehegatten habe sich seit seiner Einführung im August durchgesetzt, so die Zeitungen. Insbesondere in den beiden größten Städten des Landes, Istanbul und Ankara, aber auch in den Städten, die aufgrund der Migration eine große Verbindung zu Deutschland haben, wie Kayseri, Yozgat und Konya, werden immer mehr Sprachkurse eröffnet.

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Kursteilnehmer äußern sich in der SABAH positiv: „Somit erhalte ich die Möglichkeit, zusätzlich eine Sprache zu lernen“, so eine junge Frau, die erst kürzlich einen in Deutschland lebenden Türken geheiratet hat.

Tja, es kann eben vorkommen, dass die Repräsentierten schlauer sind als ihre Repräsentanten.

 

Coole Kopftücher

Der Burkini war nur der Anfang: Die Halal-Pop-Designer-Welle geht weiter, wie die Ausgabe des Magazins MSLM für die modebewußte Muslima zeigt:

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Hier ein paar Auszüge aus dem Modeshooting für die erste Ausgabe:
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Und dies ist das neue Sport-Hidschab-Modell des kanadischen Herstellers „Queendom“, besonders für den Sport geeignet wegen der Mischung aus Baumwolle und Polyester und der eingebauten Ponytail-Tasche:
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Die Muslime und der dekadente Westen

Morgen erscheint in der Wochenendausgabe der taz (magazin) ein umfangreicher Text von mir, der durch die abgewendeten Terroranschläge zusätzliche Aktualität bekommt. Auszug:

Die Urszene der modernen islamischen Kritik am Westen spielt in einer Kirche im Mittleren Westen, genauer gesagt in Greeley, Colorado. Ein ägytischer Beamter namens Sayyid Qutb war vom Bildungsministerium Ende 1948 ans dortige State College geschickt worden, um das amerikanische Bildungswesen zu studieren. In seinen Briefen und Artikeln beschrieb er die amerikanische Kleinstadtgesellschaft. Eine bis heute in der islamischen Welt berühmte Episode betrifft ein Tanzvergnügen in einer der zahlreichen Kirchen von Greeley.

Nach dem Abendgottesdienst, so Qutb, dreht der Pastor die Lichter im Pfarrheim herunter und legt eine Aufnahme von „Baby, it’s cold outside“ auf, um auch die letzten Mauerblümchen auf die die Tanzdiele zu locken: „Der Tanzsaal bebte zu den Tönen des Grammophons und war voller sich verführerisch verschlingender Beine“, schrieb Qutb. „Arme umfassten Hüften, Lippen trafen auf Lippen, Brust schmiegte sich an Brust, und die Atmosphäre war voller Leidenschaft.“

Greeley mit seinen getrimmten Vorgärten erscheint bei Qutb zwar als „so schön, dass man denken könnte, man sei im Paradies“. Metaphysisch aber sind die Mittelwestler obdachlos: „Das wichtigste für diese Leute ist die Gartenpflege, die sie betreiben wie ein Händler seinen Laden in Ordnung hält oder ein Fabrikbesitzer seine Fabrik. Es steckt kein Schönheitssinn oder künstlerischer Geschmack hinter dieser Aktivität. Es ist die Maschinerie der Organisation und des Ordnens, aller Spiritualität und aller ästhetischen Freuden beraubt.“ Ein andermal schreibt er: „Überall wird gelächelt und überall gibt es fun, und an jeder Ecke Umarmungen und Küsschen. Doch niemals sieht man echte Zufriedenheit auf den Gesichtern.“

In einem Ton, der nicht von ungefähr an die zeitgleich entstehenden Beobachtungen eines anderen unglücklichen Intellektuellen erinnert – Adornos „Minima Moralia“ -, zeichnet Qutb Amerika als zugleich enthemmt und freudlos, materiell reich und innerlich verarmt, aufgewühlt und geistig flach, demokratisch und doch konformistisch. Qutb, der 1966 von Nasser hingerichtet wurde, war einer der einflussreichsten Intellektuellen des letzten Jahrhunderts. Nach seiner Rückkehr wurde er zum Chefideologen der Muslimbruderschaft. Sein Werk „Meilensteine“ wurde das Manifest des Islamismus, in dem der Kampf gegen den Westen und seinen Einfluss in der islamischen Welt beschworen wird. Bis heute muss es jeder junge Dschihadist mit geistigem Anspruch lesen. Und weil Qutbs Bild des Westens maßgeblich in Colorado geformt wurde, ist es nicht nur ein Bonmot, von Al-Kaidas Wurzeln in Greeley zu sprechen. Qutb war ein Besucher auf Zeit, der nur sechs Monate blieb und nie wieder eine Fuß auf westlichen Boden setzte. Das Bild des dekadenten Westens hat heute auch unter jenen Zuspruch, die längst keine Gäste mehr sind und doch Fremde bleiben.

Zu Beginn dieses Jahres wurden die Ergebnisse einer ersten umfassenden Umfrage unter britischen Muslimen bekannt. Sie zeigen eine tiefe Ambivalenz gegenüber dem Westen, die sich durch moralisierende Kulturkritik Luft verschafft. Die jungen Muslime haben den Eindruck, in einem dekadenten Land zu leben, dessen Freiheiten einen zu hohen Preis fordern und dessen Sitten zusehends verfallen. Wohlgemerkt: Nicht die Älteren beklagen hier wie üblich die Dekadenz der Gesellschaft im Licht einer intakten Vorzeit. Es sind die Jungen, die die Gegenwart verwünschen.

Das ist etwas Neues in der Geschichte der Migration: Statt den Traum der Eltern von Aufstieg und Anerkennung umzusetzen, wendet sich die zweite und dritte Generation moralisch indigniert von der Mehrheit ab und kultiviert Überlegenheitsgefühle. Statt den Kampf um Anerkennung mit der etablierten Mehrheit auf zunehmen, entziehen sie der Mehrheitsgesellschaft ihrerseits die Anerkennung im Zeichen religiöser Gegenidentitäten. Wie sollen die europäischen Gesellschaften damit umgehen, dass ein erheblicher – und wachsender – Teil der Einwanderer und ihrer Nachkommen sie als dekadent ablehnt und das Heil darin sieht, sich
von ihnen abzukapseln? Dies trifft nicht nur die britische Gesellschaft ins Mark und führt europaweit zu Ressentiments gegenüber islamischen Einwanderern.

Es ist kaum noch zu vermitteln, dass der islamische Fremde am Beginn der Moderne eine positiv besetzte Figur war. Am Anfang der europäischen Kulturkritik stand die Selbstrelativierung durch den Muslim.
Montesquieus „Persische Briefe“ begründen ein Muster westlicher Selbstkritik….

Morgen mehr an einem Kiosk Ihres Vertrauens. (Und später dann auch hier an dieser Stelle.)

 

Neue Pläne für die Kölner Moschee

Die geplante Kölner Moschee soll jetzt andere Minarette und eine neue Kuppelgestalt bekommen. Der Architekt der in Ehrenfeld entstehenden Moschee, der Kirchenbaumeister Paul Böhm, gab dies gestern zusammen mit dem Bauherrn – der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) – bekannt.

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Die neuen Minarette sehen weniger türkisch aus. Böhm vermeidet die typische Spitze mit der umlaufenden Galerie (von der früher der Muezzin rief). Statt dessen setzt er jetzt auf zwei halbrunde, abstrakte Türme, die sich nach oben auf eine asymmetrische, fast pflanzenhafte Weise zuspitzen. Die Kuppel über dem Gebetsraum hat zwar weiterhin Anklänge an die Weltkugel, wie schon im ersten Entwurf. Aber sie besteht jetzt aus einer losen, transparenten Konstruktion aus Schalenelementen. Auch hier sind Abstraktion und Auflösung der klassischen Moschee-Stilsprache die Tendenz.

Man kann dies als Zugeständnis an die Welle der Kritik lesen, mit der die Kölner Moscheebauer in den letzten Wochen konfrontiert wurden. Das Gebäude nimmt die traditionalistische religiöse Symbolik ein wenig zurück. Es ist nicht mehr so sehr „ein Stück Türkei in Deutschland“, sondern ein Vorbote des „deutschen Islam“, den der Innenminister fordert. Es zeigt Willen zur Modernität, zur Offenheit und Transparenz, ohne sich dabei unkenntlich zu machen.

Ob so das Gift aus der Kölner Debatte, die längst eine nationale geworden ist, genommen werden kann? Bei der Höhe der Minarette – 55 Meter – und der Kuppel – 34,5 Meter – machen Böhm und Ditib keine Kompromisse.

Damit stellen sie sich gegen einen Antrag der Kölner CDU, die jüngst auf einem Parteitag die Reduktion der Minarette gefordert hatte. Das ist richtig so: Die Union hat keinen Grund, die Minaretthöhe zu kritisieren – außer den, dass sie irgendeinen symbolischen Sieg über die Ditib braucht, um ihren rechten Rand einzubinden. Der Kampf um die Minarette ist eine lachhafte Stellvertreterdebatte.

Weder ästhetisch noch städtebaulich gibt es ernsthafte Argumente gegen die Minarette. Sie werden von mehreren Gebäuden im Viertel überragt, darunter das Uni-Hochhaus und der Fernsehturm mit 234 Metern.

Der neue Entwurf hat eine interessante Pointe: Im Gegenwind einer oftmals ängstlichen und ressentimentgeladenen Kritik verabschiedet die Ditib sich – jedenfalls was die Formensprache angeht – immer mehr von einem altmodischen und hergebrachten Islambild. Die von ihr geplante Moschee läuft dem theologisch eher konservativen Islam, der in ihr gepredigt und gelebt werden wird, ästhetisch meilenweit voraus. Das spricht dafür, dass unsere Konflikte um die Integration des Islam in Deutschland, so häßlich sie manchmal sein mögen, auch eine modernisierende Wirkung haben können.

Die Ehrenfelder Moschee wird gebaut werden, vielleicht mit weiteren Modifikationen. Der Bauherr sollte aber nicht denken, dass die Sache zuende ist, wenn man endlich das lästige Planungsverfahren hinter sich hat.

Wenn diese Moschee gebaut wird, warten noch viele weitere Herausforderungen auf Ditib: Es ist natürlich nicht damit getan, einen Bau mit transparenter Symbolik hinzusetzen, wenn die Organisation selbst nach alles andere als durchschaubar ist. Ditib, heute noch der lange Arm des Religionsministeriums in Ankara, muss sich langfristig von der Türkei lösen und sich auf eigene Beine stellen. Sonst wird es nie eine Akzeptanz in Deutschland geben.

Wer mit einer Moschee wie dieser den Anspruch erhebt, hier dazuzugehören, muss dies auch durch Bildungsarbeit, durch offene Debatten und durch Gastfreundschaft gegenüber der nichtmuslimische Bevölkerung im umliegenden Viertel beweisen.

 

Scheitert der Integrationsgipfel?

Berlin
Vor einem Jahr wollten alle mit aufs Foto: Die Bundeskanzlerin hatte zum ersten In­te­gra­tions­gip­fel ins Kanzleramt geladen. Ein anderes, bunteres Deutschland präsentierte sich da. An diesem Donnerstag tagt der zweite Gipfel, bei dem das Ergebnis eines Jahres voller Diskussionen präsentiert wird – der erste Nationale Integrationsplan der Bundesrepublik, gemeinsam erarbeitet von Bund, Ländern, Kommunen und Migranten.
Doch diesmal drängen sich die Sprecher der größten Einwanderergruppe – der Türken – nicht mit Angela Merkel aufs Bild. Die säkulare Türkische Gemeinde (TGD) und der Moscheeverband Ditib haben die alte Kampfrhetorik wieder ausgepackt und beklagen »Ausgrenzung« und »Diskriminierung«. Sie drohen der Kanzlerin mit Boykott, und sie appellieren an den Bundespräsidenten: Köhler soll das neue Zuwanderungsgesetz nicht unterschreiben, das soeben den Bundesrat passiert hat. Wenn die Regierung sich nicht bereit zeige, die Verschärfungen beim Ehegattennachzug, bei den Integrationskursen und beim Staatsangehörigkeitsrecht zurückzunehmen, werde man nicht mehr am Gipfel teilnehmen.
Wer glaubt, am Ende eines langjährigen Gesetzgebungsverfahrens mit intensiver öffentlicher Debatte würde der Präsident oder die Kanzlerin eine demokratische Mehrheitsentscheidung revidieren, weil eine Minderheit sich übergangen fühlt, hat wohl noch zu lernen, wie die Dinge hierzulande laufen. Auf eine Einladung der Kanzlerin mit einem Erpressungsversuch zu reagieren ist aber vor allem eines: ziemlich ungeschickt.
Nicht nur, weil Angela Merkel schon ein ganzes Jagdzimmer voll mit ausgestopften Ministerpräsidenten hat, die das Gleiche versucht haben. Es macht sich einfach nicht gut, wenn eine Gruppe, der man seit Jahren Integrationsdefizite vorhält, mit weiterer Integrationsverweigerung droht. Das unausgesprochene Ultimatum der türkischen Verbände an die Bundesregierung lautet: Nur wenn ihr die Regulierung der Zuwanderung zurücknehmt, machen wir bei der Integration mit. Beim Publikum kommt das so an: Die Möglichkeit, weiter 16-jährige Bräute ohne Deutschkenntnisse hierher zu holen, interessiert uns mehr als euer Dialog. Wer solche Sprecher hat, braucht keine Feinde mehr.
Steht der Gipfel – und damit der ganze Ansatz eines neuen deutschen Modells der Integrationspolitik vor dem Scheitern? Keineswegs. Im Gegenteil, die türkischen Verbände haben mit ihrer Krawallaktion unfreiwillig den Beweis dafür geliefert, dass der Gipfelprozess schon wirkt. Er ist keine harmlose Symbolpolitik, wie Kritiker glauben. Der Gipfel hat die abgegriffenen Konsensvokabeln »Integration« und »Dialog« entharmlost. Es geht um den Kern des Integrationsproblems – die Frage, wie Deutschland sich zu den Migranten und die Migranten sich zu Deutschland stellen.
Die riskante Wette, die die Bundesregierung mit ihrer neuen Politik eingegangen ist, lautet: durch wechselseitige Lebenslügen-Abrüstung zu einem neuen Wir. Wir Alteingesessenen hören auf zu leugnen, dass dieses Land ein Einwanderungsland ist, und ihr Neuen begreift euch als selbstverantwortliche Bürger, die etwas beizutragen haben.
Die türkischen Verbände sind damit offenbar überfordert. Auf die Einladung, Partner auf Augenhöhe zu werden, reagieren sie mit panischer Flucht in die Opferrolle. Ihre Kritik am Zuwanderungsgesetz dekonstruiert sich von selbst. Sie behaupten, Sprachkenntnisse wichtig zu nehmen, prangern aber verpflichtende Deutschkurse für türkische Bräute im Herkunftsland als unzumutbare »Hürde« an. Sie sprechen sich gegen Zwangsehen aus, sehen aber die Erhöhung des Zuzugsalters von 16 auf 18 als Beleidigung des Türkentums. Die türkische Feministin Seyran Ateş nennt dies »Kulturchauvinismus«: Die Wahrung der türkischen Identität sei wichtiger als Integrationserfolg und Frauenrechte.
Die Bundesregierung tut gut daran, ihre Wut über die türkische Rückschrittlichkeit herunterzuschlucken und einfach weiterzumachen, zur Not auch ohne Ditib und TGD. Die Kritik an diesen Verbänden wird auch in Migrantenkreisen immer lauter. Die Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer etwa ignoriert den Boykott und kommt zum Gipfel. Und der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Ayman Mazyek, äußert zwar Verständnis für die Kritik am Zuwanderungsgesetz, findet aber, sie »sollte beim Gipfel selbst zur Sprache kommen«.
Der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer (CDU), die beim Nationalen Integrationsplan die Feder führt, haben die türkischen Boykotteure auf den zweiten Blick einen Gefallen getan. Ihr Gipfel stand im Verdacht, eine unverbindliche Wohlfühlveranstaltung zu sein – im Schatten der interessanteren Islamkonferenz Wolfgang Schäubles, der gern beide Register spielt, den sanften Identitätsmodernisierer wie den sicherheitspolitischen Doktor Eisenbart.
Das war ungerecht, wie sich jetzt zeigt. Böhmer hat auf ihre freundlich-verbindliche Weise die Funktion der Integrationsbeauftragten verändert. Sie verstehe sich nicht wie ihre Vorgänger als »Anwältin der Mi­gran­ten«, wird ihr nun von Lobbygruppen vorgeworfen. Dabei ist das eine gute Nachricht. Die Idee, Migranten brauchten eine Anwältin im Kanzleramt ist Teil des falschen Denkens, das endlich durchbrochen wird. Die Kehrseite des alten Schemas war, dass der Innenminister die Anregungen der Anwältin genervt in der Gedöns-Ablage versenkte. Damit ist Schluss. Zuwanderer sind, auch wenn ihre Sprecher versäumen, dies he­raus­zu­stel­len, oft mutige, risikofreudige Menschen. Sie brauchen keine Bemutterung, sondern müssen angesprochen werden als fürs eigene Leben Verantwortliche. In­te­gra­tion ist für Maria Böhmer nichts, was der deutsche Staat mit den Zuwanderern und ihren Nachkommen macht. Sie müssen es zu allererst selbst wollen. Die deutsche Gesellschaft muss dafür Chancengleichheit bieten.
Böhmers Nationaler Integrationsplan setzt vor allem auf Selbstverpflichtung. Erstmals hat sich eine ganz große Koalition in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik auf einen Maßnahmenkatalog geeinigt. Die ausländische Wirtschaft will 10 000 Ausbildungsplätze schaffen. Auch ARD, ZDF und die Privaten werden junge Migranten zum Zug kommen lassen. Der Bund wird vermehrt Zuwanderer in seiner Verwaltung beschäftigen. Die deutsche Industrie bekennt sich zur ethnischen Vielfalt als Einstellungskriterium. Die türkischen Eltern- und Lehrervereine starten eine Bildungsoffensive, um Eltern an die Schulen heranzuführen. Die Länder werden die frühkindliche Bildung von Migranten verbessern und flächendeckend frühe Deutschtests einführen. Die Sportverbände werden Zuwanderer vermehrt als Trainer ausbilden. Der Bund wird die Länge der Integrationskurse von 600 auf 900 Stunden aufstocken und ausdifferenzieren, mit Kinderbetreuung und Frauenkursen.
Sind die Selbstverpflichtungen nur wohlfeile Versprechungen, wie manche Kritiker sagen? Dafür lastet zu viel Druck auf dem Thema. Die Große Koalition kann sich ein Scheitern ihres ehrgeizigsten gesellschaftspolitischen Projekts nicht leisten. Über den Machtspielchen der vergangenen Woche sollte man nicht vergessen, warum der Integrationsgipfel in Angriff genommen wurde: Die Regierung war kaum im Amt, da brannten die Banlieues in Frankreich, es krachte auch in der Rütli- und der Hoover-Schule in Berlin. Die homegrown terrorists in England wurden von der Großen Koalition als Menetekel gesehen.
Der Integrationsgipfel war die richtige Reak­tion auf diese Schockwelle. Mit dem Bund ist ein neuer Spieler in der Integra­tionspolitik aufgetaucht, der auch dort viel bewegen kann, wo er nicht zuständig ist: Er bringt die Beteiligten in Zugzwang. Die Länder müssen nun zeigen, wer die besten Konzepte in der Bildungspolitik hat. Die Kommunen wetteifern um kreative Ideen gegen Ghettobildung und Jugendgewalt. Und die Mi­gran­ten stehen, überfordert und geschmeichelt zugleich, vor der guten alten Kennedy-Frage, was sie für ihr Land tun können.
Der Streit geht weiter, die Integration kommt voran.

p.s. Heute in den türkischen Zeitungen:
Der Boykottaufruf vier großer türkischer Verbände gegen den Integrationsgipfel ist heute erneut Top-Thema unter den in Deutschland erscheinenden türkischen Zeitungen. „Türkisches Ultimatum an Merkel“, heißt der Aufmacher der HÜRRIYET, der in der Unterzeile „den ehrenhaften Widerstand in Deutschland lebender Türken“ lobt. Ähnlich drastisch die angeblich liberale MILLIYET, die in ihrem Aufmacher „Berlin in Schutt und Asche“ sieht, weil das Ultimatum „in Berlin wie eine Bombe eingeschlagen“ habe. Etwas unaufgeregter die übrigen Zeitungen: „Ermahnung an Merkel vor dem Gipfel“, titelt die ZAMAN, einen „Aufruf an Merkel“ erkennt die TÜRKIYE und die SABAH wieder etwas schärfer „die letzte Warnung“.
Schutt und Asche? Was denken sich die lieben türkischen Kollegen eigentlich? Glauben die, das kriegt ja eh kein Deutscher mit? Kann der Presserat da mal was machen?

 

Das „Forum am Freitag“ im ZDF ist da

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Die vom ZDF angekündigte freitägliche Online-Sendung zum Islam ist ab heute abrufbar. Anders als beim „Islamischen Wort“ des SWR, wo eine Art Predigt im Stil des Wort zum Sonntag produziert wird, stellt das ZDF die Information über den Islam in den Mittelpunkt.
Heldin der ersten Produktion ist die Islamkunde-Lehrerin Lamya Kaddor. Die 1978 in Ahlen geborene Kaddor ist studierte Islamwissenschaftlerin. Sie ist Assistentin an der Uni Münster und promoviert über ein islamologisches Thema.
Ein 10-minütiges Interview mit ihr handelt von den Schwierigkeiten und Hoffnungen einer Lehrerin, die mit Vorbehalten der Mehrheitsgesellschaft und dem Unwissen der muslimischen Minderheit zu kämpfen hat. Kaddor macht einen sehr guten Punkt in dem Interview, wenn sie auf die schlechten Kenntnisse muslimischer Kinder über ihre Religion hinweist. Ihr haben sich die Haare gesträubt angesichts der Dinge, die ihre Schüler mit dem Islam und dem Koran begründen wollen.
Kaddor äußert sich sehr selbstbewußt zu Fragen wie dem Kopftuch (keine religiöse Erfordernis) und Ehrenmorden (keine Rechtfertigung im Islam). Manche der Eltern haben Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass eine junge Frau ohne Kopftuch die Islamlehrerin sein soll. Für die Schüler, sagt sie, ist sie zu einer Vertrauensperson geworden.
Sie spricht auch darüber, wie schwierig es nach dem 11. September geworden sei, als Muslima mit dem Animus der Mehrheit umzugehen. Mir scheint, die Weise, in der diese Frau ihren Glauben lebt und lehrt, ist ein Zeichen dafür, dass es trotzdem gelingen kann.
Ausserdem auf der Website: Ein Porträt von Bekir Alboga, sehr wohlwollend, aber auch informativ.
Was stört: Das Ganze ist ein bißchen zu konsensorientiert und betulich. Das ist angesichts der Feindseligkeit, mit der manche ZDF-Kunden auf die bloße Ankündigung reagiert haben, mehr als verständlich.
Wenn die Sache sich etabliert hat, wird man ein bißchen das Tempo anziehen müssen.
Das ZDF hat einen guten Anfang gemacht. Ich bin auf weitere Sendungen gespannt.